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Mit Open Innovation die Kreativität der Crowd ins Haus holen

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Open Innovation-Prozesse sind gewinnbringend, wenn man sie richtig angeht. Im besten Fall erzielen Unternehmen einen Innovationsschub und erlangen neue Kenntnisse und Einfälle, wenn sie Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten für unternehmensexterne Mitarbeiter öffnen.

Wer etwa bei IT-Projekten seinen Programmcode freistellt und die „Crowd“ zur Hilfe bei Problemlösungen aufruft, kann günstig auf frische Ideen kommen. Seit der US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Henry Chesbrough den Begriff der „Open Innovation“ 2011 geprägt hat, hat dieser eine steile Entwicklung genommen.

Die Risiken – das Problem der Miturheberschaft

Open Innovation-Prozesse müssen aber mit Weitblick gestaltet werden. Externe, die sich an solchen Prozessen beteiligen, können nämlich ihrerseits Ansprüche gegen die beteiligten Unternehmen erlangen. Je nach Einzelfall ist es möglich, dass sie zum Miturheber des neuen Programms werden und somit kraft Gesetzes verschiedene Rechte gewinnen. Das meint nicht nur Tantiemen oder Ähnliches.

Fehlt es an vertraglichen Abreden, können die externen Helfer im schlimmsten Fall die Verwertung der neu erstellten Programme blockieren und alle Innovationsbemühungen zunichtemachen.

Flexible vertragliche Gestaltung zur Optimierung von Open Innovation-Prozessen

Was für Open Innovation-Prozesse an vertraglicher Gestaltung erforderlich und passend ist, hängt immer vom Einzelfall ab. Es braucht flexible Abreden, je nachdem, welche Entwicklungen von wem auf welche Weise geschaffen werden sollen. Wichtige Themen sind dabei vor allem, wer überhaupt an dem Prozess teilnehmen kann und wer welche Nutzungsrechte an den geschaffenen Werken erhält. Auch Haftungsfragen bedürfen der Regelung, beispielsweise hinsichtlich fehlerhafter Arbeitsbeiträge.

Die angemessene Bezahlung als Schutz vor späteren Zahlungsansprüchen

Auch die Interessen der externen Mitarbeiter müssen aber gewahrt werden: Ihre Vergütung darf nicht zu kurz kommen. Fehlt es an einer angemessenen Bezahlung, können die Miturheber nämlich nach dem Urhebergesetz auch später noch einen Zahlungsanspruch gegen den Initiator des Open Innovation-Prozesses durchsetzen.

Auch hier gilt: Was angemessen ist, hängt vom Einzelfall ab, sodass sich je nach innovativem Beitrag bestimmte Staffelungen und verschiedene Kriterien zur Vergütungsberechnung anbieten.

Im Hobby-Bereich, wo Open Innovation-Prozesse ebenfalls zum Einsatz kommen, mag es auch ohne umfassende Abreden gehen. Im unternehmerischen Kontext verlangt die einfache Idee der Open Innovation aber häufig nach einer komplexen vertraglichen Einbettung. Ansonsten wird man es womöglich bereuen, die „Crowd“ ins Haus geholt zu haben.

Sehen Sie auch unser Video zum Thema: Urheberrecht 4.0 – wie gestaltet man Open Innovation Prozesse?″

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AGG-Hopper – wie man sich als Arbeitgeber schützen kann

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Das AGG brachte mit seiner Einführung diverse Verbesserungen. Allerdings erschuf es auch einen für den Arbeitgeber unschönen Trend: Das AGG-Hopping. Immer wieder versuchen Bewerber, für vermeintliche Diskriminierungen im Bewerbungsverfahren nach dem AGG entschädigt zu werden.

Dies geht soweit, dass die Bewerbung teils nur zu diesem Zweck gestartet wird. Es bewerben sich daher deutlich über- oder auch unterqualifizierte Bewerber für eine Stelle.

Jurist geht gegen Diskriminierung vor und fordert Entschädigung

Im wohl bekanntesten Fall in Deutschland hatte sich ein Jurist im Jahr 2009 für eine Nachwuchs-Stelle bei einer Versicherung beworben. Als Einstellungsvoraussetzung nannte diese unter anderem einen nicht länger als ein Jahr zurückliegenden oder zeitnahen Hochschulabschluss. Der sich bewerbende Jurist gab an, dass er alle Kriterien der Ausschreibung erfülle und als Rechtsanwalt und ehemals leitender Angestellter über große Führungserfahrung verfüge.

Allerdings wurde er abgelehnt und verlangte im Anschluss von der Versicherung zunächst EUR 14.000 wegen Altersdiskriminierung. Danach erfuhr er, dass die vier offenen Stellen ausschließlich mit Frauen besetzt wurden. Dies nahm der Jurist als Grundlage für eine weitere Entschädigungsforderung in Höhe von EUR 3.500. Tatsächlich gab es gleichviele männliche und weibliche Bewerber. Das Verhalten des Unternehmens stelle nach Ansicht des Juristen eine Diskriminierung aufgrund seines Geschlechtes dar.

Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass einem abgelehnten Bewerber grundsätzlich nicht das Recht zusteht, dass der Arbeitgeber ihm Auskunft darüber erteilt, welcher Bewerber eingestellt wurde und was die dafür maßgeblichen Gründe waren.

EuGH: Kein europarechtlicher Schutz für Scheinbewerbungen – Rechtsmissbrauch im Einzelfall möglich

Nach dem der Fall des abgelehnten Juristen bereits mehrere deutsche Gerichte beschäftigte, wollte das BAG wissen, ob die Rechtsprechung (BAG, Beschluss vom 18.06.2015 – 8 AZR 848/13), wonach eine Berufung auf § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG und damit auch auf § 7 Abs. 1 AGG ausscheidet,

  • wenn eine Person mit ihrer Stellenbewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten,
  • sondern nur den formalen Status als Bewerber erlangen möchte,
  • mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen

mit europäischem Recht vereinbar ist. Dies bestätigte der EuGH (EuGH, Urteil vom 28.07.2016 – C-423/15NZA 2016, 1014). Eine oben beschriebene Situation könne nicht unter die Begriffe „Zugang zur Beschäftigung″ und „abhängige Tätigkeit″ im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Lit. a) Richtlinie 2000/78/EG bzw. des Art. 14 Abs.1 Lit.  a) der Richtlinie 2006/54/EG fallen. Zugleich k önne das Verhalten als Rechtsmissbrauch bewertet werde. Durch das EuGH-Urteil wird auf den ersten Blick das Recht der Arbeitgeber gestärkt, sich vor Scheinbewerbern zu schützen. Ob allerdings die Tatbestandsvoraussetzungen eines missbräuchlichen Verhaltens erfüllt sind, müssen nationale Gerichte gemäß den Beweisregeln des nationalen Rechts feststellen. Dazu hat das BAG strenge Anforderungen vorgegeben:

Beweis eines Missbrauchs obliegt dem Arbeitgeber

Es bleibt allerdings bei der für den Arbeitgeber nachteiligen Beweislastverteilung. Im Prozess muss der Arbeitgeber darlegen, dass eine missbräuchliche Bewerbung vorliegt. Der Arbeitgeber muss dafür den Nachweis erbringen, dass ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen des Bewerbers vorliegt, das auf die Erzielung von Gewinn ausgerichtet ist (BAG, Urteil vom 26.01.2017 – 8 AZR 848/13 – BeckRS 2017, 112923).

So kann allein aus der Tatsache, dass eine Person eine Vielzahl erfolgloser Bewerbungen versendet hat und daraufhin mehrere Entschädigungsprozesse geführt hat, noch nicht geschlossen werden, dass eine missbräuchliche Bewerbung vorliegt (BAG, Urteil vom 24.01.2013 – 8 AZR 429/11NZA-RR 2013, 346).

Der Beweis des Missbrauchs ist im Einzelfall schwer und wird wohl ohne Dokumentation von Seiten des Arbeitgebers schwer zu erbringen sein. Dem Arbeitgeber sei also geraten, die Bewerbungsprozesse sorgfältig zu dokumentieren und auf Grundlage des AGG fair zu gestalten.

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Betriebsrat 4.0 – Startschuss für virtuelle Betriebsratssitzungen?

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Kurz vor Ende der 18. Wahlperiode beschloss der Bundestag am 02. Juni 2017 in Umsetzung der EU-Richtlinie EU 2015/1794 die Änderung des Gesetzes über Europäische Betriebsräte (EBRG). Möglicherweise leitete er damit einen Paradigmenwechsel ein.

Bisher sehen die gesetzlichen Regelungen sowie die gefestigte Rechtsprechung eine Präsenzpflicht der Mitglieder bei Betriebsratssitzungen vor. Sie ist Voraussetzung für das Fassen wirksamer Beschlüsse. Mit dem neuen § 41a EBRG wird es nun – zunächst beschränkt auf Seebetriebsräte – erstmals erlaubt, an Betriebsratssitzungen auch virtuell teilzunehmen. Diese Teilnahme kann dann beispielsweise per Videokonferenz erfolgen.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung – drei Voraussetzungen für die virtuelle Teilnahme

Ein Betriebsratsmitglied, das sich etwa gerade auf See oder in einem fremden Hafen befindet, soll so dennoch an den Sitzungen seines Gremiums teilnehmen können. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum neuen § 41 a Abs. 2 EBRG müssen hierfür folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Das Besatzungsmitglied kann nicht an der Gremiumssitzung teilnehmen, da es sich auf See oder in einem Hafen befindet, der sich in einem anderen Land als dem befindet, in dem die Reederei ihren Geschäftssitz hat,
  2. die Teilnahme mittels Informations- und Kommunikationstechnologien muss in der Geschäftsordnung des Gremiums vorgesehen und
  3. es muss sichergestellt sein, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.

Lockerung der Präsenzpflicht im Interesse der Praxis

Der Gesetzentwurf geht einen ersten zaghaften Schritt in die richtige Richtung. In der Praxis werden Telefon- und Videokonferenzen zur internen Absprache der Betriebsräte bereits vielfach genutzt. Die Notwendigkeit eines physischen Treffens des Betriebsrates, damit ein rechtswirksamer Beschluss gefasst werden kann, verkommt angesichts dieser Praxis zu einer bloßen Förmlichkeit.

Sie belastet Arbeitgeber und Betriebsräte insbesondere dann, wenn es sich um überörtliche Gremien wie Gesamt- oder Konzernbetriebsräte handelt. Denn deren Sitzungen finden meist nur alle paar Monate statt und sind mit erheblichen Reiseaufwendungen und Arbeitsausfällen verbunden. Zudem verzögern sich wichtige Entscheidungen so oft unnötig um viele Wochen.

Zu Recht weisen die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft sowie der Bundesverband der Arbeitsrechtler in Unternehmen in dem von der Bundesregierung im November 2016 veröffentlichten „Weißbuch Arbeiten 4.0“ darauf hin, dass die Mitbestimmung der Betriebsräte endlich seinem digitalisierten Umfeld angepasst werden muss. Ebenfalls wird darauf hingewiesen, dass das Thema der Online- und Videokonferenzen für alle überregionalen Gremien von bedeutender praktischer Relevanz ist.

Keine durchgreifenden Sicherheitsbedenken

Kritiker des Gesetzentwurfes bringen nun Sicherheitsbedenken hinsichtlich des möglichen Zugriffs Dritter auf den Inhalt der Kommunikation vor. Diese erweisen sich jedoch bei genauerem Hinsehen in der Praxis als unbegründet.

Zwar besteht die abstrakte Möglichkeit der Überwachung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien. Allerdings sind ebenso technische Lösungen vorhanden, um den unberechtigten Zugriff Dritter auf die vertrauliche Kommunikation der Betriebsräte zu verhindern. Zudem ist es auch bei Präsenzsitzungen nicht kategorisch ausgeschlossen, dass diese durch digitale oder analoge Technik überwacht werden.

Wer den völlig unverhältnismäßigen Aufwand nicht scheut, eine verschlüsselte Kommunikation zu „hacken″ (was technisch schon nahezu ausgeschlossen ist), der würde wohl eher zur klassischen „Wanze″ im Betriebsratsbüro greifen.

Wo die Gefahr gesehen wird, Dritte könnten sich bei einer Videokonferenz im selben Raum außerhalb des Blickfeldes der Kamera aufhalten und so der Sitzung für alle anderen Gremienmitglieder unbemerkt beiwohnen, so besteht dieses Risiko zwar in der Theorie. Allerdings ist auch hier die Frage, ob ein Betriebsratsmitglied, das dies zulässt, nicht auch in einer Präsenzsitzung das aktive Smartphone auf den Tisch legt und der Dritte bequem am anderen Ende der Leitung mithören kann. Eine signifikante Erhöhung des Risikos durch die Nutzung neuer Technologien ist jedenfalls nicht erkennbar.

Videokonferenzen für Seeleute erst der Anfang

Aus gutem Grund zieht die Bundesregierung es daher in Erwägung, die Zulässigkeit von Videokonferenzen auch anderen Betriebsräten zu eröffnen. Allerdings soll die Zulässigkeit auf eng definierte Ausnahmefälle begrenzt werden.

Begrüßenswert wäre hier ein progressiverer Ansatz: Nicht die Zulässigkeit, sondern die Unzulässigkeit virtueller Sitzungen sollte die Ausnahme darstellen. Ausnahmen könnten in Fällen von besonderer Bedeutung für die Arbeitnehmer gelten; z.B. bei Betriebsänderungen nach §§ 111 ff. BetrVG.

Eine Vielzahl von Prozessen und Entscheidungen in Unternehmen sind bereits digitalisiert. Diese Entwicklung setzt sich rasant fort und wird in den nächsten Jahren zu einem erheblichen Wandel in der Arbeitswelt führen. Inmitten dieser technisierten Umgebung wirken die rein „analogen″ Verfahrensvorschriften des BetrVG wie aus der Zeit gefallen. Die umständliche Beschlussfassung wird so oft zu einem – weder von Betriebsräten noch vom Arbeitgeber gewünschten – Bremsklotz. Die Schaffung der Möglichkeit zur Nutzung – von einer Pflicht ist ohnehin keine Rede – neuer Technologien zur Arbeitserleichterung auch bei der Betriebsratsarbeit ist längst überfällig.

Der Startschuss für virtuelle Betriebsratssitzungen ist durch die Einführung von § 41a EBRG jedenfalls gefallen. In Frankreich sind Videokonferenzen übrigens schon seit 2015 zulässig.

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EuGH: Territorialprinzip des deutschen Mitbestimmungsrechts mit EU Recht vereinbar

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Der EuGH hatte auf Vorlage des KG Berlin darüber zu entscheiden, ob die Mitgliedstaaten Arbeitnehmern, die bei Tochtergesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten beschäftigt sind, aufgrund der Art. 18 und 45 AEUV bei den Wahlen der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat das gleiche aktive und passive Wahlrecht gewähren müssen, wie inländischen Arbeitnehmern.

Der Kläger hatte geltend gemacht, dass die deutschen Rechtsvorschriften im Bereich der Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Unternehmen mit den Art. 18 und 45 AEUV teilweise unvereinbar seien. Die Kritik entzündete sich an der Beschränkung des Wahlrechts auf diejenigen Arbeitnehmer, die in Betrieben in Deutschland beschäftigt werden, während Arbeitnehmer in Betrieben im Ausland über kein aktives und passives Wahlrecht verfügen.

Beschränkung des aktiven und passiven Wahlrechts europarechtskonform

Mit seinem Urteil vom 18. Juli 2017 hat der EuGH in der Rechtssache C-566/15Erzberger/TUI bestätigt, dass die Beschränkung des aktiven und passiven Wahlrechts auf Arbeitnehmer, die in Betrieben in Deutschland beschäftigt sind, nicht gegen europäisches Recht verstößt.

Der EuGH ist in seiner Entscheidung den Schlussanträgen des Generalanwalts beim EuGH Henrik Saugmandsgaard Øe vom 4. Mai 2017 gefolgt. Dies ist zu begrüßen, da die Einbeziehung von Arbeitnehmern in Betrieben im Ausland in die Aufsichtsratswahlen zu erheblichen rechtlichen und praktischen Problemen geführt hätte. Zugleich wird die Entscheidung auch zu einer Klärung weiterer europarechtlicher Fragen rund um die Mitbestimmung führen.

In Aussicht: Arbeitnehmer in Betrieben im europäischen Ausland zählen bei der Berechnung der Schwellenwerte nicht mit

Der EuGH hat damit zwar noch nicht unmittelbar darüber entschieden, ob Arbeitnehmer in Betrieben im europäischen Ausland bei der Berechnung der Schwellenwerte mitzuzählen sind, die für die Anwendung der Regelungen über die unternehmerische Mitbestimmung in Deutschland maßgeblich sind. Wenn den Arbeitnehmern in anderen Mitgliedstaaten allerdings kein aktives oder passives Wahlrecht zusteht, spricht auch wenig dafür, sie bei den Schwellenwerten zu berücksichtigen.

Weg frei für Entscheidung in ähnlichen Verfahren

Das OLG Frankfurt/Main hatte im Juni 2016 (AZ. 21 W 91/15) beschlossen, ein vor ihm anhängiges Statusverfahren über die Besetzung des Aufsichtsrats der deutschen Börse auszusetzen, bis der EuGH über die Vorlagefrage des KG Berlin entschieden hat. Auch hier dürfte nun der Weg für eine Entscheidung frei sein.

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Arbeitsrechtliche Besonderheiten bei Umwandlungen

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Die gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung eines Unternehmens hat regelmäßig Auswirkungen auf die im Unternehmen Beschäftigten. Die Intensität der Auswirkung kann allerdings variieren. Gesellschaftsrecht und Arbeitsrecht sind bei Umwandlungen daher – einmal mehr – eng verbunden.

Entscheidend ist, dass bei der Betrachtung der Auswirkungen einer Umwandlung stets bedacht wird, dass die Umwandlung als gesellschaftsrechtlicher Vorgang grundsätzlich die Unternehmensebene betrifft. Die zugleich gegebenenfalls vorliegende Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG berührt allerdings die Betriebsebene. Zwar liegen häufig beide Maßnahmen gleichzeitig vor, zwingend ist dies jedoch nicht.

Umwandlungsplan muss dem Betriebsrat zugeleitet werden

Zu Beginn soll die Beteiligung des Betriebsrats stehen. Gerade diesbezüglich ist es entscheidend, zwischen Unternehmen und Betrieb zu unterscheiden. Es ist ohne weiteres denkbar, dass ein Unternehmen eine Umwandlung vollzieht, die die Betriebsstruktur nicht berührt. So etwa bei der Spaltung eines Unternehmens ohne gleichzeitige Spaltung der einzelnen Betriebe.

Ebenso sei vorweggenommen, dass nicht alle Unternehmen durch einen oder mehrere Betriebsräte mitbestimmt sind. Um ein umfassendes Bild zu geben, wird vorliegend von einem mitbestimmten Betrieb und einer Auswirkung der Umwandlung auf die Betriebsstruktur ausgegangen.

Der Umwandlungsvertrag/-plan bzw. sein Entwurf sind den zuständigen Betriebsräten in den beteiligten Unternehmen einen Monat vor dem endgültigen Beschluss der Anteilseigener über die Umwandlung zuzuleiten. Der Nachweis über die Zuleitung ist als Anlage der Anmeldung zum Handelsregister beizufügen und zwingende Voraussetzung für die Eintragung.

Die Zuständigkeit der Betriebsräte folgt dabei den allgemeinen Regeln des BetrVG. Das heißt, der Gesamtbetriebsrat (sofern ein solcher besteht) ist wegen der Auswirkungen auf mehrere oder alle Betriebe des Unternehmens regelmäßig der richtige Adressat. Unsicherheit besteht demgegenüber bezüglich der Beteiligung des Konzernbetriebsrats. Diese Unsicherheit kann in der Praxis gegebenenfalls dadurch umgangen werden, dass die Zuleitung an alle potentiell zu beteiligenden Betriebsräte mit Ausnahme des Europäischen Betriebsrats erfolgt.

Kein Verzicht auf die Zuleitung möglich

Der Betriebsrat kann auf diese Zuleitung nicht verzichten, wohl aber auf die Einhaltung der Monatsfrist, was allerdings schriftlich und ausdrücklich erfolgen muss. Besteht in einem Unternehmen kein Betriebsrat, so entfällt die Zuleitungspflicht.

Um der Zuleitungspflicht zu genügen, reicht es nicht aus, den arbeitsrechtlichen Mindestinhalt des Umwandlungsvertrages oder -plans gem. § 5 Abs. 1 Nr. 9 UmwG, die Beschreibung der Auswirkung der Umwandlung auf die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen sowie die insoweit vorgesehenen Maßnahmen, zuzuleiten. Vielmehr müssen die Gremien den vollständigen Entwurf samt Anlagen erhalten.

Die Zuleitung ersetzt nicht die Unterrichtung der Mitarbeiter, sofern die Umwandlung auch einen Betriebsübergang darstellt. Die Informationen in beiden Darstellungen sollten jedoch dringend aufeinander abgestimmt sein. So können die Unwirksamkeit beider Informationen vermieden werden.

Auswirkungen auch auf das Betriebsratsmandat

Der Betriebsrat ist von der übertragenden Umwandlung jedoch in der Regel noch unmittelbarer betroffen als nur durch das Zuleitungsrecht des zugrundeliegenden Vertrages.

Hat die Umwandlung Auswirkungen auf den Betrieb, besteht damit auch die von einem Betriebsrat vertretene Einheit nicht fort. Der übertragene Teil eines Betriebes wird von einem maximal sechs Monate andauernden Übergangsmandat des bisherigen Betriebsrates gem. § 21a BetrVG betreut. Allerdings nur sofern er selbst betriebsratsfähig ist und nicht in einen bestehenden Betrieb, der wiederum mitbestimmt ist, eingegliedert ist.

Das Übergangsmandat kann durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung um weitere sechs Monate verlängert werden. Der verbleibende Betriebsteil wird dagegen weiterhin vom bestehenden Betriebsrat mitbestimmt, sofern auch er betriebsratsfähig bleibt. Andernfalls kommt in beiden Fällen nur ein Restmandat gem. § 21b BetrVG in Betracht, welches nur auf die Abwicklung der Übertragung ausgerichtet ist. Neben der Betriebsratsfähigkeit ist darauf abzustellen, ob die Identität des Betriebes durch die beispielsweise Abspaltung oder aber durch die Aufnahme eines Betriebsteils erhalten bleibt.

Beide Varianten sind endlich und auf die Wahl eines neuen Betriebsrats für die neue Unternehmensstruktur ausgerichtet.

Weitergeltung von kollektivrechtlichen Regelungen

Durch den Übergang der Arbeitsverhältnisse auf einen anderen Rechtsträger nach dem Umwandlungsgesetz verlieren die vor der Umstrukturierung geltenden kollektivrechtlichen Regelungen wie Betriebsvereinbarungen nicht immer ihre Wirkung. Auch hier wird auf die Wahrung der Identität des Betriebsteils abgestellt, der durch die Übertragung einem anderen Unternehmen zugeordnet wird. Bewahrt der Betrieb oder Betriebsteil seine Identität, so gelten nach der Rechtsprechung auch die Betriebsvereinbarungen als solche weiter.

Neben der Weitergeltung nach dem Umwandlungsgesetz kommt auch die Fortgeltung im Rahmen eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB in Betracht. Sofern dessen Voraussetzungen vorliegen, gelten die Betriebsvereinbarungen in der Regel kollektivrechtlich im übergegangenen Arbeitsverhältnis weiter. Dazu muss allerdings der übergehende Betriebsteil seine Identität bewahren.

Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse – § 613a BGB bleibt unberührt

Wie bereits angedeutet, wird mit einer übertragenden Umwandlung häufig auch ein Betriebsübergang oder ein Betriebsteilübergang gem. § 613a BGB verbunden sein. Ausdrücklich normiert für diese Fälle das Umwandlungsgesetz in der Rechtsgrundverweisung des § 324 UmwG, dass die Regelungen des § 613a BGB unberührt bleiben.

Ist im Umwandlungsvertrag oder -plan auch bestimmt, dass einzelne Arbeitsplätze, die keinen Betrieb oder Betriebsteil bilden, übergehen sollen, so geschieht dies auf einzelvertraglicher Basis. Beide Vorgänge haben Auswirkungen auf die Arbeitnehmer. Diese sind im Pflichtteil des Umwandlungsvertrages bzw. Umwandlungsplans darzustellen.

Kündigungsregelungen dürfen sich für zwei Jahre nicht verschlechtern

Darüber hinaus bestimmt § 323 UmwG, dass sich die kündigungsrechtliche Stellung eines Arbeitnehmers durch die Übertragung seines Arbeitsverhältnisses für zwei Jahre nicht verschlechtert. Bei aller Diskussion über die Bedeutung der „kündigungsrechtlichen Stellung″ besteht jedenfalls darüber Einigkeit, dass der Schutz, der sich aufgrund der Betriebsgröße aus dem Kündigungsschutzgesetz ergibt, unabhängig von der Größe des aufnehmenden Betriebes für zwei Jahre erhalten bleibt. Dies wirkt sich insbesondere auf das Erfordernis der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung aus.

Auch hier sei der bereits zuvor genannte Hinweis erlaubt, dass es sich anbieten kann, Betriebsstrukturen bereits vor der Maßnahme so herauszuarbeiten, dass bestimmte Arbeitnehmer einen Betriebsteil bilden. Der Übergang einzelner Mitarbeiter kann ebenso unabhängig von und zeitlich vor der Umwandlung selbst geschehen.

Längere Haftung der beteiligten Rechtsträger

Die Haftungsregelung im Umwandlungsrecht sehen eine erhebliche Verlängerung der Haftung des übertragenden Rechtsträgers im Gegensatz zu der Regelung der Haftung im bloßen Betriebsübergang gem. § 613a BGB vor. Diese längere Haftung ist daher – sofern anwendbar – vorrangig.

Der übertragende Rechtsträger haftet gesamtschuldnerisch, also mit dem übernehmenden Rechtsträger gemeinsam für alle vor der Übertragung begründeten Verbindlichkeiten, die innerhalb von fünf Jahren nach der Übertragung fällig werden (§ 133 UmwG). Für Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung verlängert sich diese Haftung sogar auf zehn Jahre.

Handlungsempfehlung – frühzeitige Planung verspricht reibungslosen Ablauf

Wegen der vielfältigen Abgrenzungsfragen empfiehlt es sich, vor dem Beginn einer geplanten Umstrukturierung mit Ihren Beratern zu sprechen. Hierbei beginnt der Beratungsbedarf häufig bereits vor der unternehmerischen Entscheidung. Die Besonderheiten der Haftung sind bei der Prüfung der beteiligten Unternehmen von großer Bedeutung. Arbeitsrecht und Gesellschaftsrecht tragen hier durch frühzeitige gemeinsame Planung maßgeblich zum Erfolg der Umstrukturierung bei.

Unsere Beitragsreihe stellt wichtige Aspekte rund um das Umwandlungsrecht nach dem UmwG vor. Hier zeigen wir die Möglichkeiten einer Unternehmensumstrukturierung auf, stellen einzelne Aspekte heraus, schildern Herausforderungen und skizzieren die ein oder andere Lösungsidee. Bisher erschienen ist ein Überblick über die umwandlungsrechtliche Verschmelzung, ein Beitrag zum Verschmelzungsvertrag sowie zum Formwechsel. Weiter haben wir die Möglichkeiten im Rahmen einer Unternehmensspaltung, die partielle Gesamtrechtsnachfolge sowie den Ablauf einer Spaltung erläutert. Zuletzt sind wir auf die Schlussbilanz und die Besteuerung von Umwandlungen eingegangen.

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TV BZ ME: Das BAG zum fachlichen Geltungsbereich („Pony-Pack″)

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Am 22. Februar 2017 hat sich das BAG zum ersten Mal mit dem Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Metall- und Elektroindustrie vom 22. Mai 2012 (nachfolgend kurz: „TV BZ ME″) befassen müssen. Durch diesen wird die dem Zeitarbeitnehmer gewährte Vergütung – in Abhängigkeit zur Einsatzdauer – an das Entgelt eines im Kundenbetrieb beschäftigten, vergleichbaren Mitarbeiters angepasst.

Fachlicher Geltungsbereich des TV BZ ME unklar

In Streit stand und steht nach wie vor die Bestimmung des fachlichen Geltungsbereichs des TV BZ ME insbesondere bei Dienstleistungen in der Automobil(zuliefer)industrie. In der Praxis stellt sich in diesem Zusammenhang regelmäßig die Frage, ob Branchenzuschläge nach Maßgabe des TV BZ ME von dem Zeitarbeitsunternehmen zu zahlen sind. Insbesondere dann, wenn dessen Mitarbeiter an einen Kunden überlassen werden, der für einen Automobilhersteller oder -zulieferer auf dessen Gelände mit einem eigenen „Betrieb″ mit an sich branchenfremden Tätigkeiten, z.B. im Bereich der Logistik, tätig wird (BAG v. 22. Februar 2017 – 5 AZR 453/15 zu einem Logistikzentrum; dazu: Bissels, jurisPR-ArbR 27/2017 Anm. 4; BAG v. 22. Februar 2017 – 5 AZR 252/16 zur Sequenzierung von Bauteilen für Kfz).

In dem vorliegenden Fall lag die Besonderheit darin, dass der von dem Automobilhersteller eingebundene Dienstleister mit Tätigkeiten befasst war, die unmittelbar auf die Fertigung des Kfz gerichtet waren (Montage und Komplettierung der Motor-Getriebe-Einheit). Der 5. Senat sah insoweit den fachlichen Geltungsbereich des TV BZ ME als eröffnet an (Urteile v. 22. Februar 2017 – 5 AZR 552/14, 5 AZR 553/14, 5 AZR 554/14, 5 AZR 555/14).

Zeitarbeitnehmer war an Dienstleister überlassen worden

Der klagende Zeitarbeitnehmer (Mitglied der IG Metall) ist von dem beklagten Personaldienstleister (Mitglied im iGZ) seit Oktober 2012 an die L-GmbH zur Arbeitsleistung überlassen worden. Diese unterhält im Industriepark der F-Werke einen Betrieb. Dort montiert und komplettiert die L-GmbH für die F-GmbH nach deren Vorgaben Motoren mit Getrieben, Federbeinen, Kompressoren, Lichtmaschinen, Kabelbaum, Schläuchen, Motorprägung sowie Vorderachsen. Dabei werden Steck-, Füge-, Füll-, Schraub- und Scanoperationen nach einem festgelegten Ablaufplan ausgeführt.

Ergebnis der von der L-GmbH vorgenommenen Arbeiten ist die komplette Motor-Getriebe-Einheit eines Kfz (sog. „Pony-Pack“), die über eine Förderbrücke „just-in-sequence“ in eine benachbarte Halle der F-GmbH, einem Automobilhersteller, transportiert wird. Dort findet dann der Zusammenbau der Motor-Getriebe-Einheit mit der Karosserie statt (sog. Hochzeit). Die von der L-GmbH bei der Montage und Komplettierung verwendeten Komponenten werden von der F-GmbH bereitgestellt, die diese entweder selbst produziert oder von Zulieferern bezieht.

Zeitarbeitnehmer verlangt Branchenzuschläge der Automobilindustrie

Der Kläger meint, dass es sich bei dem Betrieb der L-GmbH um einen solchen der Automobilindustrie im Sinne des § 1 Nr. 2 TV BZ ME handele, so dass für dessen Einsatz dort Branchenzuschläge zu zahlen seien. Diese könnten nicht auf die Autohersteller reduziert werden. Bei den heutigen Produktionsmechanismen seien zumindest die Montage und die Komplettierung zugelieferter Teile integraler Bestandteil der Automobilfertigung. Die Beklagte hingegen vertritt die Meinung, bei dem Betrieb der L-GmbH handele es sich lediglich um einen Dienstleistungsbetrieb, der nicht vom TV BZ ME erfasst sei.

BAG bestätigt erstinstanzliches Urteil

Das BAG bestätigt mit seinem Urteil die zweitinstanzliche Entscheidung des LAG Köln (Urteil v. 16. Juni 2014 – 4 Sa 145/14). Dieses hatte zugunsten des klagenden Zeitarbeitnehmers die Einschlägigkeit des TV BZ ME und damit einen Anspruch auf Zahlung des tariflichen Branchenzuschlags anerkannt.

Das LAG Köln hat den Betrieb der L-GmbH – wie das BAG – als einen solchen qualifiziert, der dem vom TV BZ ME erfassten Wirtschaftszweig „Automobilindustrie″ und „Fahrzeugbau″ angehört. Weiter führte das LAG Köln aus, dass die L-GmbH einen Teil des Automobils, nämlich das Pony-Pack als das „Herzstück des Automobils″, montiere und komplettiere. Vor 2002 habe die F-GmbH diesen Schritt der Automobilfertigung noch selbst vorgenommen. Sie habe ihn 2002 auf die L-GmbH ausgegliedert.

Herstellung des Pony-Packs gehört zum Wirtschaftszweig der Automobilindustrie

Die Fertigung der L-GmbH sei aber örtlich, technisch und zeitlich in die Fertigungssequenz des produzierten Automobils integriert. Durch ein solches Zerlegen und Herausschneiden wesentlicher Teile des Fertigungsprozesses werde aber die dabei verrichtete Arbeit nicht von produzierender Arbeit zu einer reinen Dienstleistung. Die Arbeit der L-GmbH bleibe Teil der industriellen Fertigung des Endproduktes „Automobil″. Dass dem so sei, könne durch ein argumentum ad absurdum untermauert werden: Ansonsten könnten sämtliche Einzelschritte in der Automobilfertigung in kleine Einzelwerke zerlegt werden, für die die Verantwortung bei einzelnen Industriedienstleistern liege. Würde man deren Tätigkeit nicht mehr als Teil des Produktionsprozesses des Automobils und damit der Automobilindustrie ansehen, stünde schließlich ein fertiges Auto da, ohne dass dieses in der Automobilindustrie entstanden wäre.

Nicht nur Pony-Pack-Herstellung vom Geltungsbereich des TV BZ ME erfasst

Das BAG bestätigt diese Argumentation im Wesentlichen. Die Tätigkeit der L-GmbH sei nicht als reine Dienstleistung zu qualifizieren, sondern ebenfalls als unmittelbaren Teil eines Fertigungsprozesses der Automobilindustrie und des Fahrzeugbaus. Dieser wiederum wird vom fachlichen Geltungsbereich des TV BZ ME erfasst.

Bedeutsam für die Praxis ist, dass das BAG nicht nur die Hersteller von Automobilen im engeren Sinne, die letztlich die fertigen Produkte (Kfz) in den Verkehr bringen, als nach TV BZ ME zuschlagspflichtig qualifizieren. Vielmehr sind auch Betriebe in der Fertigungskette, die unmittelbar an der Herstellung des Fahrzeugs oder seiner Bestandteile beteiligt sind, zuschlagspflichtig.

Umfang des Unmittelbarkeitskriteriums nicht abschließend geklärt

Nicht abschließend geklärt ist indes, wie das vom BAG entwickelte Unmittelbarkeitskriterium zu verstehen ist. Nicht als unmittelbar in diesem Sinne sind Tätigkeiten im Bereich der Logistik und Sequenzierung anzusehen, die zwar die Produktion von Fahrzeugen unterstützen, aber gerade nicht in die Fertigungskette eingebunden sind (vgl. BAG v. 22.02.2017 – 5 AZR 453/15; dazu: Bissels, jurisPR-ArbR 27/2017 Anm. 4; BAG v. 22.02.2017 – 5 AZR 252/16). Letztlich dürfte es nach Ansicht des BAG erforderlich sein, dass in dem Kundenbetrieb selbst eine auf die Herstellung des Automobils oder seiner Bestandteile gerichtete, eigene produzierende Tätigkeit erbracht wird, die sich ihrerseits als Teil der Fertigungskette darstellt.

Dies dürfte – so dürfte die Entscheidung des BAG zu verstehen sein – der Fall sein, wenn einzelne Komponenten hergestellt werden, die im Rahmen der Fertigung in ein Automobil eingebaut werden müssen. Darunter fallen beispielsweise Felgen, Sitze, Klimaanlagen, Autoreifen etc. Dies dürfte zudem auch für Ersatzteile, nicht aber für optionales Zubehör gelten, das nicht zu den zwingenden Bestandteilen eines Automobils gehört.

Sind die Voraussetzungen für die unmittelbare Einbindung in die Fertigungskette nicht erfüllt, liegt kein Betrieb der Automobilindustrie oder des Fahrzeugbaus vor, der von § 1 Nr. 2 S. 2, Hs. 1 TV BZ ME erfasst wird. Unterstützende Tätigkeiten, z.B. im Bereich der Logistik oder Sequenzierung, können aber als Hilfs- oder Nebenbetrieb i.S.v. § 1 Nr. 2 S. 2, Hs. 2 TV BZ ME branchenzuschlagspflichtig sein, so das BAG.

Absoluter Maßstab bei der Ermittlung der „überwiegenden Tätigkeit“

Soweit das BAG verlangt, dass die „überwiegende Tätigkeit″ auf die Fertigung eines Automobils oder seiner Bestandteile gerichtet sein muss, stellt sich die Frage, welcher Maßstab anzulegen ist, um dies zu bestimmen. Reicht dabei bereits ein relatives Überwiegen aus oder ist ein absolutes Überwiegen erforderlich? Letztlich dürfte zunächst unter Berücksichtigung der von den Mitarbeitern erbrachten Arbeitsstunden festzustellen sein, welchen Tätigkeitsschwerpunkt der Betrieb hat.

Sodann dürfte ein absoluter Maßstab anzuwenden sein. Nur wenn mehr als 50% der Tätigkeiten auf die Fertigung des Kfz entfallen, ist der fachliche Geltungsbereich des TV BZ ME nach Maßgabe von § 1 Nr. 2 S. 2, Hs. 1 TV BZ ME eröffnet. Dafür spricht insbesondere die den Tarifvertragsparteien bekannte ganz herrschende Ansicht, die die Branchenzugehörigkeit zur Bestimmung der Anwendung des AEntG auf Grundlage einer absoluten Betrachtung vornimmt (vgl. § 6 AEntG; BAG v. 17. Dezember 2010 – 10 AZR 500/11). Diese Erwägungen sind unserer Ansicht nach auf den TV BZ ME zur Bestimmung des fachlichen Geltungsbereichs uneingeschränkt zu übertragen.

Weite Auslegung der TV BZ ME in der Praxis

Die vom BAG entwickelte Auslegung von § 1 Nr. 2 S. 2, Hs. 1 TV BZ ME führt in der Praxis zu der Notwendigkeit einer erweiterten Anwendung des TV BZ ME. Dies hat zur Folge, dass zahlreiche in die Fertigungskette der Automobil(zuliefer)industrie eingebundene Kunden tatsächlich vom fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages erfasst werden. Vor diesem Hintergrund haben die dort eingesetzten Zeitarbeitnehmer einen Anspruch auf die Zahlung des tariflichen Branchenzuschlags.

Im Zweifel ist unter Beachtung von tariflichen oder vertraglichen Ausschlussfristen eine Korrektur der Abrechnungen durch den Personaldienstleister vorzunehmen. Dies gilt im Übrigen auch, wenn dieser die dadurch entstehenden finanziellen Belastungen nicht an dessen Kunden weiterreichen kann. Wenn und soweit entsprechende Ansprüche von den Zeitarbeitnehmern in der Vergangenheit nicht geltend gemacht wurden, kann dies maximal einen Zeitraum von 3 Monaten betreffen.

Schwieriger stellt sich die Situation im Umgang mit der Deutschen Rentenversicherung dar, die – unabhängig von einer Inanspruchnahme des Zeitarbeitsunternehmens durch den/die Mitarbeiter – die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen auf die in der Vergangenheit nicht gewährten Branchenzuschläge verlangen kann. Auch die BA dürfte sich als zuständige Prüfbehörde dafür interessieren, ob die Tarifverträge der Zeitarbeit einschließlich der Branchenzuschläge richtig angewendet und eingehalten wurden oder werden. Ist dies nicht der Fall, drohen erlaubnisrechtliche Schritte.

Konkurrenz zwischen TV BZ ME und anderen Branchenzuschlagstarifverträgen

In der Praxis wird sich zudem das Problem stellen, wie mit durch die erweiterte Anwendung des TV BZ ME zwangsläufig entstehenden Konkurrenzen zu anderen Branchenzuschlagstarifverträgen umzugehen sein wird. Insbesondere bei Automobilzulieferern, die aufgrund ihres Tätigkeitsschwerpunktes (bislang) dem fachlichen Geltungsbereich eines anderen Zuschlagstarifvertrags zugeordnet werden mussten, könnte dies zu Schwierigkeiten führen, z.B. bei Herstellern von Autoreifen (TV BZ Chemie oder TV BZ Kautschuk vs. TV BZ ME).

In diesem Zusammenhang kann vertreten werden, dass – mangels einer in den Tarifverträgen vorgesehenen eigenen Kollisionsregelung – der im Vergleich jeweils höhere Branchenzuschlag zu gewähren ist. Dies dürfte freilich aber nur gelten, wenn sich ein Branchenzuschlagstarifvertrag nicht als der speziellere darstellt, der den allgemeineren Tarifvertrag verdrängt (sog. Spezialitätsprinzip).

TV BZ ME wurde zwischenzeitlich neu verhandelt

Darüber hinaus ist zu beachten, dass der TV BZ ME aufgrund der zum 1. April 2017 in Kraft getretenen AÜG-Reform von den Tarifvertragsparteien der Zeitarbeit neu verhandelt und inzwischen an die gesetzlichen Änderungen angepasst worden ist. In dem am 8. Mai 2017 abgeschlossenen TV BZ ME n.F. ist nunmehr vorgesehen, dass maßgebliches Bezugsobjekt nicht mehr der Kundenbetrieb, sondern das Kundenunternehmen sein soll. Dies kann rückwirkend zum 1. April 2017 – als dem maßgeblichen Zeitpunkt des Inkrafttretens des TV BZ ME n.F. – zur Begründung oder auch zum Wegfall einer Branchenzuschlagspflicht führen (vgl. Protokollnotiz Nr. 1 zu § 1 Abs. 2 TV BZ ME; dazu: Bissels, jurisPR-ArbR 27/2017 Anm. 4).

Die obigen Ausführungen zur Unmittelbarkeit und zum absoluten Überwiegen gelten ab dem 1. April 2017 konsequenterweise nicht mehr für den Betrieb, sondern sind auf das Kundenunternehmen zu beziehen, das den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag mit dem Personaldienstleister geschlossen hat, auf dessen Grundlage der Zeitarbeitnehmer schließlich bei diesem eingesetzt wird.

Dieser Beitrag ist angelehnt an einen Artikel der Juli-Ausgabe des „Infobriefs Zeitarbeit“, in dem der Autor jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informiert. Sollten Sie Interesse haben, diesen zu beziehen, schreiben Sie bitte eine kurze E-Mail an: alexander.bissels@cms-hs.com.

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Mitbestimmungspflicht bei MS Outlook und Facebook: Abschalten erlaubt

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Auf Basis des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG werden immer spektakulärere Mitbestimmungsrechte geltend gemacht:

Ging den Richtern vom BAG ein Mitbestimmungsrecht zu der Nutzung von „Google-Maps″ zur Kontrolle einer Reisekostenabrechnung noch zu weit, sieht das bei Facebook und dem Outlook-Gruppenkalender ganz anders aus.

BAG: Facebook-Auftritt kann dem Mitbestimmungsrecht unterliegen

Auch Facebook-Auftritte eines Unternehmens können dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates unterliegen. Die Einführung sowie der Betrieb einer Facebook-Seite, die Besuchern die Möglichkeit bietet, Kommentare über das Verhalten und die Leistung von Mitarbeitern zu posten, ist insoweit mitbestimmungspflichtig. Der betroffene Arbeitnehmer könnte zu „Unrecht an den Pranger″ gestellt werden (BAG, Beschluss v. 13. Dezember 2016 – 1 ABR 7/15).

Ist diese Funktion deaktiviert, besteht nur dann ein Mitbestimmungsrecht, wenn nur ein einzelner Arbeitnehmer für den Facebook-Auftritt zuständig ist. Teilen sich hingegen mehrere Arbeitnehmer den Zugang, kann die Urheberschaft der Beiträge nicht mehr auf den Einzelnen heruntergebrochen werden. Ist der Betroffene nicht individualisierbar, kann keine Leistungs- oder Verhaltenskontrolle stattfinden, sodass kein Raum für betriebliche Mitbestimmungsrechte besteht.

LAG Nürnberg: Mitbestimmungsrecht bei einem Outlook-Gruppenkalender

In einer neueren Entscheidung zu § 87 I Nr. 6 BetrVG hatte das LAG Nürnberg (Urteil v. 21. Februar 2017 – 7 Sa 441/16) über die Mitbestimmungspflicht bei der Einführung eines Gruppenkalenders bei Microsoft Outlook zu entscheiden. Im konkreten Fall hatten lediglich drei weitere Kollegen, die der gleichen Tätigkeit nachgehen, und der Vorgesetzte, Zugriff auf den Kalender. In diesen sollten betriebliche Termine eingetragen werden.

Der Schutzzweck der Norm besteht darin, das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers vor unkontrollierter Überwachung durch technische Einrichtungen zu schützen. Eingriffe seien nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats zuzulassen. Inwiefern allerdings eine Übersicht über betrieblich veranlasste Termine das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers beeinträchtigen kann, ist schwer nachzuvollziehen.

LAG Nürnberg: Outlook-Gruppenkalender lässt Rückschluss auf die Leistung oder das Verhalten einzelner Mitarbeiter zu

Nach Ansicht des LAG Nürnberg könne der Arbeitgeber durch die Eintragungen im Kalender Rückschlüsse auf die Koordination der Termine oder die Termindichte und damit auf die Leistung des Arbeitnehmers ziehen. Dabei spiele allerdings auch die Heimlichkeit der Maßnahme eine Rolle.

Dem ist entgegenzuhalten, dass zum einen keine privaten Termine angezeigt werden. Aus der Termindichte lässt sich zwar entnehmen, wie viel Arbeitszeit der Arbeitnehmer voraussichtlich in Terminen verbringt. Allerdings ermöglicht die Kalenderfunktion keine Leistungskontrolle hinsichtlich der Ergebnisse der Termine. Darüber hinaus dient die Kalenderfunktion nicht als Bestätigung dafür, dass die Termine auch tatsächlich in dem angesetzten Umfang stattgefunden haben. Die einzige praktische Kontrollmöglichkeit besteht darin, dass der Arbeitnehmer gegenüber seinem Vorgesetzten schlecht behaupten kann, er sei „beschäftigt″, wenn kein Termin eingetragen ist.

Interessant ist der Fall aber nicht nur deswegen, weil eine weitere Funktion eines „Alltagstools″ mitbestimmungspflichtig ist, sondern weil das LAG Nürnberg ausdrücklich nur auf die Rechtsprechung des BAG zu „Google-Maps″ aus dem Jahr 2014 Bezug nimmt. Demnach müsse die Überwachung durch die technische Einrichtung selbst bewirkt werden. Dazu müsse diese aufgrund ihrer technischen Natur unmittelbar, also wenigstens in ihrem Kern, die Überwachung vornehmen, indem sie das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer kontrolliert. Ausreichend ist, wenn lediglich ein Teil des Überwachungsvorgangs durch die technische Einrichtung erfolgt.

Das seit Jahrzehnten diskutierte Unmittelbarkeitskriterium hat das BAG in seinem „Facebook-Urteil″ leider nicht aufgegriffen.

Der Ausuferung des Tatbestands des § 87 I Nr. 6 BetrVG sollte entgegengewirkt werden

Das Mitbestimmungsrecht stammt aus einer Zeit, in der noch nicht von einer derart rasanten technischen Entwicklung auszugehen war. Daher hat das BAG betont, dass es nicht Ziel des Gesetzgebers gewesen sei, durch die Einführung von § 87 I Nr. 6 BetrVG Innovationsprozesse zu vereiteln (BAG, Beschluss v. 10. Dezember 2013 – 1 ABR 43/12).

Die Praxis sieht jedoch oft anders aus: Die Verhandlungen über die Einführung von IT-Applikationen dauern oft Monate und sind regelmäßig Teil von umfangreichen Deals mit dem Betriebsrat.

Um aber dem Schutzzweck des Mitbestimmungsrechts zu genügen, würde es beispielsweise ausreichen:

  • Nur solche IT-Applikationen in den Anwendungsbereich des Mitbestimmungsrechts einzubeziehen, die im Sinne des Gesetzeswortlauts „dazu bestimmt sind″, Leistungen des Mitarbeiters zu überprüfen. Dies könnte man mit Beweisverwertungsverboten kombinieren, wenn die Daten mitbestimmungswidrig erlangt wurden.
  • Das BAG könnte wieder auf das Unmittelbarkeitskriterium abstellen, sodass nur noch solche Datenerhebungen und Datenverarbeitungen erfasst sind, die direkt durch die IT-Applikation stattfinden.
  • Der Gesetzgeber könnte aber auch den Tatbestand ändern und von einer grundsätzlichen Erlaubnis der Einführung der IT-Applikation verbunden mit einem Verbot der Auswertung ausgehen. Eine solche Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt ist im Rahmen einer IT-Betriebsvereinbarung üblich.

Entscheidung zum Outlook-Gruppenkalender: Ein Beispiel, um den Reformbedarf im Mitbestimmungsrecht zu unterstreichen

Was für die Feedback-Funktion von Facebook und einem Outlook-Gruppenkalender gilt, kann ohne Weiteres auf andere Social-Media-Kanäle wie Twitter oder LinkedIn übertragen werden.

Angenommen, ein namentlicher Beitrag wird auf dem unternehmenseigenen Twitter-Account verlinkt und Sie als Leser sind der Meinung, der Beitrag sei aus welchen Gründen auch immer schlecht. Ihnen bleibt dann die Möglichkeit als fachkundiger und aufmerksamer Leser, mit einem eigenen Tweet zu antworten. Ein Betriebsrat könnte allerdings durch eine Unterlassungsverfügung die Abschaltung eines solchen Twitter-Accounts bewirken. Dies würde verhindern, dass durch einen Tweet einzelne Mitarbeiter öffentlich „an den Pranger gestellt werden″.

Die Entscheidungen zu Facebook und dem Outlook-Gruppenkalender verdeutlichen, wie groß der Abstand zwischen Rechtsprechung auf der einen Seite und den praktischen Bedürfnissen von Unternehmen und Digital Natives auf der anderen Seite ist.

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Arbeitsrechtliche Aspekte der grenzüberschreitenden Verschmelzung

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Im Rahmen dieser Serie haben wir grenzüberschreitende Verschmelzungen (die „Königsklasse des (internationalen) Umwandlungsrechts″) bereits aus gesellschaftsrechtlicher Sicht beleuchtet. Aber auch in arbeitsrechtlicher Hinsicht gibt es bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen einiges zu beachten, um das Projekt zum Erfolg zu führen. So sind bereits bei rein nationalen Sachverhalten, also der Verschmelzung von deutschen Unternehmen, arbeitsrechtliche Aspekte zu berücksichtigen. Bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen kommen noch weitere arbeitsrechtliche Aspekte hinzu.

Für grenzüberschreitende Verschmelzungen innerhalb der Europäischen Union (EU) bzw. dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) bestehen besondere Vorgaben, die wir Ihnen im Folgenden näher bringen wollen. Neben der Erfüllung umwandlungsrechtlicher Pflichten, wie den arbeitsrechtlichen Angaben in Verschmelzungsplan und Verschmelzungsbericht und der Information von Betriebsräten, gibt es weitere wichtige Aspekte. ob ein formelles Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren vor Vollzug der grenzüberschreitenden Verschmelzung durchzuführen ist.

Sicherung der Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Rahmen einer grenzüberschreitenden Verschmelzung

Ohne besondere Vorschriften könnte eine grenzüberschreitende Verschmelzung wegen der unterschiedlichen Ausgestaltung der Arbeitnehmermitbestimmung in den verschiedenen Staaten zu einem Verlust bestehender Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer führen. Die Frage, ob in einem Unternehmen Arbeitnehmermitbestimmung besteht, also etwa Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sitzen, ist grundsätzlich nach dem jeweils anwendbaren nationalen Recht zu beantworten.

Um den Umfang bestehender Arbeitnehmermitbestimmung zu sichern, gibt es für grenzüberschreitende Verschmelzungen von Unternehmen, deren Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR liegt, besondere europarechtliche Vorgaben. Ansonsten würde bspw. bei einer Verschmelzung einer mitbestimmten deutschen GmbH auf eine englische Limited ohne Arbeitnehmermitbestimmung die Mitbestimmung entfallen. Denn nach Vollzug der Verschmelzung fände grundsätzlich das englische Recht Anwendung, wonach keine Arbeitnehmermitbestimmung vorgesehen ist.

Grundidee der europarechtlichen Schutzvorschriften ist das bereits aus der Richtlinie über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der europäischen Aktiengesellschaft (SE-Richtlinie, RL 2001/86/EG) bekannte „Vorher-Nachher-Prinzip″. Nach einer grenzüberschreitenden Verschmelzung soll grundsätzlich der zuvor bestehende Umfang der Arbeitnehmermitbestimmung erhalten bleiben. Dabei geht es nur um die Mitbestimmung auf Unternehmensebene (insb. im Aufsichtsrat), nicht aber um die betriebliche Mitbestimmung. Die europarechtlichen Vorgaben befanden sich bislang in der „Verschmelzungsrichtlinie″ (RL 2005/56/EG) und sind nunmehr in der Richtlinie über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts niedergelegt (RL 2017/1132/EG, dort Art. 133, seit dem 20. Juli 2017). Die Vorgaben wurden vom deutschen Gesetzgeber durch das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (MgVG) umgesetzt.

Durchführung eines Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens nach dem MgVG nur bei Hereinverschmelzungen

Die erste wichtige „Weichenstellung″ ist, ob es sich um eine „Hereinverschmelzung″ (d. h. die übernehmende Gesellschaft hat ihren Sitz in Deutschland) oder um eine „Herausverschmelzung″ (d. h. die übernehmende Gesellschaft hat ihren Sitz im EU/EWR-Ausland) handelt. Denn das MgVG gilt grundsätzlich nur für Hereinverschmelzungen (mit Ausnahme weniger Vorschriften). Für Herausverschmelzungen innerhalb der EU oder des EWR gilt das jeweilige Umsetzungsgesetz am Sitz der ausländischen übernehmenden Gesellschaft.

Drei Anwendungsfälle des MgVG

Nicht bei jeder Hereinverschmelzung ist ein Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren nach dem MgVG durchzuführen. Erforderlich ist, dass ein Anwendungsfall nach § 5 Nr. 1 bis Nr. 3 MgVG gegeben ist. Nach wohl herrschender Meinung stehen diese Fälle alternativ zueinander, sodass ein Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren durchzuführen ist, sobald einer der Tatbestände gegeben ist.

  • Erstens ist dies der Fall, wenn zumindest eine der beteiligten Gesellschaften in den sechs Monaten vor Veröffentlichung des Verschmelzungsplans mindestens 500 Arbeitnehmer beschäftigt und dort ein System der Arbeitnehmermitbestimmung besteht (insb. Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, § 5 Nr. 1 MgVG).
  • Zweitens ist das MgVG anzuwenden, wenn das für eine deutsche übernehmende Gesellschaft maßgebliche deutsche Recht nicht mindestens den gleichen Mitbestimmungsumfang für die Arbeitnehmer aufweist, wie er jeweils vor der grenzüberschreitenden Verschmelzung in den beteiligten Gesellschaften bestand (§ 5 Nr. 2 MgVG). Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn eine mitbestimmte österreichische Aktiengesellschaft mit weniger als 500 Arbeitnehmer auf eine nicht mitbestimmte deutsche GmbH verschmolzen wird.
  • Drittens ist das MgVG anzuwenden, wenn das deutsche Recht für Arbeitnehmer der deutschen übernehmenden Gesellschaft in ausländischen Betrieben nicht die gleichen Mitbestimmungsrechte vorsieht, wie sie zugunsten der in Betrieben in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer bestehen (§ 5 Nr. 3 MgVG). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine mitbestimmte österreichische Gesellschaft mit mehr als 500 Arbeitnehmer auf eine dem Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG) unterliegende deutsche GmbH verschmolzen wird. Da das DrittelbG nur in Deutschland tätigen Arbeitnehmern das aktive und passive Wahlrecht einräumt (dies wurde vom EuGH kürzlich bestätigt), würden die in Österreich tätigen Arbeitnehmer ihre Mitbestimmungsrechte verlieren.

Bildung eines besonderen Verhandlungsgremiums bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung

Ist das MgVG anzuwenden, sind die Leitungen – insbesondere Geschäftsführung und Vorstand – der an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften verpflichtet, die Arbeitnehmer oder ihre Vertretungen zu informieren. Zudem sind sie zur Bildung eines besonderen Verhandlungsgremiums (BVG) aufzufordern (§ 6 MgVG). Das BVG soll dann mit den Leitungen eine Vereinbarung über die Arbeitnehmermitbestimmung für die übernehmende Gesellschaft vereinbaren.

Das BVG setzt sich aus Vertretern jedes Mitgliedsstaats zusammen, in dem die beteiligten Gesellschaften oder deren Tochtergesellschaften Arbeitnehmer beschäftigen. Jedem Mitgliedstaat ist zumindest ein Sitz zugewiesen. Die Anzahl der Sitze im BVG für einen Mitgliedstaat erhöht sich für jeden Beschäftigtenanteil, der 10 % der Gesamtzahl der in allen Mitgliedstaaten beschäftigten Arbeitnehmer übersteigt. Werden bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung zum Beispiel 34,8 % der Arbeitnehmer der an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften und Tochtergesellschaften in Deutschland beschäftigt, bestehen in dem BVG 4 Sitze für deutsche Vertreter. Mindestens besteht das BVG aus elf Mitgliedern.

Die Wahl oder die Bestellung der BVG-Mitglieder erfolgt in jedem Land nach den nationalen Vorschriften. Deutsche BVG-Mitglieder werden von einem Wahlgremium gewählt, das sich grundsätzlich aus Mitgliedern der Arbeitnehmervertretung zusammensetzt, die am nächsten an der Leitung in Deutschland „dran″ sind. Dementsprechend bildet bei Existenz eines Konzernbetriebsrats dieser das Wahlgremium, ansonsten der Gesamtbetriebsrat oder die (örtlichen) Betriebsräte (vgl. § 10 MgVG).

Die Vorschriften über das Wahlverfahren gelten für die Wahl der deutschen BVG-Mitglieder auch bei Herausverschmelzungen. Die gesamte Wahl bzw. Bestellung der BVG-Mitglieder soll innerhalb von zehn Wochen nach der Information durch die Leitungen erfolgen. Da diese Zehn-Wochen-Frist nicht abgekürzt werden kann, ist sie bereits bei der Erstellung der zeitlichen Planung für eine grenzüberschreitende Verschmelzung zu berücksichtigen.

Verhandlungen mit dem BVG über die künftige Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Unternehmen  nach der der grenzüberschreitenden Verschmelzung

Nach der Wahl oder Bestellung der BVG-Mitglieder sind zwischen dem BVG und den Leitungen der Unternehmen Verhandlungen über die Ausgestaltung der Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der übernehmenden Gesellschaft zu führen. Für diese Verhandlungen ist gesetzlich eine Maximaldauer von sechs Monaten vorgesehen. Diese kann wiederum von den Leitungen der Unternehmen und dem BVG einvernehmlich auf ein Jahr verlängert werden (§ 21 MgVG).

Abschluss der Verhandlungen mit verschiedenen Ergebnissen möglich

Die Verhandlungen können mit folgenden Ergebnissen enden:

  • Abschluss einer Beteiligungsvereinbarung: In diesem Fall richtet sich die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der übernehmenden Gesellschaft künftig nach dieser Vereinbarung (§ 22 MgVG).
  • Ablauf der Verhandlungsfrist ohne Einigung: In diesem Fall greift die sogenannte „Auffanglösung″ ein. Der Anteil der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der übernehmenden Gesellschaft richtet sich grundsätzlich nach dem (zahlenmäßig) höchsten Anteil in den an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 MgVG).
  • Beschluss des BVG, keine Verhandlung aufzunehmen oder bereits begonnene Verhandlungen abzurechen: Dann gelten die hinsichtlich der Mitbestimmung der Arbeitnehmer die Vorschriften des Landes, in dem die übernehmende Gesellschaft ihren Sitz hat (§ 18 MgVG). Ist die übernehmende Gesellschaft zum Beispiel eine GmbH mit Sitz in Deutschland und beschäftigt mehr als 2.000 Arbeitnehmern greift das Mitbestimmungsgesetz.
  • Absehen von Verhandlungen durch die Leitungen: Dann gilt grundsätzlich die gesetzliche Auffanglösung (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 MgVG).

Bereits bei der Planung eines solchen Projekts ist zu berücksichtigen, ob ein Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren nach dem MgVG (oder bei Herausverschmelzungen nach dem entsprechenden Gesetz eines anderen EU/EWR-Staates) durchzuführen ist. Ein solches Verfahren kann – wenn keine Seite die Verhandlungen abbricht – rund 9 Monate dauern; 10 Wochen für Wahl des BVG plus die 6 Monate gesetzliche Verhandlungsdauer.

Bei Hereinverschmelzungen prüft das Registergericht vor der Eintragung der grenzüberschreitenden Verschmelzung, ob eine Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer abgeschlossen wurde und ob das Verfahren nach dem MgVG – sofern ein solches erforderlich war –durchgeführt wurde.

Andere umwandlungsrechtliche Pflichten bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen

Aus dem Umwandlungsrecht ergeben sich bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen etwas andere arbeitsrechtliche Aspekte als bei rein nationalen Sachverhalten. Im Verschmelzungsplan sind nach dem Gesetz Angaben zu den voraussichtlichen Auswirkungen der Verschmelzung auf die Beschäftigung zu machen (§ 122c Abs. 2 Nr. 4 UmwG). Zusätzlich sind auch Angaben zum Verfahren zur Festlegung der Arbeitnehmermitbestimmung zu machen (§ 122c Abs. 2 Nr. 10 UmwG). Der Verschmelzungsplan ist – anders bei rein nationalen Sachverhalten – bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen nicht dem Betriebsrat zuzuleiten.

Im Verschmelzungsbericht sind die Auswirkungen der grenzüberschreitenden Verschmelzung auf die Arbeitnehmer der an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften zu erläutern (§ 122e S. 1 UmwG). Der Verschmelzungsbericht ist dem zuständigen Betriebsrat (oder den Arbeitnehmern, wenn kein Betriebsrat besteht) der beteiligten deutschen Gesellschaft zugänglich zu machen. Dazu reicht es aus, dass dieser in den Geschäftsräumen ausgelegt wird. Die Auslegung muss allerdings spätestens einen Monat vor der Versammlung der Anteilsinhaber, die über die Zustimmung zum Verschmelzungsplan beschließen soll, erfolgen. Der Betriebsrat kann auf die Einhaltung dieser Monatsfrist verzichten.

Weitere arbeitsrechtliche Aspekte bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung

Wie bei rein nationalen Sachverhalten können sich auch anlässlich von grenzüberschreitenden Verschmelzungen weitere arbeitsrechtliche Aspekte ergeben. Kommt es im Zuge der grenzüberschreitenden Verschmelzung in Deutschland zu einer Betriebsänderung, sind die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach §§ 111 ff. BetrVG zu beachten (Interessenausgleich und Sozialplan). Es können auch Informationsrechte des Wirtschaftsausschusses bestehen, sofern im Unternehmen ein solches Gremium existiert, § 106 BetrVG.

Kommt es beispielsweise bei der Herausverschmelzung zu einem Betriebsübergang in Deutschland, sind die betroffenen Arbeitnehmer über den Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse mit allen Rechten und Pflichten auf die übernehmende Gesellschaft zu informieren (§ 613a BGB). Findet ein Betriebsübergang im Ausland statt (etwa bei einer Hereinverschmelzung auf eine deutsche Gesellschaft), ist gegebenenfalls eine ausländische Umsetzungsvorschrift der Betriebsübergangsrichtlinie anzuwenden.

Rechtzeitige Planung wichtig

Bereits bei der Planung einer grenzüberschreitenden Verschmelzung sollten arbeitsrechtliche Aspekte berücksichtigt werden. Insbesondere wenn ein Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren nach dem MgVG oder einer entsprechenden ausländischen Vorschrift durchzuführen sein sollte, hat dies erhebliche Auswirkungen auf den Zeitplan. Daher ist von Anfang an ein enger Austausch zwischen gesellschaftsrechtlichen und arbeitsrechtlichen Projektbeteiligten erforderlich.

Unsere Beitragsreihe stellt wichtige Aspekte rund um das Umwandlungsrecht nach dem UmwG vor. Hier zeigen wir die Möglichkeiten einer Unternehmensumstrukturierung auf, stellen einzelne Aspekte heraus, schildern Herausforderungen und skizzieren die ein oder andere Lösungsidee. Bisher erschienen ist ein Überblick über die umwandlungsrechtliche Verschmelzung, ein Beitrag zum Verschmelzungsvertrag sowie zum Formwechsel. Weiter haben wir die Möglichkeiten im Rahmen einer Unternehmensspaltung, die partielle Gesamtrechtsnachfolge sowie den Ablauf einer Spaltungerläutert. Zuletzt sind wir auf die Schlussbilanz, die Besteuerung von Umwandlungen und die arbeitsrechtlichen Besonderheiten bei Umwandlungen sowie die grenzüberschreitende Verschmelzung aus gesellschaftsrechtlicher Sicht eingegangen.

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Tarifzuständigkeit der DGB-Gewerkschaften für die Zeitarbeit: Weiterhin keine höchstrichterliche Klärung!

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Am 25. April 2017 hat das BAG in einem weiteren Rechtsstreit (Az. 1 ABR 62/14) zur Frage der Tarifzuständigkeit der DGB-Gewerkschaften für die Zeitarbeitsbranche entschieden – und erneut keine Entscheidung in der Sache getroffen.

Auskunftsanspruch des Zeitarbeitnehmers

Hintergrund des Rechtsstreits war, wie bereits in dem Anfang 2016 entschiedenen Verfahren (BAG v. 26. Januar 2016 – 1 ABR 13/14), eine auf § 13 AÜG gestützte Auskunftsklage des Arbeitnehmers. Dieser war der Entleiherin im Zeitraum vom 3. Juni 2010 bis 18. November 2011 als Elektroinstallateur (im Zuständigkeitsbereich der IG Metall) zur Arbeitsleistung überlassen.

Die gesetzliche Regelung des § 13 AÜG verschafft dem Zeitarbeitnehmer einen grundsätzlichen Anspruch auf Auskunft darüber, welche wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts für einen vergleichbaren Stammarbeitnehmer des Entleihers gelten. Der Anspruch soll dem Zeitarbeitnehmer eine Vergleichsmöglichkeit schaffen und ihm die Überprüfung ermöglichen, ob der Entleiher das Gebot der Gleichbehandlung (und insbesondere den Grundsatz des Equal Pay) einhält (s. auch BAG v. 24. April 2014 – 8 AZR 1081/12). Auch die Neufassung des AÜG hat diese Regelung inhaltlich im Wesentlichen unverändert gelassen.

Ausgeschlossen ist der Auskunftsanspruch nach der gesetzlichen Regelung allerdings, wenn ein Tarifvertrag, der nach der gesetzlichen Konzeption vom Gleichstellungsgrundsatz abweichen darf, die Arbeitsbedingungen regelt.

Um die Wirksamkeit derartiger Tarifverträge zu klären, hatte das Arbeitsgericht Berlin im Jahr 2012 das Auskunftsverfahren zur Klärung der Tarifzuständigkeit der beteiligten Gewerkschaften ausgesetzt. In dem anschließend eingeleiteten Beschlussverfahren hatte zuletzt das Hessische LAG (Beschluss v. 04. September 2014 – 9 TaBV 91/14) entschieden, dass hinsichtlich des maßgeblichen Tarifabschlusses vom 9. März 2010 die Gewerkschaft IG Metall jedenfalls innerhalb ihres Organisationsbereichs und die Gewerkschaft ver.di auch außerhalb ihres Organisationsbereichs tarifzuständig war.

Auskunftsanspruch unabhängig von Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit

Die nunmehr vollständig abgesetzten Gründe bestätigen die Entscheidung des BAG in dem früheren Verfahren zur Tarifzuständigkeit der DGB-Gewerkschaften von Januar 2016 (BAG v. 26. Januar 2016 – 1 ABR 13/14). Der Beschluss zieht sich ebenfalls auf formelle Aspekte zurück; die Rechtsbeschwerde des Arbeitnehmers scheiterte schon an der fehlenden Antragsbefugnis.

Nochmals klargestellt ist durch das BAG, dass der Auskunftsanspruch nach § 13 AÜG nicht von der Tarifzuständigkeit einer Vereinigung abhängen kann. Zweifel an der Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit einer der Tarifvertragsparteien lassen einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Gleichbehandlung mit den Stammarbeitnehmern des Entleihers jedenfalls hinreichend möglich erscheinen und vermögen den Auskunftsanspruch daher nicht auszuschließen. Der Zeitarbeitnehmer könne die gewünschte Auskunft von dem Entleiher also unabhängig davon verlangen, ob ein Gericht das Fehlen der Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit feststellt.

„Schelte″ für das Arbeitsgericht Berlin

Eine gleichwohl erfolgte Aussetzung des Auskunftsverfahrens ist unbeachtlich und könne dem Zeitarbeitnehmer keine Antragsbefugnis vermitteln. Die Entscheidung enthält erneut eine deutliche „Schelte″ für die Instanzrechtsprechung, die dieses Mal insbesondere das Arbeitsgericht Berlin trifft. Dieses habe den Rechtsstreit über den Auskunftsanspruch nach § 13 AÜG nicht nur zu Unrecht ausgesetzt, sondern der Beschluss weise auch erhebliche inhaltliche Mängel auf.

Abermals kommt das BAG zu dem Ergebnis, dass ein solcher fehlerhafter Beschluss keine Grundlage für ein Verfahren zur Klärung der Tariffähigkeit oder der Tarifzuständigkeit nach § 97 Abs. 1 ArbGG sein kann. Hängt die Entscheidung des Rechtsstreits nicht von der rechtlichen Eigenschaft der Tariffähigkeit oder der Tarifzuständigkeit ab, kann auch ein (fehlerhafter) tatsächlicher Aussetzungsbeschluss dem Arbeitnehmer nicht zu der erforderlichen Antragsbefugnis verhelfen.

Status quo besteht fort

Die Branche muss und wird also auch weiterhin damit umgehen, dass die Tarifzuständigkeit der DGB-Gewerkschaften im Bereich der Zeitarbeit – ebenso wie die rechtliche Qualität dieser Tarifverträge als einheitliches oder mehrgliedriges Tarifwerk – nicht höchstrichterlich geklärt ist.

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BAG: Keine Entscheidung zur Nutzung von Arbeitszeitkonten durch Personaldienstleister

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Am 22. November 2017 hatte das BAG (Az.: 4 AZR 140/16) über die für die Praxis bedeutsame Frage zu entscheiden, ob im Maler- und Lackiererhandwerk die Regelungen zu den Arbeitszeitkonten aus der Zeitarbeit gelten – oder ob diese durch den Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk (RTV Maler) verdrängt werden.

Letztgenannter lässt allerdings die Führung eines Arbeitszeitkontos nur zu, wenn dieses dazu dient witterungsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Die entsprechenden Regelungen sind damit wesentlich enger geschnitten als die tariflichen Bestimmungen zu Arbeitszeitkonten in den Tarifverträgen der Zeitarbeit.

Streit um die Führung von Arbeitszeitkonten

Die Parteien stritten dabei über die Berechtigung des beklagten Zeitarbeitsunternehmens, für den Kläger ein Arbeitszeitkonto zu führen, und dabei über ihre Verpflichtung angesammelte Plusstunden an den Kläger auszuzahlen.

Der Kläger ist bei der Beklagten – einem Personaldienstleister mit der Spezialisierung auf Arbeitnehmerüberlassung von Malern und Lackierern – als Zeitarbeitnehmer tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die zwischen dem iGZ und der DGB-Tarifgemeinschaft geschlossenen Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Der Arbeitsvertrag der Parteien regelt die Einrichtung eines Arbeitszeitkontos gemäß „§ 3.2 Manteltarifvertrag iGZ″.

Nutzung der Arbeitszeitkonten zur Vermeidung von Kündigungen

Die Beklagte nutzt die im Arbeitszeitkonto eingestellten Plusstunden, um in witterungsbedingt auftragsschwachen Monaten (November bis Februar) betriebsbedingte Kündigungen der nicht einsetzbaren Arbeitnehmer zu vermeiden. Im Zeitraum März bis Juni 2014 hat der Kläger zum Stichtag 30. Juni 2015 bei Kunden der Beklagten 64,74 Stunden Maler- und Lackierertätigkeiten erbracht. Mit Schreiben vom 7. Juli 2015 forderte der Kläger die Beklagte erfolglos zur Auszahlung angesparter Plusstunden auf und verlangte die Zahlung von 677,01 Euro brutto.

Der Kläger macht geltend, ein Anspruch auf Auszahlung ergebe sich in Anwendung des Günstigkeitsprinzips aus § 8 Abs. 3 AEntG in Verbindung mit der 8. Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Maler- und Lackiererhandwerk (RVO Maler) sowie § 4 Ziff. 2 Tarifvertrag eines Mindestlohns für gewerbliche Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk, die die Regelungen des MTV iGZ verdrängen.

§ 9 Ziff. 1 und § 46 RTV Maler seien nicht anwendbar, denn bei § 46 RTV Maler handele es sich um einen Ausnahmetatbestand, der nicht allgemein auf die Arbeitnehmerüberlassung übertragen werden könne. Er befasst sich insbesondere mit dem Kündigungsrecht wegen schlechter Witterung.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass nicht das Günstigkeits-, sondern das Spezialitätsprinzip zur Anwendung gelange. Die formelle Kollisionslage sei zugunsten des § 2 Abs. 4 der 2. Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung aufzulösen.

Das ArbG Düsseldorf hat auf den Feststellungsantrag des Klägers erkannt, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, für den Kläger ein Arbeitszeitkonto zu führen, und die (Zahlungs-)Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil v. 30. November 2015 – 4 Ca 4402/15).

Auf Antrag der Parteien hat es die Sprungrevision nachträglich zugelassen. Mit der von beiden Parteien eingelegten Revision verfolgen sie ihr ursprüngliches Begehren bzw. ihren Klagabweisungsantrag weiter.

Keine Entscheidung durch das BAG

In der Sache hat das BAG keine Entscheidung treffen können. Die Parteien haben die wechselseitig eingelegten Revisionen und die Klage nach einer außergerichtlichen Verständigung zurückgenommen.

Im Ergebnis ist die Frage, ob und welche Bestimmungen zu einem Arbeitszeitkonto im Maler- und Lackiererhandwerk genutzt werden können, vor dem Hintergrund der ausbleibenden Sachentscheidung des BAG nicht höchstrichterlich geklärt. Es verbleibt daher weiterhin eine entsprechende Rechtsunsicherheit.

Um Rechtsrisiken ausschließen oder zumindest verringern zu können, sollten Personaldienstleister bei von den überlassenen Arbeitnehmern bei dem Kunden ausgeübten Maler- und Lackierertätigkeiten nicht die Arbeitszeitkonten der Zeitarbeit, sondern die im Zweifel enger geschnittenen Regelungen des Maler- und Lackiererhandwerks anwenden und dies auch ausdrücklich mit dem Zeitarbeitnehmer vereinbaren.

Hinweis in eigener Sache: Herr RA Dr. Alexander Bissels war sowohl erstinstanzlich als auch in der Revisionsinstanz für den beklagten Personaldienstleister an dem Verfahren als Prozessbevollmächtigter beteiligt.

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„Frauen an die Macht″– Autohaus darf explizit nach Verkäuferin suchen

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Manche Frau fühlt sich beim Autokauf schlicht missverstanden: Während der Autoverkäufer über so unwesentliche Dinge wie beispielsweise den Hubraum, PS, Zylinder und Drehmoment spricht, kommen die wirklich wichtigen Aspekte – allen voran die Autofarbe – nicht zur Sprache. Wie wird er reagieren, wenn die Frau beispielsweise nach beleuchteten Schminkspiegeln fragt?

Frauen sind ja multitaskingfähig und wissen den Stau auf dem Weg zur Arbeit zu nutzen. Eventuell meint frau aber auch einfach nur, wenn sie sich nach Einparkhilfen oder Rückfahrkameras erkundigt, in eine bestimmte Ecke gedrängt zu werden; und das, obwohl es eigentlich ihr Mann ist, der einfach nicht in den Kopf bekommt, wie wenig 30cm tatsächlich sind. Möglicherweise vertraut frau aber auch schlichtweg den Aussagen einer Verkäuferin – auch zu technischen Zahlen wie Hubraum, PS, Zylinder und Drehmoment – mehr als denen eines Mannes (umgekehrt könnte man sich das ja durchaus auch vorstellen…).

Autohaus sucht weibliche Verkäuferin

Mit diesen Problemen hatte sich die Kölner Arbeitsgerichtsbarkeit zu befassen. Zu entscheiden war der Fall eines Autohauses, das in einer Stellenausschreibung ausdrücklich eine Autoverkäuferin suchte. Die Stellenanzeige lautete wie folgt:

Frauen an die Macht!! Zur weiteren Verstärkung unseres Verkaufsteams suchen wir eine selbstbewusste, engagierte und erfolgshungrige Verkäuferin. […]

Mann klagt aufgrund einer Diskriminierung wegen des Geschlechts

Das Autohaus, das bislang ausschließlich männliche Verkäufer beschäftigte, stellte dann auch tatsächlich eine Frau ein. Ein abgelehnter männlicher Bewerber klagte daraufhin jedoch auf Zahlung einer Entschädigung. Er fühlte sich aufgrund seines Geschlechts diskriminiert. Zu Recht?

Schon das Arbeitsgericht Köln (Urteil v. 10. Februar 2016 – 9 Ca 4843/15) hatte seine Klage abgewiesen. Die Stellenanzeige enthalte zwar einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot, da sie sich nur an Frauen richte. Da das Autohaus aber dargelegt habe, dass es das Ziel verfolge, seinen Kunden Verkaufsberater beider Geschlechter zur Verfügung zu stellen, sah das Gericht die Ungleichbehandlung ausnahmsweise als gerechtfertigt an. Nach Angaben des Unternehmens seien 25 bis 30 % der Autohauskunden Frauen. Zudem habe es schon ausdrückliche Kundennachfragen nach weiblichen Verkäufern gegeben.

Der männliche Bewerber legte Berufung gegen das Urteil ein, scheiterte nun aber auch vor dem LAG Köln (Urteil v. 18. Mai 2017 – 7 Sa 913/16). Die Richter argumentierten, dass das Unternehmen mit der Bevorzugung des weiblichen Geschlechts in der Stellenausschreibung den unternehmerischen Zweck verfolge, seiner Kundschaft beim Autokauf Beratungsleistungen durch Verkaufspersonal beiderlei Geschlechts anzubieten. Es erhoffe sich dadurch den Bedürfnissen seiner Kundschaft besser gerecht werden zu können und infolgedessen auch bessere Verkaufsergebnisse zu erzielen.

Zudem spiele das Geschlecht des Verkaufsberaters für das Gelingen der Kommunikation im Verkaufsgespräch für einen gewissen Teil der Kundschaft eine nicht unwichtige Rolle. So könne gerade bei Käuferinnen wegen des althergebrachten Vorurteils – wonach Technik eine Männerdomäne sei – der Eindruck bestehen, von männlichen Verkäufern leicht übervorteilt zu werden.

Autohaus darf explizit nach Verkäuferin suchen

Auch sei in Rechnung zu stellen, dass für Freuen beim Autokauf möglicherweise andere Kriterien für die Kaufentscheidung im Vordergrund stünden als dies bei männlichen Kunden der Fall sei. Daher könne die weibliche Kundin das Gefühl entwickeln, von einer Verkäuferin in ihren Bedürfnissen besser verstanden zu werden. Ein Autokauf stelle insbesondere für private Kunden regelmäßig ein wichtiges Ereignis von erheblicher wirtschaftlicher Tragweite dar. Bei einem derartigen Vertrauensgeschäft komme der Persönlichkeit des für den Vertragspartner Handelnden eine gesteigerte Bedeutung zu. Und die Eigenart der Persönlichkeit eines Menschen werde auch durch sein Geschlecht mitgeprägt. Dementsprechend sei nicht zu beanstanden, wenn dieses Autohaus gezielt nach Autoverkäuferinnen suche.

Stellenausschreibungen grundsätzlich geschlechtsneutral formuliert

Schon an der sehr detaillierten Urteilsbegründung des LAG Köln erkennt man, dass dieser Sachverhalt einen Sonderfall darstellt. Im Grundsatz sind Stellenausschreibungen nach wie vor geschlechtsneutral auszugestalten. Ausnahmen sind dann möglich, wenn die Art der konkreten Tätigkeit es gebietet. Die Rechtsprechung hat dies beispielsweise bei einer Lehrerin im Mädcheninternat, die zugleich Nachtdienste wahrnimmt und dabei Schlaf- und Waschräume kontrollieren muss, anerkannt (BAG v. 28. Mai 2009 – 8 AZR 536/08).

Ebenso darf eine Gemeinde bei der Besetzung der Stelle des Gleichstellungsbeauftragten die Bewerberauswahl auf Frauen beschränken, wenn ein Schwerpunkt der Tätigkeit in Beratungsangeboten liegt, deren Erfolg bei Besetzung der Stelle mit einem Mann gefährdet wäre (BAG v. 18. März 2010 – 8 AZR 77/09).

Besonderheiten im öffentlichen Dienst

Im öffentlichen Dienst bestehen weitere Besonderheiten: Weist ein öffentlicher Arbeitgeber in einer ansonsten geschlechtsneutral gehaltenen Ausschreibung darauf hin, dass „ein besonderes Interesse an Bewerbungen von Frauen bestehe“, werden hierdurch männliche Stellenbewerber nicht im Sinne des AGG unzulässig benachteiligt, wenn in der für die Stelle maßgeblichen Vergleichsgruppe Frauen unterrepräsentiert sind (LAG Düsseldorf v. 12. November 2008 – 12 Sa 1102/08).

Weitere Fälle, bei denen das Geschlecht als unverzichtbare Voraussetzung für eine bestimmte Tätigkeit gelten dürfte, sind Model, Schauspieler oder Sicherheitsfachkraft zur Durchsuchung gleichgeschlechtlicher Passagiere auf Flughäfen.

Urteil des LAG Köln sorgt für Unsicherheit

Freilich ist fraglich, inwieweit ein Autoverkäufer sich hier einreihen lässt. Es drängt sich vor allem die Frage auf, wo in vergleichbaren Fällen die Grenze zu ziehen ist: Wird frau von einer Rechtsanwältin besser verstanden als von einem Rechtsanwalt, weil diese sich besser in die weibliche Psyche einfinden kann? Und was ist mit Ärzten? Auch im Elektronikfachmarkt könnten sich Frauen von einem männlichen Fachverkäufer missverstanden oder gar geneppt fühlen. Das Urteil schafft daher nicht unbedingt mehr Rechtssicherheit.

Andererseits wird in Zeiten der Frauenquote gerade in typischen Männerdomänen der Weg zu mehr Frauen an der Macht nur gangbar sein, wenn hinreichend Frauen an der Basis vorhanden sind, die Führungspositionen besetzen und in Gremien gewählt werden können. Und vielleicht ist die gezielte Suche nach weiblichen Kräften der beste – oder sogar einzige funktionierende – Weg, dies zu gewährleisten. Und auch umgekehrt sind Fälle denkbar, bei denen überlegt werden sollte, gezielt Männer per Stellenausschreibung zu suchen, beispielsweise im Erzieherberuf oder im Grundschullehramt.

So oder so ist das Urteil des LAG Köln für uns Frauen ein echter Lichtblick, warten wir doch schon so lange vergeblich auf die Frauenversteherin unter den Autoverkäufern – egal, ob es uns um eine pinke Fahrzeuglackierung oder technische Daten wie PS und Hubraum geht.

Nichtzulassungsbeschwerde wurde eingelegt unter dem Aktenzeichen 8 AZN 867/17.

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Private Paketlieferung zum Arbeitsplatz

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Die Vorweihnachtszeit ist nicht nur die Zeit, in der man sich besinnlich auf die Festtage einstimmt. Für viele Menschen ist dies auch die Zeit, um – mehr oder weniger rechtzeitig – die Geschenke für ihre Liebsten zu besorgen. Hierfür wird zunehmend auf den Online-Vertriebsweg zurückgegriffen, den mittlerweile nahezu jedes Unternehmen anbietet.

Die Bestellungen über das Internet bieten den Vorteil, dass abends nach Arbeitsende oder an Samstagen nicht der Gang in die häufig völlig überfüllten Innenstädte gesucht werden muss. Die Pakete werden ganz einfach und für den einzelnen ohne jede Anstrengung an den Ort der Wahl geliefert. Soweit zumindest die Theorie.

Arbeitsplatz als auserwählte Paketstation

Tatsächlich können auch die vermeintlich bequemen Online-Bestellungen für den Einzelnen in Stress und erheblichen Zeitaufwand ausarten. Denn in den überwiegenden Fällen sind die Ankunftszeiten der Paketzusteller nur schwer mit den Arbeitszeiten von Vollzeit-Arbeitnehmern in Einklang zu bringen.

Wer nicht im Home-Office arbeitet oder seine Arbeitszeit so flexibel gestalten kann, dass online bestellte Pakete problemlos an der eigenen Haustür in Empfang genommen werden können, ist auf Alternativen angewiesen. Ist ein dauerhaft anwesender Wunschnachbar nicht vorhanden, erscheint naheliegend die Lieferung an den Arbeitsplatz. Dort wird regelmäßig jemand bereitstehen, der das Paket in Empfang nehmen und zumindest vorübergehend verwahren kann.

Solange nur wenige Mitarbeiter von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, sollte sich der Aufwand für die Mitarbeiter am Empfang/in der Poststelle in (hinnehmbaren) Grenzen halten. Bei zeitnaher Abholung durch die Arbeitnehmer ist auch der Platzbedarf für die Zwischenlagerung überschaubar. Dies kann sich aber bei Betrieben mit mehreren hundert Mitarbeitern und entsprechend häufigen Bestellungen in der Adventszeit schnell ändern.

Von vorne: Bestellungen während der Arbeitszeit

Grundsätzlich gilt: Während der vereinbarten Arbeitszeit ist der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung verpflichtet. Private Angelegenheiten hat der Arbeitnehmer während seiner Freizeit zu regeln.

Häufig fehlt es für eine Anlieferung privater Pakete an den Arbeitsplatz an eindeutigen Regelungen. Die Lieferung privater Pakete an den Arbeitsplatz kann vom Arbeitgeber genehmigt oder geduldet sein. Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass es den Arbeitnehmern gleichsam gestattet ist, die Bestellungen auch während der Arbeitszeit vorzunehmen oder hierfür die IT-Systeme des Arbeitgebers zu nutzen.

Zumindest wenn der Arbeitgeber die private Nutzung des Internets im Unternehmen ausdrücklich oder implizit untersagt hat, liegt in jeder gleichwohl erfolgten Bestellung von privaten Paketen über den Arbeitscomputer eine Verletzung vertraglicher Nebenpflichten. Eine solche Pflichtverletzung kann jedenfalls eine Abmahnung und im Wiederholungsfall auch eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.

Zudem hat das Bundesarbeitsgericht entschieden (BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04), dass eine Pflichtverletzung auch dann vorliegen kann, wenn ein Arbeitnehmer das Internet während seiner Arbeitszeit in erheblichem zeitlichen Umfang („ausschweifend″) zu privaten Zwecken nutzt. Dies selbst dann, wenn der Arbeitgeber die private Nutzung des Internets zuvor nicht ausdrücklich verboten bzw. geduldet hat.

Das Aussuchen und Bestellen von Waren im Internet kann rasch einen zeitlichen Umfang annehmen, der über die täglichen Pausenzeiten des Arbeitnehmers hinausgeht. Daher wird in der Bestellung privater Pakete während der Arbeitszeit nicht selten ebenfalls eine vertragliche Nebenpflichtverletzung des Mitarbeiters liegen können, der wiederum mit einer Abmahnung oder verhaltensbedingten Kündigung begegnet werden kann.

Bestellt: Und dann? – Paketlieferungen zum Arbeitsplatz

Aufgrund des arbeitgeberseitigen Weisungs- und Direktionsrechts gemäß § 106 S. 2 GewO kann der Arbeitgeber die Bestellung privater Pakete an den Arbeitsplatz grundsätzlich verbieten. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass durch die Paketannahme Arbeitsabläufe behindert und Ressourcen gebunden werden, die je nach Größe des Betriebes erheblich ausfallen können.

Jedenfalls bei einem ausdrücklichen oder konkludenten Verbot kann der Arbeitgeber daher auf einen Verstoß mit dem Ausspruch einer Abmahnung und – im Wiederholungsfall – einer verhaltensbedingten Kündigung reagieren.

Verbot mit Wirkung für die Zukunft bei bisheriger Duldung?

Was aber gilt, wenn der Arbeitgeber bislang die Lieferung an den Arbeitsplatz geduldet hat, dies aber nunmehr für die Zukunft vollständig verbieten möchte? Als Grund denkbar wäre, dass die Poststelle/der Empfang mittlerweile in erheblichem Maße damit beschäftigt ist, die privaten Paketbestellungen der Mitarbeiter entgegenzunehmen und zu bearbeiten und ihm damit Ressourcen verloren gehen.

Kann der Arbeitgeber trotz bisheriger Duldung die Lieferung von Online-Bestellungen an den Arbeitsplatz mit Wirkung für die Zukunft generell verbieten oder hat er durch die bisherige Duldung einen Schein gesetzt, von dem er sich nicht einfach wieder lösen kann?

Insoweit wird zum Teil vertreten, dass die Duldung von Bestellungen privater Pakete an den Arbeitsplatz über einen gewissen Zeitraum grundsätzlich geeignet sei, eine entsprechende betriebliche Übung zu begründen. Einzelne Arbeitnehmer könnten demnach – je nach Nutzungsgrad und Kenntnis des Arbeitgebers – einen arbeitsvertraglichen Anspruch dahingehend haben, dass sie auch zukünftig berechtigt sind, sich private Pakete an den Arbeitsplatz liefern zu lassen.

Ob diese Auffassung einer gerichtlichen Überprüfung standzuhalten vermag, erscheint fragwürdig. Zumindest sprechen – je nach den Umständen des Einzelfalls – gute Argumente gegen die Begründung einer betrieblichen Übung aufgrund der bloßen Duldung privater Lieferungen. Dem Arbeitgeber verbliebe hiernach die Möglichkeit, für die Zukunft eine abweichende Regelung zu treffen und die Bestellung privater Pakete an den Arbeitsplatz zu verbieten.

Ausgangspunkt dieser Auffassung sind bereits die vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätze zur Entstehung einer betrieblichen Übung (vgl. BAG, Urteil vom 20. Mai 2008 – 9 AZR 382/07).

Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen soll eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Dieses als Vertragsangebot zu wertende Verhalten des Arbeitgebers wird von den Arbeitnehmern durch widerspruchslose Inanspruchnahme der Leistungen angenommen. (…)

Tatsächlich wird der einzelne Arbeitnehmer regelmäßig nicht wissen, ob dem Arbeitgeber die Bestellung privater Pakete an den Arbeitsplatz tatsächlich bekannt ist; oder ob ihm bekannt ist, in welchem Umfang seine Arbeitnehmer sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch im Hinblick auf Anzahl und Größe Pakete zum Arbeitsplatz liefern lassen.

Sofern keine ausdrückliche Genehmigung durch den Arbeitgeber vorliegt, werden die Arbeitnehmer vielmehr regelmäßig hoffen, dass der Arbeitgeber gerade keine Kenntnis erlangt. Schließlich ist es bei Annahme des Pakets in der Regel nicht einmal erkennbar, ob es sich um eine private oder dienstliche Lieferung handelt. Eine solche Hoffnung steht der Annahme eines Vertragsangebots bereits naturgemäß entgegen.

Geduldete Paketlieferung zum Arbeitsplatz: Hürden für die Annahme einer betrieblichen Übung

Doch auch bei genereller Kenntnis des Arbeitgebers von einer solchen Praxis kann der Behauptung einer betrieblichen Übung damit begegnet werden, dass der bloßen Duldung nicht die für ein verbindliches Vertragsangebot erforderliche Bestimmtheit (insbesondere im Hinblick auf Umfang, Art und Anzahl der Bestellungen) entnommen werden kann.

Darüber hinaus lässt auch die Art der Leistung an der Begründung eines Rechtsanspruchs aus betrieblicher Übung zweifeln. Zwar ist eine betriebliche Übung nicht nur bei Leistungen finanzieller Art möglich, bei der rechtlichen Einordnung ist jedoch zu berücksichtigen, ob die Leistung materiell ins Gewicht fällt oder letztlich nur eine bloße Annehmlichkeit für den Mitarbeiter bedeutet (vgl. BAG, Urteil vom 16. April 1997 – 10 AZR 705/96). Da es bei der Duldung der Bestellung privater Pakete an den Arbeitsplatz im Kern darum geht, dem Arbeitnehmer den Gang zur Paketsammelstelle zu ersparen, kann mit guten Gründen eine bloße Annehmlichkeit angenommen werden. Nennenswerte finanzielle Belastungen dürften dem einzelnen Arbeitnehmer hierdurch nicht erspart werden.

Dem steht jedoch gegenüber, dass dem Arbeitgeber durch die Kumulation sämtlicher Paketbestellungen und die damit einhergehende Belastung der Poststelle/ des Empfangsbereichs mittelbare Kosten entstehen, da Ressourcen für die Erledigung privater Angelegenheiten gebunden werden. Jedenfalls können Arbeitnehmer aufgrund der Art der Leistung u.E. nicht darauf vertrauen, diese werde unverändert auch in der Zukunft geleistet. Im Extremfall wäre der Arbeitgeber bei diesem Verständnis gezwungen, weiteres Personal für den Empfang/ die Poststelle einzustellen oder allein deshalb zu behalten, um die privaten Bestellungen von Mitarbeitern abwickeln zu können. Dies kann kein Mitarbeiter nach Treu und Glauben von seinem Arbeitgeber ernsthaft verlangen. Bereits die Art der Leistung kann dem Entstehen einer betrieblichen Übung mit guten Argumenten entgegengehalten werden. Richtigerweise wird es sich um eine bloße Annehmlichkeit des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern handeln.

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates

Unabhängig von der individualvertraglichen Möglichkeit, Regelungen zur Lieferung privater Paketsendungen zu treffen oder die Zustellung privater Pakete an den Arbeitsplatz vollumfänglich zu verbieten, stellt sich zudem die Frage nach einem Beteiligungsrecht des Betriebsrats.

Im diesem Zusammenhang wird teilweise vertreten, dass jedes Verbot privater Paketbestellungen an den Arbeitsplatz gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliege, da es jeweils um Fragen des Verhaltens und der Ordnung im Betrieb ginge. Sofern der Betriebsrat also nicht beteiligt wurde (im Zweifel im Rahmen einer entsprechenden Betriebsvereinbarung), läge nach dieser Auffassung keine rechtswirksame Regelung vor. Etwaige arbeitsrechtliche Maßnahmen auf der Grundlage einer solche Regelung wären entsprechend unwirksam.

Auch insoweit lässt sich jedoch zumindest im Hinblick auf ein vollumfängliches Verbot mit guten Argumenten ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verneinen. Richtigerweise handelt es sich bei dem Verbot um eine Regelung zur Zulässigkeit der Nutzung von Arbeitgeberressourcen zu privaten Zwecken und nicht um die Ordnung des Betriebs. Insoweit können die ähnlich gelagerten Wertungen zur privaten Internetnutzung am Arbeitsplatz herangezogen werden.

Hinsichtlich der privaten Internetnutzung wird mittlerweile weitgehend vertreten, dass der Arbeitgeber zumindest im Rahmen eines vollumfänglichen Verbots der privaten Internetnutzung den Betriebsrat nicht zu beteiligen hat (vgl. insoweit etwa LAG Hamm, Beschluss vom 07. April 2006 – 10 TaBV 1/06). Zudem ist auch im Hinblick auf die Gewährung finanzieller Zusatzleistungen grundsätzlich anerkannt, dass die Freiheit des Arbeitgebers über das „Ob“ der Leistungsgewährung und die Höhe der hierfür zur Verfügung stehenden Mittel regelmäßig keinen kollektivrechtlichen Beschränkungen unterliegt. Schließlich sprechen auch die Wertungen im Rahmen von § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG zur Mitbestimmungspflicht in Bezug auf Sozialeinrichtungen für diese Auffassung. Auch insoweit unterliegt weder die Errichtung noch die Schließung einer Sozialeinrichtung der Mitbestimmung des Betriebsrats. Es ist nicht ersichtlich, weshalb in Bezug auf die Nutzung der Poststelle oder des Empfangs des Arbeitgebers abweichend von diesen Grundsätzen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats über das „Ob″ der Lieferung privater Pakete an den Arbeitsplatz bestehen soll.

Soweit jedoch kein generelles Verbot bzw. keine uneingeschränkte Erlaubnis erteilt wird, sondern im Rahmen der Nutzungsmöglichkeit von Arbeitgeberressourcen Regelungsspielräume verbleiben, wird die verbindliche Regelung dieser Spielräume nach hier vertretener Auffassung der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen. Denn insoweit geht es zumindest regelmäßig um die Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. In diesem Fall wäre also der Betriebsrat, im Zweifel im Rahmen einer Betriebsvereinbarung, zu beteiligen.

Bedürfnis einer verbindlichen Regelung für Paketlieferungen zum Arbeitsplatz

Auch wenn die Entstehung einer betrieblichen Übung nach der hier vertretenen Auffassung regelmäßig ausscheiden dürfte, begründet jedenfalls die gegebene Rechtsunsicherheit das betriebliche Bedürfnis nach einer umfassenden und verbindlichen Regelung.

Sofern ein Betriebsrat besteht, bietet sich aufgrund des kollektiven Charakters der zu vereinbarenden Regelungen eine entsprechende Betriebsvereinbarung an. Gibt es keinen Betriebsrat, kann der Arbeitgeber die Nutzungsmöglichkeit einschließlich der sonstigen damit einhergehenden Regelungen am einfachsten über ein allgemeines Verbot oder eine Zusage an die gesamte Belegschaft erreichen. Hierbei hat er jedoch aufgrund der noch ungeklärten Rechtslage zum Entstehen einer betrieblichen Übung darauf zu achten, diese Leistung einem eindeutigen Freiwilligkeitsvorbehalt zu unterwerfen und entsprechend eindeutig zum Ausdruck zu bringen, dass die Leistung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolgt.

Fazit: Klare Regelungen für Paketlieferungen zum Arbeitsplatz schaffen

Um Unmut und unschöne Überraschungen in der Weihnachtszeit zu ersparen, sollte der Arbeitgeber darauf achten, möglichst klare und eindeutige Regelungen für private Paketlieferungen an den Arbeitsplatz zu schaffen. Dies sollte möglichst im Einvernehmen mit dem Betriebsrat geschehen, um Konfliktpotential zu vermeiden und die Akzeptanz in der Belegschaft zu erhöhen.

Größere Unternehmen sind dem erhöhten Bedürfnis nach flexiblen Bestellungen und Abholungen etwa bereits dadurch begegnet, dass in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Dienstleistern eine Packstation auf dem Betriebsgelände eingerichtet wurde. In allen anderen Fällen ist den betroffenen Arbeitnehmern zu empfehlen, sich vor der nächsten Bestellung genau über mögliche betriebsinterne Regelungen zu informieren und bei Zweifeln konkret beim Arbeitgeber nachzufragen, um arbeitsrechtliche Konsequenzen zu vermeiden.

Werden diese Tipps beherzigt, kann das Besorgen der Geschenke konfliktfrei organisiert werden und der Vorfreude auf das Verschenken steht nichts im Wege.

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Deutsches Mitbestimmungsrecht mit EU-Recht vereinbar – der (fast) „letzte Akt″

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Mit Beschluss vom 02. November 2017 (Az. 14 W 89/15) hat das Kammergericht Berlin in der Rechtssache Erzberger/TUI im Anschluss an die Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, Urteil vom 18. Juli 2017 – C-566/15) bestätigt, dass die Bestimmungen des deutschen Mitbestimmungsgesetzes nicht wegen einer unzulässigen Diskriminierung der im EU-Ausland tätigen Arbeitnehmer unanwendbar sind.

Der EuGH hatte in dem Vorabentscheidungsverfahren entschieden, dass die Beschränkung des aktiven und passiven Wahlrechts auf Arbeitnehmer, die in Betrieben in Deutschland beschäftigt sind, nicht gegen europäisches Recht verstoße.

Reichweite der Entscheidung des Kammergerichts

Der Kläger Herr Erzberger hatte geltend gemacht, dass der Aufsichtsrat nicht richtig zusammengesetzt sei. Nach Ansicht von Herrn Erzberger verstießen die deutschen Mitbestimmungsgesetze gegen europarechtliche Benachteiligungsverbote, indem diese das aktive und passive Wahlrecht bei den Wahlen der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat auf Arbeitnehmer beschränken, die in Betrieben in Deutschland beschäftigt sind.

Diese Ansicht hatte der EuGH zurückgewiesen und weder einen Verstoß gegen das europarechtliche Diskriminierungsverbot wegen der Staatsangehörigkeit (vgl. Art. 18 AEUV) noch gegen die europarechtliche Garantie der Arbeitnehmerfreizügigkeit (vgl. Art. 45 AEUV) erkennen können.

Somit hat das Kammergericht mit Beschluss vom 02. November 2017 (Az. 14 W 89/15) die Beschwerde von Herrn Erzberger zurückgewiesen. Der Aufsichtsrat war richtig zusammengesetzt.

Ausblick auf das anhängige Verfahren vor dem OLG Frankfurt a. M. – Berechnung der mitbestimmungsrechtlichen Schwellenwerte

Durch die Entscheidungen des EuGH sowie des Kammergerichts ist geklärt, dass die Vorschriften der Mitbestimmungsgesetze über das aktive und passive Wahlrecht nicht gegen europarechtliche Vorgaben verstoßen.

Noch nicht abschließend geklärt ist hingegen, ob die Entscheidung des EuGH auch auf die mitbestimmungsrechtlichen Schwellenwerte übertragen werden kann. Diesbezüglich stellt sich die Frage, ob im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer der Prüfung des richtigen Mitbestimmungsstatuts mitzuzählen sind oder nicht. So findet die paritätische Mitbestimmung grundsätzlich erst Anwendung, wenn in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt werden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG). Ab einer Beschäftigtenzahl von in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern ist der Aufsichtsrat grundsätzlich zu einem Drittel mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen (§ 1 Abs. 1 DrittelbG).

In diesem Verfahren geht es um die Anwendung des richtigen Mitbestimmungsstatuts. Das OLG Frankfurt a. M. hat dieses Verfahren im Hinblick auf das Verfahren vor dem EuGH ausgesetzt (Beschluss vom 17. Juni  2016 – 21 W 91/15). Zwar musste der EuGH in dem genannten Urteil nicht über die Schwellenwertberechnung entscheiden. Allerdings ist angesichts des Urteils des EuGH wohl zu erwarten, dass das OLG Frankfurt a. M. den gegenteiligen Beschluss der Vorinstanz aufheben und entscheiden wird, dass auch bei der Berechnung der maßgeblichen mitbestimmungsrechtlichen Schwellenwerte grundsätzlich nur auf die im Inland beschäftigten Arbeitnehmer abzustellen ist.

Es ist nicht zu erkennen, wieso die Argumente des EuGH nicht auch auf die Vorschriften über die mitbestimmungsrechtlichen Schwellenwerte übertragbar sein sollen.

Auswirkungen auf die Praxis

Auch wenn letzte Sicherheit erst nach der Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. besteht: Nach unserer Einschätzung ist nicht zu befürchten, dass insbesondere Unternehmen, die in Deutschland derzeit zwischen 500 und 2.000 Arbeitnehmern beschäftigen, „urplötzlich″ der paritätischen Mitbestimmung unterfallen, weil die im EU-Ausland beschäftigten Arbeitnehmer zusätzlich zu berücksichtigen sind.

Ungeachtet dieser guten Nachrichten kann es für Unternehmen, die an den mitbestimmungsrechtlich relevanten Beschäftigungszahlen auch innerhalb Deutschlands „kratzen″, sinnvoll sein, weitere Überlegungen anzustellen. Zu prüfen ist beispielsweise, ob ggf. durch gruppeninterne Umstrukturierungen das Eingreifen der (paritätischen) Mitbestimmung vermieden werden kann. Bei solchen Überlegungen, die insbesondere gesellschafts-, steuer- und arbeitsrechtliche Implikationen haben, unterstützen wir Sie gern.

LG Frankfurt am Main zur Berechnung der Schwellenwerte

Zwischenzeitlich hat das LG Frankfurt am Main in einem weiteren, von Herrn Erzberger angestrengten Statusverfahren entschieden, dass Arbeitnehmer, die bei ausländischen Tochtergesellschaften beschäftigt sind, bei der Berechnung der Schwellenwerte des Mitbestimmungsgesetzes für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nicht zu berücksichtigen und damit auch nicht mitzuzählen sind (Beschluss vom 21.12.2017 – 3-05 O 85/17, „STADA″). Damit liegt die erste Entscheidung vor, dass die Grundsätze des EuGH-Urteils auch für die mitbestimmungsrechtlichen Schwellenwerte anzuwenden sind. In der Praxis dürfte man künftig grundsätzlich davon ausgehen können, dass im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer im Rahmen der deutschen Unternehmensmitbestimmung nicht zu berücksichtigen sind (sei es bei der Berechnung von Schwellenwerten oder bei Prüfung der aktiven oder passiven Wahlberechtigung).

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Deutschlands Arbeitsgerichte (21) – Hannover

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Das Arbeitsgericht Hannover und das Landesarbeitsgericht Niedersachsen gehören zu den Gerichten, die nur einen Steinwurf vom Bahnhof entfernt sind (wie Radolfzell, Offenbach, Duisburg, Siegburg oder Frankfurt am Main). Beide Arbeitsgerichte sind mit dem Sozialgericht, dem Verwaltungsgericht und dem Niedersächsischen Finanzgericht in einem Fachgerichtszentrum untergebracht.

Zum Arbeitsgericht verlässt man den Hauptbahnhof allerdings nicht zum Ernst-August-Platz mit seinem Reiterstandbild. Stattdessen geht es auf die andere Seite: Richtung Oststadt. Auf der Bahnhofsrückseite tun sich Betonflächen, Bankenhochhäuser und Fernsehturm auf.

Rechter Hand geht es an der Rundestraße entlang, bevor zunächst das nun mehr als 100 Jahre alte „Neue Justizgebäude″ Am Volgersweg 1 auftaucht. Dort ist das Amtsgericht untergebracht. Erst dahinter erhebt sich an der Straßenecke zur Leonhardtstraße das Fachgerichtszentrum. Es ist ein – auf den ersten Blick – durch seine wie Schießscharten wirkenden Fenster festungsartiger Quader. Nur mit dem richtigen Abstand und aus der richtigen Perspektive wird das zurückgesetzte obere Staffelgeschoss sichtbar.

Der Neubau wurde auf dem früheren Behelfsparkplatz des Amtsgerichts, einer Schotterfläche, errichtet und erst zur zweiten Jahreshälfte 2015 bezogen. Der Grundriss des Gebäudes entspricht einer Acht, deren untere rechte Ecke von einem Fünfzigerjahre-Gebäude mit – in Bahnhofsnähe- nicht untypischer Nutzung durch eine Spielhalle ausgeschnitten ist. Der Eigentümer dieses Gebäudes wollte seine Immobilie nicht verkaufen und so blieb diese Ecke wie sie war.

Die Außenfassade des Gerichtszentrums ist beigefarben verklinkert, die leicht zurückversetzten Fenster werden von seitlichen Blenden betont. Die Fassade des Klinkers zitiere die Steinfarbe der Risaliten und Pilaster des benachbarten Amtsgerichts und stelle, so heißt es vom Architekten, so einen Bezug zum Amtsgerichtsgebäude her. Die Front zur Bahnhofsseite beherbergt die Einfahrt zu einer Tiefgarage, die nicht zum Gebäude gehört, und zum ersten Innenhof, der sich  im „unteren Teil der Acht″ befindet. Die Außenwände zum Innenhof sind – anders als die Außenfassade – mit hellem Putz versehen.

In der Leonhardtstraße liegt neben einer kleinen Rasenfläche der zurückversetzte Eingang, rechts davon die Beschilderung des Fachgerichtszentrums und der einzelnen Gerichte, neben einem niedersächsischen Wappen mit dem weißen Sachsenross auf rotem Grund. Auf der anderen Seite des Eingangs befinden sich die Nachtbriefkästen und an deren Beschriftung fällt auf, dass das Gebäude deutlich barrierefreier sein will, als andere Gebäude: schon die Briefkästen sind in Blindenschrift beschriftet.

Wer um das gesamte Gebäude herumläuft, sieht zunächst die Glasbrücke, die einen Übergang zum Amtsgericht ermöglicht, aber nur für Bedienstete nutzbar ist.

An der Ecke zur Hinüberstraße, die wirklich so heißt, wirkt das Gebäude durch die hier entstehende Symmetrie der Fassaden und Fenster eher abweisend. Das mag auch daran liegen, dass zwischen Wand und Bürgersteig nur eine graue Schotterfläche angelegt ist, die vornehmlich Zigarettenkippen anzieht. Aufgelockert wirkt die Fassadenansicht erst wieder in der Ferdinandstraße, wenn das Gerichtsgebäude auf seine Nachbarn mit besagter Spielhalle trifft.

Im Eingangsbereich des Gerichtsgebäudes befindet sich linker Hand eine große Anzeigetafel aus fünf Bildschirmen, die die jeweiligen Verhandlungen der einzelnen Fachgerichte anzeigen. In der Mitte befindet sich ein Lageplan, in dem Flure, Säle und Zimmer sowie Sanitärräume eingezeichnet sind. Rechts befindet sich ein Tresen, an dem Justizbedienstete bei Fragen behilflich sind.

Das Arbeitsgericht tagt üblicherweise in den Sitzungssälen 5-10. Verhandlungen des Landesarbeitsgerichts finden in den Sälen 11-14 statt. Sie werden über ein Sitzungssaal-Management verteilt. Die Sitzungssäle befinden sich im Erdgeschoss und sind leicht zu finden. Hierzu folgt der Besucher einfach den Beschriftungen auf dem Boden, sogenannten taktilen Leitstreifen, die sich durch das gesamte Gebäude ziehen. Seltsam mutet es an, wenn sie mitten im Flur einen „Haken schlagen″: Folgen einer Feuerschutztür.

 

Die Türschilder sind alle mit Blindenschrift versehen. Das Gericht verfügt zudem über Einrichtungen zum „taktilen Hören″. Hierfür wurden Schleifen im Boden verlegt, über die die Lautsprecher gleich auf entsprechend eingestellte Hörgeräte übertragen werden. Aufenthalts- und Wartezonen sind durch mittelblau abgesetzte Wände mit heller Bestuhlung gekennzeichnet. Sie befinden sich an vielen Stellen im Gebäude.

Überdies gibt es mehrere vollausgestattete Anwaltszimmer.

Fenster auf dem Flur und in den innen liegenden Sälen geben den Blick in den zweiten Innenhof, im „oberen Teil der Acht″, frei. Dieser Innenhof ist begrünt und beherbergt einen kleinen Raucherpavillon. Die helle Fassade wirkt hier fast palastartig.

Die Sitzungssäle verfügen statt des Betonbodens der Flure über robusten Parkettboden in hellem Ton. Auch hier befindet sich die Besucherbestuhlung  mit Sitzfläche aus hellem Holz. In den Sitzungssälen sind sie mit Polstern versehen.

Die Richtertische sind aus grau lackiertem Holz und – teilweise – durch Türen vom übrigen Saal abgetrennt. Aber auch die Bestuhlung für die Richter oder die Parteien ist unterschiedlich.

Wie es sich für einen Neubau gehört, ist er für weitere Elektronikgadgets vorbereitet, so auch schon für Beamer, die unter der Decke angebracht werden können – was bei meinem letzten Besuch, zugegebenermaßen Mitte des vorigen Jahres, noch nicht der Fall war. Über eine eigene Kantine verfügt das Gericht zwar nicht, wohl aber über eine eigens beschriftete Nische für den Getränkeautomat.

Das Gebäude, so schlicht es sein mag, erfüllt seinen Zweck. Der Besucher lernt das Gericht als offenen und hellen Geschäftsbetrieb kennen und das Gebäude zeigt, wie sich Barrierefreiheit in überlegte Architektur von vornherein und ohne besonderes Aufheben integrieren lässt. Zurecht ist das Gebäude hierfür ausgezeichnet worden.

Die Serie widmet sich Deutschlands Arbeitsgerichten – den Gebäuden, ihrer Architektur und der Umgebung

Hier geht es zum Arbeitsgericht Radolfzell, die vorhergehenden Teile finden Sie hier: Wesel, Offenbach am Main, Bochum, Bremen, Detmold, Hamburg, Koblenz, KarlsruheDarmstadt, Duisburg, Ulm, Stuttgart, Berlin, Ravensburg, München, Saarbrücken, Köln, Siegburg, Frankfurt.

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Befristetes Arbeitsverhältnis – Vorsicht bei Vertragsänderungen

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Die Anforderungen an eine wirksame Befristung eines Arbeitsverhältnisses aus sachlichem Grund sind in § 14 Abs. 1 TzBfG geregelt. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen eines sachlichen Grundes – und damit die Wirksamkeit der Befristung – ist der Zeitpunkt des (letzten) Vertragsschlusses.

Dies macht eine aktuelle Entscheidung des BAG (Urteil v. 17. Mai 2017 – 7 AZR 301/15) deutlich: Vereinbaren die Vertragsparteien während einer vereinbarten Befristungsdauer eine Änderung der Tätigkeit und ggf. der Vergütung, so ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Befristungskontrolle der Zeitpunkt dieses (letzten) Änderungsvertrages. Zu diesem Zeitpunkt muss dann ein sachlicher Grund für die Befristung vorliegen. Fehlt es zum Zeitpunkt der (letzten) Vertragsänderung an einem solchen Grund, so wird durch die Vertragsänderung ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet.

Anderes gilt (bislang) für die Änderung von Arbeitsbedingungen in einem ohne Sachgrund befristeten Vertrag: Diese lassen die Wirksamkeit der Befristung unberührt, wenn diese Änderungen innerhalb der Befristungsdauer erfolgen und die vereinbarte Befristungsdauer unverändert bleibt.

Befristetes Arbeitsverhältnis (mit Versetzungsklausel)

Im entschiedenen Fall war der Kläger im Jahr 2011 zur Elternzeit-Vertretung einer Stammkraft befristet eingestellt worden. Der Vertrag sollte Anfang 2014 enden. Der befristete Vertrag enthielt eine sogenannte Versetzungsklausel, die den Einsatz des Klägers mit geänderten Aufgaben auch an einem anderen Ort vorsah.

Während der Zeit der Befristung kam es zu einer Betriebsänderung mit der Verlagerung von Arbeitsplätzen. Hierüber wurde ein Interessenausgleich/Sozialplan abgeschlossen.

Auch die vom Kläger besetzte Stelle der Stammkraft war hiervon betroffen. Im Rahmen der Umsetzung des Interessenausgleichs/Sozialplans wurde der Kläger im März 2013 auf einen neuen Arbeitsplatz versetzt. Über die Versetzung und die damit verbundene Änderung der tariflichen Eingruppierung wurde der Kläger schriftlich von der Beklagten informiert.

Nach Ablauf der ursprünglich vereinbarten Befristung erhob der Kläger Entfristungsklage. Die Beklagte habe mit ihrem Schreiben ein Angebot auf Entfristung des Arbeitsverhältnisses zu den dort genannten, geänderten Arbeitsbedingungen unterbreitet. Die Beklagte hingegen stellte darauf ab, dass das Schreiben lediglich der Information gedient habe und keine Vertragsänderung erfolgt sei.

Entfristungsklage abgewiesen – Keine Änderungsvereinbarung durch Versetzungsschreiben

Im konkreten Fall hat das BAG die Entfristungsklage abgewiesen. Wie auch in der vorinstanzlichen Entscheidung hat das BAG die Wirksamkeit der Befristung bestätigt. Denn mit dem Schreiben habe die Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers keine Änderungsvereinbarung angeboten, sondern lediglich ihre kollektivrechtliche Verpflichtung erfüllen wollen.

Wirksamkeit der Befristung: Maßgeblich ist Zeitpunkt des Vertragsschlusses

Grundsätzlich kommt es für die Wirksamkeit der Befristung auf die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorliegenden Umstände an. Später eintretende Änderungen lassen die Wirksamkeit der vereinbarten Befristung unberührt. Selbst dann, wenn der ursprünglich vorhandene Sachgrund später wergfällt. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn sich die Tätigkeit des Arbeitnehmers während der Befristungsdauer ändert.

Vertragsänderung – maßgeblich ist Zeitpunkt der Vertragsänderung

Etwas anderes gilt jedoch, wenn – unter Beibehaltung der vertraglich vereinbarten Befristungsdauer – eine Vertragsänderung zur Tätigkeit und gegebenenfalls Vergütung erfolgt. Dann unterliegt der Änderungsvertrag als letzter Arbeitsvertrag der Befristungskontrolle.

Die Wirksamkeit einer Befristung ist im Normalfall nach den Umständen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beurteilen. Später eintretende Änderungen haben daher keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Befristung. Sollte beispielsweise der bei Vertragsschluss gegebene Sachgrund für die Befristung zu einem späteren Zeitpunkt wegfallen, würde dadurch kein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstehen.

Anders liegt der Fall nach Ansicht des BAG aber, wenn in einem Änderungsvertrag unter Beibehaltung der Befristung die Tätigkeit und Vergütung geändert wird. Dann sei der Änderungsvertrag als letzter Arbeitsvertrag einer eigenen Befristungskontrolle zu unterziehen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Wirksamkeit der Befristung sei für diesen Fall demnach der Abschluss des Änderungsvertrages.

Sachgrunderfordernis bei Vertragsabschluss und zum Zeitpunkt einer Vertragsänderung

Wird also eine Änderungsvereinbarung getroffen, ist entscheidend, ob bei Abschluss des Änderungsvertrages ein Sachgrund für die Befristung gegeben ist. Fehlt es hieran, ist die Befristung unwirksam und der Änderungsvertrag verwandelt das Arbeitsverhältnis in ein unbefristetes. Voraussetzung ist freilich stets, dass der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Befristung fristgerecht geltend macht.

Die Entscheidung hat für Arbeitgeber mit befristet angestellten Mitarbeitern weitreichende Bedeutung. Wichtig für den Arbeitgeber ist zu beachten, dass die Vertragsänderung zu Tätigkeit und/oder Vergütung während der Befristungslaufzeit einer Befristung mit Sachgrund dazu führen kann, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entsteht. Ein solches kann der Arbeitgeber noch im Wege einer Kündigung beenden.

Beachte: Befristung ohne Sachgrund – Keine Vertragsänderung zusammen mit Laufzeitverlängerung

Bei Befristungen ohne Sachgrund gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG sind hingegen Änderungen der Arbeitsbedingungen während der Befristungsdauer nach ständiger Rechtsprechung zulässig; auch ohne dass diese die Wirksamkeit der Befristung beeinflusst. Hingegen führt eine Änderung der Vertragsbedingungen zusammen mit einer Verlängerung der Vertragslaufzeit zum Entstehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses. Denn eine bloße Verlängerung im Rahmen des § 14 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. TzBfG liegt nur dann vor, wenn sie noch während der Laufzeit des zu verlängernden Vertrags schriftlich vereinbart wird und nur die Vertragsdauer geändert wird, nicht aber die übrigen Arbeitsbedingungen (BAG, Urteil v. 18. Januar 2006 – 7 AZR 178/05).

Andernfalls liegt ein Neuabschluss eines befristeten Arbeitsvertrags vor. Diese ist regelmäßig nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG unwirksam, da eine erneute sachgrundlose Befristung wegen der Vorbeschäftigung unzulässig ist. Zumindest dann, wenn zwischen den Parteien bereits ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.

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Zeitarbeit: Ein Rückblick auf 2017 und Ausblick auf das Jahr 2018

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Wie nicht anders zu erwarten, war das Jahr 2017 maßgeblich von der durch die Große Koalition umgesetzten Reform des Fremdpersonaleinsatzes geprägt. Diese ist am 1. April 2017 in Kraft getreten und hat die insoweit maßgeblichen gesetzlichen „Stellschrauben″ im AÜG, BetrVG und BGB neu justiert – beseelt von dem Gedanken, die Zeitarbeit auf ihre Kernfunktion hin zu orientieren und den Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen zu verhindern (vgl. BT-Drucksache 18/9232, S. 1).

Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Neuerungen

Insoweit ist es wenig überraschend gewesen, dass die Praxis nunmehr vor der Herausforderung stand, die gesetzlichen Neuerungen unter Berücksichtigung der von der Bundesagentur für Arbeit erst Ende März herausgegebenen „Fachlichen Weisungen Arbeitnehmerüberlassungsgesetz″ umzusetzen.

Besonders viel Zeit wurde den betroffenen Personaldienstleistern nicht gewährt: Die neu in das Gesetz eingefügten Offenlegungs- und Konkretisierungspflichten (§ 1 Abs. 1 S. 5, 6 AÜG) sind mangels entsprechender Übergangsfristen bereits zum 1. April 2017 in Kraft getreten. Klar war, dass das entsprechende Pflichtenprogramm natürlich für alle nach Anfang April abgeschlossene Arbeitnehmerüberlassungsverträge gelten soll.

Die BA – dies kam erschwerend hinzu – vertritt jedoch die Ansicht, dass die Offenlegungs- und die Konkretisierungspflicht bereits für Verträge Geltung beansprucht, die vor dem 1. April 2017 geschlossen und danach fortgeführt werden (vgl. FW AÜG zu § 1 Nr. 1.1.6.7 Abs. 3). Dies bedeutete für zahlreiche Personaldienstleister, dass binnen weniger Tage die neuen gesetzlichen Anforderungen umgesetzt werden mussten – aufgrund der mit der Auffassung der BA verbundenen Rückwirkung der neu in das Gesetz aufgenommenen Pflichten sicherlich aus rechtstaatlicher Sicht ausgesprochen frag- und gleichermaßen kritikwürdig.

Diskussion über Offenlegungs- und Konkretisierungspflichten

Viel diskutiert wurde mit Blick auf die genannten Offenlegungs- und Konkretisierungspflichten auch, ob und im Zweifel welche Form es hinsichtlich der Offenlegung und der Konkretisierung zu beachten galt. Die Personaldienstleistungsbranche zeichnet sich dabei durch ihre enorme Flexibilität aus, auf kurzfristen Zuruf eines Kunden Personal zur Verfügung zu stellen.

Mit diesem Selbstverständnis und den dazu entwickelten Geschäftsmodellen kann und konnte es nur schwerlich in Einklang gebracht werden, vor dem in der Praxis oftmals kurzfristig erfolgenden Abruf eines Zeitarbeitnehmers diesen unter Wahrung der gesetzlichen Schriftform namentlich zu konkretisieren. Wäre dies tatsächlich erforderlich, wäre dies in der Tat das Ende eines kurzfristig und flexibel zu handhabenden Einsatzes von Zeitarbeitnehmern.

BA wählt grundsätzlich pragmatischsten Weg

Die BA wählte insoweit einen durchaus pragmatischen Weg, den sie auch in ihren Fachlichen Weisungen niederschrieb. Ist in einem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag bereits der zu überlassende Zeitarbeitnehmer namentlich bezeichnet (sog. Einzelarbeitnehmerüberlassungsvertrag), ist die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform notwendig. Wird hingegen ein Rahmenarbeitnehmerüberlassungsvertrag geschlossen, der seinerseits der Schriftform bedarf, ist die darauf Bezug nehmende namentliche Konkretisierung des dann einzusetzenden Zeitarbeitnehmers in Textform möglich (vgl. FW AÜG zu § 1 Nr. 1.1.6.7 Abs. 2).

Rahmenarbeitnehmerüberlassungsvertrag: BA verlang Kontingentabrede

Wichtig ist, dass die BA in Zusammenhang mit einem Rahmenarbeitnehmerüberlassungsvertrag nicht nur die Einhaltung der Schriftform, sondern auch eine sog. Kontingentabrede verlangt. Dieses Erfordernis mag in der täglichen Praxis überflüssig und im Zweifel gar unsinnig sein, sollte jedoch dennoch in entsprechende Rahmenverträge aufgenommen werden, um der Agentur für Arbeit keine Veranlassung zu geben, einen insoweit bußgeldbewährten Verstoß gegen § 1 Abs. 1 S. 6 AÜG geltend machen zu können (Bußgeldrahmen: bis zu 30.000 €).

Personaldienstleister waren und sind daher gut beraten, mit Blick auf die bereits zum 1. April 2017 in Kraft getretenen Offenlegungs- und Konkretisierungspflichten ihre Hausaufgaben gemacht zu haben. Dies bedeutet insbesondere deren verwendeten Musterarbeitnehmerüberlassungsverträge anzupassen sowie die Bestellprozesse mit ihren Kunden so einzurichten, dass die neuen gesetzlichen Pflichten auch eingehalten werden können.

Weitere Neuerungen: equal pay und Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten

Im Übrigen war das Jahr 2017 maßgeblich von den weiteren gesetzlichen „Kernelementen″ der AÜG-Reform geprägt, nämlich der Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten und einem zwingenden equal pay nach dem 9. Monat des Einsatzes eines Zeitarbeitnehmers bei einem Kunden. Der Gesetzgeber hat vorgesehen, dass insbesondere durch Tarifverträge sowohl von der Überlassungshöchstdauer als auch von einem zwingenden gesetzlichen equal pay über den 9. Monat hinaus abgewichen werden kann.

Im laufenden Jahr 2017 wurde von den entsprechenden Möglichkeiten bereits rege Gebrauch gemacht: Beginnend ab Mai 2017 wurden für die M+E-Industrie die Tarifverträge zur Leih-/Zeitarbeit (TV LeiZ) an die neuen gesetzlichen Anforderungen angepasst. Wurde der bereits im Jahr 2012 abgeschlossene TV LeiZ bis dato eher als eine „Belastung″ wahrgenommen, der u.a. eine Prüfpflicht nach 18 Monaten und gar nach 24 Monaten eine Übernahmepflicht des bei dem Kunden eingesetzten Zeitarbeitnehmers vorgesehen hatte, ermöglicht dieser Tarifvertrag in seiner aktuellen Fassung nunmehr eine Erweiterung der Überlassungshöchstdauer auf bis zu 48 Monate.

Im Einzelnen ist der Tarifvertrag mit seiner Differenzierung zwischen tarif(un)gebundenen Kundenbetrieben mit und ohne Betriebsvereinbarung sowie einer Übergangsregelung für Altbetriebsvereinbarungen recht komplex gestaltet. Im Einzelfall muss sehr genau geprüft werden, ob und welche Abweichungsmöglichkeiten sich für den konkreten Kunden stellen; insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch nicht-tarifgebundene Kunden der M+E-Industrie über eine zu schließende Betriebsvereinbarung von der im TV LeiZ vorgesehenen Abweichungsmöglichkeit Gebrauch machen und selbst eine Überlassungshöchstdauer von bis zu 48 Monaten vorsehen können.

TV LeiZ ist bislang der einziger Flächentarifvertrag

Bislang ist der TV LeiZ, jeweils abgeschlossen zwischen den regionalen Arbeitgeberverbänden Metall und der IG Metall, der einzige Flächentarifvertrag (soweit bekannt), der es ermöglicht, von der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten abzuweichen. Dem Vernehmen nach sind die Verhandlungen über einen vergleichbaren Tarifvertrag in der Chemischen Industrie gescheitert; hier bleibt jedoch nach wie vor die Option, sog. „Insellösungen″ bei einzelnen Unternehmen über den Abschluss von Firmentarifverträgen und darauf aufsetzenden Betriebsvereinbarungen zu schaffen, so geschehen z.B. bei BASF oder den BG Kliniken.

Die Verbände der Zeitarbeit blieben nicht untätig

Während für die Verlängerung der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer die Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche zuständig sind, waren BAP, iGZ und die für die jeweilige Branche zuständige DGB-Gewerkschaft  daher ebenfalls nicht untätig. Der Blick der Tarifvertragsparteien richtete sich auf den Abschluss von Branchenzuschlagstarifverträgen, die eine Abweichung vom gesetzlichen equal pay über den 9. Einsatzmonat hinaus möglich machen: aufgrund der AÜG-Reform war es erforderlich, die bereits bestehenden Branchenzuschlagstarifverträge anzupassen – dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber verlangt, dass spätestens nach dem 15. Monat von dem Zeitarbeitnehmer ein dem Stammbeschäftigten im Kundenbetrieb gewährtes, gleichwertiges Entgelt erreicht wird.

Branchenzuschlagstarifverträge erhalten 6. Stufe

Diese Anforderung machte die Einführung einer 6. Stufe in die bisherigen Branchenzuschlagstarifverträge erforderlich. Bereits im Mai 2017 wurde der TV BZ ME als erster der bereits seit dem Jahr 2012 geschlossenen Branchenzuschlagstarifverträge an die neuen gesetzlichen Erfordernisse angepasst. Es folgte der TV BZ Chemie. Im September 2017 wurden dann – mit Ausnahme des TV BZ Eisenbahn – alle weiteren bisherigen Branchenzuschlagstarifverträge rückwirkend zum 1. April 2017 an die Änderungen der AÜG-Reform angepasst. Der TV BZ Eisenbahn folgte schließlich Anfang Dezember 2017.

Abweichung vom equal pay-Grundsatz auch über 9 Monate hinaus möglich

Damit haben die Tarifvertragsparteien der Zeitarbeit für zahlreiche Branchen die Voraussetzungen geschaffen, auch über den 9. Monat hinaus von dem gesetzlichen equal pay-Grundsatz abzuweichen. Sämtlichen Branchenzuschlagstarifverträgen ist dabei gemein, dass frühestens nach dem 15. Einsatzmonat durch die sog. Deckelung II eine Angleichung des Entgelts an das gesetzliche equal pay erfolgen muss.

Alternativ besteht die Möglichkeit – ohne einen Deckel II – den Branchenzuschlag in voller Höhe ab dem 16. Einsatzmonat zu zahlen. Zwar mögen die modifizierten Branchenzuschlagstarifverträge – auch aufgrund der im Einzelnen recht komplex geratenen Übergangsregelungen – mit einigen Anwendungsschwierigkeiten verbunden sein. Dennoch sind diese in der Praxis ausgesprochen hilfreich, verschieben sie bei der Anwendung der Deckelung II den faktischen Eintritt eines vollen equal pay doch auf die Vollendung des 15. Einsatzmonats. Zugleich ermöglichen sie bis zu diesem Zeitpunkt eine vergleichsweise einfache und rechtssichere Berechnung des Zuschlags. Es bleibt zu hoffen, dass in der Zukunft weitere Branchen tarifiert werden. Dies ist bereits mit Abschluss des TV BZ ME für die „IT- und Kommunikationstechnologie (inklusive IT-Dienstleistungen)″ angekündigt worden. Offen ist allerdings, wann die Verhandlungen abgeschlossen werden können.

Dienstleister versenden Erfassungsbögen an Kunden

Insbesondere das letzte Quartal des Jahres 2017 war geprägt von dem Umstand, dass zum ersten Mal (nach richtiger Lesart) ab dem 1. Januar 2018 der gesetzliche equal pay-Grundsatz nach dem 9. Einsatzmonat eingreifen kann. Um auf diesen Zeitpunkt vorbereitet zu sein, haben zahlreiche Dienstleister mit entsprechendem Vorlauf Erfassungsbögen an ihre Kunden versendet, um die Entgeltbedingungen von vergleichbaren Stammbeschäftigten in dem Einsatzbetrieb zu erfragen.

Diese sind zwingend erforderlich, um als Bestandteil des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages eine gesetzeskonforme Zeitarbeit auch über den 9. Monat hinaus zu ermöglichen, wenn und soweit kein Branchenzuschlagstarifvertrag einschlägig ist.

Die angeschriebenen Kunden haben zunächst etwas „zugeknöpft″ hinsichtlich der Weitergabe der Entgeltdaten reagiert. Zusehends ist jedoch zu verzeichnen, dass inzwischen in den verschiedenen Einsatzbranchen und von den dortigen Kunden verstanden wurde, dass Personaldienstleister die entsprechenden Entgeltdaten nicht erfassen, um Leitzordner mit Papier zu füllen. Tatsächlich übernehmen sie damit die Gewähr dafür, dass eine Arbeitnehmerüberlassung seriös und rechtmäßig über den 9. Einsatzmonat hinaus durchgeführt werden kann.

AÜG-Reform spielt auch 2018 eine maßgebliche Rolle

Die AÜG-Reform wird auch das kommende Jahr 2018 nachhaltig prägen. Ausgehend von einer Einsatzzeit von mehr als neun Monate kann das gesetzliche equal pay – nach herrschender Meinung – ab dem 1. Januar 2018 zum ersten Mal Wirkung entfalten. Zahlreiche Rechtsfragen sind – neben der „richtigen″ Bestimmung des Ablaufs der Frist – noch nicht abschließend entschieden und dürften die Praxis weiter umtreiben. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass sich die BA in ihren „Fachlichen Weisungen″ im Wesentlichen darauf beschränkt hat, die vom BAG entwickelten Grundsätze zur Bestimmung des gesetzlichen equal pay-Anspruchs wortwörtlich abzuschreiben.

Dabei dürfte weniger spannungsgeladen sein, welche Entgeltbestandteile eines Vergleichsmitarbeiters im Kundenbetrieb tatsächlich in Zusammenhang mit der Bestimmung der Höhe des equal pay zu berücksichtigen sind. Vielmehr steht die Frage im Raum, wie auf dieser Grundlage, insbesondere unter Berücksichtigung variabler Entgeltbestandteile, der mögliche equal pay-Anspruch im Zeitraum der Überlassung konkret zu errechnen ist und wie sich die „Durchleitung″ etwaig volatiler equal pay-Zulagen zwischen Personaldienstleister und Kunden pragmatisch darstellen lässt.

Ebenso bleibt abzuwarten, mit welcher Prüfdichte und -intensität die BA die Einhaltung des equal pay-Grundsatzes kontrollieren wird. Fest steht, dass eine Überprüfung erfolgen wird. Es bleibt aber zu hoffen, dass die Behörde zumindest in einer Übergangszeit auch einmal „5 gerade″ sein lässt, wenn sich ab 2018 die notwendigen Abläufe und Prozesse noch nicht abschließend eingeschliffen haben und diese noch mit „Kinderkrankheiten″ behaftet sind.

2018 wird Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten erreicht

Im Jahr 2018 kann zudem zum ersten Mal die gesetzlich vorgesehene Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten erreicht werden. Hier stellt sich – wie auch beim zwingenden gesetzlichen equal pay-Anspruch – insbesondere die Frage nach der korrekten Bestimmung des Fristendes. Dieses wird nach richtiger Betrachtung bei einer durchgehenden Überlassung mit Ablauf des 30. September 2018 eintreten.

Darüber hinaus bleibt für die Praxis von nicht unerheblicher Bedeutung, wie sich das Tarifgefüge mit Blick auf den Abschluss von weiteren Branchenzuschlagstarifverträgen zur Abweichung vom gesetzlichen equal pay-Grundsatz über den 9. Einsatzmonat und Tarifverträgen bzw. Betriebsvereinbarungen der Einsatzbranche zur Verlängerung der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer entwickeln wird. In diesem Zusammenhang sind gleichermaßen die Tarifpartner der Zeitarbeit und der Einsatzbranche gefragt, an der Fortentwicklung von praxistauglichen Modellen mitzuwirken. Ob dies tatsächlich gelingt, bleibt abzuwarten.

Blick nach Berlin für 2018

Zudem dürfte sich der Blick nach Berlin richten. Nachdem die Sondierungsgespräche über eine sog. Jamaika-Koalition gescheitert sind, ist es nicht unwahrscheinlich, dass in der nächsten Legislaturperiode eine Große Koalition regieren wird. Sollte sich die SPD tatsächlich auf eine Fortsetzung des Bündnisses mit der Union einlassen, dürfte an einer Hand abzuzählen sein, dass der Preis dafür hoch sein wird.

Im Zweifel wird auch die von der SPD in deren Wahlprogramm geforderte fortgesetzte Regulierung der Zeitarbeit wieder ein Thema werden, das die Koalitionsverhandlungen prägen kann. Es steht daher zu befürchten, dass die der Zeitarbeit bereits in der letzten Legislatur angelegten „Daumenschrauben″ über die SPD noch enger gestellt werden. Dies wäre unter Berücksichtigung der erheblichen Bedeutung eines flexiblen Personaleinsatzes für die wirtschaftliche Gesamtentwicklung in Deutschland alles andere als wünschenswert und im Zweifel höchst kontraproduktiv.

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Datenschutzrechtliche Einwilligung im Beschäftigungsverhältnis

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In keinem anderen Vertragsverhältnis fallen so viele personenbezogene Daten an wie im Arbeitsverhältnis. Bereits im Bewerbungsprozess gibt der Jobkandidat eine Vielzahl persönlicher Angaben preis, die dann oftmals durch weitere Ermittlungen und Recherchen des Arbeitgebers ergänzt werden.

Bei der Einstellung kommen dann noch Daten über das Vertragsverhältnis hinzu, sowie alle Angaben, die der Arbeitgeber benötigt, um seinen sozialversicherungsrechtlichen, steuerrechtlichen und anderen Pflichten nachzukommen. Zudem existieren in jedem Unternehmen eine Vielzahl von Prozessen, bei denen personenbezogene Daten von Beschäftigten erhoben und zu bestimmten Zwecken weiterverarbeitet werden.

Zum großen Teil betreffen diese Prozesse die Durchführung des Arbeitsverhältnisses. Als Beispiele können hier Daten über Besuche bei Kunden oder Geschäftsreisen genannt werden. Zum Teil geht es aber auch um Prozesse zur Förderung und Weiterbildung des Mitarbeiters im Rahmen von Schulungen oder eines im Unternehmen existierenden Personalentwicklungstools.

Aber auch Maßnahmen, die der Arbeitgeber ergreift, um die Arbeitsleistung des Mitarbeiters zu kontrollieren – sei es im Rahmen des Mithörens von Telefongesprächen eines Call-Center Mitarbeiters, sei es, um die Einhaltung des Verbots der privaten Internetnutzung zu überwachen – gehen einher mit der Erhebung und Auswertung personenbezogener Daten des Mitarbeiters.

EU-Datenschutzgrundverordnung zwingt zum umdenken

Die EU-Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO), die bis zum 25.Mai 2018 umzusetzen ist, zwingt die Human Resources-Verantwortlichen (HR-Verantwortlichen) im Unternehmen beim Umgang mit Daten der Beschäftigten zum Umdenken. Für jeden Prozess, bei dem Mitarbeiterdaten verarbeitet werden, muss künftig die Rechtsgrundlage nachgewiesen werden können (sog. Rechenschaftspflicht).

Ausgehend von der Masse der personenbezogenen Beschäftigtendaten, mit der die HR-Verantwortlichen im Unternehmen umgehen, ist dies eine besondere Herausforderung. Viele Unternehmen begegnen dieser Herausforderung aktuell dadurch, dass sie sich von ihren Beschäftigten im Arbeitsvertrag oder nachträglich für alle denkbaren Konstellationen Einwilligungserklärungen erteilen lassen. Und dies, obwohl es vielfach andere Rechtsgrundlagen als die Einwilligung gibt, auf die die meisten HR-Prozesse gestützt werden können.

Außerdem ist die Wirksamkeit von Einwilligungserklärungen im Beschäftigtenkontext im Allgemeinen fraglich, da das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch eine Über- und Unterordnung geprägt ist, so dass an der „Freiwilligkeit“ einer Einwilligung oftmals Zweifel bestehen können. Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Arbeitnehmer das Recht hat, seine Einwilligung jederzeit zu widerrufen. Das macht die Einwilligung – wie auch in anderen Konstellation als dem Arbeitsverhältnis – zu einer sehr unverlässlichen Rechtsgrundlage.

Oftmals bessere Rechtsgrundlage als die Einwilligung vorhanden

Daher muss für jeden Prozess ermittelt werden, ob die Einwilligung wirklich das Mittel der Wahl ist oder ob die Datenverarbeitung nicht besser auf eine andere und verlässlichere Rechtsgrundlage gestützt werden kann. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass unwirksame Einwilligungserklärungen nach der Datenschutzgrundverordnung ein erhebliches Bußgeldrisiko bedeuten.

Die Einwilligung ist nur eine mögliche Ermächtigungsgrundlage für die Verarbeitung von Beschäftigtendaten. Deren Wirksamkeit setzt zunächst voraus, dass sie freiwillig erteilt wird. Bei der Beurteilung der Freiwilligkeit sind insbesondere die im Beschäftigungsverhältnis bestehende Abhängigkeit des Arbeitnehmers sowie die Umstände, unter denen die Einwilligung erteilt wurde, zu berücksichtigen.

Der deutsche Gesetzgeber hat die Bedingungen, unter denen von einer Freiwilligkeit ausgegangen werden kann, präzisiert: Danach kann „Freiwilligkeit“ insbesondere vorliegen, wenn die Einwilligung in die Datenverarbeitung letztlich dazu dient, für den Arbeitnehmer einen rechtlichen oder wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen. Zu denken ist hierbei an Gratifikationen oder andere freiwillige Leistungen des Arbeitgebers, für deren Erbringung der Arbeitnehmer (weitere) personenbezogene Daten offenbaren muss. Abgesehen von diesen Fällen bleibt aber die Freiwilligkeit der Einwilligung stets fraglich und stellt damit rechtlich gesehen ein Risiko dar.

Einwilligung sollte nicht als Auffangtatbestand herhalten

Die Einwilligung sollte daher keinesfalls als “Auffangtatbestand” herhalten, wenn unklar ist, ob der Prozess auch auf eine andere rechtliche Grundlage gestützt werden kann. Vielmehr sollte die Einwilligung künftig nicht die Regel, sondern die Ausnahme sein. Stattdessen sollte zunächst geprüft werden, ob die Datenverarbeitung auf eine andere Ermächtigungsgrundlage gestützt werden kann.

Dies ist zunächst dann der Fall, wenn die Datenverarbeitung für die Anbahnung, Durchführung oder Abwicklung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist. Zudem besteht eine Rechtfertigung für den Arbeitgeber immer dann, wenn er einer bestehenden Verpflichtung aus Gesetz, Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung nachkommt. Die Masse der Prozesse lässt sich unter einer dieser beiden Zulässigkeitsalternativen subsumieren.

Als Alternative zur Einholung von Einwilligungserklärungen bieten sich auch Betriebsvereinbarungen an. Das neue Bundesdatenschutzgesetz erkennt diese nunmehr ausdrücklich als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung von Beschäftigtendaten an.

Keine Einwilligung bei rechtlicher Grundlage

Klauseln in Arbeitsverträgen, die Einwilligungserklärungen enthalten, müssen unbedingt überprüft werden. Für Prozesse, die auf eine andere rechtliche Grundlage gestützt werden können, sollte keine Einwilligung eingeholt werden. Kommt der Arbeitgeber ausnahmsweise nicht an einer Einwilligung des Mitarbeiters vorbei, muss sich diese an den ab Mai 2018 geltenden Anforderungen messen lassen. Hierbei sind nicht nur die Vorgaben der DS-GVO zu beachten, sondern auch die des neuen Bundesdatenschutzgesetzes, das zeitgleich mit der Verordnung in Kraft treten wird. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang auch die weitaus gestiegenen Anforderungen an die Informationspflichten des Arbeitgebers.

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Deutschlands Arbeitsgerichte (22) – Lübeck

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Lübeck hat natürlich deutlich mehr zu bieten, als Marzipan und Holstentor – unter anderem ein Arbeitsgericht. Es liegt nicht in der Altstadt, die – seit 1987 Weltkulturerbe – mit ihren sieben Türmen auf einer Insel zwischen Trave und Elbe-Lübeck-Kanal liegt.

Das Arbeitsgericht hat sich im nördlichen Stadtteil Burgtor, der sich vor dem gleichnamigen Tor ausbreitet, angesiedelt. Hier entstanden im 18. und 19. Jahrhundert bedeutsame Sommerhäuser Lübecker Familien, in nächster Nähe zum heutigen Gericht lag allerdings bis 1794 auch die Richtstätte der Lübecker. Das Gericht in der Neustraße ist von Stadtvillen umgeben.

Das Gerichtsgebäude ist ebenfalls eine Stadtvilla, allerdings aus den 1970er Jahren und setzt sich damit deutlich von seiner Umgebung ab. Die Fassade zur Straßenseite aus rötlichem Klinkerstein wird in ihrer Mitte nur durch zwei Fensterflächen im Hochparterre und im Erdgeschoss durchbrochen.

Die Traufkante ist mit umlaufenden Blechen verkleidet, dahinter verbirgt sich ein um das gesamte Staffelgeschoss auf dem Dach herumlaufender großzügiger Balkon.

Auf die oberste Etage hat man hintereinander liegende Satteldächer gesetzt, die den charakteristischen Deckel des Hauses formen.

Die seitlichen Fassaden sind durch Fensterflächen und deren Verkleidung geprägt, hier bilden die verklinkerten Flächen den Kontrast zu den Fenstern.

Typische Elemente der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts sind sicherlich auch die Klinkerraster an der rechten Fassade, hinter denen sich ebenfalls Scheiben verbinden. Gleiches gilt für außen liegenden Regenabflüsse und die Verschalungen am Dach.

Bis ins Jahr 2000 reichte dem Gericht sein Gebäude, in ursprünglich mehrere Wohnungen eingerichtet waren, vom Platz her völlig aus. Ab dem Jahr 2000 ergaben sich dann aber steigende Fallzahlen durch hinzukommende Zuständigkeiten im früheren „DDR-Gebiet″, die zu beengten Verhältnissen mit zu kleinen „Sälchen″ führten. Diese Enge hat der neue, auf dem hinter dem Haus liegenden Parkplatz errichtete Anbau beseitigt. Von der Straßenseite ist er kaum auszumachen. Wo keine Fenster sind, ist er verputzt. Auf dem Anbau hat man auf einer Verlängerung des Staffelgeschosses verzichtet, eigentlich eine ideale Lage für eine Sonnenterrasse!

Durch die Verlegung des Eingangs in das Erdgeschoss, kann man auch auf die frühere, wenig ansehnliche, Brücke verzichten, die noch auf dem bei Wikipedia hinterlegten Bild sichtbar ist.

Bei meinem ersten Besuch vor über einem Jahr befand man sich noch mitten im Umbau, Bereiche waren abgesperrt, Kabel führten durch das neue Gebäude.

Das war dann bei meinem zweiten Besuch anders: Nach dem Umbau gibt es nun zwei Treppenhäuser. Das alte Treppenhaus mit Stufen aus dunklem Stein und einem an der Wand umlaufenden Geländer bildet einen Kontrast zum Treppenhaus im Neubau mit seinen gefliesten Stufen und dem innenlaufenden Metallgeländer.

Das Gericht verfügt jetzt über drei großzügige Säle. Einer der früheren Säle ist nun offener Wartebereich. Die Räumlichkeiten sind deutlich beschriftet. Den auch als Mediationsraum zu nutzenden Saal hat man daher mit einem „M″ versehen.

Die Flure sind, was ihre Ausstattung betrifft, sehr schlicht gehalten.

Großzügiger kommt die Möblierung in den Sälen daher. Bequeme Rollsessel, hölzerne Richtertische, ausreichende Bestuhlung für Besucher.

Hinzukommt die Media-Ausstattung, die neben Lautsprecher und Beamer auch Bedieneinheiten auf den Richtertischen umfasst.

Das Gericht verfügt über eine gut ausgestattete Bibliothek, deren Schreibarbeitsplatz über dem Eingang ins Gebäude thront.

Der frühere verwinkelte, rechts neben dem Gebäude befindliche Eingang wird jetzt nur noch von den Bediensteten genutzt. Die Besucher gehen links am Gebäude vorbei und betreten das Gericht durch den Eingang im Erdgeschoss des Anbaus.

Alte Elemente finden sich im „Altbau″, sei es die Beschilderung der Toilettenräume oder die Türsprechanlage.

Das Gerichtsschild mit dem Wappen Schleswig-Holsteins ist natürlich zeitlos. Dass es von rechts nach links gewandert ist, lässt sich dem alten Wikipedia-Bild entnehmen.

Das Gebäude des Arbeitsgericht Lübeck bietet nicht nur einen Kontrast zu seiner Umgebung, sondern auch seine ganz eigenen Besonderheiten unter Deutschlands Arbeitsgerichten.

Die Serie widmet sich Deutschlands Arbeitsgerichten – den Gebäuden, ihrer Architektur und der Umgebung

Hier geht es zum Arbeitsgericht Hannover, die vorhergehenden Teile finden Sie hier: Radolfzell, Wesel, Offenbach am Main, Bochum, Bremen, Detmold, Hamburg, Koblenz, KarlsruheDarmstadt, Duisburg, Ulm, Stuttgart, Berlin, Ravensburg, München, Saarbrücken, Köln, Siegburg, Frankfurt.

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Abschluss der Sondierungsgespräche in Berlin: Änderungen bei der Arbeitnehmerüberlassung?

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Am 12.01.2018 haben CDU/CSU und SPD die in Berlin geführten Sondierungsgespräche erfolgreich abgeschlossen und sich darauf verständigt, die (bestehende) Große Koalition fortzuführen. Die Ergebnisse, die insoweit für die noch zu führenden Koalitionsverhandlungen maßgeblich sind, sind auf 28 Seiten zusammengefasst worden. Dort finden sich auch die geplanten Änderungen am Arbeitsmarkt und beim Arbeitsrecht wieder. Die Beteiligten haben sich dabei u.a. darauf verständigt, dass ein befristetes Recht auf Teilzeitarbeit – zumindest bei Unternehmen, die in der Regel mehr als 45 Mitarbeiter beschäftigten – eingeführt werden soll.

Regulierung der Arbeitnehmerüberlassung

Aus arbeitsrechtlicher Sicht waren die Verhandlungen insbesondere mit Blick auf die gesetzliche Regulierung der Arbeitnehmerüberlassung spannend. Zwar hat die (letzte) Große Koalition in der vergangenen Legislatur dort bereits erheblich „nachgeschärft″. So ist u.a. eine gesetzliche Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten und eine zwingende Anwendung des equal pay-Grundsatzes nach dem 9. Einsatzmonat des Zeitarbeitnehmers bei dem Kunden in das AÜG eingefügt worden.

Zu schwache gesetzliche Reglementierung

Kritikern ging diese Regulation vor dem Hintergrund der im Gesetz gleichfalls vorgesehenen Ausnahmebestimmungen jedoch nicht weit genug. So sehen die gesetzlichen Regelungen beispielsweise eine Verlängerungsmöglichkeit der Überlassungshöchstdauer durch Tarifverträge der Einsatzbranche und eine Abbedingung des gesetzlichen equal pay – auch über  den 10. Einsatzmonat hinaus – bei der Einschlägigkeit sog. Branchenzuschlagstarifverträge vor. Auch die nach herrschender Meinung geltende arbeitnehmer- und nicht arbeitsplatzbezogene Betrachtung bei der Bestimmung der maßgeblichen Fristen war vielen ein Dorn im Auge. Es erschien daher zumindest nicht ausgeschlossen, dass das AÜG erneut „angepackt″ wird.

Diese Gefahr scheint – zumindest auf Grundlage des nun veröffentlichten Verhandlungsergebnisses – zunächst gebannt. Dort heißt es zur Arbeitnehmerüberlassung kurz und bündig (S. 8):

            „Wir wollen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz 2019 evaluieren.

Alles bleibt beim Alten?

Sollte diese Formulierung die Koalitionsverhandlungen überdauern, dürfte die Aussage so zu verstehen sein, dass zumindest in den nächsten zwei Jahren an den Regelungen des AÜG keine Änderungen vorgenommen werden.

Auf der einen Seite gut, als dass eine weitere Verschärfung wohl (erst einmal) nicht ansteht. Auf der anderen Seite schlecht, da die mit der AÜG-Reform 2017 verbundenen und als verfehlt zu bezeichnenden „Erschwerungen″ bei der Zeitarbeit nicht rückgängig gemacht werden. Es dürfte damit zunächst alles so bleiben, wie es gegenwärtig ist. Die von der SPD in ihrem Wahlprogramm geforderten „Nachschärfungen“ dürften damit keine Rolle mehr spielen.

Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass die noch zu bildende Große Koalition nach der im Jahr 2019 durchzuführenden Evaluierung – je nach Ausgang – (erneut) tätig wird und ggf. weitere Anpassungen vornimmt. Erstaunlich ist insoweit, dass sich die (alte) Große Koalition im Jahr 2017 in § 20 AÜG n.F. darauf verständigt hat, dass das AÜG erst im Jahr 2020 evaluiert wird. Scheinbar ist beabsichtigt, diesen Zeitpunkt um ein Jahr vorzuziehen, so dass das AÜG zumindest an dieser Stelle korrigiert werden soll und damit eine nicht auszuschließende zukünftige Verschärfung des AÜG um ein Jahr vorgezogen werden kann.

Koalitionsverhandlungen sind abzuwarten

Erst einmal bleibt jedoch abzuwarten, wie sich die Koalitionsverhandlungen entwickeln werden. Ggf. ergeben sich nach deren Abschluss – unter Beachtung des nach den Sondierungsgesprächen veröffentlichten Papiers – bereits nicht vorhersehbare Überraschungen. Wir werden Sie dazu auf dem Laufenden halten!

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GroKo-Sondierungsgespräche – Was ändert sich im Arbeitsrecht?

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Am 12.01.2018 haben die GroKo-Sondierungsparteien der CDU/CSU und SPD ihre Sondierungsgespräche erfolgreich abgeschlossen. Die Ergebnisse der Verhandlungen sind in einem 28-seitigen Ergebnispapier festgehalten (hier zum Download). Nachfolgend haben wir die für die Praxis wichtigsten arbeitsrechtlichen Vorhaben der Parteien für Sie aufbereitet.

Anspruch auf befristete Teilzeit

Das Vorhaben, Arbeitnehmern einen Anspruch auf befristete Teilzeittätigkeit zu gewähren, enthielt bereits der Koalitionsvertrag der letzten Legislaturperiode aus dem Jahr 2013. Auf dieser Grundlage hatte das SPD-geführte Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter der Leitung von Andrea Nahles im Januar 2017 einen Gesetzentwurf mit Änderungen der §§ 8 (Verringerung der Arbeitszeit) und 9 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) sowie einem neuen § 9a TzBfG (zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit) vorgelegt (Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts, wir berichteten).

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung war im Mai allerdings wegen inhaltlicher Differenzen im Koalitionsausschuss gescheitert (wir berichteten). Das Papier über das Ergebnis der Sondierungen greift die Regelungen des Gesetzentwurfs nun auf und sieht diesbezüglich einige Änderungen vor.

Nach dem Gesetzentwurf kann der Arbeitnehmer die Verringerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit für einen im Voraus bestimmten Zeitraum verlangen, wenn sein Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat. Anders als im Gesetzentwurf vorgesehen, muss der Arbeitgeber in der Regel insgesamt mehr als 45 Mitarbeiter (im Gesetzentwurf 15 Arbeitnehmer) beschäftigen.

Arbeitgeber mit 45 bis 200 Mitarbeitern müssen pro angefangenen 15 Mitarbeitern lediglich einem Mitarbeiter befristete Teilzeit gewähren. Darüber hinausgehende Anträge können als nicht zumutbar abgelehnt werden (Zumutbarkeitsgrenze). Wie der jeweils Anspruchsberechtigte pro 15 Mitarbeitern ermittelt werden soll, erläutert das Ergebnispapier nicht. Es liegt aber nahe, auf den zeitlichen Eingang der Anträge abzustellen.

Der Arbeitgeber kann den Antrag auch dann ablehnen, wenn er die Dauer von einem Jahr unter- oder von fünf Jahren überschreitet. Nach dem Sondierungsergebnis soll während der befristeten Teilzeittätigkeit weder ein Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit noch auf Verkürzung (§ 8 TzBfG) bestehen. Nach Ablauf der befristeten Teilzeittätigkeit kann der Arbeitnehmer – wie auch bereits im Gesetzentwurf vorgesehen – frühestens nach einem Jahr eine erneute Verringerung der Arbeitszeit beantragen.

Bisher hat der Arbeitnehmer nach § 8 TzBfG lediglich einen Anspruch auf langfristige Verringerung seiner Arbeitszeit, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Ein Rückkehrrecht in die bisherige Arbeitszeit ist nicht vorgesehen. § 9 TzBfG bestimmt lediglich, dass der Arbeitgeber bei der Besetzung eines neuen Arbeitsplatzes, den gleich geeigneten Teilzeit-beschäftigten Arbeitnehmer bevorzugt zu berücksichtigen hat. Besteht jedoch kein freier Arbeitsplatz, kann der Arbeitnehmer keine Aufstockung seiner Arbeitszeit verlangen.

Langzeitarbeitslose: neues Regelungsinstrument im SGB II

Die Sondierungsparteien wollen ferner ein neues Regelungsinstrument im SGB II schaffen, das sie etwas plakativ mit „Teilhabe am Arbeitsmarkt für alle“ betiteln. Durch das neue Instrument soll bundesweit der sog. Passiv-Aktiv-Transfer (PAT) ermöglicht werden. Mithilfe dieses Instruments kann das Arbeitslosengeld II, das Langzeitarbeitslosen bislang als Sozialleistung zugutekommt (passive Linderung der Folgen der Arbeitslosigkeit) in einen Lohnkostenzuschuss für Arbeitgeber umgewandelt werden, die bereit sind, Langzeitarbeitslose zu beschäftigen (aktiver Beitrag zur Eingliederung von Langzeitarbeitslosen).

Sinn und Zweck des Transfers ist die Finanzierung von Arbeit statt Arbeitslosigkeit. Bislang wird der Passiv-Aktiv-Transfer lediglich in einigen Bundesländern (insbesondere Baden-Württemberg) vereinzelt in Modellprojekten praktiziert. Finanziert werden soll das Instrument durch Aufstockung des Eingliederungstitels um eine Mrd. Euro jährlich.

Auswirkungen auf die Zeitarbeit

Das Ergebnispapier lässt keine Anhaltspunkte erkennen, dass das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) mittelfristig weitere Änderungen erfahren soll (Näheres hier). Vielmehr begnügen sich die Sondierungsparteien mit der Änderung des Datums für die nächste Evaluation des Gesetzes. Danach soll es – anders als in § 20 AÜG vorgesehen – nicht erst 2020, sondern bereits 2019 eine Evaluierung des Gesetzes geben. Dies lässt sich wahrscheinlich dadurch erklären, dass die Parteien die von der Großen Koalition in der letzten Legislaturperiode beschlossene und am 01.04.2017 in Kraft getretene AÜG-Reform bereits einer Prüfung unterziehen wollen.

Eine Evaluierung stellt einen Zusammenhang zwischen Ziel und Zweck der Regelungen des AÜG und den tatsächlich erzielten Wirkungen sowie den damit verbundenen Kosten her. Dabei werden vor allem die positiven und negativen Nebenfolgen, die Akzeptanz (Inanspruchnahme staatlicher Angebote) und die Praktikabilität der Regelungen beleuchtet. Zudem soll die Evaluierung die Einschätzung ermöglichen, ob die entstandenen Kosten in einem angemessenen Verhältnis zu den Ergebnissen stehen.

Anpassung der Lohnnebenkosten

Die Sondierungsparteien wollen in der nächsten Legislaturperiode die Parität von Beiträgen zur Krankenversicherung wiederherstellen. Die Beiträge zur Krankenversicherung werden wieder jeweils hälftig vom Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer gezahlt. Dies war bereits bis zum Jahr 2005 der Fall.

Darüber hinaus soll der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von aktuell 3,0 auf 2,7 % gesenkt werden.

Berufliche Weiterbildung

Die Parteien wollen Arbeitnehmern das Recht auf Weiterbildungsberatung bei der Bundesagentur für Arbeit garantieren. Zudem soll das allgemeine Initiativrecht der Betriebsräte für Weiterbildung gestärkt werden. Hier dürften die Parteien die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes zur Beteiligung des Betriebsrats bei Maßnahmen der Berufsbildung gemeint haben (§§ 96-98 BetrVG).

Arbeit auf Abruf

Hinsichtlich der in § 12 TzBfG vorgesehenen Möglichkeit der „Arbeit auf Abruf“ wollen die Sondierungsparteien sicherstellen, „dass der Arbeitnehmer ausreichend Planungs- und Einkommenssicherheit in dieser Arbeitsform hat“. Welche Veränderungen diesbezüglich konkret zu erwarten sind, lässt das Ergebnispapier offen.

Gestaltung der Altersvorsorge und Krankenversicherung bei Selbstständigen

Bei Selbstständigen, die nicht bereits anderweitig Altersvorsorge betreiben, wollen die Parteien eine gründerfreundlich ausgestaltete Altersvorsorgepflicht einführen. Als Optionen werden die gesetzliche Rentenversicherung sowie andere geeignete insolvenzsichere Vorsorgearten genannt. Zusätzlich sollen die Mindestkrankenversicherungsbeiträge für kleine Selbstständige reduziert werden.

Aussicht: Votum der Parteigremien entscheidend

Die Einleitung von GroKo-Koalitionsverhandlungen steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung der jeweiligen Parteigremien. Bei der SPD soll ein außerordentlicher Bundesparteitag am 21. Januar in Bonn über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit den Unionsparteien entscheiden. Es bleibt abzuwarten, wie die darauf folgenden Koalitionsverhandlungen verlaufen werden und ob sich im Hinblick auf das Arbeitsrecht weitere, detailliertere Vorhaben herauskristallisieren lassen.

Bis die Große Koalition nach den Koalitionsverhandlungen die Arbeit aufnimmt, muss der zu erarbeitende Koalitionsvertrag zunächst noch das Votum der Mitglieder der SPD überstehen. Über Neuigkeiten in Bezug auf die für das Arbeitsrecht relevanten Maßnahmen in der aktuellen Legislaturperiode halten wir Sie auf dem Laufenden.

Update: Der außerordentliche Parteitag der SPD in Bonn hat sich mit einer knappen Mehrheit von 54 Prozent für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit CDU/CSU ausgesprochen.

Der Beitrag GroKo-Sondierungsgespräche – Was ändert sich im Arbeitsrecht? erschien zuerst auf CMS Blog.

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