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Mindestlohngesetz: Auswirkungen auf die Ausschlussfrist im Arbeitsvertrag

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Die Wirksamkeit von Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen ist vor dem Hintergrund des MiLoG zu einem Thema geworden, das die Arbeitsgerichte intensiv beschäftigt. Allein in den letzten Monaten sind zahlreiche Entscheidungen hierzu ergangen.

Ausgangspunkt ist § 3 Satz 1 MiLoG:

Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam.

Wird in einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist der Anspruch auf den Mindestlohn nicht ausdrücklich ausgenommen, ist diese nach dem Gesetzeswortlaut „insoweit unwirksam″. Damit drängen sich insbesondere folgende Fragen auf:

  • Gilt diese Regelung auch für Arbeitsverhältnisse, in denen eine Vergütung oberhalb der durch das MiLoG festgeschriebenen Beträge erfolgt?
  • Gilt die Unwirksamkeit auch für Verträge, die vor dem Inkrafttreten des MiLoG abgeschlossen wurden?
  • Ist die Ausschlussfrist insgesamt unwirksam oder nur in Bezug auf den Mindestlohn?
  • Gilt diese Vorschrift nur für vertragliche oder auch für tarifliche Ausschlussfristen?

Ausschlussfrist: Geltung auch für Arbeitsverhältnisse außerhalb des Mindestlohnbereichs

Zunächst gehen alle Gerichte einheitlich und ohne weitere Begründung davon aus, dass § 3 Satz 1 MiLoGauch für Arbeitsverhältnisse gilt, in denen eine Vergütung oberhalb der durch das MiLoG festgeschriebenen Beträge erfolgt. Damit sind alle Verträge betroffen.

In Frage steht jedoch die Rechtslage bei Verträgen, die vor bzw. nach Inkrafttreten des MiLoG geschlossen wurden sowie die Reichweite einer etwaigen Unwirksamkeit. Zu diesen Fragen gibt es bislang noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung. Die Urteile der Landesarbeitsgerichte sind im Ergebnis jedenfalls sehr ähnlich. Abweichungen finden sich letztlich nur in den Begründungen.

Überblick der Rechtsprechung zur arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist

Das LAG Hamburg (Urteil vom 20. Februar 2018 – 4 Sa 69/17) differenziert hinsichtlich der Wirksamkeit der Vereinbarung von arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen zwischen der Zeit vor und nach dem Inkrafttreten des MiLoG am 16. August 2014. Zu entscheiden hatten die Richter über einen Vertrag, der im Jahr 2016 geschlossen worden war.

Vor Inkrafttreten in Arbeitsverträgen vereinbarte Ausschlussfristen seien nicht vollständig unwirksam, weil § 3 Satz 1 MiLoGdie Unwirksamkeit von Ausschlussfristen nur „insoweit“ anordne. Diese Rechtsfolge reiche nicht weiter, als dies zum Schutz des Mindestlohnanspruchs erforderlich sei. Demgegenüber verstoßen Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen, die nachdiesem Zeitpunkt abgeschlossen bzw. geändert wurden, nach Ansicht der Richter gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn sie den Anspruch auf den Mindestlohn nicht ausdrücklich ausnehmen. Denn solche Ausschlussklauseln bildeten die Rechtslage nach Inkrafttreten des MiLoG nicht mehr zutreffend ab und seien damit nicht klar und verständlich. Vor diesem Hintergrund komme eine geltungserhaltende Reduktion der vereinbarten Ausschlussklausel nicht in Betracht; die Klauseln seien damit gänzlich unwirksam.

Das LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 6. April 2018 – 11 Sa 40/17) hatte über einen Altvertrag aus der Zeit vor Inkrafttreten des MiLoG zu entscheiden. Das Gericht argumentierte, dass der Ausschluss des Mindestlohns von der Verfallfrist dort noch gar nicht hätte geregelt werden können. Die Verfallsklausel werde deswegen nun auch nicht nachträglich insgesamt intransparent. Andernfalls müssten sämtliche alten Arbeitsverträge angepasst werden. Die Richter beschränkten im Ergebnis die Unwirksamkeit der Klausel auf Ansprüche aus dem MiLoG. Gegen diese Entscheidung wurde Revision unter dem Aktenzeichen 9 AZR 273/18 eingelegt.

Auch das LAG Nürnberg (Urteil vom 9. Mai 2017 – 7 Sa 560/16) hat eine den gesetzlichen Mindestlohnanspruch nicht explizit ausnehmende arbeitsvertragliche Verfallklausel nur für teilweise– also in Bezug auf den Mindestlohn – unwirksam gehalten. Hier ging es ebenfalls um einen Altvertrag, der vorInkrafttreten des MiLoG abgeschlossen worden war. Nach Auffassung der Nürnberger Richter sei eine Klausel, die ein gesetzliches Verbot nicht wiedergibt, nicht intransparent, sondern nur nach § 134 BGBinsoweit unwirksam. Gegen das Urteil des LAG Nürnberg wurde Revision eingelegt (9 AZR 262/17). Die 33. Kammer des LAG Hamburg hat sich mit Urteil vom 31. Januar 2018 – 33 Sa 17/17der Auffassung des LAG Nürnberg angeschlossen. Revision wurde auch hier eingelegt (Aktenzeichen 9 AZR 162/18).

Das BAG ließ in seinem Urteil vom 20. Juni 2018 – 5 AZR 262/17 mangels Entscheidungsrelevanz ausdrücklich offen, ob eine arbeitsvertragliche Ausschlussfrist insgesamt unwirksam ist, wenn sie den Mindestlohn nicht ausdrücklich ausnimmt.

Keine Beschränkung auf individualvertragliche Ansprüche

Hinsichtlich der Frage einer Beschränkung auf individualvertragliche Ansprüche ist die Rechtsprechung ein Stück weiter – eine höchstinstanzliche Klärung hat bereits stattgefunden.

Das Hessische LAG (Urteil vom 4. Mai 2017 – 19 Sa 1172/16) hatte entschieden, dass das MiLoG keine Beschränkung auf individualvertragliche Ansprüche enthält. Auch von Tarifvertragsparteien getroffene Ausschlussfristen seien unwirksam, wenn sie den Mitarbeiter in der Geltendmachung seines Anspruchs auf Mindestlohn beschränken.

Das BAG hat mit Urteil vom 20. Juni 2018 – 5 AZR 377/17 diese Entscheidung in der Revision bestätigt: Vereinbarungen, welche die Geltendmachung des fortzuzahlenden Mindestlohns im Sinne des § 3 Satz 1 MiLoGbeschränken, seien insoweit unwirksam. Zu solchen Vereinbarungen gehörten nicht nur arbeitsvertragliche, sondern auch tarifliche Ausschlussfristen. Anders als bei Ausschlussfristen, die arbeitsvertraglich in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart seien, unterlägen Tarifregelungen allerdings gemäß § 310 Abs. 4 S. 1 BGBkeiner Transparenzkontrolle. Die vom LAG Nürnberg zuvor aufgeworfene Thematik ‑ Unwirksamkeit versus Intransparenz ‑ stellt sich hier mithin nicht.

Rechtsprechung zu Branchenmindestentgelten

Mit einem Sonderfall befasste sich das BAG bereits im Jahr 2016: MitUrteil vom 24. August 2016 – 5 AZR 703/15 entschied der 5. Senat, dass eine arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung aus der Zeit vor Inkrafttreten des MiLoG, die auch den Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbVerfasst, insgesamt unwirksam ist. Ob diese Rechtsprechung auch in Bezug auf Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn nach dem MiLoG gilt, ist bis dato offen. In Anbetracht der zahlreichen ausstehenden Revisionen wird es diesbezüglich aber sicherlich bald Klarheit geben.

Ausblick zur Ausschlussfrist im Arbeitsvertrag

Arbeitgeber sind derzeit jedenfalls gut beraten, ihre arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen in Neuverträgen zu überprüfen und unverzichtbare Ansprüche, wie beispielsweise die des MiLoG, von diesen auszunehmen.

Der Beitrag Mindestlohngesetz: Auswirkungen auf die Ausschlussfrist im Arbeitsvertrag erschien zuerst auf CMS Blog.


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