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Entgelttransparenzgesetz passiert Bundesrat

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Nun steht es endgültig fest: Das Entgelttransparenzgesetz kommt. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 12. Mai 2017 das am 30. März 2017 vom Bundestag verabschiedete Gesetz gebilligt. Auch wenn einige Regelungen im Vergleich zum vielfach kritisierten Referentenentwurf abgeschwächt wurden oder ganz entfallen sind, müssen Arbeitgeber sich auf eine Reihe zusätzlicher Belastungen einstellen.

Das Gesetz soll zügig in Kraft treten – von zwei bis vier Wochen ist die Rede. Übergangsfristen geben zum Teil noch eine letzte Galgenfrist. Im Folgenden gehen wir auf die wichtigsten Aspekte des Entgelttransparenzgesetzes ein und darauf, was Arbeitgeber tun sollten.

Gebot der Entgeltgleichheit

Das Gebot der Entgeltgleichheit erstreckt sich sowohl auf die Entgeltbestandteile als auch auf die Entgeltbedingungen. Erfasst werden alle fixen und variablen Vergütungsbestandteile einschließlich Sachleistungen (z.B. Dienstwagen) und Leistungen der betrieblichen Altersversorgung – gleiche oder gleichwertige Arbeit vorausgesetzt.

Individueller Auskunftsanspruch

Der Auskunftsanspruch besteht in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten; Leiharbeitnehmer werden nicht eingerechnet. Wichtig: Ein Unternehmen kann also durchaus mehr Mitarbeiter haben, ohne dass damit zwangsläufig ein Auskunftsanspruch einhergeht, solange die einzelnen Betriebe unter dieser Grenze bleiben.

Und noch eine Schwelle muss übersprungen werden: Aus Datenschutzgründen besteht kein Anspruch auf Auskunft über das Vergleichsentgelt, wenn die Vergleichstätigkeit von weniger als sechs Beschäftigten des anderen Geschlechts ausgeübt wird. Auch dann aber besteht ein Auskunftsanspruch hinsichtlich der Kriterien und des Verfahrens der Entgeltermittlung.

Für viele überraschend: Besteht ein Betriebsrat, so ist er es, der nach der gesetzlichen Konzeption grundsätzlich die Auskunft erteilen und sich hierzu beim Arbeitgeber erkundigen muss. Der Arbeitgeber kann die Auskunft unter bestimmten Voraussetzungen aber an sich ziehen – und wird dies im Regelfall auch tun.

Die Auskunft muss innerhalb von drei Monaten erteilt werden, ansonsten kehrt sich die Beweislast zu Lasten des Arbeitgebers um. Arbeitgeber, bei denen Tarifverträge Anwendung finden, werden bei der Auskunftserteilung ein Stück weit privilegiert. Allerdings nur so weit, wie die tariflichen Regelungen greifen, also nicht in Bezug auf übertarifliche Leistungen sowie die Vergütung der außertariflichen Mitarbeiter.

Betriebliches Prüfverfahren

Arbeitgeber mit insgesamt mehr als 500 Beschäftigten werden „aufgefordert″, ihre Entgeltregelungen und die verschiedenen Entgeltbestandteile sowie deren Anwendung strukturiert und regelmäßig auf die Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots zu überprüfen. Das betriebliche Prüfverfahren soll aus einer Bestandsaufnahme, einer Analyse und einem Ergebnisbericht bestehen.

Im Konzern können übergreifende Verfahren erfolgen. Anders als noch im Referentenentwurf besteht jedoch keine Verpflichtung überhaupt ein Prüfverfahren durchzuführen. In der Praxis werden sich viele Arbeitgeber aber entsprechenden Wünschen des Betriebsrates nur schwer entziehen können.

Berichtpflicht

Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten müssen ihrem Lagebericht künftig einen Bericht zur Gleichstellung von Männern und Frauen und zur Entgeltgleichheit beifügen. Die Verpflichtung trifft Arbeitgeber mit Tarifverträgen alle fünf Jahre, andere Arbeitgeber alle drei Jahre.

Entgelttransparenzgesetz: Übergangsregelungen sollten genutzt werden

Das Gebot der Entgeltgleichheit besteht zwar von Anfang an. Der Auskunftsanspruch hingegen kann erst frühestens sechs Monate nach Inkrafttreten geltend gemacht werden. Berichtspflichtig sind Arbeitgeber erst ab 2018. Der erste Bericht braucht ausnahmsweise nur einen Zeitraum von einem Jahr zu umfassen; alle weiteren Berichte haben sich dann auf drei bzw. fünf Jahre zu erstrecken.

Wichtige „To Do’s“ für Arbeitgeber

Spätestens jetzt sollten Arbeitgeber tätig werden und

  • die Verantwortlichkeiten im Betrieb, Unternehmen und ggf. Konzern klären;
  • eine vollständige und aktualisierte Liste der verschiedenen Entgeltbestandteile erstellen;
  • dabei etwaige außertarifliche Leistungen und Mitarbeiter identifizieren;
  • die verschiedenen Entgeltsysteme unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben bewerten (wie Art der zu verrichtenden Tätigkeit, zugrunde liegende Kriterien, Nachvollziehbarkeit und Transparenz);
  • Meinungsbildung betreiben und ggf. Gespräche mit dem Betriebsrat aufnehmen, wie mit etwaigen Auskunftsverlangen umgegangen werden soll;
  • Meinungsbildung betreiben und ggf. Gespräche mit dem Betriebsrat aufnehmen, ob und ggf. wie betriebliche Prüfverfahren eingeführt werden sollen;
  • Kommunikation gegenüber Betriebsrat, Tarifvertragsparteien und Belegschaft vorbereiten einschließlich der im Gesetz vorgesehenen Erklärungen zum Verfahren;
  • im Hinblick auf die künftige Berichtspflicht Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung und Entgeltgleichheit identifizieren und ggf. entwickeln.

Entgelttransparenzgesetz: Neuer administrativer Aufwand für die Unternehmen

Auskunftsanspruch und betriebliches Prüfverfahren bringen einen hohen administrativen Aufwand mit sich. Dabei steckt der Teufel im Detail. Welchen Stellenwert beides in der Praxis erlangen wird, dürfte von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich sein. Blickt man auf den ersten Referentenentwurf, hätte allerdings alles noch schlimmer kommen können.

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Dynamische Bezugnahmeklauseln und der Betriebsübergang

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Der EuGH hat mit Entscheidung vom 27. April 2017 (Az.: C-680/15) bestätigt, dass einzelvertragliche Bezugnahmeklauseln auf zukünftige tarifliche Änderungen nach einem Betriebsübergang ihre Dynamik behalten. Diese Entscheidung entspricht auch der bisher ständigen Rechtsprechung des BAG.

Voraussetzung sei, dass das nationale Recht die einvernehmliche oder einseitige Änderungsmöglichkeit für den Erwerber biete. Das heißt, der Erwerber ist (einzelvertraglich) verpflichtet, bei Vorliegen einer solchen dynamischen Bezugnahmeklausel die nach dem Betriebsübergang eintretende Tarifvertragsänderungen (insbesondere tarifliche Vergütungserhöhungen) an die übernommenen Arbeitnehmer weiterzugeben. Dies auch unabhängig davon, ob der Erwerber an deren tariflicher Ausgestaltung hat mitwirken können oder nicht.

Entgegen der Schlussanträge des Generalanwalts und der bisherigen Üblichkeit, diesen Anträgen zu folgen, belässt das Urteil des EuGH dynamischen Bezugnahmeklauseln auch bei tarifungebundenen Arbeitgebern ihre Dynamik.

Arbeitnehmer werden von nicht tarifgebundenem Erwerber übernommen

Der Entscheidung lagen die Vorlagebeschlüsse des BAG zugrunde (BAG, Urteil v. 17.06.2015 – 4 AZR 61/14(A) und 4 AZR 95/14 (A) – EuGH Rs. C-680/15 (Asklepios Kliniken) und C-681/15 (Asklepios Dienstleistungsgesellschaft) gegen Ivan Felja / Vittoria Graf).

Die Arbeitsverhältnisse der ursprünglich bei einem kommunalen Krankenhaus beschäftigten Kläger waren auf eine nicht-tarifgebundene Gesellschaft übergegangen. Diese vereinbarte die Anwendung der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes in ihrer jeweils geltenden Fassung. Von dieser Gesellschaft gingen die Arbeitsverhältnisse – im Wege eines weiteren Betriebsübergangs – auf eine ebenfalls nicht tarifgebundene Konzerngesellschaft über. Diese wiederum verweigerte die Weitergabe der nach dem Übergang erfolgten Tariflohnerhöhungen.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG zu dynamischen Bezugnahmeklauseln, die nach dem 01. Januar 2002 abgeschlossen wurden (beziehungsweise in nach dem 01. Januar 2002 geänderten Verträgen enthalten sind), bestand nach nationalem Verständnis kein Zweifel an der Fortgeltung der Dynamik. Das bedeutet, die zwischenzeitlich eingetretenen Vergütungserhöhungen müssen – trotz Fehlens eigener Tarifbindung – vom Erwerber verpflichtend an die (übernommenen) Arbeitnehmer weitergegeben werden.

Allerdings sah sich das BAG nach vorangegangenen Entscheidungen des EuGH in Sachen Werhof (EuGH, Urteil v. 09.03.2006 – C-499/04, DB 2006, 673) und Alemo-Herron (EuGH, Urteil v. 18.07.2013 – C-426/11, DB 2013, 1851) veranlasst, die Frage der dynamischen Fortgeltung dem EuGH zur Prüfung vorzulegen.

EuGH: Dynamische Bezugnahmeklausel geht als arbeitsvertragliche Pflicht über

Der EuGH zog zur Beantwortung der Vorlagefragen die bisherige Rechtsprechung in den vorgenannten Verfahren heran.

In der Rechtssache Werhof hatte der EuGH festgestellt, dass eine arbeitsvertraglich vereinbarte dynamische Bezugnahmeklausel bei einem Betriebsübergang grundsätzlich als arbeitsvertragliche Pflicht auf den Erwerber übergeht. Gegenstand der Entscheidung war eine statische Bezugnahmeklausel – also die Vereinbarung der Geltung bestimmter Tarifverträge in einer bestimmten Fassung. Die statische Geltung entspreche – so der EuGH – Art. 3 der Richtlinie 2001/23/EG (nachfolgend Übergangsrichtlinie).

In der Rechtssache Alemo-Herron führte der EuGH aus, dass die Übergangsrichtlinie – in Verbindung mit Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union („GRC″) – nicht nur dem Schutz der Arbeitnehmerinteressen, sondern zugleich auch dem gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Arbeitnehmer einerseits und denen des Erwerbers andererseits diene.

Daraus folgerte der EuGH, dass es dem Erwerber möglich sein müsse, nach dem Betriebsübergang die für die Fortsetzung der Tätigkeit erforderlichen Anpassungen vorzunehmen. Bestehe diese Möglichkeit nicht, verliere die Bezugnahme ihre Dynamik und wirke lediglich statisch fort.

Maßgeblich ist einvernehmliche oder einseitige Änderungsmöglichkeit des Erwerbers

Anders als Generalanwalt Bot in seinen Schlussanträgen kam der EuGH zu dem Schluss, dass der Erwerber nicht die Möglichkeit haben müsse, an den Abschlüssen der in Bezug genommenen Kollektivverträge teilzunehmen. Vielmehr lässt es der EuGH in seiner Entscheidung vom 27. April 2017 zur Wahrung des Interessenausgleichs ausreichen, dass der Erwerber nach nationalem Recht die Möglichkeit hat, einvernehmlich oder auch einseitig Änderungen (der Bezugnahmeklausel) herbeizuführen.

Ob dies im konkreten Fall nach deutschem Recht möglich ist, hat der EuGH nicht geprüft. Die im Vorlageverfahren Beklagten hatten vorgetragen, dass diese Anpassungsmöglichkeiten gerade nicht bestünden, beziehungsweise nicht wirksam (genug) seien. Die Beurteilung dieser Frage obliege hingegen nach Ansicht des EuGH den nationalen Gerichten.

Für die Praxis: Erwerber ist grundsätzlich zur Weitergabe der Lohnerhöhung verpflichtet

In seiner Vorlageentscheidung hatte das Bundesarbeitsgericht mitgeteilt, dass sowohl die einvernehmliche, als auch die einseitige Änderungsmöglichkeit für den Erwerber nach nationalem Recht bestehe.

Mit Blick auf die hohen Anforderungen an die Wirksamkeit einer Änderungskündigung zur Anpassung von Vertragsbedingungen – insbesondere im Hinblick auf die Vergütungshöhe – scheidet in der Praxis eine einseitige Änderungsmöglichkeit der Bezugnahmeklausel nach deutschem Recht jedoch regelmäßig aus.

Bleibt einzig die einvernehmliche Vertragsanpassung zur Beseitigung arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklauseln. Diese wird sich in der Praxis nur dann nutzen lassen, wenn den Arbeitnehmern im Gegenzug für den Verzicht auf die Dynamik ein entsprechender erheblicher Wertausgleich geboten wird.

Kaufmännisch stellt dies in der Regel keine Option für den Erwerber dar. Im Ergebnis muss der Erwerber also (weiterhin) davon ausgehen, dass er gegenüber den übernommenen Mitarbeitern (mit entsprechender dynamischer Verweisungsklausel) auch weiterhin zur Weitergabe der entsprechenden Lohn- und Gehaltserhöhungen verpflichtet ist.

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Zugang des Zeitarbeitnehmers zu Gemeinschaftseinrichtungen: Schadensersatz!?

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Der Kunden muss dem Zeitarbeitnehmer Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen oder -diensten im Unternehmen, in dem der Zeitarbeitnehmer seine Arbeitsleitung erbringt, unter den gleichen Bedingungen gewähren wie vergleichbaren Mitarbeitern in dem Betrieb. Eine Ausnahme ist zulässig, wenn sachliche Gründen eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Gemeinschaftseinrichtungen oder -dienste sind gemäß § 13b AÜG insbesondere Kinderbetreuungseinrichtungen, Gemeinschaftsverpflegung und Beförderungsmittel. Mit den Konsequenzen der Verletzung des § 13b AÜG musste sich das Hessische LAG befassen (Urteil v. 09.09.2016 – 10 Sa 474/16).

Essenszuschuss und Dienstwagen sind keine „Gemeinschaftseinrichtung“

Der klagende Zeitarbeitnehmer verlangt von dem Einsatzunternehmen Schadensersatz wegen der Verletzung von § 13b AÜG in Form der Nichtgewährung eines Essenszuschusses und der fehlenden Bereitstellung eines Dienstwagens. Andere vergleichbare Stammbeschäftige hätten diesen auch privat nutzen dürfen.

Das Hessische LAG hat die gegen die klageabweisende erstinstanzliche Entscheidung gerichtete Berufung des Zeitarbeitnehmers zurückgewiesen. Das Gericht bestätigt noch die vom Kläger vertretene Ansicht, dass der Kunde im Falle einer Verletzung der Verpflichtung nach § 13b AÜG unter Umständen Schadensersatz zu leisten habe.

Zwischen dem überlassenen Arbeitnehmer und dem Kunden bestehe zwar keine vertragliche Beziehung, gleichwohl aber eine durch das Überlassungsverhältnis begründete Sonderverbindung, die Grundlage eines Schadensersatzes nach § 280 Abs. 1 BGB sein könne. Darüber hinaus sei § 13b AÜG als Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB anzusehen. Jedoch seien weder der Essenszuschuss noch die Gewährung eines Firmenwagens als „Gemeinschaftseinrichtung″ oder „Gemeinschaftsdienst″ i.S.d. § 13b AÜG anzusehen.

Keine Gemeinschaftseinrichtung bei Sachbezügen mit Entgeltcharakter

Eine „Einrichtung“ setze eine Institutionalisierung und Organisation voraus. Der Arbeitgeber müsse eine gewisse Ausstattung – beweglicher oder unbeweglicher Sachen – zur Verfügung stellen. Bloß einmalige Umstände müssten ebenfalls außen vor bleiben. Weiter müsse die Leistung der „Gemeinschaft“ zur Verfügung gestellt werden, das heißt der gesamten Belegschaft oder zumindest einer größeren, nach abstrakten Merkmalen festgelegten Anzahl von Arbeitnehmern. Typischer Beispielsfall sei die Nutzung einer Kantine oder des Betriebskindergartens. Keine „Gemeinschaftseinrichtung“ in diesem Sinne sei hingegen anzunehmen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmern einen Sachbezug gewähre, der Entgeltcharakter habe und der Einkommenssteuer unterliege.

Essenszuschüssen und Dienstwagen sind regelmäßig Gegenleistung für die Arbeitsleistung

Mangels gegenständlicher Einrichtung seien deshalb Essenszuschüsse nicht von dem Begriff der Gemeinschaftseinrichtung gedeckt. Gleiches gelte für die Bereitstellung von Dienstwagen. Zwar bedürfe es hierbei einer gewissen Verwaltung und Organisation. Die Überlassung eines Dienstwagens geschehe aber in der Praxis regelmäßig auf Grundlage einer gesonderten Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, in der der Fahrzeugtyp, die Laufleistung, die Frage der Besteuerung etc. näher geregelt würden.

Die Gewährung sei regelmäßig zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung und stehe deshalb im synallagmatischen Hauptleistungsverhältnis. Dieser Zusammenhang verdeutliche, dass ein „Zugang″ zu einem Dienstwagen ein Arbeitsverhältnis erfordere. Ein solches bestehe aber regelmäßig nicht zwischen dem Zeitarbeitnehmer und dem Kunden.

Essenszuschuss und Dienstwagen auch kein „Gemeinschaftsdienst“

Es handele sich bei der Gewährung eines Essenszuschusses oder eines Dienstwagens ebenfalls nicht um die Bereitstellung eines Zugangs zu „Gemeinschaftsdiensten″. Darunter seien alle tatsächlichen Dienst- und Serviceleistungen des Arbeitgebers gegenüber allen oder einer Vielzahl von Arbeitnehmern im Betrieb zu verstehen. Auch hier gelte das zu den Gemeinschaftseinrichtungen Ausgeführte entsprechend. Reine Geldleistungen fielen nicht unter den Begriff der Gemeinschaftsdienste.

Kein verpflichtender Zugang zu funktionsäquivalenten Entgeltzahlungen

Teilweise würden in der Literatur Bedenken dahingehend geäußert, dass es nicht einzusehen sei, dass der Kunde für einen Zugang zu der Kantine haften solle, aber nicht für den Zugang zu dem „funktionsäquivalenten“ Essenszuschuss (vgl. Forst, AuR 2010, 97, 100; Hamann, RdA 2011, 321, 337). Dies sei nicht überzeugend.

Bei der Zahlung eines Essenszuschusses handele es sich um eine in der Regel freiwillige Zusatzleistung des Arbeitgebers. Die Verpflegung gehöre zum persönlichen Lebensbedarf des Arbeitnehmers. Eine gesetzliche Verpflichtung seitens des Arbeitgebers, Kosten für das Essen ganz oder teilweise zu übernehmen, bestehe daher nicht. § 13b AÜG sehe nur den Zugang bei einer bereits bestehenden Kantine vor, nicht eine verpflichtende Zahlung von „funktionsäquivalenten“ Entgeltzahlungen. Ein Essenszuschuss werde im Hinblick auf das Vertragsarbeitsverhältnis gezahlt, sei Teil des Arbeitslohns und nehme am synallagmatischen Austauschverhältnis teil.

Essenzuschuss und Dienstwagen sind auch keine „Sozialeinrichtung“

Soweit teilweise geltend gemacht werde, dass der Begriff der Gemeinschaftseinrichtung in § 13b AÜG mit einer „Sozialeinrichtung″ i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG gleichzusetzen sei (vgl. ErfK/Wank, § 13b AÜG Rn. 1; Ulber, AiB 2011, 351, 356), würde daraus für den vorliegenden Fall nichts anderes folgen.

Denn weder ein Essenzuschuss noch die Bereitstellung eines Dienstwagens erfüllten die Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung. Nach der Rechtsprechung des BAG setze eine solche nämlich ein zweckgebundenes Sondervermögen voraus, das der Verwaltung bedürfe. Deshalb liege eine solche nicht vor, wenn Sozialleistungen nach allgemeinen Richtlinien aus laufenden Betriebsmitteln gewährt würden. Dies sei gerade für einen Essenszuschuss vom BAG in dieser Art und Weise entschieden worden (vgl. BAG v. 15.01.1987 – 6 AZR 589/84).

Entscheidung des LAG überzeugt auf ganzer Linie

Die Entscheidung des Hessischen LAG überzeugt. Zunächst geht das Gericht mit der herrschenden Meinung davon aus, dass bei einem Verstoß gegen § 13b AÜG ein Schadensersatzanspruch des Zeitarbeitnehmers gegen den Kunden entstehen kann.

Richtigerweise verlangt das Hessische LAG für eine Gemeinschaftseinrichtung aber sodann eine gewisse „Institutionalisierung″ zur Eröffnung des Anwendungsbereichs von § 13b AÜG. Die schlichte Gewährung von (insoweit monetären) Leistungen durch den Kunden reiche nicht aus, damit ein Zeitarbeitnehmer die Gleichbehandlung mit insoweit begünstigten (vergleichbaren) Stammbeschäftigten des Kunden verlangen kann.

Zu Gemeinschaftseinrichtungen gehören zum Beispiel Pausen- und Ruheräume, Raucherbereiche, Mitarbeiterküchen, Personalkantinen, Betriebskindergärten, Sportanlagen, Fitnessräume, Betriebsbibliotheken und Parkplätze. Nicht zu den Gemeinschaftseinrichtungen zählen reine Sach- und Geldleistungen, wie Zuschüsse (Fahrt-, Essens- und Mietkostenzuschüsse), Gutscheine (Essens- oder Tankgutscheine) oder Jobtickets. Ebenso nicht erfasst werden eine betriebliche Altersversorgung oder vermögenswirksame Leistungen (vgl. Urban-Crell/Germakowski/Bissels/Hurst, § 13b AÜG Rn. 6 f.).

Unter Gemeinschaftsdienste fallen beispielsweise Rückentraining, Gymnastik, Massagen, Entspannungsübungen, psychologische Betreuung, Mannschaftssport oder andere sportliche Aktivitäten sowie Turniere, die vom Kunden geführt und organisiert angeboten werden. Streitig ist dies z.B. bei Betriebsausflügen und Betriebsfeiern. Aus- und Weiterbildungsangebote des Kunden für die Stammbelegschaft sind kein Gemeinschaftsdienst im Sinne der Vorschrift und können somit vom Zeitarbeitnehmer nicht eingefordert werden (vgl. Urban-Crell/Germakowski/Bissels/Hurst, § 13b AÜG Rn. 8 f.).

Abgrenzung bleibt einzelfallabhängig

Die Abgrenzung kann im Einzelfall – wie die Entscheidung des Hess. LAG zeigt – durchaus streitbefangen sein und wird es – mangels höchstrichterlicher Klärung – auch noch bleiben. Zwar hat das Hessische LAG die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen, diese ist jedoch  nicht eingelegt worden (soweit bekannt).

Den Weg nach Erfurt wollte der in beiden Instanzen unterlegene Zeitarbeitnehmer wohl dann doch nicht antreten, so dass die Praxis in diesem Zusammenhang (weiterhin) mit einer gewissen Rechtsunsicherheit wird leben müssen. Die gute Nachricht ist jedoch, dass entsprechende Schadensersatzansprüche – unter Beachtung der wenigen gerichtlichen Entscheidungen, die sich mit der Verletzung von § 13b AÜG befassen – nur in Ausnahmefällen von Zeitarbeitnehmern geltend gemacht bzw. dass Zeitarbeitnehmer in der Regel bei „echten″ Gemeinschaftseinrichtungen/-diensten mit Stammbeschäftigten des Kunden tatsächlich gleichgestellt werden.

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Zeitarbeit: Zulässigkeit von einsatzbezogenen Zuschlägen bestätigt

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In der Praxis ist es weit verbreitet, dass Zeitarbeitnehmern – neben dem vereinbarten Tariflohn – besondere (insoweit übertarifliche) Zuschläge gezahlt werden, die ausdrücklich an einen bestimmten Einsatz anknüpfen, also nur befristet oder auflösend bedingt von dem Personaldienstleister gewährt werden. Das LAG Düsseldorf musste sich mit der Frage befassen, ob dies überhaupt wirksam vereinbart werden kann (Urteil v. 22.02.2017 – 4 Sa 563/16).

Vereinbart war „einsatzbezogener Zuschlag“

Am 28. März 2014 vereinbarten die Parteien einen „Zusatz zum Arbeitsvertrag″. Danach erhielt der Kläger ab dem 31. März 2014 für die Dauer des Einsatzes bei einem bestimmten Kunden einen „einsatzbezogenen Zuschlag″ in Höhe von 9,28 € pro Arbeitsstunde. Dieser endete am 08. Juni 2015. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30. Juni 2015 zum 31. Juli 2015. Durch rechtskräftiges Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Essen wurde die Unwirksamkeit dieser Kündigung festgestellt.

Mit der Klage begehrte der Kläger Verzugslohn für den Zeitraum August 2015 bis Februar 2016. Diesen berechnete er auf der Basis der getroffenen Vergütungsabrede – zuzüglich des für die Überlassung an den Kunden vereinbarten einsatzbezogenen Zuschlags.

In dem streitgegenständlichen Verfahren musste das LAG Düsseldorf aufgrund einer zwischenzeitlich erfolgten Erledigung nur noch über die Kosten des Rechtsstreits nach § 91a ZPO entscheiden. Diese sind grundsätzlich der Partei aufzuerlegen, die im Kostenpunkt unterlegen gewesen wäre, wenn sich der Rechtsstreit nicht erledigt hätte. Hiernach waren unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen dem Zeitarbeitnehmer die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Anspruch auf „einsatzbezogenen Zuschlag“ nur beim Einsatz beim Kunden

Der seitens des Klägers vertretenen Ansicht folgte das LAG Düsseldorf mit einer überzeugenden Begründung nämlich nicht. Nach der Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag habe der Kläger Anspruch auf den einsatzbezogenen Zuschlag ausdrücklich nur für die Dauer seiner Überlassung an den Kunden. Unstreitig war der Einsatz aber dort bereits vor Beginn des streitgegenständigen Zeitraums am 08. Juni 2016 beendet worden. Der Kläger hat auch nicht dargelegt, dass dieser während des Annahmeverzugs (ab dem 01. August 2015) dort weiter eingesetzt worden wäre.

Die Vereinbarung eines einsatzbezogenen Zuschlags ausschließlich für die Dauer der Einsatzzeiten bei einem Kunden verstoße – so das LAG Düsseldorf – nicht gegen § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG. Danach könne das Recht des Zeitarbeitnehmers auf Vergütung bei Annahmeverzug des Personaldienstleisters (§ 615 S. 1 BGB) nicht durch Vertrag aufgehoben oder beschränkt werden. Die Vorschrift stehe der vorliegend abgeschlossenen Vereinbarung aber nicht entgegen.

Unterscheidung zwischen Einsatz- und Nichteinsatzzeiten

Das AÜG unterscheide grundsätzlich zwischen Einsatzzeiten und Nichteinsatzzeiten. Gemäß § 10 Abs. 4 S. 1 AÜG sei der Personaldienstleiter verpflichtet, dem Zeitarbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Kunden die in dessen Betrieb für einen vergleichbaren Mitarbeiter geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren (sogenanntes equal pay-/equal treatment-Prinzip).

Außerhalb der Einsatzzeiten richte sich die Vergütung allerdings grundsätzlich nach den getroffenen Vereinbarungen. Allein bei der Geltung eines auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifvertrages könne sich das Zeitarbeitsunternehmen durchgehend auf die nach diesem Tarifvertrag geschuldeten Arbeitsbedingungen beschränken (§ 10 Abs. 4 S. 2 AÜG). Hierdurch werde er von der Verpflichtung zur Zahlung von equal pay während der Überlassungszeiten an den Kunden frei. Die Vorschrift stehe dabei allerdings einer übertariflichen Vergütung nicht entgegen -auch nicht einer solchen, die nur für Einsatzzeiten gewährt werde (einsatzbezogener Zuschlag).

§ 11 Abs. 4 S. 2 AÜG untersage die Vereinbarung eines einsatzbezogenen Zuschlags nicht. Ein solcher enthalte keine Beschränkung des Rechts des Zeitarbeitnehmers auf Vergütung bei Annahmeverzug. Denn § 615 S. 1 BGB gewähre dem Arbeitnehmer den Anspruch auf Vergütung nach dem Lohnausfallprinzip. Dem Mitarbeiter werde die Vergütung gezahlt, die er erhalten hätte, wenn er gearbeitet hätte (§ 611 BGB).

Alternative Vergütung für Nichteinsatzzeiten

Bei der Zeitarbeit gehöre auch die Bereithaltung für Einsätze zur geschuldeten Arbeitsleistung. Über die Höhe der Vergütung sei damit nichts gesagt. Sei sie – wie hier – für Nichteinsatzzeiten geringer vereinbart, sei grundsätzlich eben dies die aus §§ 615 S. 1, 611 BGB geschuldete Vergütung.

Eine Beschränkung des Anspruchs aus § 615 S. 1 BGB liege nicht vor. Sinn der Regelung des § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG sei es nicht, eine höhere Vergütung für Einsatzzeiten zu untersagen. Entsprechende Regelungen fänden sich demgemäß in einer Reihe von Branchenzuschlagstarifverträgen, die grundsätzlich auf die Einsatzzeiten in bestimmten Wirtschaftszweigen beschränkt seien.

Jedenfalls bei Anwendung eines Tarifvertrages gem. § 10 Abs. 4 S. 2 AÜG stelle sich die Vereinbarung eines einsatzbezogenen Zuschlags nicht als Umgehung des Verbots in § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG dar. das Recht des Zeitarbeitnehmers auf Vergütung bei Annahmeverzug des Personaldienstleisters (§ 615 S. 1 BGB) nicht durch Vertrag aufzuheben oder zu beschränken.

Vor der Geltung des MiLoG wäre dies allerdings für die Abrede einer extrem niedrigen Vergütung für einsatzfreie Zeiten (etwa 1 €/Std.) in Betracht gekommen. Ist für solche Zeiten aber der Mindestlohn zu zahlen, erscheine das zweifelhaft, könne allerdings vorliegend dahinstehen. Denn jedenfalls bei Geltung eines Tarifvertrages gem. § 10 Abs. 4 S. 2 AÜG würde sich das Verbot von einsatzbezogenen Zuschlägen als Verbot übertariflicher Leistungen darstellen.

Ein solcher Gesetzeszweck lasse sich § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG nicht entnehmen. Dies wäre schon mit Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG nicht zu vereinbaren. Anderenfalls wären im Übrigen auch Branchenzuschlagstarifverträge unzulässig, was wiederum gegen Art. 9 Abs. 3 GG verstieße.

Einsatzbezogene Zuschläge weichen nicht von gesetzlichen Regelungen ab

Die Zusatzvereinbarung zur Gewährung einsatzbezogener Zuschläge während des Einsatzes bei dem Kunden halte einer AGB-Kontrolle stand. Die Anpassung des Gehalts des Zeitarbeitnehmers in Richtung equal pay weiche gerade nicht von einer gesetzlichen Regelung ab (§ 307 Abs. 3 BGB). Vielmehr nähere sich das Vertragsverhältnis dem vom Gesetzgeber angestrebten Regelfall an. Auch eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung des § 615 S. 1 BGB liege – wie dargestellt – nicht vor.

Das Gesetz verlange nicht, dass dem Arbeitnehmer „alles oder nichts″ gewährt werde. Dem Arbeitgeber stehe es frei, das Arbeitsverhältnis lediglich partiell oder temporär an das Lohnniveau des Einsatzbetriebs anzunähern. Er habe hier ein anerkennenswertes Interesse daran, einschlägige „Zusatzleistungen″ flexibel auszugestalten – ähnlich wie es in der Rechtsprechung des BAG zu Widerrufsvorbehalten anerkannt wird (vgl. dazu: Bayreuther, BB 2014, 1974).

Einsatzbezogene Zuschläge selbstverständlich zulässig

Die Entscheidung des LAG Düsseldorf zeigt mit erfreulicher Deutlichkeit, dass die Gewährung von einsatzbezogenen Zuschlägen an Zeitarbeitnehmer während bestimmter Einsätze selbstverständlich zulässig sind – selbst dann, wenn die Gewährung des übertariflichen Entgelts entsprechend befristet oder auflösend bedingt erfolgt.

Endet der Einsatz, endet auch die zugesagte Leistung. Ein Prinzip, dem die gegenwärtig (noch) geltenden Branchenzuschlagstarifverträge folgen. Möchte der Personaldienstleister dem Zeitarbeitnehmer – begrenzt auf bestimmte Einsatzumstände – mehr zukommen lassen, als diesem nach den gesetzlichen, arbeitsvertraglichen und/oder tariflichen Regelungen tatsächlich zusteht, muss dies zulässig sein.

Wäre diese Frage abweichend, nämlich im Sinne des klagenden Mitarbeiters, entschieden worden, wäre dies zwangsläufig das Ende von an den Einsatz anknüpfenden (und damit der Natur nach befristeten bzw. auflösend bedingten) übertariflichen Leistungen von Personaldienstleistern gewesen. Das LAG Düsseldorf hat gut daran getan, der von dem Zeitarbeitnehmer vertretenen und recht kreativ anmutenden Argumentation nicht zu folgen.

Bedauerlicherweise ist gegen die Entscheidung kein Rechtsmittel und damit keine höchstrichterliche Klärung dieser Frage möglich. Gründe für die Rechtsbeschwerde zum BAG gem. § 574 Abs. 2 ZPO bestanden nicht, da sich die Überprüfung insoweit nur auf § 91a ZPO selbst und nicht auf den zugrunde liegenden Anspruch erstrecken kann.

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Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts gescheitert

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Zur Erinnerung: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hatte Anfang des Jahres einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Änderung in den §§ 8 und 9 TzBfG sowie einen neuen § 9a TzBfG vorsah. Im Wesentlichen war dort das Recht auf eine zeitlich befristete Teilzeit vorgesehen. Dieses Recht sollte losgelöst vom Vorliegen bestimmter Gründe wie Kindererziehung oder Pflege kranker Angehöriger bestehen.

Bislang: Reduzierung der Arbeitszeit nur dauerhaft möglich

Nach der aktuellen Gesetzeslage haben Arbeitnehmer ohne spezielle Gründe nur Anspruch darauf, ihre Arbeitszeit dauerhaft zu reduzieren. Das geplante Gesetz sollte dies nun auch für einen begrenzten Zeitraum ermöglichen. Anschließend sollte dann die ursprüngliche Arbeitszeitregelung wieder aufleben.

Keine Einigung im Koalitionsausschuss – auch in Zukunft kann die Arbeitszeit nicht für einen begrenzten Zeitraum reduziert werden

Daraus wird nun erst einmal nichts. Union und SPD konnten sich im Koalitionsausschuss nicht auf das umstrittene Gesetz verständigen. Die Bundesarbeitsministerin ließ verlauten, dass das Kanzleramt ihr mitgeteilt habe, dass eine Kabinettsbefassung nicht mehr vorgesehen sei. Den Arbeitgebern warf sie vor, Druck auf das Kanzleramt ausgeübt zu haben.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände sowie die Union hatten vor allem gefordert, dass eine betriebliche Mindestgröße von 200 Beschäftigten Voraussetzung für diesen Rückkehranspruch sein sollte. Der Gesetzentwurf hingegen sah schon eine Unternehmensgröße von 15 Mitarbeitern als ausreichend an.

Der Union warf Frau Nahles den Bruch des Koalitionsvertrages vor. Union und SPD hatten dort ein allgemeines Rückkehrrecht von Teil- auf Vollzeit vereinbart, jedoch ohne Details festzuschreiben.

Befristete Teilzeitarbeit auch auf EU-Ebene geplant

Nahles kündigte jedoch an, das Thema auf der Tagesordnung zu halten. Rückenwind bekommt sie aus Europa. Verschiedene Medien berichteten unlängst über bislang unveröffentlichte Pläne der EU-Kommission, wonach Eltern in der Europäischen Union zukünftig ein Recht auf befristete Teilzeitarbeit und auf Rückkehr auf eine volle Stelle bekommen sollen. Das Recht auf Teilzeit soll zur Betreuung von Kindern bis zwölf Jahren garantiert werden.

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Datenschutz bei Due Diligence und Unternehmenskauf

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Käufer fordern Verkäufer im Rahmen der Due Diligence und anlässlich des Abschlusses eines Unternehmenskaufvertrages regelmäßig dazu auf, bestimmte Daten der Arbeitnehmer und Beschäftigten offenzulegen. Dieser Blogbeitrag widmet sich den dabei zu beachtenden datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen.

Bei der Vorbereitung und Durchführung von Unternehmensakquisitionen hat der Kaufinteressent ein Interesse daran, möglichst detaillierte Informationen über die Belegschaft der Zielgesellschaft zu erhalten. Daneben sind Informationen über die Beschäftigungsbedingungen des Managements und der leitenden Angestellten (z.B. Angaben zu Gehalt, Vertragslaufzeit, Wettbewerbsverbote) für den Kaufinteressenten von zentraler Bedeutung.

Häufig wird verkannt, dass es sich bei den zu übermittelnden Informationen über die Beschäftigten um personenbezogene Daten handeln kann und in diesem Fall im Rahmen des Unternehmenskaufs und der vorangehenden Due Diligence datenschutzrechtliche Regelungen zu beachten sind.

Das Thema gewinnt mit Blick auf die ab Mai 2018 für alle Unternehmen in der EU geltende Datenschutzgrundverordnung („DSGVO″) an Relevanz. Die DSGVO wird den Sanktionsrahmen gegenüber dem aktuell geltenden Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) drastisch erhöhen, so dass datenschutzrechtliche Risiken künftig deutlich höher zu bewerten sein werden als es aktuell der Fall ist.

Aber wie läuft nun die Übermittelung von Beschäftigtendaten bei einem Unternehmenskauf ab?

Due Diligence-Phase – Offenlegung der Daten vor dem Unternehmenskauf

Bei fast jedem Unternehmenskauf untersucht der Kaufinteressent vor Vertragsschluss die zu erwerbende Gesellschaft. Ein Kaufinteressent möchte im Rahmen der Prüfung regelmäßig wissen, welche Personen die Zielgesellschaft beschäftigt und zu welchen Konditionen. Je nach Transaktion und Größe der Belegschaft kann sogar das Hauptaugenmerk des Kaufinteressenten auf der Übernahme der Belegschaft liegen (sog. „Acqui Hire″). Sind für das Geschäftsmodell der Zielgesellschaft – wie in den meisten Fällen – einzelne Mitarbeiter von besonderer Bedeutung (sogenannte „Key Employees″, wie z.B. Geschäftsführer, Entwickler, Einkaufs- oder Vertriebsleiter), interessiert sich der Käufer vor allem auch für deren Vertragsverhältnisse.

Die Informationen über die Belegschaft (z.B. Arbeitsverträge, Personallisten, statistische Informationen) werden üblicherweise auf Veranlassung des Verkäufers in einem Datenraum für die Zwecke der Überprüfung durch die Anwälte und sonstigen Berater des Kaufinteressenten offen gelegt (sog. „Due Diligence″ Prüfung). Ohne eine solche Offenlegung der wesentlichen Informationen zur Belegschaft ist eine Zielgesellschaft im heutigen M&A Umfeld nur schwer verkäuflich. Auch der Verkäufer hat daher ein Interesse an der Offenlegung der wirtschaftlich relevanten Beschäftigtendaten.

Sowohl dem Verkäufer als auch dem Käufer ist in dieser Transaktionsphase daran gelegen, die Due Diligence und die ersten Vertragsverhandlungen geheim zu halten. Der Verkäufer möchte die Belegschaft erst informieren, wenn der Unternehmensverkauf in trockenen Tüchern ist, um keine Unruhe in sein Unternehmen zu bringen. Auch kann das Image der Zielgesellschaft darunter leiden, wenn ein frühzeitig bekannt gewordener Verkauf scheitert – ein Risiko, das der Verkäufer in der Due Diligence Phase nicht eingehen möchte. Der Käufer möchte wiederum vermeiden, dass andere potentielle Kaufinteressenten von dem geplanten Erwerb erfahren, bevor die Transaktion für ihn gesichert ist.

Vertragsschluss-Phase (Signing-Phase) – Interesse an den Daten des Zielunternehmens steigt

Je näher der Vertragsschluss rückt, desto größer ist das Informationsinteresse des Kaufinteressenten. Dies gilt in besonderem Maße, wenn die Transaktion als Asset Deal (d.h. als Verkauf einzelner Vermögensgegenstände) strukturiert ist. Denn diese Informationen sind für die Bestimmung des Kaufgegenstandes – also für die Frage, welche Unternehmensteile übergehen sollen – wichtig.

Beim Share Deal (der Käufer erwirbt die Anteile an der Zielgesellschaft) gilt letztlich nichts anderes, da der Kaufinteressent sich Klarheit über den Zustand der Zielgesellschaft verschaffen möchte. Dieser „Soll-Zustand″ wird in der Regel über Verkäufergarantien und ‑freistellungen abgesichert.

Sollen im Kaufvertrag – wie in den meisten Fällen – Verkäufergarantien bezüglich der bestehenden Arbeitsverhältnisse abgegeben werden, stellt sich oftmals die Frage, ob auf eine beigefügte Personalliste Bezug genommen werden darf.

Was sollten die Handelnden nun aus datenschutzrechtlicher Sicht beachten bevor Beschäftigtendaten übermittelt werden?

Statistische oder anonymisierte Daten können offengelegt werden

Vor einer Übermittlung von Beschäftigtendaten sollten sich die Handelnden auf beiden Seiten (d.h. auf Seiten der Zielgesellschaft und auf Seiten des Käufers) vergewissern, dass die beabsichtigte Datenübermittlung aus datenschutzrechtlicher Sicht keinen Bedenken ausgesetzt ist, vor allem um das Risiko einer Bußgeldverhängung zu vermeiden.

Die Übermittlung oder Offenlegung von Beschäftigtendaten beim Unternehmenskauf ist unkritisch, sofern lediglich Daten ohne Personenbezug übermittelt werden. In diesem Fall findet das Datenschutzrecht keine Anwendung. Die Zielgesellschaft kann also ohne weiteres statistische Daten (z.B. Durchschnittsgehälter, durchschnittliches Alter, durchschnittliche Betriebszugehörigkeit), gegebenenfalls gestaffelt nach Funktion und Tätigkeitsgebiet oder Einsatzort der Beschäftigten, zur Verfügung stellen. In vielen Fällen werden einem Käufer diese Informationen für die regulären Beschäftigten, bei denen es sich nicht um das Management oder um Schlüsselmitarbeiter handelt, ausreichen.

Es besteht außerdem die Möglichkeit, den Personenbezug der Daten durch eine Anonymisierung aufzuheben. Dies kann im Falle der Übermittlung einer Personalliste z.B. durch Schwärzung oder Weglassen aller Angaben, die einen Personenbezug ermöglichen, erfolgen. Zu beachten ist, dass eine Anonymisierung im datenschutzrechtlichen Sinne nur vorliegt, wenn eine Re-Individualisierung, d.h. eine Zuordnung der Datensätze zu einzelnen Personen, für den Käufer nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist. Eine Re-Individualisierung ist beispielsweise möglich, wenn aufgrund der Zusammenschau mehrerer Informationen erkennbar ist, auf wen sich die Daten beziehen. Man denke an folgendes Beispiel: In einem großen Zielunternehmen gibt es am Standort Berlin nur einen Mitarbeiter, der im PR-Bereich (z.B. als Pressesprecher) tätig ist. Ergibt sich nun aus der geschwärzten Mitarbeiterliste, dass ein bestimmter Mitarbeiter im Bereich PR in Berlin tätig ist und kann der Käufer ohne größere Schwierigkeiten die Identität dieses Mitarbeiters herausfinden (z.B. anhand der Angaben auf der Website der Zielgesellschaft), liegt insoweit trotz Schwärzung des Vor- und Nachnamens und des Geburtsdatums keine Anonymisierung vor.

In Fällen, in denen eine Anonymisierung tatsächlich nicht möglich oder für den Käufer unzureichend ist (z.B. beim Management und Schlüsselmitarbeitern), hängt die Zulässigkeit der Datenübermittlung an den Unternehmenskäufer von einer datenschutzrechtlichen Interessenabwägung ab.

Datenschutzrechtliche Interessenabwägung für die Datenübermittlung

Die Zustimmung der Beschäftigten zur Offenlegung ihrer Daten einzuholen ist gerade bei großen Unternehmen wenig praktikabel und schon deswegen in der Regel keine Option. Die Zulässigkeit der Datenübermittlung ohne Einholung der Zustimmung der Beschäftigten hängt von einer Interessenabwägung ab. Hierbei sind die berechtigten Interessen des Verkäufers (als Gesellschafter der Zielgesellschaft, der seine Beteiligung verkaufen möchte) und die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Beschäftigten gegeneinander abzuwägen. Die Abwägung ist hierbei stets bezogen auf den Einzelfall vorzunehmen und wird je nach Transaktionsphase unterschiedlich ausfallen. Folgende grobe Leitlinien prägen die vorzunehmende Interessenabwägung normalerweise:

Bei der Interessenabwägung spielt es eine entscheidende Rolle, ob ein schützenswertes Informationsinteresse des Kaufinteressenten auf Veranlassung des Verkäufers von der Zielgesellschaft zu befriedigen ist und ob die Datenübermittlung zur Wahrung dieses Interesses „erforderlich″ ist. Es ist hierbei der Frage nachzugehen, ob in der aktuellen Phase der Transaktion bei objektiver Betrachtung ein Weniger an Informationen nicht eine zumutbare Alternative darstellt, um dem Informationsinteresse des Kaufinteressenten, und damit dem Interesse des Verkäufers an der Durchführung der Transaktion, gerecht zu werden.

Man denke an folgendes Beispiel: Eine Zielgesellschaft, bei der es sich um eine Supermarktkette mit 2.500 Mitarbeitern handelt, soll verkauft werden. Ein Kaufinteressent fragt während der Due Diligence-Phase eine vollständige Liste aller Arbeitnehmer der Zielgesellschaft mit Angaben zum jeweiligen Jahresbruttogehalt, Geburtsdatum, Urlaubsanspruch, Befristung, und gegebenenfalls weiterer Daten an. Hier stellt sich die Frage, ob dem Informationsinteresse nicht in ausreichender Weise Genüge getan werden kann, wenn zunächst nur Angaben zu Führungskräften mit den angefragten Daten offengelegt werden und im Übrigen statistische Durchschnittswerte mitgeteilt werden (z.B. zur Anzahl der Kassierer(innen), dem Durchschnittsbruttogehalt, Durchschnittsalter, usw.).

Zu berücksichtigen ist auch das besondere Geheimhaltungsinteresse eines Arbeitnehmers bezüglich besonders sensibler Daten. Zu diesen Daten gehören beispielsweise Behinderung, Schwangerschaft, Krankheit und Gewerkschaftszugehörigkeit.

Tendenziell lässt sich sagen, dass die Arbeitnehmerinteressen in der Due Diligence-Phase höheres Gewicht haben, während die Verkäufer- und Käuferinteressen in der Signing-Phase an Gewicht gewinnen.

Auch in der Signing-Phase kann die Offenlegung bestimmter Arbeitnehmerdaten aber nur damit gerechtfertigt werden, dass Verkäufer und Käufer ein besonderes Interesse an der Offenlegung haben. Denkbar ist in dieser Phase insbesondere die Offenlegung von Informationen zu weiteren Key Employees oder gegebenenfalls weiterer Angaben zu diesen.

DSGVO bringt höhere Risiken für die Akteure im Falle eines Datenschutzrechtsverstoßes

Kommt es im Rahmen eines Unternehmenskaufs zu einem Datenschutzverstoß, so können Bußgelder gegenüber der Zielgesellschaft und gegenüber dem Käufer verhängt werden. Auch die Geschäftsführung der Zielgesellschaft und des Käufers kann gegebenenfalls in die Haftung genommen werden.

Das Datenschutzrecht wird durch die DSGVO eine erheblich höhere Bedeutung erlangen als bisher. Einer der Kernpunkte der europäischen Datenschutzreform ist die Einführung stärkerer Sanktionen für Datenschutzverstöße. Der Bußgeldrahmen steigt für Unternehmen auf bis zu 20 Millionen Euro oder bis zu 4% des gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes an (der höhere Betrag ist maßgeblich). Hinzu kommt, dass Sanktionen von Datenschutzverstößen in Form von Bußgeldern künftig nach der Intention des Verordnungsgesetzgebers nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel sein sollen. Dies müssen Unternehmen künftig in ihre Risikobewertung einbeziehen.

In der Folge ist zu erwarten, dass auch im Bereich von Unternehmenstransaktionen die Sensibilität für das Thema Datenschutz weiter steigen wird. Der Geschäftsführung von Zielgesellschaften und von Kaufinteressenten ist dringend zu empfehlen, ihre Prozesse zur Offenlegung und Abfrage von Beschäftigtendaten zu überprüfen und erforderlichenfalls anzupassen. Due Diligence Checklisten und Fragelisten sollten dringend an die aktuellen datenschutzrechtlichen Vorgaben und die ab Mai 2018 in Kraft tretende DSGVO angepasst werden.

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Neuer Branchenzuschlagstarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie

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Grundsätzlich gilt ab dem 1. April 2017, dass der equal pay-Grundsatz nur noch für einen Kundeneinsatz vom maximal neun Monaten durch die Anwendung der Tarifverträge der Zeitarbeit (bei einer beidseitigen Tarifbindung von Zeitarbeitnehmer und Personaldienstleister oder einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf diese) abgewichen werden kann (§ 8 Abs. 4 S. 1 AÜG).

Danach ist grundsätzlich zwingend equal pay zu gewähren, es sei denn, ein Branchenzuschlagstarifvertrag ist einschlägig. In diesem Fall kann das gesetzliche equal pay abbedungen und durch ein tarifliches equal pay ersetzt werden.

Voraussetzung für dieses ist allerdings, dass durch den Tarifvertrag nach spätestens 15 Monaten einer Überlassung an einen Kunden mindestens ein Arbeitsentgelt erreicht wird, das in dem Tarifvertrag als gleichwertig mit dem Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer in der Einsatzbranche festgelegt ist, und nach einer Einarbeitungszeit von längstens sechs Wochen eine stufenweise Heranführung an dieses Arbeitsentgelt erfolgt (§ 8 Abs. 4 S. 2 AÜG).

Der Vorteil eines solchen Branchenzuschlagstarifvertrages ist insbesondere in organisatorisch-administrativen Erleichterungen zu sehen: während bei der Anwendung des gesetzlichen equal pay das maßgebliche Vergleichsentgelt vom Personaldienstleister erfragt und in der Regel vom Kunden berechnet werden muss (Problem: wie wird dies richtig berechnet?), ermöglicht die Anwendung eines Branchenzuschlagstarifvertrages ein tarifliches equal pay, ohne dass es einer entsprechenden Abfrage und komplizierten Berechnung bedarf.

Vor dem 1. April 2017 wurden von den Verbänden der Zeitarbeit (BAP/iGZ) mit den Einzelgewerkschaften des DGB bereits zahlreiche Branchenzuschlagstarifverträge abgeschlossen, an deren Systematik sich der Gesetzgeber bei der Einführung von § 8 Abs. 4 S. 2 AÜG orientierte. Diese mussten jedoch an die gesetzliche Vorschrift angepasst werden – so auch der TV BZ ME a.F.

Der neue Branchenzuschlagstarifvertrag

Der Tarifvertrag sieht für die M+E-Branche folgende wesentliche Bestimmungen vor:

  • Anders als in den bisherigen Branchenzuschlagstarifverträgen mit fünf Erhöhungsstufen (in Abhängigkeit zur Einsatzdauer) ist im TV BZ ME n.F. eine 6. Stufe in Höhe von 65% ab dem 16. Monat des Einsatzes bei dem Kunden vorgesehen. Nach der im Tarifvertrag vereinbarten Übergangsregelung kann diese Stufe frühestens ab dem 1. Januar 2018 greifen.
  • Die bisher im TV BZ ME vorgesehene Deckelung mit dem Pauschalabzug in Höhe von 10% von dem laufenden regelmäßig gezahlten Stundenentgelt ist – zeitlich begrenzt – bis zum 31. Dezember 2017 weiter anwendbar.
  • Mit Wirkung zum 1. Januar 2018 wird die tarifliche Regelung zur Deckelung modifiziert: zwar gilt auch bei einem Einsatz von bis zu 15 Monaten – bei einer entsprechenden Geltendmachung durch den Kunden – weiterhin eine Begrenzung des Branchenzuschlags auf das laufende regelmäßige Stundenentgelt einschließlich des Pauschalabzugs in Höhe von 10%, allerdings darf die Deckelung nicht zur Folge haben, dass dem eingesetzten Zeitarbeitnehmer nach 6 Wochen überhaupt kein Branchenzuschlag gewährt wird. Offen und vom Tarifvertrag nicht geregelt ist freilich, wie hoch dann ein zu zahlender Branchenzuschlag sein muss (1%, 2% oder 5% oder gar nur 1 Cent?). Nach Ablauf des 15. Einsatzmonats kann der Branchenzuschlag grundsätzlich nur noch auf das Arbeitsentgelt eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers des Kunden beschränkt werden. Dazu zählen Entgeltbestandteile, die über das schlichte Stunden(grund)entgelt hinausgehen, insbesondere Zulagen und Zuschläge, aber auch Jahressonderzahlungen und Sachleistungen usw. Der Kunde hat ein Wahlrecht, ob er nach dem 15. Einsatzmonat die Deckelung geltend macht und dem Personaldienstleister das maßgebliche Vergleichsentgelt des Stammbeschäftigten nachweist oder ob er die 6. und damit letzte Stufe des Branchenzuschlags in Höhe von 65 % anwendet. Letztlich dürfte es ein (wirtschaftlich) determiniertes Rechenbeispiel werden, welche der beiden zur Verfügung stehenden Optionen gezogen wird.
  • Zudem wird der TV BZ ME an weitere Änderungen, die das AÜG mit Wirkung zum 1. April 2017 hinsichtlich der Berechnung der Einsatzdauer erfahren hat, angepasst. Bei einer Unterbrechungsdauer von mehr als drei Monaten (also drei Monate und ein Tag) wird die für die Berechnung des Branchenzuschlags maßgebliche Einsatzzeit genullt und kann erneut ausgeschöpft werden. Unterbrechungen von drei Monaten oder weniger führen nicht zu einem „Neustart″ der Frist, allerdings – wie schon bisher – zu einer Hemmung der Einsatzdauer.
  • Für Einsatzzeiten ab dem 1. April 2017 soll der für das AÜG – zumindest nach Ansicht der BA und der herrschenden Ansicht im Schrifttum – geltende „Entleiherbegriff″ auch für den TV BZ ME anwendbar sein. Es dürfte damit nicht mehr – wie bisher – an den Einsatzbetrieb, sondern an das Kundenunternehmen anzuknüpfen sein, das maßgeblich zur Bestimmung der Einsatzdauer sein soll.
  • Der TV BZ ME soll rückwirkend zum 1. April 2017 in Kraft treten. Die vor diesem Zeitpunkt zurückgelegten Überlassungszeiten werden bei der Berechnung der Einsatzdauer zur Bestimmung der maßgeblichen Erhöhungsstufen angerechnet.
  • Der TV BZ ME kann erstmals mit einer Frist von drei Monaten mit Wirkung zum 31.12.2020 gekündigt werden.
  • Zudem haben die Tarifvertragsparteien vereinbart, Tarifverhandlungen bis zum 30.09.2017 für den Abschluss eines Branchenzuschlagstarifvertrages in der Branche „IT und Kommunikationstechnologie (inklusive IT-Dienstleistungen)″ aufzunehmen.
  • Der TV BZ ME ist noch nicht in Kraft getreten. Es wurde eine Erklärungsfrist bis zum 31. Mai 2017, 12.00 Uhr, vorgesehen. Die Anpassungen im TV BZ ME werden mit Fristablauf wirksam, wenn diese nicht innerhalb der Frist von einer der beteiligten Parteien widerrufen werden.

Branche kann mit dem Zuschlagstarifvertrag kalkulieren

Zunächst ist der Abschluss des neuen TV BZ ME ein gutes Signal für die Branche, der ein – im Vergleich zum gesetzlichen equal pay – erheblich leichter zu bestimmendes tarifliches equal pay vorsieht. Im Zweifel stellt dieser Tarifvertragsabschluss eine „Blaupause″ für weitere, noch zu tariffierende Branchen dar, die (hoffentlich) bald folgen werden. Hier bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten.

Zwar ist der TV BZ ME noch nicht in Kraft getreten, bis die Erklärungsfrist am 31. Mai 2017 abgelaufen ist. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass ein Widerruf erfolgt, so dass die Branche mit dem Tarifvertrag schon vorsichtig kalkulieren kann.

Sollte der TV BZ ME – wie abgeschlossen – wirksam werden, wird auch der bereits verhandelte TV LeiZ für die Metall- und Elektroindustrie in Kraft treten. Dieser ermöglicht die Verlängerung der Überlassungshöchstdauer auf bis zu 48 Monate. Das Schicksal dieses Tarifvertrages wurde an einen neu abzuschließenden TV BZ ME „gekoppelt″. Sollte der TV BZ ME und mit diesem auch der neue TV LeiZ kommen, ist die für den M+E-Bereich gefundene Gesamtlösung hinsichtlich eines tariflichen equal pay und einer abweichenden Überlassungshöchstdauer ein deutliches Signal an andere Branchen und die dort zuständigen Tarifvertragsparteien, entsprechend nachzulegen.

Im Ergebnis bleibt abzuwarten, wie sich die Details des TV BZ ME darstellen werden. Der Tarifvertrag ist im Volltext noch nicht veröffentlicht worden. Nicht auszuschließen ist aber, dass sich insbesondere mit Blick auf die Übergangsregelungen und die übrigen (erheblichen) Änderungen für die Praxis weitere Detailfragen ergeben werden, die im Tarifvertrag nicht geregelt wurden bzw. nicht geregelt werden konnten oder auch sollten.

Dieser Beitrag ist angelehnt an einen Artikel der Mai-Ausgabe des „Infobriefs Zeitarbeit“, in dem der Autor jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informiert. Sollten Sie Interesse haben, diesen zu beziehen, schreiben Sie bitte eine kurze Email an: alexander.bissels@cms-hs.com.

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Arbeitszeitgesetz vs. Arbeiten 4.0 – Herausforderung & Chance

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Mit dem Laptop am Strand liegen oder dienstags mit dem Sohn zum Fußball gehen und dafür samstags im Home Office arbeiten – so die Verheißungen des Arbeitens 4.0 treffend auf den Punkt gebracht.

Gleichzeitig sind Herausforderungen zu meistern, die durch die Vision des zeitlich und örtlich entgrenzten Arbeitens für das Arbeitsrecht entstehen.

Die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes

Als größtes Hemmnis für modernes und flexibles Arbeiten wird das Arbeitszeitgesetz in seiner aktuellen Fassung angesehen.

Die dort geregelte strikte Ruhezeit von mindestens 11 Stunden geht nach wie vor davon aus, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung „am Stück″ erbringt. Dass mittlerweile immer mehr Arbeitnehmer die Arbeitszeit für private Termine unterbrechen, um sie dann z. B. von 21 Uhr bis 23 Uhr fortzusetzen, ist im Arbeitszeitgesetz nicht vorgesehen. Ebenso wenig vorgesehen ist der Blick auf den BlackBerry vor dem Schlafengehen, der dazu führen kann, dass man nochmals für 30 Minuten E-Mails beantwortet.

All diese Fälle führen nach dem Gesetz dazu, dass der Arbeitnehmer am nächsten Tag seine Arbeit erst um 10 Uhr oder 10:30 Uhr aufnehmen darf. Streng genommen müsste der Arbeitgeber ihn eigentlich heimschicken, wenn er trotzdem wie üblich um 8:30 Uhr zur Arbeit erscheint.

An Sonn- und Feiertagen darf grundsätzlich gar nicht gearbeitet werden, während die Samstagsarbeit zulässig ist. Viele Arbeitnehmer nutzen den Samstag aber für Einkäufe und würden lieber am Sonntag arbeiten, soweit sich Wochenendarbeit nicht vermeiden lässt, weil man z. B. in der nächsten Woche an dem nachmittäglichen Kindergartenfest teilnehmen möchte. Auch 12 oder 14 Stunden en bloc darf nicht gearbeitet werden, sondern bei maximal 10 Stunden ist Schluss, unabhängig davon, um welche Arbeit es sich handelt.

Bei Flexibilität im Job wird das Zeitarbeitsgesetz meist ignoriert

Die aufgeworfenen Probleme mit dem Arbeitszeitgesetz sind nicht neu, sondern spätestens seit der Nutzung von Laptops und Smartphones ständige Begleiter im beruflichen Alltag. Wie so häufig geht nicht das Recht einer Entwicklung voran, sondern es folgt den Bedürfnissen der Praxis und versucht, Fehlentwicklungen einzugrenzen.

Wie also geht die Praxis mit den Problemen um? Soweit es sich um „klassische″ Arbeit handelt, in der der Arbeitnehmer wenig Spielräume hat und Arbeitsbeginn und Arbeitsende durch den Arbeitgeber in ein enges Korsett eingebettet sind (z. B. bei Schichtbetrieb in der Produktion), hat sich das Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer nicht verändert. Daher hat das Arbeitszeitgesetz nach wie vor seine Berechtigung und funktioniert gut. Das wird bei der Diskussion häufig außer Acht gelassen.

Wo dagegen Arbeitnehmer und Arbeitgeber partnerschaftlich zusammenarbeiten und dem Arbeitnehmer seine zeitliche Flexibilität und Selbstbestimmung wichtig ist, wird das Arbeitszeitgesetz bereits heute häufig ignoriert. Der Mitarbeiter arbeitet wann, wo und wie lange er möchte, ohne den Arbeitgeber einzubinden. Der Arbeitgeber hingegen verzichtet zugunsten der Selbstbestimmung der Mitarbeiter im Rahmen des gesetzlich Zulässigen auf Kontrollen und kennt deshalb die genauen Arbeitszeiten gar nicht.

Das Recht kommt mit diesen Fällen nur in Berührung, wenn der Betriebsrat die Ausbeutung des Arbeitnehmers befürchtet und seine Mitbestimmungs- und Kontrollrechte nutzt. Oder aber, wenn die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeiter und Arbeitgeber gar nicht mehr funktioniert. Es tut sich dann häufig schwer, im Nachhinein die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes einzuziehen.

Möchte der Arbeitnehmer zum Beispiel im Nachhinein Überstunden bezahlt bekommen, gehen solche Prozesse sehr häufig zu Lasten der Arbeitnehmer aus. Grund dafür ist, dass schon allein die Anordnung und Notwendigkeit von Überstunden aufgrund der beiderseits gewollten flexiblen Arbeitszeiteinteilung gar nicht dargelegt werden kann.

Der Ruf nach einer Anpassung des Arbeitszeitgesetzes wird immer lauter

Der Ruf nach dem Gesetzgeber, die bestehenden Regelungen an die heutigen gesellschaftlichen Bedürfnisse und technischen Rahmenbedingungen anzupassen, wird deshalb immer lauter.

Zunächst ist festzuhalten, dass gerade das Arbeitszeitrecht weitgehend europäisch reguliert ist, so dass der deutsche Gesetzgeber in vielen Bereichen (zum Beispiel gerade bei der Ruhenszeit) gar nicht allein handeln kann. Aber auch eine schnelle europäische Lösung ist nicht zu erwarten. Insofern muss man realistischer Weise in weiten Teilen die Grenzen des Arbeitszeitrechts akzeptieren, innerhalb der gesetzten Spielräume weiterdenken und diese nutzen.

Die Tarifvertragsparteien sind hier Vorreiter und bereits seit langem dabei, neue – teils maßgeschneiderte Arbeitszeitmodelle – auf den bekannten gesetzlichen Grundlagen gemeinsam mit den Arbeitgebern zu entwickeln.

Falsch wäre es jedoch, das entgrenzte Arbeiten allein als Bedrohung für die Mitarbeiter anzusehen und die gesetzlichen Kontrollschrauben aus dem Schutzgedanken heraus noch enger zu drehen. In diese Richtung gehen Forderungen, zukünftig auch eine Aufzeichnungspflicht für Arbeitszeit in der U-Bahn vorzusehen, wenn Mitarbeiter dort ihre E-Mails prüfen.

Dadurch wird das immer stärkere Selbstvertrauen vieler Arbeitnehmer ignoriert, die sich nicht mehr als Objekt des Arbeitnehmerschutzes verstehen, sondern sich auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber sehen. Diese wollen aber Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung, um Privatleben und Beruf nach eigenen Vorstellungen in Einklang zu bringen.

Arbeiten 4.0 – Arbeitsrecht auf Augenhöhe

Die Wirklichkeit ist somit komplex: der Schutz der Arbeitnehmer vor Überforderung sowohl in neuen als auch in „klassischen″ Arbeitsverhältnissen hat nach wie vor seine Berechtigung. Aber genauso gibt es immer mehr Arbeitsverhältnisse „auf Augenhöhe″, in denen der Arbeitgeber überfordert wäre, wenn er Kontrollmechanismen einziehen müsste, die weder er noch der Arbeitnehmer wollen. Dann überholt die Praxis weiter stillschweigend das Recht. Beides widerspricht sich.

Wie also kann und soll der Gesetzgeber mit dieser Ambivalenz umgehen? Zunächst sollten Gesetze nicht mehr in erster Linie gemacht werden, um den Missbrauch (egal, ob auf Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerseite) einzudämmen. Das führt zu immer noch kleinteiligeren Regelungen des Einzelfalles. Denn diese zielen meist nur darauf ab, die Spielräume so eng wie möglich zu gestalten und hohe formale Hürden aufzustellen.

Ein Arbeitszeitgesetz auf Grundlage von redlich und fair Handelnden

Damit wird man der modernen Arbeitswelt aber zwangsläufig nicht mehr gerecht. Vorbild der Gesetzgebung muss wieder derjenige werden, der redlich und fair handelt. Dann ist nicht mehr die Angst vor den kommenden Veränderungen der Motor für Gesetze, sondern das Vertrauen in die Möglichkeiten, die geschaffen werden.

Mit diesem Ansatz ginge es tatsächlich um die Arbeitswelt von morgen, die sich aufgrund ihrer Individualität und Vielgestaltigkeit detaillierten gesetzlichen Regelungen immer mehr entzieht.

Am Beispiel des Arbeitszeitrechts bedeutet das, dass der Gesetzgeber sich nicht in erster Linie fragen sollte, welche zusätzlichen Regelungen er schaffen muss. Im Gegenteil sollte er zunächst das vorhandene Recht auf seinen (auch vor dem Hintergrund des Europarechts) unabdingbaren Kern zurückführen.

Wesentlich ist, dass der Gesetzgeber die Leitplanken zwar einerseits klar definiert, die für den Schutz der Arbeitnehmer erforderlich sind. Andererseits muss er aber Flexibilität für viele verschiedene Fallgestaltungen schaffen, indem er – statt starrer Vorgaben – unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet. Er muss dann natürlich zunehmend darauf vertrauen, dass die Tarif-, Betriebs- und Arbeitsvertragsparteien sowie im Streitfall die Gerichte die Einzelfälle in den Griff bekommen. Das ist ungewohnt.

Diese Vorgehensweise verändert aber gleichzeitig das Verständnis der Zusammenarbeit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer und sieht sie als gleichberechtigte Partner, die in der Lage sind ihre Arbeitsbedingungen innerhalb der gesetzlichen Leitplanken selbst zu regeln. Diese Sichtweise im Arbeitsrecht ist das, was die neue Arbeitswelt 4.0 braucht. Nämlich ein Arbeitsrecht auf Augenhöhe, das weniger bevormundet und mehr zutraut.

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TV LeiZ reloaded: Übernahmeanspruch gegen das Kundenunternehmen

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Bekanntermaßen haben die Tarifvertragsparteien der M+E-Industrie bereits im Jahr 2012 den sog. TV LeiZ abgeschlossen, der durch ein verpflichtendes Übernahmeangebot nach 24 Monaten eine Art Überlassungshöchstdauer vorsieht (in der Fassung vom 24.05.2012), ohne dass dies aufgrund der zwingenden gesetzlichen Vorschriften des AÜG erforderlich gewesen wäre. Dieser Tarifvertrag war zuletzt (erneut) Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Das LAG Hamm musste darüber entscheiden, ob der beklagte Kunde zur Annahme des Angebots des dort eingesetzten Zeitarbeitnehmers auf Abschluss eines Arbeitsvertrages verpflichtet gewesen ist (Urt. v. 18.01.2017 – 3 Sa 1831/15). Dies wurde im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Der Zeitarbeitnehmer war seit dem 15. Juli 2013 als Lager- und Produktionswerker bei einem Personaldienstleister angestellt und wurde seit diesem Tag an den beklagten Kunden überlassen. Der Einsatz endete vor dem 25. März 2015. Seit diesem Tag ist der Kläger Mitglied der IG Metall. Die Beklagte ist tarifgebunden und wendet die Tarifverträge für die M+E-Industrie NRW einschließlich des TV LeiZ an.

Zeitarbeitnehmer klagt auf Annahme des Arbeitsvertrags

Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Annahme eines im Einzelnen benannten Arbeitsvertragsangebotes (mit Wirkung zum 01.02.2015). Unabhängig von der erst seit dem 25. März 2015 bestehenden Gewerkschaftszugehörigkeit habe der zwischen den Parteien von Anbeginn der Überlassung geltende TV LeiZ Anwendung gefunden. Die Beklagte habe sich dabei schadensersatzpflichtig gemacht, weil sie – in Ermangelung einer Betriebsvereinbarung nach § 3 TV LeiZ – die gem. § 4 TV LeiZ nach 18 Monaten erforderliche Prüfung, ob sie ihm ein unbefristetes Arbeitsverhältnis anbieten könne, unterlassen habe. Infolge des Schadensersatzanspruchs habe er nunmehr Anspruch auf Abschluss eines solchen unbefristeten Arbeitsvertrages.

Im Hinblick auf die begehrte Verurteilung zur Annahme eines Arbeitsvertragsangebotes gem. der Bestimmungen des TV LeiZ vertrat die Beklagte die Meinung, dass der Tarifvertrag mangels Tarifbindung im streitigen Zeitraum nicht anwendbar gewesen sei. Die einseitige Tarifbindung des Klägers sei nicht ausreichend, da § 4 TV LeiZ eine Abschluss- und keine Betriebsnorm darstelle. Im Übrigen handele es sich bei § 4 TV LeiZ um eine bloße Verfahrensvorschrift, die zwar eine Prüfpflicht aufstelle, eine Rechtsfolge jedoch nicht regele. Vielmehr diene diese der rechtzeitigen Vorbereitung eines eventuell zu unterbreitenden Vertragsangebotes.

Das LAG Hamm wies die Berufung des Zeitarbeitnehmers gegen die klageabweisende erstinstanzliche Entscheidung zurück. Eine von diesem behauptete Verpflichtung ergebe sich – so das Gericht – insbesondere nicht aus § 4 Ziff. 1, 1. Spiegelstrich TV LeiZ. Ein Anspruch hieraus habe von vornherein nur dann angenommen werden können, wenn es sich bei dieser Regelung um eine Betriebsnorm gem. § 3 Abs. 2 TVG handele. Denn hiernach würden Rechtsnormen des Tarifvertrages über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen für alle Betriebe gelten, deren Arbeitgeber tarifgebunden sei. Läge hingegen eine Inhaltsnorm vor, würde der Anspruch des Klägers von vornherein scheitern, da er zum Zeitpunkt der Herstellung einer Tarifbindung (hier: durch die Begründung der Mitgliedschaft in der IG Metall) bereits nicht mehr bei dem Kunden eingesetzt gewesen sei.

Die Frage, ob § 4 TV LeiZ eine Inhalts- oder eine Betriebsnorm darstelle, sei nach den Grundsätzen der Auslegung von Tarifverträgen zu entscheiden. Die entsprechenden Rechtsnormen über betriebliche Fragen nach § 3 Abs. 2 TVG beträfen Gegenstände, die nur einheitlich gelten könnten. Ihre Regelung in einem Individualvertrag wäre zwar nicht im naturwissenschaftlichen Sinne unmöglich, sie würde aber wegen evident sachlogischer Gründe und Zweckmäßigkeit ausscheiden, weil eine einheitliche Regelung auf betrieblicher Ebene unerlässlich sei. Betriebliche Fragen seien nicht etwa alle Fragen, die im weitesten Sinne durch die Existenz des Betriebs und durch die besonderen Bedingungen der betrieblichen Zusammenarbeit entstehen könnten. Gemeint seien vielmehr nur solche Fragen, die unmittelbar die Organisation und Gestaltung des Betriebs, also der Betriebsmittel und der Belegschaft, beträfen. Betriebsnormen regelten normativ das betriebliche Rechtsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und der Belegschaft als Kollektiv, hingegen nicht die Rechtsverhältnisse zwischen Arbeitgeber und einzelnen Arbeitnehmern, die hiervon allenfalls mittelbar betroffen seien.

§ 4 TV LeiZ kann Betriebsnorm sein

Hiernach spreche der systematische Zusammenhang der tarifvertraglichen Regelungen im TV LeiZ dafür, dass es sich bei den Bestimmungen, insbesondere in § 4 Ziff. 1, um Betriebsnormen handele. Zwar regelt § 4 Ziff. 1 TV LeiZ neben der Prüfungspflicht im 1. Spiegelstrich einen Anspruch auf Abgabe eines Angebots zum Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages nach einer 24-monatigen Überlassung, was isoliert betrachtet zur Annahme führen könnte, dass lediglich ein Rechtsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem einzelnen Arbeitnehmer geregelt werde. Heranzuziehen für das Verständnis der Regelung seien aber insbesondere die grundsätzlichen Regelungen in § 2 TV LeiZ: Wenn § 2 Ziff. 1 das Verhältnis von Zeitarbeitnehmern und Beschäftigten im Kundenbetrieb dadurch bestimme, dass durch den Einsatz von Zeitarbeit keine feststellbare Gefährdung der Arbeitsplätze bewirkt werden dürfe, nach der Protokollnotiz Zeitarbeitnehmer grundsätzlich nicht regelmäßig auf Arbeitsplätzen eingesetzt werden sollten, die im Betrieb auf Dauer angelegt seien, und nach § 2 Ziff. 2 TV LeiZ lediglich der vorübergehende Einsatz von Zeitarbeitnehmern zulässig sei, handele es sich um Regelungen, mit denen die Organisation des Betriebes, die Zusammensetzung der Belegschaft im Verhältnis von Stammbeschäftigten zu Zeitarbeitnehmern und damit das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern als Kollektiv bestimmt werde. Die Prüf- und Einstellungspflicht nach § 4 Ziff. 1 TV LeiZ seien dann lediglich Ausfluss dessen, was die Tarifvertragsparteien in § 2 TV LeiZ grundsätzlich für das Verhältnis von Stammbeschäftigten zu Zeitarbeitnehmern geregelt hätten.

Im Ergebnis konnte das LAG Hamm diese Frage jedoch offenlassen, da ein Anspruch des Klägers auf Abgabe eines Angebots auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages auch dann nicht gegeben sei, wenn eine Rechtsnorm über betriebliche Fragen i.S.d. § 3 Abs. 2 TVG gegeben wäre.

Aus § 4 Ziff. 1 TV LeiZ ergebe sich vorliegend nämlich keine Verpflichtung der Beklagten zur Abgabe eines Angebots auf Abschluss eines Arbeitsvertrages (oder zur Annahme eines solchen).

Ein Einstellungsanspruch aus § 4 Ziff. 1, 2. Spiegelstrich TV LeiZ sei unstreitig nicht gegeben, da der Kläger die erforderliche Überlassungsdauer von 24 Monaten – ausgehend vom 15. Juli 2013 – nicht erreicht habe. Ein solcher ergebe sich ferner nicht aus § 4 Ziff. 1, 1. Spiegelstrich TV LeiZ. Die Bestimmung enthalte lediglich eine Verpflichtung zur Prüfung nach einer 18-monatigen Überlassung, ob dem Zeitarbeitnehmer ein unbefristeter Arbeitsvertrag angeboten werden könne. Materielle Pflichten bei dieser Prüfung begründe die tarifliche Bestimmung dabei nicht. Insbesondere der systematische Zusammenhang mit dem 2. Spiegelstrich mache klar, dass die Tarifvertragsparteien auf der ersten Stufe materielle Vorgaben bei einer lediglich 18-monatigen Überlassungsdauer nicht machen wollten, wenn dort nach einer darüber hinaus gehenden Überlassungsdauer von 24 Monaten eine Verpflichtung zum Angebot eines unbefristeten Arbeitsvertrages vorgesehen sei. Gerade mit der Gegenüberstellung der jeweiligen Überlassungsdauer hätten die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck gebracht, welche Zeitpunkte einerseits für eine Überprüfungspflicht, andererseits für die Pflicht zur Abgabe eines Vertragsangebotes maßgeblich sein sollten. Die Tarifvertragsparteien hätten damit mit dem 1. Spiegelstrich eine Verfahrensnorm aufgestellt, mit der der Zeitpunkt festgelegt werde, wann eine solche, nicht an materielle Vorgaben gebundene Prüfung erfolgen solle. Insoweit bestehe eine Parallele zu § 30 Abs. 3 S. 2 TVöD, nach dem der Arbeitgeber bei Vorliegen eines befristeten Arbeitsvertrages ohne sachlichen Grund vor Ablauf des Arbeitsvertrages zu prüfen habe, ob eine (un-)befristete Weiterbeschäftigung möglich sei; auch in dieser Bestimmung würden keine materiellen Vorgaben hinsichtlich der Prüfungspflicht gemacht; ein Einstellungsanspruch resultiere hieraus nicht (vgl. BAG v. 15.05.2012 – 7 AZR 754/10).

LAG Hamm äußert sich ausführlich zur Rechtsqualität des § 4 TV LeiZ

Der Entscheidung des LAG Hamm ist im Ergebnis zuzustimmen. Die Voraussetzungen für einen möglichen Einstellungsanspruch nach § 4 Ziff. 1, 2. Spiegelstrich TV LeiZ waren nicht erfüllt (keine Überlassungsdauer von mehr als 24 Monaten) und § 4 Ziff. 1, 1. Spiegelstrich TV LeiZ, dessen tatbestandlichen Voraussetzungen zwar erfüllt waren (Überlassungsdauer von mehr als 18 Monate), gibt den vom Zeitarbeitnehmer geltend gemachten Übernahmeanspruch gerade nicht her. Letztlich hätte das LAG Hamm ausschließlich mit diesen Erwägungen die Zurückweisung der Berufung begründen können. Interessanterweise belässt es das Gericht aber nicht dabei, sondern es führt – insoweit nicht entscheidungstragend und im Ergebnis offenlassend – aus, welche Rechtsqualität § 4 Ziff. 1 TV LeiZ hat, nämlich ob die tarifliche Bestimmung als Inhalts- oder Betriebsnorm zu qualifizieren ist. Diese Einordnung ist für den Praxis von erheblicher Bedeutung. Im erstgenannten Fall ist für einen (Übernahme-)Anspruch des Zeitarbeitnehmers erforderlich, dass beide Parteien (also Zeitarbeitnehmer und Kundenunternehmen) wechselseitig an die Tarifverträge M+E und damit an den TV LeiZ gebunden sind. Der Kunde muss Mitglied im entsprechenden Metallarbeitgeberverband, der Zeitarbeitnehmer in der IG Metall sein. Nur in diesem Fall kann nach Ablauf der 24-monatigen Überlassung ein Anspruch auf Übernahme in ein Arbeitsverhältnis bei dem Kunden entstehen. Sollte § 4 Ziff. 1, 2. Spiegelstrich TV LeiZ als eine Betriebsnorm qualifiziert werden müssen, ist bereits die Tarifbindung des Kunden für die Begründung eines (tariflichen) Übernahmeanspruchs ausreichend. Es kommt nicht darauf an, ob und ab welchem Zeitpunkt der Kläger Mitglied der IG Metall geworden ist.

Das LAG Hamm spricht sich dafür aus, dass § 4 Ziff. 1 TV LeiZ als Betriebsnorm anzusehen sein soll und stellt sich damit gegen die Rechtsprechung des BAG, das § 4 Ziff. 1 TV LeiZ als Inhaltsnorm wertet (vgl. BAG v. 12.07.2016 – 9 AZR 359/15; LAG Baden-Württemberg v. 18.06.2015 – 6 Sa 52/14). § 4 Ziff. 1 TV LeiZ gewähre dem (tarifgebundenen) Zeitarbeitnehmer einen individualrechtlichen Anspruch auf Prüfung seiner Übernahme und ein Angebot zur Übernahme in ein Stammarbeitsverhältnis bei dem Kunden. Eine kollektive Regelung liege offensichtlich nicht vor, so dass betriebliche Fragen im Sinne der Rechtsprechung des BAG nicht geregelt würden. In der Entscheidung des LAG Hamm wird auf diese abweichende Ansicht des BAG mit keiner Silbe eingegangen, so dass nicht auszuschließen ist, dass diese schlichtweg übersehen wurde. Es bleibt vor diesem Hintergrund aber zunächst spannend, welche rechtliche (tarifliche) Qualität § 4 Ziff. 1 TV LeiZ hat und welche Anforderungen an die Tarifbindung hinsichtlich einer möglichen Anspruchsbegründung zu stellen sind.

Dies gilt insbesondere unter Beachtung der Tatsache, dass die Tarifvertragsparteien M+E sich inzwischen auf ein Verhandlungsergebnis verständigt haben, das die Neufassung des bisherigen TV LeiZ – auch unter Berücksichtigung der gesetzlichen Anpassungen durch die AÜG-Reform – zum Inhalt hat. Bekanntermaßen gilt ab dem 01. April 2017 eine gesetzliche Überlassungshöchstdauer von grundsätzlich 18 Monaten (§ 1 Abs. 1 S. 4, Abs. 1b AÜG), die allerdings tarifdispositiv ausgestaltet ist (§ 1 Abs. 1b S. 3 AÜG). Von dieser Gestaltungsmöglichkeit wollen die Tarifpartner der M+E-Industrie Gebrauch machen: in dem TV LeiZ n.F. ist eine Überlassungshöchstdauer von bis zu 48 Monaten vorgesehen (§ 2.3 TV LeiZ). Die gesetzliche Frist wird durch den TV LeiZ erheblich verlängert.

Allerdings ist dafür grundsätzlich erforderlich, dass dazu im tarifgebundenen Kundenbetrieb eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen wird, in der der Einsatz von Zeitarbeit geregelt wird; in dieser kann eine Überlassungshöchstdauer von bis zu 48 Monaten vorgesehen werden. Die im TV LeiZ vorgesehenen Prüf- und Übernahmepflichten nach 18 bzw. 24 Monaten bestehen in diesem Fall nicht (a.A. wohl: Bertram, AIP 4/2017, 4, der aber m.E. verkennt, dass sich § 4 TV LeiZ nur auf Unternehmen ohne Betriebsvereinbarung zur Zeitarbeit bezieht). (Tarifgebundene) Kundenbetriebe ohne Betriebsrat können sich grundsätzlich auch auf die tarifvertraglich vorgesehen Überlassungshöchstdauer von 48 Monaten berufen. Jedoch gelten in diesem Fall die tariflichen Prüf- und Übernahmepflichten nach 18 bzw. 24 Monaten uneingeschränkt. Ohne Betriebsvereinbarung muss im tarifgebundenen Betrieb folglich geprüft werden, ob der Zeitarbeitnehmer in ein Arbeitsverhältnis bei dem Kunden übernommen werden kann; nach 24 Monaten ist diesem ein entsprechendes Angebot zu unterbreiten. Die Verlängerung der Überlassungshöchstdauer über 24 Monate hinaus dürfte – ohne eine entsprechende Betriebsvereinbarung – nur möglich sein, wenn der eingesetzte Zeitarbeitnehmer das kundenseitige Angebot auf den Abschluss eines Arbeitsvertrages ablehnt. In diesem Fall kann die Überlassung über die 24 Monate hinaus – auch ohne Betriebsvereinbarung – bis 48 Monate andauern.

Das LAG Hamm hat die Revision zum BAG zugelassen, die dort unter dem Az. 9 AZR 93/17 geführt wird.

Dieser Beitrag ist angelehnt an einen Artikel der April-Ausgabe des „Infobriefs Zeitarbeit“, in dem der Autor jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informiert. Sollten Sie Interesse haben, diesen zu beziehen, schreiben Sie bitte eine kurze Email an: alexander.bissels@cms-hs.com.

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Anhörung der Schwerbehindertenvertretung bei der Kündigung

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Ist künftig die Anhörung des Schwerbehindertenvertreters in Kiel Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers in Stuttgart? Die Frage mag zunächst seltsam anmuten. Die gesetzlichen Zuständigkeitsregelungen für die Schwerbehindertenvertreung sprechen allerdings dafür, die Frage mit „Ja″ zu beantworten. Die Autoren finden: Das geht zu weit! Für den Gesetzgeber besteht Handlungsbedarf. Zumindest aber die Rechtsprechung muss hier nachbessern!

Anhörung der Schwerbehindertenvertretung

Die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers ist seit dem 01. Januar 2017 nach § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX (ab dem 01.01.2018: § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX) unwirksam, wenn es der Arbeitgeber versäumt hat, die Schwerbehindertenvertretung vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß zu unterrichten und anzuhören.

Damit sind die formalen Anforderungen an eine wirksame Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers erheblich gestiegen. Es müssen bei Bestehen einer Schwerbehindertenvertretung und eines Betriebsrats nunmehr drei Verfahren durchgeführt werden:

Weitgehend nicht beachtet wurde bisher, dass für Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung unterschiedliche Zuständigkeitsregelungen bestehen. Diese könnten für die Unternehmen unangenehme Folgen bei der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung mit sich bringen.

Wer ist der zuständige Betriebsrat?

Die Zuständigkeiten bei der Betriebsratsanhörung sind bekannt und die Praxis hat sich auf die Anforderungen des § 102 BetrVG eingestellt. Zur Erinnerung:

  • Zuständigkeit des örtlichen Betriebsrats
    Zuständig für das Anhörungsverfahren gemäß § 102 BetrVG ist der örtliche Betriebsrat des Betriebs, in dessen Belegschaft der zu kündigende Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Kündigung eingegliedert ist.
    Besteht kein örtlicher Betriebsrat, so muss eine Betriebsratsanhörung vor Ausspruch der Kündigung nicht durchgeführt werden.
  • Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nur kraft Auftrags
    Eine originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für die Anhörung nach § 102 BetrVG (personelle Einzelmaßnahme) kommt regelmäßig nicht in Betracht; außer z.B. in den Fällen, in denen ein Arbeitnehmer mehreren Betrieben eines Unternehmens gleichzeitig zugeordnet ist.
    Der Gesamtbetriebsrat ist gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG lediglich für Angelegenheiten originär zuständig, welche das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen. Allerdings nur soweit diese nicht durch die Einzelbetriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Eine Ersatzzuständigkeit für betriebsratslose Betriebe besteht nicht, sofern eine Angelegenheit nur den betriebsratslosen Betrieb betrifft.
    Eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG kann durch den örtlichen Betriebsrat jedoch im Wege der Auftragserteilung begründet werden. Der örtliche Betriebsrat kann den Gesamtbetriebsrat gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG mit der Wahrnehmung des Beteiligungsrechts aus § 102 BetrVG beauftragen. Dann ist der Gesamtbetriebsrat vor Ausspruch von Kündigungen anzuhören.
    Der Arbeitgeber wird regelmäßig durch den Betriebsrat über die Beauftragung des Gesamtbetriebsrats informiert werden (Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit). Somit hat er Kenntnis über den richtigen Ansprechpartner für die Anhörung nach § 102 BetrVG.

Wer ist die zuständige Schwerbehindertenvertretung?

Anders stellt es sich bei der Zuständigkeit der Schwerbehindertenvertretung dar:

  • Zuständigkeit der örtlichen Schwerbehindertenvertretung
    Ist in einem Betrieb eine Schwerbehindertenvertretung eingerichtet, so ist diese vor Ausspruch der Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers, der in diesen Betrieb eingegliedert ist, anzuhören (§ 95 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 SGB IX). So weit, so gut.
  • Ersatzzuständigkeit der Gesamtschwerbehindertenvertretung
    Anders als beim Betriebsrat hat die Gesamtschwerbehindertenvertretung aber eine Ersatzzuständigkeit: Nach § 97 Abs. 6 Satz 1 SGB IX vertritt die Gesamtschwerbehindertenvertretung nicht nur die Interessen der schwerbehinderten Menschen in Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und von den Schwerbehindertenvertretungen der einzelnen Betriebe nicht geregelt werden können. Zusätzlich vertritt die Gesamtschwerbehindertenvertretung auch die Interessen der schwerbehinderten Menschen, die in einem Betrieb tätig sind, für die aber eine Schwerbehindertenvertretung nicht gewählt ist.
    Die gesetzliche Zuständigkeitsregelung kann nach ihrem Wortlaut zur Folge haben, dass bei einer notwendigen Anhörung der Schwerbehindertenvertretung nicht nur geschaut werden muss, ob eine örtliche Schwerbehindertenvertretung existiert. Es muss darüber hinaus – falls dem nicht so ist – auch geschaut werden, ob eine Gesamtschwerbehindertenvertretung im Unternehmen existiert.
  • Zuständigkeit der örtlichen Schwerbehindertenvertretung in einem anderen Betrieb
    Diese Überlegung ist sogar noch weiter zu führen. Existiert in irgendeinem Betrieb des Unternehmens eine örtliche Schwerbehindertenvertretung, aber keine Gesamtschwerbehindertenvertretung, ist die örtliche Schwerbehindertenvertretung gemäß § 97 Abs. 1 Satz 2 SGB IX für die Aufgaben der Gesamtschwerbehindertenvertretung zuständig. Die Rechtsprechung drückt es so aus (BAG, Urteil v. 04.11.2015 – 7 ABR 62/13): „Sie nimmt die Interessen aller schwerbehinderten Menschen des Unternehmens auf Betriebs- und Unternehmensebene wahr.″
    Mit gleichem Urteil stellte das BAG fest, dass sich die Zuständigkeit der örtlichen Schwerbehindertenvertretung – mangels entsprechender gesetzlicher Regelung – allerdings nicht auf die Wahrnehmung der Aufgaben der Konzernschwerbehindertenvertretung erstreckt.
    Die derzeitige Rechtslage spricht daher dafür, dass Unternehmen bei einer notwendigen Anhörung der Schwerbehindertenvertretung sogar schauen müssen, ob irgendwo im Unternehmen eine örtliche Schwerbehindertenvertretung existiert. Diese Bestandsaufnahme führt zu der kurios anmutenden Antwort auf die in der Einleitung aufgeworfene Frage: Ja, nach dem derzeitigen Gesetzeswortlaut könnte ein Schwerbehindertenvertreter in Kiel bei der Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers in Stuttgart anzuhören sein, damit die Kündigung wirksam ist.

Vorsicht: Ermitteln Sie die zuständige Schwerbehindertenvertretung!

Solange weder Gesetzgeber noch Rechtsprechung klarstellen, dass die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung bei der Kündigung auf die örtliche Schwerbehindertenvertretung beschränkt ist, bleibt Vorsicht geboten. Unseres Erachtens nach muss man aufgrund des Gesetzeswortlauts aus Vorsichtsgründen eine gegebenenfalls vorhandene Gesamtschwerbehindertenvertretung oder aber eine ortsfremde Schwerbehindertenvertretung im Unternehmen anhören.

Aus unserer Sicht geht es aber zu weit, von den Unternehmen ein derartiges Vorgehen zu verlangen. Ortsfremde Schwerbehindertenvertretungen haben nicht den Einblick in den Betrieb, wie es die örtliche Schwerbehindertenvertretung hat. Wird die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung zur echten Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung, muss im Ausgleich dafür der Anwendungsbereich auf die örtliche Schwerbehindertenvertretung beschränkt bleiben.

Hier ist der Gesetzgeber zur Nachbesserung aufgefordert. Zumindest aber muss die Rechtsprechung § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX entsprechend dem Sinn und Zweck der Anhörung als Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung auslegen.

Bei § 102 BetrVG ist schließlich anerkannt, dass die Anhörung des Betriebsrats nicht nur den individuellen Kündigungsschutz verstärkt, sondern vor allem auch dem kollektiven Interessenschutz dient: Durch die Anhörung soll der Einfluss des Betriebsrats auf die Zusammensetzung der Belegschaft gewährleistet werden. Ähnlich hat die örtliche Schwerbehindertenvertretung die Aufgabe, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den jeweiligen Betrieb zu fördern.

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Gig-Economy: Lieferdienste gestalten die Arbeitswelt um

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Die einen sehen in der Gig-Economy die Zukunft der digitalen und flexiblen Arbeitswelt 4.0 und eine echte Alternative zu herkömmlichen Beschäftigungsverhältnissen. Die anderen wittern Gefahr für hart erkämpfte Arbeitnehmerrechte. Fakt ist: Die Vermittlung von Arbeitsaufträgen an eine Vielzahl von Beschäftigten über Online-Plattformen wächst rasant und verändert das Arbeitsleben nachhaltig.

Deliveroo, foodora und Co.

Neben der allseits bekannten Vermittlung von Fahrdiensten (Uber) und haushaltsnahen Dienstleistungen (Helpling) sind vor allem Essens-Lieferdienste – wie Deliveroo und foodora – stark im Kommen. Die Bestellvolumen steigen rasant und in immensem Umfang. Das Geschäftsmodell: Mit Hilfe von tausenden Fahrradkurieren werden Kunden mit Gerichten aus verschiedenen Partner-Restaurants ohne eigenen Lieferdienst versorgt. Arbeitsmittel: Fahrrad, Lieferbox und Smartphone.

Wunsch nach Flexibilität trifft Bedürfnis nach Sicherheit

Ein Geschäftsmodell, das für freie Mitarbeiter bestens geeignet zu sein scheint. Die damit verbundene Freiheit von persönlichen Weisungen, die Flexibilität hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort und nicht zuletzt die Unabhängigkeit vom grauen Büroalltag sind bei vielen Beschäftigten gerade der Generation Y ausdrücklich erwünscht.

Dennoch trafen sich am 18. Mai 2017 Kuriere verschiedener Lieferdienste in Berlin zu einer Fahrrad-Demo für bessere Arbeitsbedingungen. Viele betonten, dass sie sich angesichts der gebotenen Flexibilität und Unabhängigkeit einen normalen Büroalltag nicht (mehr) vorstellen könnten. Unverzichtbare Arbeitsmittel – wie Fahrrad oder Smartphone – sollten jedoch zukünftig vom Unternehmen gestellt werden. Auch wünschen sich viele Fahrer mehr Sicherheit und Planbarkeit bei der Organisation ihrer Arbeitsschichten.

Anforderungen der „Economy-On-Demand″

Die Lieferdienste bringt das in eine Zwickmühle, denn arbeitsrechtlich sind die Gestellung von Arbeitsmitteln und unternehmensseitige Vorgaben hinsichtlich der Arbeitszeit Indizien für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses. Die aber sind für das Unternehmen teurer und häufig zu unflexibel, müssen die Lieferdienste doch dem Kernelement der „Economy-On-Demand“ Rechnung tragen: Ressourcen werden nur bei Bedarf abgerufen. Dementsprechend basieren die Geschäftsmodelle der Gig-Economy nach wie vor zu großen Teilen auf dem Einsatz Selbstständiger. Dies entspricht einerseits der tatsächlich gewollten und auch gelebten Flexibilität der Beschäftigten, sorgt aber andererseits auch für Konflikte.

Alles oder Nichts

Wie viele Plattform-Unternehmen der Arbeitswelt 4.0 haben auch die Online-Lieferdienste mit dem Problem zu kämpfen, dass die flexible und digitalisierte Realität nicht so recht zu den Lösungen passen will, die das Arbeits- und Sozialrecht zur Verfügung stellen.

Die grundlegende arbeitsrechtliche Unterscheidung von Arbeitnehmern und Selbstständigen ist über 100 Jahre alt. Die Annahme eines Arbeitsverhältnisses ist aber immer noch ein zentrales Eingangstor in das arbeitsrechtliche Schutzsystem. Hiermit steht und fällt die Anwendbarkeit des Mindestlohngesetzes, des Arbeitszeitgesetzes und beispielsweise auch des § 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz. Dieser stellt bei Arbeitnehmern einen Ausgleich zwischen flexibler Arbeitszeit (Abrufarbeit) und den Belangen des Arbeitnehmerschutzes her.

Die meist parallel laufende sozialrechtliche Unterscheidung zwischen abhängiger Beschäftigung und Selbstständigkeit stammt aus der Zeit Bismarcks und folgt ebenfalls dem „Alles-oder-Nichts-Prinzip“. Danach besteht entweder beim Beschäftigten eine Sozialversicherungspflicht oder der Selbstständige fällt gänzlich aus der Sozialversicherungspflicht und dem damit verbundenen Schutz heraus.

Risiko der Scheinselbstständigkeit

Diese starre Differenzierung trifft in der Gig-Economy zunehmend auf Beschäftigungsverhältnisse, in denen die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung mit denen der Selbstständigkeit fließend ineinander übergehen. Die Folge ist ein erheblicher arbeitsrechtlicher Gestaltungsbedarf, damit einerseits der Beschäftigte tatsächlich im freien Dienstverhältnis tätig ist, andererseits das Unternehmen ein Mindestmaß an Kontrolle ausüben und den Beschäftigten auch organisatorische Hilfestellung – etwa bei Arbeitsmitteln – zukommen lassen kann.

Das Risiko der Plattformbetreiber liegt auf der Hand: Bei falscher Einordnung eines Kuriers laufen sie Gefahr, Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge nebst Säumniszuschlag nachzuzahlen und setzen sich sogar dem Risiko eines Strafverfahrens wegen Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen nach § 266a StGB aus.

Der Grat zwischen freier Mitarbeit und abhängiger Arbeit ist schmal. Das Risiko einer fehlerhaften Einordnung des Vertragsverhältnisses dementsprechend groß. Das zwingt die Lieferunternehmen zu klaren Entscheidungen, leider (wie beispielsweise bei den Arbeitsmitteln) nicht immer im Sinne der Betroffenen.

Lösung in Sicht?

Derzeit wird die Verantwortung vor allem bei den Plattformbetreibern gesucht, zwischen zwingendem Arbeitsrecht und dispositivem Vertragsrecht sollen diese über die Arbeitnehmereigenschaft und (damit verbunden) auch über Fragen der sozialen Absicherung entscheiden. Die Unternehmen reagieren indem sie den Beschäftigten nach Möglichkeit neben der freien Mitarbeit auch Festanstellungen anbieten. Das grundsätzliche Problem ambivalenter Bedürfnisse in der Gig-Economy ist damit aber nicht gelöst.

Gesetzgeber in der Pflicht

Tatsächlich ist angesichts des anhaltenden Trends zu mehr Flexibilität in den Beschäftigungsverhältnissen der Gesetzgeber in der Bringschuld. Zur Debatte steht neben einer Änderung des Arbeitnehmerbegriffs und einer Ausweitung des Schutzes sogenannter arbeitnehmerähnlicher Personen vor allem die Öffnung der Sozialversicherung für Solo-Selbstständige. Alternativ wird auch die Idee eines berufsständischen Versorgungswerks für Plattformbeschäftigte diskutiert.

Allerdings: Bis der Gesetzgeber tätig wird, müssen Plattformbetreiber ein besonderes Augenmerk auf die klare Gestaltung der Vertragsverhältnisse mit ihren Kurieren legen. Zu beachten ist, dass am Ende neben der Vertragsgestaltung stets auch die tatsächliche Vertragsdurchführung entscheidend ist. In Zweifelsfällen kann es sich anbieten, ein Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV in einem typischen Fall als Musterverfahren zu führen, um die aufgezeigten Risiken zu minimieren.

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Zählen oder Nichtzählen? Freistellung von Betriebsratsmitgliedern

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Das BAG hat in den letzten Jahren dessen Rechtsprechung, nach der Zeitarbeitnehmer bei den betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten im Kundenbetrieb nicht mitzählen, aufgeweicht (vgl. BAG v. 13.03.2013 – 7 ABR 69/11; a.A. noch: BAG v. 22.10.2003 – 7 ABR 3/03). Der Grundsatz „Wählen, aber nicht zählen″ ist in dieser absoluten Form nicht mehr gültig.

In einer aktuellen Entscheidung hat der 7. Senat nunmehr festgestellt, dass Zeitarbeitnehmer auch in Zusammenhang mit der Bestimmung der Anzahl der Freistellungen von Betriebsratsmitgliedern zu berücksichtigen sind (Beschluss v. 18.01.2017 – 7 ABR 60/15).

BAG setzt bisherige Rechtsprechung fort

Das BAG setzt mit seiner Entscheidung dessen Rechtsprechung konsequent fort. Zunächst hat es anerkannt, dass Zeitarbeitnehmer bei dem Schwellenwert nach § 9 BetrVG (Größe des bei dem Kunden zu bildenden Betriebsrates) mitzuzählen sind (vgl. BAG v. 13.03.2013 – 7 ABR 69/11).

Nunmehr  werden diese auch bei der Staffelung des § 38 BetrVG zur Bestimmung der Anzahl der im Betriebsrat freizustellenden Mitglieder zu berücksichtigen sein (in diesem Sinne: LAG Rheinland-Pfalz v. 14.07.2015 – 8 TaBV 34/14; LAG Baden-Württemberg v. 27.02.2015 – 9 TaBV 8/14; Hess. LAG v. 02.11.2015 – 16 TaBV 48/15; so auch die herrschende Ansicht in der Literatur: ErfK/Koch, § 38 BetrVG Rn. 1; Haas/Hoppe, NZA 2013, 297; DKKW/Wedde, BetrVG, § 38 Rn. 9, 11; HWK/Reichold, § 38 BetrVG Rn. 4; Richardi/Thüsing, BetrVG, § 38 Rn. 9; Zimmermann, DB 2014, 2592).

BAG: Keine strenge Anwendung der Zwei-Komponentenlehre

Diese Entwicklung war zu erwarten und ist auf Grundlage der Abkehr von der strengen Anwendung der sog. Zwei-Komponentenlehre nicht überraschend (dazu: Bissels, jurisPR-ArbR 16/2016 Anm. 4 zu Hess. LAG v. 02.11.2015 – 16 TaBV 48/15). Jedoch verlangt das BAG mit Blick auf den jeweils maßgeblichen Schwellenwert, dass die im Gesetz ergänzend vorgesehenen Tatbestandsmerkmale ebenfalls mit Blick auf die betreffenden Zeitarbeitnehmer erfüllt sind. Dies bedeutet in Zusammenhang mit § 38 BetrVG, dass diese zu den „in der Regel″ im Betrieb des Kunden beschäftigten Mitarbeitern zählen müssen. Auch diese Voraussetzung war in dem vom BAG entschiedenen Fall erfüllt.

Kodifikation der Rechtsprechung durch die AÜG-Reform

Der Gesetzgeber hat die Entwicklung in der Rechtsprechung aufgegriffen und im Rahmen der AÜG-Reform kodifiziert. Seit dem 01. April 2017 ist in § 11 Abs. 2 S. 4 AÜG folgende Regelung vorgesehen:

Soweit Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes mit Ausnahme des § 112a, des Europäische Betriebsräte-Gesetzes oder der auf Grund der jeweiligen Gesetze erlassenen Wahlordnungen eine bestimmte Anzahl oder einen bestimmten Anteil von Arbeitnehmern voraussetzen, sind Leiharbeitnehmer auch im Entleiherbetrieb zu berücksichtigen.

Anders als das BAG nimmt der Gesetzgeber jedoch eine pauschalierende Betrachtung vor und zählt Zeitarbeitnehmer im Rahmen von betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten – mit Ausnahme von § 112a BetrVG – mit.  Anders hingegen das BAG , das eine Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung des jeweiligen Zwecks der Vorschrift durchführt  (sog. normzweckorientierte Auslegung).

Freilich müssen auch unter Berücksichtigung des seit dem 01. April 2017 geltenden § 11 Abs. 2 S. 4 BetrVG die für den jeweiligen Schwellenwert geltenden ergänzenden Anforderungen (z.B. „in der Regel″ im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer) bei den Zeitarbeitnehmern erfüllt sein, damit sie tatsächlich mitzählen können.

Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Änderungen wird die Rechtsprechung des BAG nicht zur Makulatur; sie hat weiterhin Bedeutung für Altfälle, nämlich für Sachverhalte, die zeitlich vor dem 01. April 2017 gelegen sind. Arbeitgeber müssen sich daher nach und aufgrund der höchstrichterlichen Klärung durch das BAG nunmehr auch vor dem 01. April 2017 auf eine erhöhte Anzahl von Freistellungen im Betriebsrat einstellen.

Dieser Beitrag ist angelehnt an einen Artikel der Mai-Ausgabe des „Infobriefs Zeitarbeit“, in dem der Autor jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informiert. Sollten Sie Interesse haben, diesen zu beziehen, schreiben Sie bitte eine kurze E-Mail an: alexander.bissels@cms-hs.com.

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Betriebsrentenstärkungsgesetz verabschiedet: reine Beitragszusage kommt

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Am 01. Juni 2017 hat der Bundestag das Betriebsrentenstärkungsgesetz verabschiedet, um das lange gerungen wurde. Nachdem das Gesetz bereits im März 2017 in erster Lesung im Bundestag beraten wurde, konnte sich die Koalition erst in den letzten Zügen des Gesetzgebungsverfahrens abschließend auf den endgültigen Inhalt des Gesetzes verständigen.

Weitere Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung angestrebt

Das politische Ziel ist die betriebliche Altersversorgung zu stärken und für ihre weitere Verbreitung zu sorgen. Während Versorgungszusagen bislang hauptsächlich in größeren Unternehmen erteilt wurden, soll die betriebliche Altersversorgung künftig auch für kleinere Unternehmen attraktiver werden. Auch Menschen mit geringeren Einkommen sollen verstärkt von der betrieblichen Altersversorgung profitieren. Um diese Ziele zu erreichen, enthält das Betriebsrentenstärkungsgesetz zahlreiche Neuregelungen.

Einführung der reinen Beitragszusage

Erstmals wird eine reine Beitragszusage eingeführt. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber keine bestimmte oder bestimmbare Versorgungsleistung zusagt, sondern sich lediglich verpflichtet, bestimmte Beiträge an einen externe Versorgungsträger zu zahlen. Es wird keine bestimmte Höhe von Versorgungsleistungen garantiert. Vielmehr endet die Pflicht des Arbeitgebers mit der ordnungsgemäßen Beitragszahlung („pay and forget″).

Demzufolge entfällt bei einer reinen Beitragszusage auch die im Betriebsrentenrecht ansonsten vorgesehene (subsidiäre) Einstandspflicht des Arbeitgebers. Als Durchführungswege für die reine Beitragszusage stehen nur die Direktversicherung, der Pensionsfond und die Pensionskassen zur Verfügung.

Weiter werden Anwartschaften aus einer reinen Beitragszusage sofort unverfallbar, auch wenn sie durch Arbeitgeberbeiträge finanziert sind. Zudem muss bei einer reinen Beitragszusage im Fall der Entgeltumwandlung geregelt werden, dass der Arbeitgeber 15 % des umgewandelten Entgelts als Arbeitgeberzuschuss an die Versorgungseinrichtung weiterleiten muss, soweit der Arbeitgeber durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart.

Sozialpartnermodell – Vorrang der Tarifparteien bei der reinen Beitragszusage

Die Ausgestaltung der reinen Beitragszusage ist in dem neuen Gesetz den Tarifparteien vorbehalten (sog. Sozialpartnermodell). Die reine Beitragszusage kann nur durch Tarifvertrag oder (insbesondere bei nicht-tarifgebundenen Arbeitgebern) aufgrund eines Tarifvertrags durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung eingeführt werden. Allerdings können nicht-tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der einschlägigen tariflichen Regelung vereinbaren.

Lassen die Tarifvertragsparteien eine reine Beitragszusage zu, müssen sie sich an deren Durchführung und Steuerung beteiligen. Dabei sollen die Tarifparteien nicht-tarifgebundenen Arbeitgebern den Zugang zu solchen Versorgungssystemen nicht verwehren. Wobei der durchführenden Versorgungseinrichtung im Hinblick auf die Aufnahme und Verwaltung von Arbeitnehmern nicht-tarifgebundener Arbeitgeber keine sachlich unbegründeten Vorgaben gemacht werden dürfen.

Einführung der Optionslösung („opting out″) für die Entgeltumwandlung

Eine weitere Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung soll auch durch die im Gesetz enthaltene Optionslösung erreicht werden. So kann künftig in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung geregelt werden, dass der Arbeitgeber eine für alle Arbeitnehmer geltende Entgeltumwandlung einführt.

Nicht-tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer können die Anwendung der einschlägigen tariflichen Regelung vereinbaren. Um an einer solchen Entgeltumwandlung nicht teilzunehmen, müsste der Arbeitnehmer innerhalb einer bestimmten Frist widersprechen („opting out″).

Die „Hoffnung″ des Gesetzgebers ist offenbar, dass zahlreiche Arbeitnehmer bei einem solchen System (aus welchen Gründen auch immer) nicht widersprechen werden und so der Grad der Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung steigt.

Förderung bei kleinen Einkommen

Bei Geringverdienern (Vergütung von weniger als 2.200 EUR brutto monatlich), deren Arbeitgeber zusätzlich zur Vergütung Beiträge zum Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung zwischen 240 EUR bis 480 EUR jährlich zahlt, erhalten diese Arbeitgeber eine steuerliche Ermäßigung. Die einzubehaltende Lohnsteuer reduziert sich um 30 % des zusätzlichen Arbeitgeberbeitrags, höchstens jedoch um 144 EUR.

Sozialrechtlich wird die Förderung von kleinen Einkommen durch eine Besserstellung bei der Grundsicherung im Alter flankiert. Künftig wird eine freiwillige Zusatzrente bis 202 EUR monatlich nicht auf die Grundsicherung angerechnet. Hierdurch soll der Aufbau einer zusätzlichen betrieblichen Altersversorgung auch dann „belohnt″ werden, wenn die gesetzliche Rente nach Renteneintritt nicht ausreicht und vom Staat durch die Grundsicherung aufgestockt werden muss.

Weitere steuer- und sozialrechtliche Änderungen

Der Rahmen für steuerfreie Beträge des Arbeitgebers an Pensionsfonds, Pensionskassen und Direktversicherungen wird auf acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung angehoben (bislang vier Prozent, vgl. § 3 Nr. 63 EStG). Die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung liegt im Jahr 2017 bei einer Vergütung von 6.350 EUR (West) bzw. 5.700 EUR (Ost) brutto monatlich. Im Gegenzug wird der zusätzliche Höchstbetrag von 1.800 EUR aufgehoben. Für Arbeitnehmer wird die „Riester-Förderung″ verbessert, indem die staatliche Grundzulage bei der Riester-Rente von derzeit 154 Euro auf 175 Euro jährlich erhöht wird.

Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens

Nachdem der Bundestag das Gesetz am 01. Juni 2017 verabschiedet hat, soll sich der Bundesrat spätestens am 07. Juli 2017 damit befassen. Das Gesetz ist zustimmungspflichtig. Die Neuregelung soll dann mit Beginn des neuen Jahres 2018 in Kraft treten und soll zunächst nur für ab dem 01. Januar 2018 neu abgeschlossene Entgeltumwandlungsvereinbarungen gelten. Für bereits bestehende Vereinbarungen wird der Arbeitgeberzuschuss nach einer Übergangsfrist von vier Jahren ab Beginn des Jahres 2022 verpflichtend.

Der Gesetzgeber hat mit der Einführung der reinen Beitragszusage das bisherige System der betrieblichen Altersversorgung in Deutschland, das bislang auf Leistungszusagen (in verschiedenen Ausprägungen) beschränkt war, ergänzt. Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes sind die Tarifvertragsparteien am Zug, die tariflichen Grundlagen für die Einführung der reinen Beitragszusage in den Unternehmen zu schaffen.

Es wird mutmaßlich etwas Zeit verstreichen, bis die ersten einschlägigen Tarifverträge abgeschlossen werden. Wie lange es dauern wird, wird zu beobachten sein. Unabhängig von einem Tätigwerden der Tarifvertragsparteien werden sich die steuer- und sozialrechtlichen Änderungen bereits mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes auswirken.

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Die Selbstüberlassung von Geschäftsführern

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Das BAG hat sich in einer aktuellen Entscheidung mit der Möglichkeit einer „Selbstüberlassung″ eines geschäftsführenden Gesellschafters einer GmbH befasst und diese – zumindest in der konkreten Fallgestaltung – anerkannt (Urteil v. 17.01.2017 – 9 AZR 76/16). Das LAG Schleswig-Holstein hatte dies in der Berufungsinstanz noch anders gesehen (Urteil v. 01.12.2015 – 1 Sa 439 b/14).

Urteil sorgt für Unbehagen – auch beim BAG

Auch wenn dem Urteil im Ergebnis zustimmen ist, wird das „Unbehagen″ des BAG deutlich, uneingeschränkt die Überlassung von Geschäftsführern als zulässig anzusehen. Dies dürfte insbesondere bei einer sog. „Ein-Mann-GmbH″ gelten.

In der vorliegenden Konstellation stellte sich der Sachverhalt, der letztlich die Entscheidung prägte, wie folgt dar: Der tatsächliche Einsatz des Geschäftsführers der T-GmbH, die über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügte, erfolgte bei der Beklagten aufgrund von Rahmenverträgen und von dazu geschlossenen Einzelvereinbarungen zwischen der T-GmbH und der Beklagten. Diese wiederum hatten eine konkrete Arbeitnehmerüberlassung zum Gegenstand.

Überlassung des Produktionspersonals war nur abstrakt geregelt

In den Rahmenverträgen war abstrakt die Überlassung von „Produktionspersonal“ geregelt, ohne bereits von vornherein den Geschäftsführer als die zu überlassende Person festzulegen. Nach den Rahmenvereinbarungen sollte die Beklagte „die Anforderung mit den Einzelheiten über die Qualifikation des Personals sowie besondere berufliche Fähigkeiten“ übermitteln.

Nach Erteilung des jeweiligen Auftrags oblag die Auswahlentscheidung über die zu überlassende Person der T-GmbH. Soweit die Beklagte Kameraleute anforderte, wurde ihr zwar regelmäßig – aber nicht ausschließlich – der Geschäftsführer der T-GmbH zur Arbeitsleistung überlassen. In Einzelfällen überließ die T-GmbH auch eine bei ihr angestellte Mitarbeiterin als Kamerafrau. Auf der Grundlage der Rahmenvereinbarungen hat die T-GmbH der Beklagten zudem auch weiteres Personal (Kameraassistenten) zur Verfügung gestellt.

Kein Freifahrtschein für die uneingeschränkte Überlassung von Geschäftsführern

Letztlich ist mit der Entscheidung kein „Freifahrtschein″ verbunden, insbesondere wenn aus einer Gesellschaft ausschließlich der Geschäftsführer und nicht – wie in dem vorliegenden Fall – andere Personen bei dem Auftraggeber eingesetzt werden (wenn auch in einem nicht überwiegenden Umfang). Bei einer „Ein-Mann-GmbH″ ist – gerade mit Blick auf eine etwaige Scheinselbständigkeit – also weiterhin Vorsicht geboten.

Dieser Beitrag ist angelehnt an einen Artikel der Mai-Ausgabe des „Infobriefs Zeitarbeit“, in dem der Autor jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informiert. Sollten Sie Interesse haben, diesen zu beziehen, schreiben Sie bitte eine kurze E-Mail an: alexander.bissels@cms-hs.com.

 

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Reform des Mutterschutzgesetzes – erste Neuerungen treten bereits zum 30. Mai 2017 in Kraft

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Das neue Mutterschutzgesetz sollte eigentlich bereits zum 01. Januar 2017 in Kraft treten, nachdem das Bundeskabinett den Entwurf am 04. Mai 2016 beschlossen und die erste Beratung im Bundestag bereits am 06. Juli 2016 stattgefunden hat. Nach einigen erheblichen Verzögerungen gab der Familienausschuss dem Gesetzesentwurf in geänderter Fassung am 29. März 2017 grünes Licht. Das Gesetz in der verabschiedeten Fassung bringt wesentliche Neuerungen im Bereich Arbeitszeit und Arbeitsschutz mit sich.

Erste Neuerungen in Kraft seit 30. Mai 2017

Die Gesetzesänderungen treten größtenteils zum 01. Januar 2018 in Kraft. Dies gilt jedoch nicht für die verlängerte Schutzfrist nach der Geburt eines behinderten Kindes (§ 6 MuSchG) und der Ausweitung des Kündigungsschutzes bei einer Tot- oder Fehlgeburt (§ 9 MuSchG). Hier sind die neuen Regelungen bereits mit der Verabschiedung des Gesetzes am 30. Mai 2017 zu beachten.

Erweiterter Personenkreis

Der Mutterschutz gilt mit der Novelle unter anderem auch für Schülerinnen, Studentinnen und Praktikantinnen. Ebenfalls neu hinzugekommen ist der Kreis der arbeitnehmerähnlichen Personen, sodass der Schutz mit dem neuen Gesetz auch für Geschäftsführerinnen greift.

Neuerungen bei der Arbeitszeit und dem Arbeitsschutz – mehr Flexibilität bei Nacht-, Mehr-, Sonn- und Feiertagsarbeit

Schwangere Frauen und Mütter sollen zukünftig selbst entscheiden können, ob sie während des Mutterschutzes länger und mehr arbeiten möchten. Nachtarbeit bis 22 Uhr und die Arbeit an Sonn- und Feiertagen sind mit ausdrücklicher Zustimmung der schwangeren Arbeitnehmerin zukünftig möglich. Erforderlich hierfür ist gemäß §§ 5, 28 MuSchG n.F., dass die Frau sich ausdrücklich bereit erklärt und nach ärztlichem Zeugnis nichts gegen die Beschäftigung der Frau bis 22 Uhr spricht. Zudem muss eine unverantwortbare Gefährdung für die schwangere Frau oder ihr Kind durch Alleinarbeit ausgeschlossen sein.

Der Begriff der unverantwortbaren Gefährdung ist dem Arbeitsschutzgesetz bislang fremd. Der ebenfalls neu eingeführte Begriff der Alleinarbeit ist in § 2 Abs. 4 MuSchG n.F. definiert. Sie liegt vor, wenn die Frau im Verantwortungsbereich des Arbeitgebers dergestalt beschäftigt ist, dass sie nicht jederzeit den Arbeitsplatz verlassen oder Hilfe erreichen kann. Praktisch dürften solche Fälle allerdings die Ausnahme darstellen.

Nachtarbeit – Genehmigung der Aufsichtsbehörde erforderlich

Weiterhin muss die zuständige Aufsichtsbehörde gemäß § 28 MuSchG n.F. ihre Genehmigung erteilen. Der Arbeitgeber muss seinem Antrag auf Genehmigung alle erforderlichen Unterlagen für die Prüfung des Antrags sowie die Dokumentation der Beurteilung der Arbeitsbedingungen beifügen.

Gemildert wird dieser Bürokratieaufwand immerhin durch die Tatsache, dass die Beschäftigung nach Einreichen des Antrags durchgeführt werden darf, wenn die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 MuSchG n.F. vorliegen und die Aufsichtsbehörde den Antrag nicht vorläufig ablehnt. Im Übrigen ist damit zu rechnen, dass die Behörde derartige Anträge auf Arbeiten zwischen 20 Uhr und 22 Uhr wahrscheinlich nur ausnahmsweise ablehnen und in der Regel die Genehmigung erteilen wird. Eine Rolle spielt dies insbesondere für Schichtdienste, bei denen Schichten in der Zeit zwischen 20 Uhr und 22 Uhr enden.

Genehmigung für die Beschäftigung nach 22 Uhr nur in Ausnahmefällen

Auch eine Beschäftigung nach 22 Uhr ist nicht zwangsläufig ausgeschlossen. Diese muss jedoch in einem Verfahren nach § 29 MuSchG n.F. von der Behörde im Rahmen einer Einzelfallprüfung beantragt und genehmigt werden. Hier ist davon auszugehen, dass eine solche Genehmigung wirklich nur in Ausnahmefällen erteilt wird. Grund dafür ist, dass die Behörde grundsätzlich von einer unverantwortbaren Gefährdung für Mutter und Kind ausgehe.

Für Schülerinnen und Studentinnen wird die neu gewonnene freie Entscheidung dahingehend eingeschränkt, dass sie ausschließlich an Ausbildungsveranstaltungen bis 22 Uhr teilnehmen, nicht jedoch im Rahmen der Ausbildung tätig werden dürfen, vgl. § 5 Abs. 2 MuSchG n.F.

Lockerung des Verbotes von Sonn- und Feiertagsarbeit

Auch das Verbot von Sonn- und Feiertagsarbeit wurde in § 6 MuSchG n.F. gelockert. Diese ist möglich, wenn sich die Frau hierzu ausdrücklich bereit erklärt, eine Ausnahme nach § 10 des Arbeitszeitgesetzes zugelassen ist, der Frau in jeder Woche im Anschluss an eine unterbrochene Nachtruhezeit von mindestens 11 Stunden ein Ersatzruhetag gewährt wird und eine unverantwortbare Gefährdung für die schwangere Frau oder ihr Kind durch Alleinarbeit ausgeschlossen ist.

Ausweitung des Kündigungsschutzes

Der nunmehr in § 17 MuSchG n.F. geregelte Kündigungsschutz gilt gemäß § 17 Abs. 1 S. 3 MuSchG n.F. auch für Vorbereitungsmaßnahmen des Arbeitgebers, die er im Hinblick auf eine Kündigung der Frau trifft. Es bleibt jedoch die Unklarheit darüber, welche Vorbereitungsmaßnahmen im Einzelnen gemeint sind. Sofern man die Vorschrift so versteht, dass schlicht sämtliche Vorbereitungsmaßnahmen – vom Personalgespräch bis zu Betriebsratsanhörungen – umfasst sind, so hat dies zur Folge, dass sich der gesamte Kündigungsprozess erheblich verlängert.

Neuerungen beim Arbeitsschutz – Erfordernis einer generellen und konkreten Gefährdungsbeurteilung

§ 10 MuSchG n.F. legt nunmehr den Unternehmen die Pflicht einer generellen Gefährdungsbeurteilung auf. Im Rahmen der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 ArbSchG hat der Arbeitgeber danach für jede Tätigkeit die Gefährdung zu beurteilen, denen eine schwangere oder stillende Frau ausgesetzt sein kann. Wenn der Arbeitgeber dann von der Schwangerschaft einer Arbeitnehmerin erfährt, so ist er gehalten, diese Schutzmaßnahmen im Konkreten festzulegen.

Außerdem muss er der Mitarbeiterin nach § 10 Abs. 2 S. 2 MuSchG n.F. ein Gespräch über weitere Anpassungen ihrer Arbeitsbedingungen anbieten. Eine schwangere Frau darf nur dann weiterhin auf ihrem Arbeitsplatz beschäftigt werden, wenn die konkrete Gefährdungsbeurteilung abgeschlossen und Schutzmaßnahmen festgelegt wurden.

Starke Einschränkungen beim vorgeschriebenen Arbeitstempo für schwangere Frauen

Bezüglich Taktarbeit sah noch der Gesetzesentwurf vor, dass jegliche getaktete Arbeit mit jeder Art von vorgeschriebenem Arbeitstempo für schwangere Frauen untersagt wird. Diese Vorschrift wurde vor der Beschlussfassung des Bundestages dahingehend modifiziert, dass getaktete Arbeit mit vorgeschriebenem Arbeitstempo untersagt ist, wenn die Art der Arbeit oder das Arbeitstempo für die schwangere Frau oder für ihr Kind eine unverantwortbare Gefährdung darstellt, § 10 Abs. 6 Nr. 3 MuSchG n.F.

Insbesondere für Arbeitgeber in der Produktion ist dies eine wichtige und gute Nachricht: Werdende Mütter können jetzt nach Bekanntgabe der Schwangerschaft z.B. an Arbeitsplätzen mit langsamem Arbeitstempo in der Regel weiterhin beschäftigt werden. Der neue Begriff der „unverantwortbaren Gefährdung″ ist jedoch im Arbeitsschutz bislang unbekannt und lässt noch viel Spielraum und Ungewissheit zu.

Hohe Dokumentations- und Informationspflichten

Das Ergebnis der generellen Gefährdungsbeurteilung hat der Arbeitgeber zu dokumentieren und alle Personen, die bei ihm beschäftigt sind, hierüber und über den Bedarf an Schutzmaßnahmen zu informieren, § 14 MuSchG n.F. Auch das Angebot an die Frau, weitere Anpassungen ihrer Arbeitsbedingungen vorzunehmen, sowie der Zeitpunkt eines solchen Gesprächs, sind zu dokumentieren. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes sollen hierfür Umsetzungshinweise zur Verfügung stehen, damit sowohl die Aufsichtsbehörden als auch die Arbeitgeber sich an klaren Handlungsvorgaben orientieren können.

Auch § 27 MuSchG n.F. regelt weitere Mitteilungs- und Aufbewahrungspflichten des Arbeitgebers gegenüber der Aufsichtsbehörde, wenn er von der Schwangerschaft einer Mitarbeiterin erfährt oder eine schwangere Arbeitnehmerin bis 22 Uhr oder an Sonn- und Feiertagen beschäftigten möchte.

Bußgeldvorschrift tritt erst 2019 in Kraft

§ 32 MuSchG n.F., der regelt, dass der Arbeitgeber ordnungswidrig handelt, wenn er in den dort genannten Fällen die Regelungen nicht einhält und mit Bußgeldern belangt werden kann, tritt hingegen erst zum 01. Januar 2019 in Kraft. Damit soll den Arbeitgebern eine gewisse Anlaufzeit gegeben werden, um sich mit den neuen Anforderungen vertraut zu machen, ohne unmittelbar Bußgeldregelungen zu unterliegen.

Weitreichende Änderungen durch die Reform

Der ursprüngliche Gesetzesentwurf wurde zwar zuletzt noch überarbeitet, wesentliche wünschenswerte Änderungen sind jedoch ausgeblieben. Bezüglich der generellen und konkreten Gefährdungsbeurteilung ist der Bundestag nicht von seinem ursprünglichen Gesetzesentwurf abgewichen. Das Gesetz stellt – nach wie vor – hohe Anforderungen an Dokumentations- und Informationspflichten, die Zeit und Geld kosten.

Auch der ausgeweitete Kündigungsschutz, der nunmehr alle Vorbereitungsmaßnahmen einer Kündigung einbezieht, stellt die Arbeitgeber zukünftig vor neue Herausforderungen.

Hinsichtlich des Verbotes von getakteten Arbeiten wurde der ursprüngliche Entwurf dahingehend modifiziert, dass getaktete Arbeit mit vorgeschriebenem Arbeitstempo möglich ist, wenn die Art der Arbeit oder das Arbeitstempo keine unverantwortbare Gefährdung darstellt. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die vorgesehenen Umsetzungshinweise sowie der geplante Ausschuss den Unternehmen bei wichtigen Umsetzungsfragen beistehen können.

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Die Hintergründe des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes

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Artikel 3 des Grundgesetzes besagt, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Aber sind sie das auch vor ihrem Arbeitgeber?

Nach alter Rechtslage nicht, so dass das Grundrecht im Umgang zwischen natürlichen Personen untereinander und auch im Bezug zu juristischen Personen durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) erweitert bzw. konkretisiert wurde. Dies bedeutet zwangsläufig eine Einschränkung des Grundsatzes der Privatautonomie und der Vertragsfreiheit, die aber im Sinne des Schutzes vor Diskriminierungen hingenommen werden muss.

Das AGG entspringt einer europäischen Vorgabe

Nach Artikel 2 des Vertrages über die Europäische Union beruht die EU auf den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und den Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit.

Diskriminierungen können der Verwirklichung dieser Ziele – also die Achtung der Freiheit und der Menschenrechte – entgegenstehen. Aufgrund dessen wurde der Rat der Europäischen Union nach dem heutigen Artikel 19 AEUV ermächtigt, die notwendigen Sicherungsmaßnahmen zu treffen. Dabei sollen nicht nur Diskriminierungen verboten, sondern ihrer Entstehung wirksam entgegen gewirkt werden.

Bisherigen Regelungen waren unzureichend

Die bislang vorhandenen Rechtsinstrumentarien wurden vom europäischen Gesetzgeber als nicht ausreichend angesehen, um hinreichenden Schutz vor Diskriminierungen zu gewährleisten. Denn bis dato deckten viele Normen nur das Verhältnis „Bürger-Staat″ ab.

Daher wurden vier europäische Richtlinien, die das Thema der Gleichbehandlung der Menschen in Beschäftigung, Beruf und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen zum Inhalt haben, verabschiedet.

Umsetzung der Richtlinien: Das AGG

Da die Richtlinien grundsätzliche keine direkte Wirkung im Verhältnis „Bürger-Staat“ entfalten, wurde den Mitgliedsstaaten aufgegeben, die Richtlinie binnen einer bestimmten Frist in nationales Recht umzusetzen. Die Staaten haben allerdings die Richtlinien nur bezüglich ihrer festgesetzten Ziele umzusetzen. Die genaue inhaltliche Ausgestaltung der Regelungen obliegt den Mitgliedsstaaten.

Mit dem AGG hat der deutsche Gesetzgeber die vier europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien in ein einheitliches Gesetz umgesetzt.

Einschränkung der Privatautonomie durch das AGG

Grundsätzlich kann jedermann aufgrund der Privatautonomie nach freiem Entschluss rechtliche Verpflichtungen eingehen und seine Rechtsverhältnisse nach eigenem Willen gestalten. Dabei ist es jedem selbst überlassen, ob und vor allem mit wem er einen Vertrag abschließen will. Inhaltlich sind die vertragsschließenden Parteien nur solchen Einschränkungen ausgesetzt, die zum Schutz öffentlicher Interessen oder im Interesse Dritter notwendig sind.

Mit dem AGG wurden im Jahr 2006 gesetzliche Normen für das Verhalten der Bürger untereinander aufgestellt. Nunmehr werden Bereiche, die zuvor nur den Wert- und Moralvorstellungen des Einzelnen überlassen waren, gesetzlich geregelt. Gleichzeitig wurde durch das AGG der Rechtsschutz von Personen, die von Diskriminierungen betroffen sind, gestärkt.

Weitreichende Folgen für Unternehmen im Arbeitsrecht

Der Gesetzgeber selbst weist darauf hin, dass insbesondere in kleinen und mittelständischen Unternehmen durch die Anwendung des AGG zusätzliche Kosten entstehen können. Das liegt nicht nur an einem erheblichen (Dokumentations-)Aufwand, sondern auch an den Kosten für individuelle (Rechts-) Beratung. Allerdings wären die Folgen einer Diskriminierung für die Unternehmen gravierender, sofern die rechtlichen Vorgaben nicht beachtet werden.

Eine Diskriminierung kann schnell eine Schadensersatz- oder eine Entschädigungspflicht mit sich bringen. Dazu kommt ein nachhaltiger Imageschaden des Unternehmens.

Seit 2006 sind viele Punkte im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz selbstverständlich geworden.

In unserer Blogreihe zeigen wir auf, welche Auswirkungen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz auf das Arbeitsrecht und insbesondere auf die Unternehmen hat. Der nächste Beitrag behandelt die Vorbereitungen, bevor ein Arbeitnehmer eingestellt werden kann.

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Die wesentlichen Inhalte des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes

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Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist im Wesentlichen in sieben Abschnitte aufgeteilt. Für diese gilt auch wie im BGB das sogenannte Klammerprinzip. Der allgemeine Teil –  §§ 1-5 AGG – gilt für alle folgenden Abschnitte. Der inhaltliche Schwerpunkt des AGG liegt aber auf dem zweiten Abschnitt, dem Schutz der Beschäftigten vor unmittelbaren und mittelbaren Benachteiligungen.

AGG kennt vier Formen der Benachteiligung

Das AGG umfasst dabei folgende vier Benachteiligungsformen: Die mittelbare und die unmittelbare Benachteiligung, die Belästigung und als stärkste Form die sexuelle Belästigung.

Eine unmittelbare Benachteiligung liegt bereits vor, wenn eine Person eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person, die sich in einer vergleichbaren Lage befindet. Die Benachteiligung muss allerdings auf einen der im AGG genannten Gründe zurückzuführen sein.

Von einer mittelbaren Diskriminierung spricht man, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen benachteiligen.

Eine Belästigung hingegen ist gegeben, wenn wegen eines Diskriminierungsgrundes die Würde einer Person verletzt wird. Oder aber, wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

Bei der schwerwiegendsten Benachteiligung – der sexuellen Belästigung – tritt ein sexuell bestimmtes Verhalten zur normalen Belästigung hinzu. Anders als bei der unmittelbaren und der mittelbaren Diskriminierung sieht das AGG für die (sexuelle) Belästigung keine Möglichkeit zur Rechtfertigung vor.

AGG als Anlehnung an das Grundgesetz

Die Benachteiligungsformen nach § 1 AGG gleichen den in Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) aufgezählten Ungleichbehandlungen. Dieser gilt allerdings grundsätzlich nur im Verhältnis zwischen Bürger und Staat. Es ist also ein klassisches Abwehrrecht. Mit dem AGG hat der Gesetzgeber das Gleichbehandlungsgebot auf weitere Bereiche des Zivilrechts erstreckt.

Das AGG listet dabei eine Vielzahl von verbotenen Gründen für eine Benachteiligung auf:

AGG umfasst keine weiteren Gründe

Das AGG kennt allerdings kein allgemeines Gleichbehandlungsgebot, sodass darüberhinausgehende Benachteiligungen nicht erfasst werden. So kann sich grundsätzlich weder ein Raucher wegen einer Benachteiligung am Arbeitsplatz, noch ein übergewichtiger Arbeitnehmer wegen anzüglicher Bemerkungen seiner Kollegen auf den Schutz des AGG berufen.

Eine längere Krankheit – wie auch die Alkoholsucht – stellt darüber hinaus nicht zwingend eine Behinderung im Sinne der europäischen Antidiskriminierungsgesetzgebung dar. Das hat zur Folge, dass ein Schutz gegen anzügliche Bemerkungen nur begrenzt auf das AGG gestützt werden kann.

Unzulässigkeit der Benachteiligung soweit keine rechtfertigende Ausnahme im AGG vorgesehen

Eine Benachteiligung aus den oben genannten sechs Gründen ist nur dann unzulässig, wenn kein Rechtfertigungsgrund greift.

Erfolgt eine Benachteiligung wegen mehrerer der genannten Gründe, so kann die Rechtfertigung nur in Betracht kommen, wenn sie sich auf sämtliche Gründe erstreckt, derentwegen die unterschiedliche Behandlung erfolgt. Die Anweisung zu einer systematischen Benachteiligung wird diesen Verboten gleichgestellt.

AGG bezieht sich auf 5 Anwendungsbereiche

Das AGG ist auf Diskriminierungen in 5 verschiedenen Bereichen anzuwenden: Dem Arbeitsleben, den sozialen Vergünstigungen, der Bildung, dem zivilrechtlichen Bereich und zuletzt dem Sozialschutz.

Zum zivilrechtlichen Bereich ist insbesondere der Zugang zu und die Versorgung mit Dienstleistungen zu sehen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.

Daneben enthält das AGG aber auch Vorschriften, mit denen die von einer Benachteiligung Betroffenen ihr Recht leichter durchsetzen können. Auch enthalten sind Regelungen zur Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Insbesondere im Privatrechtsverkehr wurde die Rechtsdurchsetzung durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz für die Betroffenen deutlich vereinfacht.

In unserer Blogreihe zeigen wir auf, welche Auswirkungen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz auf das Arbeitsrecht und insbesondere auf die Unternehmen hat. Bereits erschienen ist ein Beitrag zu den Hintergründen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.

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Tarifunfähigkeit der CGZP: Verjährung von Nachforderungen

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Die Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personal-Service-Agenturen (CGZP) lässt die Gerichte auch über 6 Jahre nach dem berühmten Beschluss des BAG vom 14. Dezember 2010 (Az.: 1 ABR 14/10) nicht los.

In einer jüngeren Entscheidung musste sich das LSG Baden-Württemberg mit der Verjährung der von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) für den Zeitraum von Dezember 2015 bis Dezember 2016 per Bescheid festgesetzten Nachforderung befassen. Deren Höhe betrug stattliche EUR 469.000 (Urteil v. 17. Mai 2017 – L 5 R 1109/14).

Berufungsinstanz hebt Bescheid der DRV auf

Im Gegensatz zur Vorinstanz bejahte das Gericht diese Frage und hob den Bescheid der DRV auf. Das LSG Baden-Württemberg lehnte ein vorsätzliches Vorenthalten der Beiträge und damit auch die Einschlägigkeit der verlängerten 30-jährigen Verjährungsfrist ab.

Es sei – so das Gericht – der DRV nicht gelungen, dem Geschäftsführer als der für den Personaldienstleister verantwortlichen Person nachzuweisen, dass dieser zum Zeitpunkt des Ablaufs der regulären vierjährigen Verjährungsfrist zu der sicheren Erkenntnis (bedingter Vorsatz) gelangt sei, dass equal pay auch für die Zeit von Dezember 2005 bis Dezember 2006 zu zahlen gewesen wäre.

Übermitteltes Standardschreiben begründet keinen bedingten Vorsatz

Nach Ansicht des BSG (Urteil v. 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R), der sich das LSG Baden-Württemberg anschließt, begründet insbesondere das im Nachgang zur CGZP-Entscheidung des BAG an die der DRV bekannten Anwender der Tarifverträge der Tarifgemeinschaft übermittelte Standardschreiben keinen bedingten Vorsatz.

Diese sei lediglich geeignet, dem Empfänger das Wissen um die (bloße) Möglichkeit einer Beitragsabführungspflicht für equal pay-Ansprüche zu verschaffen. Dies gelte insbesondere auch für Zeiträume vor dem Beschluss des BAG vom 14. Dezember 2010.

Die gewählten Formulierungen vermittelten selbst aber schon nicht einmal das eigene sichere Wissen der DRV um die rückwirkenden Folgen des BAG-Beschlusses. Vielmehr rücke die Äußerung einer eher abwartenden und zurückhaltenden Tendenz, die Gesichtspunkte der Wahrung eigener Rechte in den Vordergrund.

Nach Auswertung zahlreicher Indizien – kein bedingter Vorsatz

Das LSG Baden-Württemberg greift in seiner aktuellen Entscheidung diesen Gesichtspunkt heraus, geht im Weiteren aber auch auf zahlreiche weitere „Indizien″ ein. Allerdings seien diese allesamt nicht geeignet gewesen, einen bedingten Vorsatz zu begründen.

Das Urteil liest sich insgesamt wie eine „Blaupause″. Diese kann – natürlich immer unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls – herangezogen werden, um zu begründen, dass bis in das Jahr 2011 kein bedingter Vorsatz vorgelegen hat. Dieser wäre aber für die Anwendung der 30-jährigen Verjährungsfrist notwendig gewesen.

Insbesondere für Personaldienstleister, die sich nach wie vor in einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit der DRV über die Nachzahlungspflicht von Sozialversicherungsbeiträgen wegen der Tarifunfähigkeit der CGZP befinden, dürfte die Entscheidung aus Baden-Württemberg interessant sein. So kann eine Verjährung der Nachforderung für die Jahre 2005 und 2006 begründet werden.

DRV beruft sich nur noch in Ausnahmefällen auf bedingt vorsätzliches Verhalten des Personaldienstleisters

Freilich ist in der Praxis ebenfalls zu erkennen, dass die DRV im Nachgang zum Urteil des BSG und den dortigen Festlegungen die Frage der Verjährung für die Jahre 2005 und 2006 in der Regel „abschenkt″. Sie scheint sich nur in Ausnahmefällen darauf zu berufen, dass tatsächlich ein bedingt vorsätzliches Verhalten des Personaldienstleisters bzw. der entsprechenden (Vertretungs-)Organe bzw. Entscheidungsträger bis zum 31. Oktober 2010 vorgelegen haben soll.

Vor diesem Hintergrund sind bereits zahlreiche CGZP I-Verfahren einvernehmlich – unter Anerkennung der Verjährung der Nachforderung für die Jahre 2005 und 2006 – beendet oder verglichen worden.

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Vorläufige Verbindlichkeit unbilliger Weisungen: Rechtsprechungsänderung?

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Die meisten Arbeitsverträge geben einen mehr oder weniger weiten Rahmen für Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung vor. Diesen Rahmen kann der Arbeitgeber durch sein Weisungsrecht näher konkretisieren, etwa indem er den Arbeitnehmer an einen anderen Ort versetzt, ihm eine andere Tätigkeit zuweist oder die Lage der Arbeitszeit verändert.

Nach § 106 S. 1 GewO muss eine derartige Weisung „billigem Ermessen″ entsprechen, also nicht nur die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers, sondern auch die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigen.

Ein echter Dauerbrenner: Rechtswidrige Versetzungen

Was banal klingt, ist tatsächlich ein echter Dauerbrenner vor den Arbeitsgerichten. Gerade in Fällen groß angelegter Restrukturierungen stellen die Wirksamkeits- und Billigkeitsvoraussetzungen der Weisung (vor allem in Gestalt der Versetzung) ein echtes Prozess- und Kostenrisiko für den Arbeitgeber dar.

Hinsichtlich der konkreten Folgen einer rechtswidrigen Weisung kann zwischen unwirksamen, unzumutbaren und unbilligen Weisungen unterschieden werden:

Weisungen: Unwirksamkeit & Unzumutbarkeit

Eine Weisung ist unwirksam, wenn sie gegen Verbotsgesetze (z.B. das Arbeitszeitgesetz), Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen verstößt, den vertraglichen Rahmen überschreitet oder missbräuchlich ist. Der Arbeitnehmer muss ihr dann von Anfang an nicht folgen, behält dabei seinen Entgeltanspruch und muss auch arbeitsrechtliche Sanktionen wie Abmahnung oder Kündigung nicht fürchten.

Ist die Weisung zwar wirksam, aber auf eine unzumutbare Arbeitsleistung gerichtet – was nur in Extremfällen wie religiösen Gewissenskonflikten oder Gesundheitsgefährdungen der Fall ist –, hat der Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 3 BGB. Übt er dieses aus, muss er die angewiesene Arbeitsleistung zwar nicht ausführen, erhält aber in der Regel auch kein Entgelt mehr.

Der Arbeitgeber ist jedoch unter Umständen verpflichtet, dem Arbeitnehmer eine andere zumutbare Tätigkeit zuzuweisen. Arbeitsrechtlich Sanktionen hat der Arbeitnehmer auch hier nicht zu befürchten.

Gretchenfrage: Ist einer unbilligen Weisung Folge zu leisten?

Ist die Weisung nicht aus sonstigen Gründen unwirksam (oder unzumutbar), muss der Arbeitnehmer nach derzeit geltender Rechtsprechung des 5. Senats des BAG eine unbillige Weisung so lange befolgen, bis ein Arbeitsgericht die Unverbindlichkeit der Weisung rechtskräftig festgestellt hat.

Verweigert der Arbeitnehmer bereits zuvor die Befolgung der Weisung, verliert er seinen Entgeltanspruch und setzt sich der Gefahr einer wirksamen Abmahnung oder Kündigung aus, selbst dann, wenn die Unbilligkeit der Weisung später von einem Arbeitsgericht bestätigt wird (Urteil v. 22. Februar 2012 – 5 AZR 249/11).

Nach massiver Kritik seitens der Literatur und einzelner abweichender LAG-Entscheidungen gerät diese arbeitgeberfreundliche Rechtsprechung nun auch durch eine Entscheidung des 10. Senats des BAG unter Beschuss.

Angriff des 10. Senats: Arbeitnehmer muss unbilliger Weisung nicht folgen

Ein Immobilienkaufmann aus Dortmund hatte sich vor dem Arbeitsgericht erfolgreich gegen eine Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs zur Wehr gesetzt. Weil jedoch nachfolgend andere Mitarbeiter eine weitere Zusammenarbeit mit dem als unkollegial bezeichneten Kläger ablehnten, versetzte ihn sein Arbeitgeber wenige Zeit später nach Berlin. Dieser Weisung widersetzte sich der Arbeitnehmer, woraufhin der Arbeitgeber ihn zweimal abmahnte und schließlich wegen Arbeitsverweigerung fristlos kündigte.

Mit seiner vor dem 10. Senat des BAG anhängigen Klage wendet sich der Kläger gegen seine Versetzung sowie die Abmahnungen und macht Annahmeverzugslohn geltend (Az.: 10 AZR 330/16). Der entsprechende Kündigungsrechtsstreit ist beim 2. Senat anhängig (Az.: 2 AZR 329/16).

Der 10. Senat des BAG befand die Weisung für wirksam aber unbillig. Nach seiner Ansicht überwog die Belastung des Arbeitnehmers durch die Aufgabe seines Lebensmittelpunktes in Dortmund das betriebliche Interesse des Arbeitgebers an der Wiederherstellung des Betriebsfriedens. Gleichzeitig vertrat der 10. Senat im Widerspruch zum 5. Senat die Auffassung, dass ein Arbeitnehmer unbilligen Weisungen des Arbeitgebers von Anfang an nicht Folge leisten muss. Auch wenn keine dementsprechende rechtskräftige Entscheidung der Gerichte für Arbeitssachen vorliegt.

Divergenzentscheidung des Großen Senats möglich

Weil der 10. Senat also von der Rechtsprechung des 5. Senats abweichen will, hat er mit Beschluss vom 14. Juni 2017 zunächst beim 5. Senat angefragt, ob dieser an seiner Rechtsauffassung festhalten möchte. Sollte dies der Fall sein, ist eine sogenannte Divergenzentscheidung des Großen Senats erforderlich. Die Frage, ob der Arbeitnehmer nun der unbilligen Weisung folgen musste oder nicht, ist also noch nicht beantwortet.

Durfte der Arbeitnehmer die Befolgung der Weisung verweigern, wären in der Konsequenz die ausgesprochenen Abmahnungen wegen Arbeitsverweigerung unwirksam. Entsprechendes wird für die Frage der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung des Arbeitnehmers gelten, die momentan vor dem 2. Senat des BAG anhängig ist. Zudem hätte der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn, da der Arbeitgeber das Angebot des Arbeitnehmers, auf dem „alten″ Arbeitsplatz zu arbeiten, nicht angenommen hatte.

Folgen für die Praxis

Sollte die bisherige Rechtsprechung des 5. Senates aufgegeben werden, würde dies einen deutlichen Verlust an Rechtssicherheit beim Umgang mit Weisungen bedeuten. Das Risiko der Unbilligkeit einer Weisung läge zukünftig beim Arbeitgeber: Verweigert der Arbeitnehmer die Befolgung einer Weisung, wäre der Arbeitgeber bei späterer Feststellung der Unbilligkeit der Weisung durch ein Arbeitsgericht rückwirkend zur Zahlung von Annahmeverzugslohn ohne entsprechende Arbeitsleistung verpflichtet. Ausgesprochene Abmahnungen und auch Kündigungen wegen Arbeitsverweigerung würden sich im Nachhinein als unwirksam herausstellen.

Es bleibt abzuwarten, wie sich der 5. Senat bzw. der Große Senat des BAG positioniert. Präventiv ist Arbeitgebern aber bereits jetzt zu empfehlen, die Prüfung der Billigkeit einer Weisung in Vorbereitung einer Rechtsstreitigkeit zu dokumentieren. Bei Unsicherheit über die Wirksamkeit oder Billigkeit der Weisung kann es zudem sinnvoll sein, vorsorglich auch eine flankierende Änderungskündigung auszusprechen. Nimmt der Arbeitnehmer das Änderungsangebot unter Vorbehalt an, muss er nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zur Entscheidung des Gerichts über die Wirksamkeit der Kündigung zu den neuen Bedingungen arbeiten.

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Massenentlassungsanzeige: Bundesagentur für Arbeit bearbeitet Formulare

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In unserem letzten Beitrag zu den Formularen der Bundesagentur für Arbeit (BA) für eine Massenentlassungsanzeige wiesen wir noch – etwas süffisant – auf die Frage hin, ob ein Arbeitnehmer im Klavier- und Cembalobau nun eine fachlich ausgerichtete Tätigkeit oder doch eher eine komplexe Spezialistentätigkeit ausübt.

Solche Unterscheidungen werden in der neuen Fassung der Massenentlassungsanzeige der BA nicht mehr gefordert. Auch bei den anderen von uns genannten Mängeln besserte die BA nach.

Massenentlassungsanzeige – Berufsgruppen statt Berufsklassen

Zwischenzeitlich forderte das Formular der BA eine Einordnung in eine von mehr als 2000 Berufsklassen. Dadurch wurden die Unterscheidungen sehr kleinteilig, wie das eingangs gemachte Beispiel belegt. Die Angabe sollte über einen 5-stelligen Zahlenschlüssel erfolgen.

In dem Formular der BA wird nun deutlich gemacht, dass die Angabe der Berufsgruppe ausreicht. So legt es auch § 17 KSchG fest. Die immerhin noch 144 verschiedenen Berufsgruppen werden durch 3-stellige Zahlenschlüssel angegeben. Die BA weist nur noch darauf hin, dass die Angabe der Berufsklasse durch den 5-stelligen Zahlenschlüssel die Vermittlungstätigkeit der Agentur für Arbeit erleichtere.

Die 3-stelligen bzw. 5-stelligen Zahlenschlüssel finden Sie hier.

Kündigungsdatum und Kündigungsfrist – nun reicht die Angabe des Zeitraums

Das Formular forderte zwischenzeitlich zudem die Angabe von Kündigungsdatum und Kündigungsfrist. Nun reicht es aus, den Zeitraum zu benennen, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen. So ist es auch in § 17 KSchG geregelt.

Zur Beschleunigung des Anzeigeverfahrens bittet die BA um die Angabe, ob Arbeitnehmer mit einer gesetzlichen Kündigungsfrist von weniger als zwei Monaten betroffen sind. Die BA stellt allerdings sogleich klar, dass es sich dabei um keine verpflichtende Angabe handelt.

Massenentlassungen nach § 17 KSchG – Anzeigepflicht

Das Formular der BA forderte schließlich auch die Angabe, wie vielen Arbeitnehmern gekündigt werden soll. Diese Formulierung und auch die Erläuterung hierzu waren bislang unpräzise. Bei Entlassungen nach § 17 KSchG ist jede Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen, die durch den Arbeitgeber veranlasst ist.

Neben Kündigungen des Arbeitgebers fallen darunter auch vom Arbeitgeber veranlasste Eigenkündigungen und Aufhebungsverträge. Dies wird nunmehr in den Erläuterungen zur Massenentlassungsanzeige deutlich gemacht.

Zeitarbeitnehmer sind bei den Schwellenwerten nach § 17 KSchG allerdings nicht mitzuzählen.

Änderungen bedeuten weniger Aufwand und mehr Rechtssicherheit

Die BA hat schnell und wirksam auf Mängel in ihrem Formular reagiert. Das Formular ist nunmehr besser auf die Anforderungen des § 17 KSchG abgestimmt. Damit führen die neuen Formulare aus Unternehmenssicht zu weniger Aufwand und mehr Rechtssicherheit.

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