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Koalitionsvertrag: Kündigung hochbezahlter Bankangestellter soll erleichtert werden

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Die Bundesregierung plant die Trennung von Risikoträgern in bedeutenden Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten zu erleichtern. In diesem Beitrag wollen wir erläutern, wie der Gesetzgeber dies erreichen will und welche Auswirkungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Finanzbranche zu erwarten sind.

Pläne nach dem Koalitionsvertrag: Erleichterte Trennung von Bankangestellten

Triebfeder hinter dem Gedanken, den Kündigungsschutz zugunsten von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten aufzulockern, war offenbar die Erwägung, den Standort Deutschland nach dem Austritt des Vereinigten Königsreichs aus der Europäischen Union für Banken attraktiver zu machen. Dazu plant die GroKo nach dem Koalitionsvertrag, Risikoträger im Sinne des § 2 Abs. 8 InstVergV mit einer regelmäßigen Grundvergütung von jährlich mehr als dem Dreifachen der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung im Kündigungsschutzgesetz leitenden Angestellten iSd § 14 KSchG gleichzustellen. Dies hätte zur Folge, dass der Arbeitgeber den Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG in einem Kündigungsschutzprozess mit einem Risikoträger nicht begründen müsste, § 14 Abs. 2 S. 2 KSchG.

Der Auflösungsantrag hat den Zweck, das Arbeitsverhältnis arbeitgeberseitig gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung nach § 10 KSchG auch dann beenden zu können, wenn das Gericht die Kündigung für unwirksam hält. Aufgrund der aktuellen Beitragsbemessungsgrenzen wären hiervon alle Risikoträger mit einem Jahreseinkommen von mehr als EUR 234.000 im Westen und EUR 208.800 im Osten betroffen.

Risikoträger in bedeutenden Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstituten

Nach § 2 Abs. 8 InstVergV sind Risikoträger Mitarbeiter, deren berufliche Tätigkeit sich wesentlich auf das Risikoprofil eines bedeutenden (§ 17 InstVergV) Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstituts (§ 1 Abs. 1 InstVergV i.V.m. § 1 Abs. 1b KWG) auswirkt. Bedeutend ist ein Institut, dessen Bilanzsumme im Durchschnitt zu den jeweiligen Stichtagen der letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre EUR 15 Mrd. erreicht oder überschritten hat. Die Legaldefinition von Risikoträgern gibt zunächst wenig Anhaltspunkte, welche Kriterien bei der Bestimmung von Risikoträgern herangezogen werden können. Hier hilft die Delegierten Verordnung Nr. 604/2014 der Europäischen Kommission, die in Art. 3 Kriterien zur Bestimmung von Risikoträgern aufstellt, z.B.:

  • der Mitarbeiter ist Mitglied der Geschäftsleitung,
  • der Mitarbeiter leitet einen wesentlichen Geschäftsbereich oder hat Managementverantwortung in einem wesentlichen Geschäftsbereich und ist dem Leiter des Geschäftsbereichs unmittelbar rechenschaftspflichtig,
  • der Mitarbeiter leitet einen Bereich, der für Rechtsfragen, Finanzen, Personal, Vergütungspolitik etc. zuständig ist,
  • der Mitarbeiter ist für Kreditvorschläge oder die Strukturierung von Kreditprodukten mit einem erheblichen Kreditrisiko verantwortlich oder
  • er ist befugt, Entscheidungen über bestimmte Handelsbuchgeschäfte zu genehmigen oder zu untersagen.

Auswirkungen der Trennungserleichterung für die Position als Risikoträger

Seit der am 4. August 2017 in Kraft getretenen Neufassung der InstVergV unterliegen Risikoträger bereits erheblichen Beschränkungen in Bezug auf die Auszahlung und Höhe ihrer variablen Vergütung (z.B. gestreckte Auszahlung, Verringerung und Entfall bzw. Rückzahlung bei negativem Erfolgsbeitrag, Auszahlung in Aktien etc., §§ 18-22 InstVergV).

Jetzt müssen sie sich zusätzlich darauf einstellen, den Bestandsschutz des Kündigungsschutzgesetzes zu verlieren. Denn durch die geplante Änderung wird für diese Arbeitnehmer aus dem Bestandsschutz letztlich – wie bei den leitenden Angestellten – ein „Abfindungsschutz“.

Zwar bedeutet die geplante Änderung nicht, dass der Arbeitgeber zur Kündigung keinen Kündigungsgrund mehr im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG benötigt. Stellt das Gericht jedoch die Sozialwidrigkeit der Kündigung fest, muss der Arbeitnehmer nicht – wie bislang – weiter beschäftigt werden, sondern der Arbeitgeber kann ohne Begründung gegenüber dem Gericht einen sog. Auflösungsantrag stellen. Der Arbeitgeber muss für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses also nicht darlegen und beweisen, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht mehr erwartet werden kann. Das Arbeitsgericht löst das Arbeitsverhältnis vielmehr ohne Begründung gegen Zahlung einer sich am Monatsverdienst, dem Lebensalter sowie der Dauer der Betriebszugehörigkeit orientierten Abfindung auf.

Auswirkungen für Institute

Für Institute iSd InstVergV würde sich bei der Umsetzung der geplanten Änderung das Risiko verringern, sich von dem betreffenden gekündigten Risikoträger horrende Abfindungsforderungen abverhandeln lassen zu müssen. Nach § 9 Abs. 1 S. 2, S. 1 i.V.m. § 10 KSchG hat das Gericht den Arbeitgeber bei der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von höchstens 18 Monatsverdiensten zu verurteilen. Werden die Schwellenwerte in § 10 Abs. 2 KSchG (Lebensalter: mindestens 50, Betriebszugehörigkeit seit mindestens 15 Jahren) nicht erreicht, liegt der Höchstbetrag der Abfindung bei 12 Monatsverdiensten. Unter den Monatsverdienst fallen auch z.B. Tantiemen und Boni.

In der Praxis der Arbeitsgerichte bestimmt sich die Höhe der Abfindung danach, wie „unwirksam“ die Kündigung ist. Je weniger haltbar die Kündigung ist, desto höher die Abfindung. „Kratzt“ die Kündigung jedoch an der Wirksamkeitsschwelle, wird das Gericht dem Arbeitnehmer regelmäßig eine niedrigere Abfindung zusprechen. In der Regel orientieren sich die Arbeitsgerichte in der Praxis am sog. „Haustarif“, welcher bei 0,5 Monatsverdiensten pro Beschäftigungsjahr liegt.

Bei einem Risikoträger, der beispielsweise EUR 300.000,00 brutto (inkl. Boni) jährlich verdient, unter 50 ist und dem Unternehmen seit zehn Jahren angehört, würde dies eine Abfindung in Höhe von EUR 125.000,00 bedeuten. Dieses Beispiel zeigt, dass die Abfindung für Risikoträger bei mittleren und längeren Betriebszugehörigkeitszeiten deutlich niedriger ausfallen kann, als dies der Fall wäre, wenn die Höchstgrenze der Abfindung nicht gesetzlich bestimmt wäre.

Ausblick: Abfindungen für Risikoträger fallen geringer aus

Es bleibt mit Spannung zu erwarten, ob der Koalitionsvertrag in diesem Punkt tatsächlich umgesetzt wird, denn ob die SPD sich auf die Lockerung des Kündigungsschutzes einlassen wird, erscheint zumindest fraglich. Eine Lockerung könnte sich auch auf andere Branchen oder generell für Angestellte ab einem bestimmten Jahresgehalt ausweiten.

Sicher ist: Sollte die geplante Regelung kommen, werden die Abfindungen für Risikoträger in der Regel deutlich geringer ausfallen als bislang. Auch ohne einen Gerichtsprozess würden sich die Abfindungen an der gesetzlich vorgesehenen Höhe nach § 10 KSchG orientieren, da sich Institute im Hinblick auf die Möglichkeit, einen Auflösungsantrag in einem bevorstehenden Kündigungsschutzprozess zu stellen, nicht mehr auf die Zahlung höherer Abfindungen einlassen würden.

Unsere Beitragsreihe informiert rund um die Pläne der GroKo in den verschiedenen Rechtsbereichen. Bereits erschienen sind Beiträge zu den allgemeinen Änderungen im Arbeitsrecht sowie speziell zur Zeitarbeit, zu den Auswirkungen der geplanten Einschränkung sachgrundloser Befristungen, zum Recht auf befristete Teilzeit und zu den Änderungen hinsichtlich flexibler und mobiler Arbeitsgestaltung. Weiter ging es mit einem Überblick über die von der GroKo im Koalitionsvertrag geplanten Maßnahmen zu den Themen Venture Capital, Start-ups und Unternehmensgründung. Wir haben einen Überblick über die Änderungspläne der GroKo im Steuerrecht gegeben sowie die Pläne einer Musterfeststellungsklage und eines Sanktionsrechts für Unternehmen beleuchtet. Neben einem Überblick übers Gesellschaftsrecht haben wir uns mit der SPE näher beschäftigt. Danach sind wir auf die Sitzverlegungsrichtlinie, die Reform des Personengesellschaftsrechts sowie die Grunderwerbsteuer bei Share Deals eingegangen. Zuletzt erschienen sind Beiträge zur Finanztransaktionsteuer und zu Änderungen im Kündigungsschutz hochbezahlter Bankangestellter.

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Kirchen sind nicht länger gleicher als andere Arbeitgeber*Innen

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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem wegweisenden Urteil (Rs. C-414/16) die Rechte von Stellenbewerber*Innen – und auch Stelleninhaber*Innen – im Rahmen von kirchlichen und kirchennahen Beschäftigungsverhältnissen erheblich gestärkt.

Der Schutz vor Ungleichbehandlungen aufgrund der Religion und Weltanschauung (im positiven und negativen Schutzbereich) durch Kirchen oder andere Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen und Weltanschauungen beruht, unterliegt zukünftig in europarechtskonformer Auslegung merklich erhöhten Rechtfertigungsanforderungen: Erklärt ein Arbeitgeber kirchlicher Trägerschaft eine bestimmte Konfessionszugehörigkeit zur beruflichen Anforderung einer Stelle, ist gerichtlich voll überprüfbar, ob diese Zugehörigkeit aufgrund der beruflichen Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung objektiv geboten ist und in innerem Zusammenhang mit dem Ethos der Kirche oder der Organisation steht.

Konfessionslose Berliner Bewerberin von Evangelischem Werk abgelehnt

Geklagt hatte eine Person weiblichen Geschlechts, deren Bewerbung auf eine durch das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. ausgeschriebene Referent*Innenstelle abgelehnt wurde. Gegenstand der Stelle war die Erstellung des Parallelberichts zum internationalen Übereinkommen der Vereinten Nationalen zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung. Als Aufgabengebiet umfasste die Stelle sowohl die Vertretung der Diakonie Deutschland gegenüber Politik und der Öffentlichkeit als auch die Koordinierung des internen Meinungsbildungsprozesses.

Die bzw. der zukünftige Stelleninhaber*In müsse Mitglied in der Evangelischen oder der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland sein. So wurde die Stelle von einem laut eigener Angabe „in der Berliner Landeskirche sozialisierten evangelischen Christen″ besetzt. Die abgelehnte, weil konfessionslose, Klägerin machte in allen Instanzen und zuletzt vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) einen Anspruch auf Entschädigung aufgrund der Diskriminierung geltend. Die Berücksichtigung der Konfessionszugehörigkeit bei der Bewerbung sei nicht mit dem europarechtlichen Diskriminierungsverbot vereinbar. § 9 Abs. 1 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) müsse richtlinienkonform ausgelegt werden. Dass die Ablehnung der Bewerbung auf der Konfessionslosigkeit der Klägerin beruhte, war zwischen den Parteien unstreitig.

Das BAG setzte das Revisionsverfahren, welches die Auslegung der entscheidenden Ausnahmeregelung nach § 9 Abs. 1 AGG zum Gegenstand hatte, aus und legte es dem EuGH vor. Dieser sollte die Frage nach der Reichweite des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen und der Vereinbarkeit des § 9 AGG mit Art. 4 Abs. 2 der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG (Richtlinie) entscheiden.

Beachtung des Gleichbehandlungsgebots aus Art. 21 EU-Grundrechtecharta

Das Gericht stellte fest, dass eine Kirche oder eine ähnliche Organisation nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie eine mit der Religion oder Weltanschauung zusammenhängendes Einstellungskriterium aufstellen könne. Allerdings nur dann, wenn die Religion oder Weltanschauung nach der Art der fraglichen Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Kirche bzw. Organisation darstelle.

Dabei verwies es zuvorderst auf das Ziel und den Kontext der Vorschrift: Ausgangspunkt der Richtlinie sei die Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebots als Konkretisierung des in Art. 21 EU-Grundrechtecharta verankerten allgemeinen Diskriminierungsverbots. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie bezwecke also die Herstellung eines angemessenen Ausgleichs zwischen einerseits dem Recht auf Autonomie der Kirchen und der anderen Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, und andererseits dem Recht der Arbeitnehmer, insbesondere bei der Einstellung nicht wegen ihrer Religion oder Weltanschauung diskriminiert zu werden.

Abwägung der Interessen müsse gerichtlich voll überprüfbar sein

Um diesen Schutz zu gewährleisten, müsse die Abwägung der betroffenen Interessen im Einzelfall von einem unabhängigen innerstaatlichen Gericht vollumfänglich überprüft werden können. Einzig die Beurteilung der Legitimität des durch die Kirche oder Organisation aufgestellten Ethos als solchen sei keiner gerichtlichen Kontrolle zugänglich. Vielmehr unterliege er der Autonomie der Kirchen und religiöser Vereinigungen bzw. Gemeinschaften.

Damit stellt sich der Gerichtshof gegen die gefestigte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in solchen Fällen aufgrund des verfassungsrechtlich verankerten Selbstbestimmungsrechts der Kirchen lediglich eine Plausibilitätsprüfung durch staatliche Gerichte zu zulassen. Eine solche Kontrolle würde, so der Gerichtshof, ins Leere laufen und biete keinen ausreichenden Schutz vor ungerechtfertigten Ungleichbehandlungen durch die Kirche.

Kirchlicher Bezug der Tätigkeit müsse wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt sein

In seiner weiteren Begründung legt das Gericht die Maßstäbe einer solchen Kontrolle fest:

Gegenstand der gerichtlichen Prüfung müsse sein, ob die von der betreffenden Kirche oder Organisation aufgestellte berufliche Anforderung im Hinblick auf ihr Ethos aufgrund der in Frage stehenden Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt ist. Bei der Auslegung des Begriffs „wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung″ in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie hänge es von den fraglichen Tätigkeiten oder den Umständen ihrer Ausübung ab, ob die Religion oder die Weltanschauung eine solche berufliche Anforderung darstellen kann.

Strenge Anforderungen an eine religionsgebundene Stellenausschreibung

Wesentlich sei die Zugehörigkeit zu der Religion bzw. das Bekenntnis zu der Weltanschauung, auf der das Ethos der betreffenden Kirche oder Organisation beruht, wenn die Bedeutung der betreffenden beruflichen Tätigkeit für die Bekundung dieses Ethos oder die Ausübung des Rechts dieser Kirche oder Organisation auf Autonomie notwendig erscheinen muss. Zudem dürfe die Zugehörigkeit zu der Religion bzw. das Bekenntnis zu der Weltanschauung nicht zur Verfolgung eines sachfremden Ziels ohne Bezug zu diesem Ethos oder zur Ausübung des Rechts dieser Kirche oder Organisation auf Autonomie dienen und dadurch unrechtmäßig sein. Der Ausdruck „gerechtfertigt“ impliziere zum einen, dass die Einhaltung der in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie genannten Kriterien durch ein innerstaatliches Gericht überprüfbar sein muss. Zum anderen impliziere er, dass es der Kirche oder Organisation obliege, im Licht der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls darzutun, dass die geltend gemachte Gefahr einer Beeinträchtigung ihres Ethos oder ihres Rechts auf Autonomie wahrscheinlich und erheblich ist. Nur dann erweise sich eine solche Anforderung tatsächlich als notwendig. Darüber hinaus müsse sie mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang stehen.

Mit seinem Urteil schränkt der EuGH den bisher geltenden Freifahrtschein der Kirchen erheblich ein. Deren Selbstbestimmungsrecht gilt es nun im Einzelfall mit den Interessen der betroffenen Person auf Gleichbehandlung abzuwägen. Einem Vorrang der kirchlichen Autonomie, so wie sie bisher in Deutschland gerichtlich anerkannt wurde, erteilte der Gerichtshof zu Recht eine Absage.

Konkretisierung folgt durch nationale Gerichte

An diese Entscheidung schließen sich erhebliche Praxisfragen an, die die nationalen Gerichte in Zukunft beschäftigen werden:

Zunächst ist zu klären, wo genau die Grenze von verkündigungsnahen und –fernen Tätigkeiten verläuft, um die Konfessionszugehörigkeit als berufliche Anforderung bei Kirchen oder anderen Organisation zu klassifizieren. Dies wird in vielen Fällen, beispielswiese bei Lehr-, Klinik- oder Verwaltungspersonal, erheblichen Diskussionsbedarf mit sich bringen. Auch ist fraglich, welche Auswirkungen das Urteil auf bereits bestehende Arbeitsverhältnisse haben wird: Kann einem Verwaltungsassistenten, der aus der Kirche austritt, wegen Loyalitätsverstoß rechtmäßig gekündigt werden?

Darüber hinaus muss abgegrenzt werden, wie lange eine „christlich geprägte Dienstgemeinschaft″ noch währt, wenn in Zukunft nun viele Einrichtungen der Kirche und anderen Organisationen konfessionslose Mitarbeiter*Innen einstellen (müssen). Genügt eine konfessionsgebundene Pfarrerin, um den Pflegestift als solchen zu einem christlich geprägten Umfeld zu deklarieren?

Schon der vorliegende Fall wird zeigen, wieviel Spielraum den Kirchen zukünftig bleibt, wenn das Bundesarbeitsgericht mithilfe dieser Maßstäbe das Erfordernis der Konfessionszugehörigkeit für die Ausübung einer Referent*Innenstelle im Bereich Antirassismus mit Repräsentation der Diakonie nach Außen im Lichte des Unionsrechts für wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt beurteilen muss.

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Versagung der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis wegen Unzuverlässigkeit

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Personaldienstleister können gegen den Entzug der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis durch die Bundesagentur für Arbeit (BA) oder deren Nichtverlängerung gerichtlich vorgehen – auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Gerichtliche Entscheidungen dazu sind jedoch rar.

Vor diesem Hintergrund verdient ein aktueller Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg (Beschl. v. 22. Januar 2018 – L 18 AL 209/17 B ER) Aufmerksamkeit, durch den – wie auch in der Vorinstanz (SG Berlin v. 4. Dezember 2017 – S 60 AL 810/17 ER) – bestätigt wurde, dass die BA zu Unrecht die vom Zeitarbeitsunternehmen beantragte Verlängerung der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis abgelehnt hat.

BA versagte Unternehmen die erforderliche Zuverlässigkeit

Ein Unternehmen der Personaldienstleistungsbranche hatte erstmalig im Mai 2015 einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung bei der BA gestellt, die ihr mit Bescheid vom 8. Juli 2015 für den Zeitraum vom 15. Juli 2015 bis zum 14. Juli 2016 erteilt und nochmals bis zum 14. Juli 2017 verlängert wurde.

Am 5. Mai 2017 beantragte das Unternehmen erneut eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Mit Bescheid vom 28. Juli 2017 versagte die BA diese mit der Begründung, dass Tatsachen vorlägen, die die Annahme rechtfertigten, dass die Antragstellerin nicht die für die Ausübung der Verleihtätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit besitze.

Das Unternehmen habe gegen seine arbeitsrechtlichen Pflichten zur Beachtung der tariflichen und gesetzlichen Bestimmungen verstoßen. Bei der Überprüfung der Geschäftsunterlagen seien wiederholt Verstöße gegen tarifliche und arbeitsrechtliche Regelungen festgestellt worden. Es seien eine Vielzahl sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge mit den Arbeitnehmern wiederholt geschlossen worden, worin ein erheblicher Verstoß gegen § 14 Abs. 2 TzBfG liege. Gerade die Eigenart und die besondere Struktur des Zeitarbeitsverhältnisses verböten es, befristete Einsatzmöglichkeiten bei einem Entleiher als Sachgrund i.S.d. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG anzuerkennen. So würden durch die wiederholt erfolgten auftragsbezogenen Befristungen die Garantielohnverpflichtungen umgangen. Auch sei keine Vertragsoptimierung und Umstellung der bisherigen Praxis erfolgt, obwohl bereits diese Art der Vertragsgestaltung im Jahre 2016 beanstandet worden sei.

Weitere Verstöße kämen hinzu, wie z. B. in einzelnen Fällen die Überschreitung der arbeitszeitrechtliche Höchstgrenze von 10 Stunden am Tag, die fehlende Eingruppierung gem. § 2.1 ERTV-BAP oder die fehlende Zahlung von Jahressonderzahlungen und Mehrarbeitszuschlägen. Auch würden in den Einzelarbeitsverträgen Angaben zur Erlaubnisbehörde und zum Datum der Erlaubniserteilung fehlen. Eine positive Zukunftsprognose könne daher nach Auswertung der Verstöße gegen das Arbeitsrecht nicht gestellt werden.

Am 14. Juli 2017 – und damit am Tag des Ablaufs der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis – rief der Personaldienstleister das SG Berlin im einstweiligen Rechtsschutz an. Das Gericht gab dem Antrag statt und verpflichtete die Behörde, der Antragstellerin

vorläufig eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung bis zum 31.03.2018, längstens jedoch bis zur Bestandskraft des Widerspruchsbescheides zu erteilen.

LSG Berlin-Brandenburg: Antrag auf Verlängerung der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nicht offensichtlich unbegründet

Das LSG Berlin-Brandenburg bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung.

Die Notwendigkeit der Verpflichtung zur Erteilung der Erlaubnis sei Ausfluss einer verfassungsrechtlich gebotenen Folgenabwägung, ohne dass es vorliegend der abschließenden, einen erheblichen zeitlichen Aufwand erfordernden Aufklärung des streitgegenständlichen Sachverhalts, z.B. durch Vernehmung zahlreicher Arbeitnehmer als Zeugen, bedurft hätte, die auch in Anbetracht des im Übrigen umfänglichen Vorbringens der Beteiligten untunlich sei und zudem die Gewährung effektiven Rechtsschutzes angesichts des hier zu beachtenden „Zeitfensters“ letztlich nicht ermöglicht hätte.

Die Antragstellerin habe dabei schwerwiegenden Nachteile nachvollziehbar dargelegt. Die vorläufige Einstellung der Betriebstätigkeit hätte entsprechende Auswirkungen auf die Zeitarbeitnehmer und die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Antragstellerin und deren Stellung bzw. Chancen am Markt jetzt und in der Zukunft gehabt. In diesen Fällen sei eine Vorwegnahme der Hauptsache gerechtfertigt. Sei dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, sei anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall seien die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in diese einzustellen. Die Gerichte müssten sich „schützend und fördernd vor die Grundrechte stellen“.

Vorliegend sei davon auszugehen, dass der Antrag auf Gewährung einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nicht offensichtlich unbegründet sei. Die Antragsgegnerin habe der Antragstellerin zuvor mehrfach derartige Erlaubnisse erteilt. Die Antragstellerin habe sich substantiiert zu den Gründen der erfolgten Ablehnung gem. § 3 Abs. 1 AÜG eingelassen. Ungeachtet dessen, dass diesbezüglich ggf. umfangreiche weitere Sachermittlungen anzustellen seien, sei zumindest derzeit aus den von der Antragstellerin aufgezeigten Erwägungen (z.B. weit übertarifliche Bezahlung der Zeitarbeitnehmer bei Vereinbarung einer Anrechnungsklausel) und in Ansehung der vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen nicht zu besorgen, dass der soziale Schutz der Zeitarbeitnehmer nachhaltig und schwerwiegend beeinträchtigt werde.

Eingriff in Berufs- und Gewerbefreiheit vs. Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter oder Grundrechte der Zeitarbeitnehmer

Bei einem offenen Ausgang des Hauptsacheverfahrens seien die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Antragstellerin in der Hauptsache aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, die Klage gegen den Ablehnungsbescheid aber keinen Erfolg haben würde.

Mit der Versagung der Erlaubnis werde in die grundrechtlich geschützte Berufs- und Gewerbefreiheit der Antragstellerin eingegriffen, die einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis habe, soweit keine Versagungsgründe vorlägen. Nach der Rspr. des BVerfG seien solche Maßnahmen nur unter strengen Voraussetzungen zum Schutze wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft. Überwiegende öffentliche Belange könnten es ausnahmsweise rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Hierfür seien jedoch nur solche Gründe ausreichend, die in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stünden und die ein Zuwarten bis zur Rechtskraft des Hauptverfahrens ausschlössen. Ob diese Voraussetzungen gegeben seien, hänge von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles und insbesondere davon ab, ob eine weitere Tätigkeit der Antragstellerin konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter, aber auch für die Grundrechte der Zeitarbeitnehmer, befürchten lasse.

Die damit gebotene Folgenabwägung rechtfertige indes den Erlass der einstweiligen Anordnung auf Erteilung einer – ohnehin nur bis zum 31. März 2018 befristeten – Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Erginge die einstweilige Anordnung nicht, erwiese sich die Klage in der Hauptsache später aber als begründet, entstünden der Antragstellerin schon jetzt schwere und kaum wieder gut zu machende Nachteile. Sie hätte ihre Geschäftstätigkeit – wie eingehend dargelegt – einzustellen. Dauere dieser Zustand an, stehe zu befürchten, dass die Antragstellerin ihren Kundenkreis verliere und den Zeitarbeitnehmern kündigen müsse und somit nicht wieder gut zu machende wirtschaftliche Folgen einträten. Erginge die einstweilige Anordnung, hätte die Klage in der Hauptsache später aber keinen Erfolg, könnte die Antragstellerin ihre Arbeitnehmerüberlassung vorübergehend weiter betreiben. Die Folgen einer solchen zeitlichen Verzögerung der Betriebseinstellung fielen in Ansehung der Rechte der Zeitarbeitnehmer weniger ins Gewicht, zumal die Antragstellerin die Möglichkeit besitze, Erlaubnisse mit entsprechenden Auflagen und sonstigen Nebenbestimmungen zu versehen.

Tenorierung und Rahmenvereinbarungen als interessante Aspekte hervorzuheben

Die Entscheidung ist nicht zu beanstanden und im Übrigen in zweierlei Hinsicht interessant: Zum einen die Tenorierung, zum anderen im Hinblick auf die Rahmenvereinbarungen und befristeten Arbeitsverträge mit den Zeitarbeitnehmern.

Das LSG hat dem Personaldienstleister vorläufig eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung bis zum 31. März 2018, längstens jedoch bis zur Bestandskraft des Widerspruchsbescheides erteilt. Die herrschende Meinung lässt es ausreichen, dass – in der Regel im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes – die aufschiebende Wirkung von Widerspruch bzw. Klage wiederhergestellt wird. Über die Fiktion des § 2 Abs. 4 S. 3 AÜG verlängert sich die Erlaubnis in der Regel „automatisch″ um ein Jahr, weil die Behörde den Antrag auf Verlängerung nicht vor Ablauf des Jahres, für den die Erlaubnis erteilt wurde, (bestandskräftig) abgelehnt hat (vgl. LSG Sachsen-Anhalt v. 10. November 2017 – L 2 AL 75/17 B ER; SG Darmstadt v. 4. Mai 2016 – S 11 AL 105/16 ER; SG Köln v. 31. August 2015 – S 1 AL 438/15 ER; Bayer. LSG v. 5. Januar 2009 – L 10 B 720/08 AL ER).

Gem. § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Diese Vorschrift ist anzuwenden, soweit die Versagung einer neuen befristeten – Erlaubnis angegriffen wird. Nach § 2 Abs. 4 S. 3 AÜG verlängert sich die Erlaubnis ipso jure, wenn die Erlaubnisbehörde die Verlängerung nicht vor Ablauf des Jahres ablehnt. Das Rechtsschutzinteresse des Personaldienstleisters ist demzufolge ausschließlich auf die Aufhebung der Ablehnung gerichtet.

Eine nach § 86 b Abs. 2 SGG im Wege der einstweiligen Anordnung zu erreichende Verpflichtung der BA zur Erteilung einer neuen Erlaubnis ist nach dieser gesetzlichen Konstellation zur Fortführung der Geschäftstätigkeit gerade nicht erforderlich (vgl. SG Köln v. 31. August 2015 – S 1 AL 438/15 ER). Mit dieser herrschenden Meinung setzt sich das LSG Berlin-Brandenburg (und auch in der ersten Instanz das SG Berlin) nicht auseinander; dies dürfte mit Blick auf das Ergebnis irrelevant gewesen sein, jedoch hätte der Personaldienstleister über einen Antrag auf die schlichte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und die daraus erwachsende Fiktion eine Erlaubnis bis zum 14. Juli 2018 und nicht nur – wie beantragt – bis zum 31. Februar 2018 erlangen können. Das Weniger im Antrag hätte im Ergebnis folglich ein Mehr für das Zeitarbeitsunternehmen bedeutet.

Zum anderen hat der Personaldienstleister – so dürfte der Sachverhalt zu verstehen sein – mit den eingesetzten Zeitarbeitnehmern Rahmenvereinbarungen und bei entsprechendem Bedarf jeweils befristete Arbeitsverträge abgeschlossen. Dies sah die BA wegen der Umgehung von Arbeitgeberpflichten als unzulässig an – anders allerdings insbesondere das SG Berlin, dessen Entscheidung durch das LSG Berlin-Brandenburg bestätigt wurde.

In zahlreichen Branchen besteht ein hoher Bedarf an Tagesaushilfen, z. B. in der Pflege oder der Gastronomie, und gleichzeitig das Interesse von Mitarbeitern, sich nicht zu sehr an den Personaldienstleister zu binden, sondern – je nach Zeit, „Lust und Laune″ – einzuspringen. Diese Konstruktion lässt sich in der Tat rechtlich durch Rahmenvereinbarungen und durch sodann vor dem konkreten Einsatz abzuschließende, mit einem Sachgrund befristete Arbeitsverträge abbilden. In Betracht kommt dabei insbesondere § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG, wenn und soweit diese Befristung dem Wunsch des Arbeitnehmers entspricht. Dieser ist entsprechend schriftlich in der Akte zu dokumentieren. Dabei sollten sich die Parteien sehr wohl etwas Mühe geben, um diesen Wunsch entsprechend schriftlich darzulegen. Insbesondere sollten die Hintergründe angegeben werden, warum der Mitarbeiter ein eigenes Interesse daran hat, nur tageweise auf Anfrage des Personaldienstleisters eingesetzt zu werden. Als Begründung kann insbesondere angeführt werden, dass der Zeitarbeitnehmer aufgrund einer andersartigen hauptberuflichen Tätigkeit, eines Studium oder der Pflege von eigenen Angehörigen zeitlich nur eingeschränkt zur Verfügung steht.

Darüber hinaus sollte der Mitarbeiter bestätigen, dass er an dem unbefristeten Abschluss eines Arbeitsvertrages kein Interesse hat und ein solches Angebot abgelehnt hätte. Das Zeitarbeitsunternehmen hat diese Umstände durch entsprechende Versicherungen an Eides Statt in das konkrete Verfahren eingeführt und damit die mit dem Rechtsstreit befassten Gerichte überzeugt. Unter Hinweis auf die Entscheidungen aus Berlin sollte die Zulässigkeit eines solchen Geschäftsmodells eines Personaldienstleisters in der Praxis auch die Prüfer – ohne ein Gerichtsverfahren – überzeugen.

Der Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg ist rechtkräftig. Eine Beschwerde zum BSG ist nicht möglich.

Die weiteren Einzelheiten dazu entnehmen Sie bitte unserer April-Ausgabe des „Infobriefs Zeitarbeit“, in dem wir jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informieren. Sollten Sie Interesse haben, diesen kostenfrei zu beziehen, schreiben Sie uns bitte eine kurze E-Mail (alexander.bissels@cms-hs.com oder kira.falter@cms-hs.com).

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Wo betriebliche Altersversorgung draufsteht, ist auch Altersversorgung drin

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Ein zentraler Wesenszug der betrieblichen Altersversorgung ist, dass der Arbeitnehmer die zugesagte Versorgungsleistung erst nach dem Eintritt eines bestimmten Versorgungsfalles beanspruchen kann. Entsprechend ist im Betriebsrentengesetz klargestellt, dass es sich nur um betriebliche Altersversorgung handelt, wenn die zugesagte Leistung einem gesetzlich anerkannten Versorgungszweck dient. Taugliche Versorgungszwecke sind die Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG). Einem oder mehreren dieser Zwecke muss die zugesagte Leistung dienen. Erforderlich ist, dass durch die Leistung der Lebensstandard des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen nach dem Ausscheiden aus dem Berufs- oder Erwerbsleben zumindest teilweise gesichert werden soll.

Auch Entgeltumwandlung ist betriebliche Altersversorgung

Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob die betriebliche Altersversorgung durch den Arbeitgeber oder durch den Arbeitnehmer im Wege der Entgeltumwandlung finanziert wird. So stellt das Betriebsrentengesetz klar, dass es sich auch bei Entgeltumwandlung um betriebliche Altersversorgung handelt (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG).

Bei der Entgeltumwandlung werden künftige Entgeltansprüche in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen umgewandelt. Der Arbeitgeber erteilt dem Arbeitnehmer eine Zusage auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, die dann vom Arbeitnehmer im Wege der Entgeltumwandlung finanziert wird. Dabei hat der Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch gegen den Arbeitgeber, dass von seinen künftigen Entgeltansprüchen bis zu 4 % der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung durch Entgeltumwandlung für seine betriebliche Altersversorgung verwendet werden (§ 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG).

Am 1. Januar 2018 ist das Betriebsrentenstärkungsgesetz in Kraft getreten ist. Darin wird mit Wirkung ab dem 1. Januar 2019 ein verpflichtender Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung in Höhe von 15 % des umgewandelten Entgelts eingeführt. Diesen Zuschuss muss der Arbeitgeber zur Entgeltumwandlung „dazu geben″, soweit er durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart (vgl. § 1a Abs. 1a BetrAVG n. F.).

Keine Tilgung von Krediten mit angesparter Altersversorgung

Die vom Gesetzgeber durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz eingeführten Neuerungen (wie der verpflichtende Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung) haben den Zweck, die betriebliche Altersversorgung zu stärken und deren Verbreitung zu fördern, um angesichts der sinkenden gesetzlichen Renten die finanzielle Absicherung der Arbeitnehmer im Ruhestand zu verbessern. Dass diese gesetzliche Zweckbindung der betrieblichen Altersversorgung ernst zu nehmen ist, hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 28. April 2018 nochmals klargestellt.

In dem Fall vor dem BAG (Urteil vom 26. April 2018 – 3 AZR 586/16) hatte der Kläger eine Entgeltumwandlungsvereinbarung mit seinem Arbeitgeber abgeschlossen. Auf der Grundlage dieser Entgeltumwandlungsvereinbarung zahlte der Arbeitgeber jährlich ca. EUR 1.000 in eine vom Arbeitgeber zugunsten des Klägers abgeschlossene Direktversicherung ein. Nachdem der Kläger nach eigener Aussage in eine finanzielle Schieflage geraten war, verlangte er von seinem Arbeitgeber die Kündigung des Direktversicherungsvertrags und die Auszahlung des Rückkaufwertes der Versicherung an ihn (rund EUR 7.000). Der Kläger brachte vor, dass er nur mit dem Geld weiterhin seinen Baukredit tilgen könne.

Das Bundesarbeitsgericht verneinte – wie schon die Vorinstanzen – einen solchen Anspruch des Klägers. Er habe kein schutzwürdiges Interesse an der begehrten Kündigung. Die durch die Entgeltumwandlung finanzierte betriebliche Altersversorgung diene dazu, den Lebensstandard des Arbeitnehmers im Alter zumindest teilweise abzusichern. Mit dieser Zwecksetzung wäre es nicht vereinbar, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber verlangen könnte, die Direktversicherung lediglich deshalb zu kündigen, um dem versicherten Arbeitnehmer die Möglichkeit zu verschaffen, das für den Versorgungsfall (das Alter) bereits angesparte Kapital für den kurzfristigen Ausgleich oder die Tilgung bestehender Kredite zu verwenden.

Entgeltumwandlung ist mehr als bloßes Sparen

Mit diesem Urteil macht das Bundesarbeitsgericht deutlich, dass es bei der betrieblichen Altersversorgung – wie vom Gesetzgeber vorgegeben – um die (jedenfalls teilweise) Sicherung des Lebensstandards des Arbeitnehmers nach Eintritt des Versorgungsfalls (etwa im Alter) geht. Dies beschränkt die Möglichkeiten des Arbeitnehmers, über das angesparte Kapital vor Eintritt des Versorgungsfalls verfügen zu können, maßgeblich.

Entscheidet sich ein Arbeitnehmer dazu, einen Teil seiner Vergütung im Wege der Entgeltumwandlung in Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung umzuwandeln, bedeutet dies mehr als ein bloßes Ansparen von Kapital. Vielmehr handelt es sich um den Aufbau eines zweckgebundenen Kapitalstocks, aus dem erst mit Eintritt des Versorgungsfalls die vereinbarten Leistungen an den Arbeitnehmer fließen. Gerät der Arbeitnehmer während seines Berufslebens in eine finanzielle Schieflage und kann er sich die Entgeltumwandlung nicht mehr leisten, ist er darauf beschränkt, die Entgeltumwandlung auszusetzen oder zu beenden. Das angesparte Kapital jedenfalls ist tabu.

Unabhängig von dem entschiedenen Fall dürfte die Entgeltumwandlung aufgrund des ab nächsten Jahr geltenden Arbeitgeberzuschuss in Zukunft an Bedeutung gewinnen.

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Mindestlohn für ein Orientierungspraktikum?

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Praktikanten, die ein Praktikum von bis zu drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums leisten, haben keinen Anspruch auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns (22 Abs, 1 S. 2 Hs. 2 Nr. 2 MiloG).

Wie aber ist der Praktikant vom Arbeitnehmer abzugrenzen? Wann liegt ein Orientierungspraktikum vor und wie ist die Dreimonatsgrenze zu bestimmen, wenn der Praktikant „Urlaub vom Praktikum″ nimmt? Mit diesen Fragen hat sich das LAG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 25. Oktober 2017 (Az.: 7 Sa 995/16) befasst.

Sachverhalt: Ausnutzung als unbezahlte Arbeitskraft?

In der Zeit vom 06. Oktober 2015 bis zum 25. Januar 2016 war die Klägerin – mit zeitlicher Unterbrechung – bei der Beklagten tätig. Nach der Vereinbarung der Parteien sollte es sich bei der Tätigkeit der Klägerin für die Beklagte um ein Praktikum handeln. Das Praktikum sollte beiden Seiten dazu dienen, zu prüfen, ob eine Ausbildung der Klägerin in Betracht kommt. Zeitlich unterbrochen wurde die Tätigkeit der Klägerin durch einen Familienurlaub. Diesen trat die Klägerin in der Zeit vom 20. Dezember 2015 bis zum 25. Januar 2016 an. Bereits vor Beginn des Praktikums hatten sich die Klägerin und die Beklagte darauf verständigt, dass die Klägerin wegen des bereits gebuchten Familienurlaubs abwesend sein werde.

Streitig ist, in welchem Umfang die Klägerin für die Beklagte tätig war. Die Klägerin behauptet, sie habe sich an feste Arbeitszeiten halten müssen und habe an sechs Tagen der Woche durchschnittlich 10 Stunden pro Tag für die Beklagte gearbeitet. Eine Vergütung für ihre Tätigkeit hat die Klägerin von der Beklagten unstreitig nicht erhalten.

Mit ihrer Klage macht die Klägerin Vergütung auf Basis des gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von (damals) EUR 8,84 pro Arbeitsstunde geltend. Die Beklagte habe sie vollständig als Arbeitskraft genutzt. Sie sei daher als Arbeitnehmerin einzuordnen und könne den gesetzlichen Mindestlohn beanspruchen. Aber selbst dann, wenn das Gericht ihre Tätigkeit als Praktikum qualifizieren sollte, habe sie einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Die Drei-Monats-Grenze des 22 Abs, 1 S. 2 Hs. 2 Nr. 2 MiloG sei überschritten worden. Die Zeit ihrer Urlaubsabwesenheit sei als Praktikumszeit zu berücksichtigen.

Das LAG Düsseldorf hat (anders als das Arbeitsgericht Mönchengladbach in erster Instanz) die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Zahlung von Mindestlohn gegen die Beklagten zu. Sie unterfalle dem Geltungsbereich des Mindestlohngesetzes weder als Arbeitnehmerin noch als Praktikantin.

Klägerin keine Arbeitnehmerin, sondern Praktikantin

Zunächst setzt sich das LAG Düsseldorf mit der Frage auseinander, ob die Klägerin als Arbeitnehmerin oder als Praktikantin für die Beklagte tätig geworden ist.

Hierzu führt das LAG Düsseldorf aus, dass es sich bei Praktikanten- und Arbeitsverhältnissen um unterschiedliche, sich gegenseitig ausschließende Vertragsverhältnisse handele. Arbeitnehmer sei, wer durch den Arbeitsvertrag im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Praktikant sei demgegenüber, wer sich für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen eine bestimmte betriebliche Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit ausübt, § 22 Abs. 1 S. 3 MiLoG. Für die Einordnung als Praktikum müsse demnach der Kenntniserwerb im Vordergrund stehen. Rechtsverhältnisse, die demgegenüber nicht zur Weiterqualifizierung dienen, sondern zur Erledigung laufend anfallender Arbeiten geschlossen werden, seien Arbeitsverhältnisse.

Nach diesen Maßstäben kommt das LAG Düsseldorf zu dem Ergebnis, dass die Klägerin als Praktikantin und nicht als Arbeitnehmerin tätig gewesen sei. Bei ihrer Tätigkeit habe der Kenntniserwerb im Vordergrund gestanden. Die Klägerin habe nicht nur einfache, laufend anfallende „Hilfstätigkeiten“ übernommen, sondern sei mit zunehmender Dauer an verantwortungsvollere Aufgaben herangeführt worden. Ihr sei zudem die Möglichkeit gegeben worden, ihre Fähigkeiten zu verbessern. Die tatsächlichen Umstände der Vertragsdurchführung würden – so das LAG Düsseldorf – demnach für ein Praktikum sprechen.

Eine andere Beurteilung folge auch nicht aus dem klägerischen Vortrag, dass sie sich an feste Arbeitszeiten habe halten müssen. Eine – auch arbeitszeitmäßige – Eingliederung in den Betrieb sei für einen Praktikanten gerade erforderlich, um ihm einen möglichst realitätsgetreuen Einblick in ein bestimmtes Berufsfeld zu erlangen. Die Eingliederung als solche könne daher nicht die Annahme rechtfertigen, die Klägerin sei als Arbeitnehmerin für die Beklagte tätig gewesen.

Praktikum: Kenntniserwerb und Berufsorientierung

Nach dem LAG Düsseldorf diente das Praktikum auch der Berufsorientierung. Hiervon sei dann auszugehen, wenn das Praktikum zeitlich vor der Aufnahme der darauf bezogenen Berufsausbildung bzw. der Studiumsaufnahme liege.

Diese Voraussetzungen seien vorliegend gegeben. Nach der Vereinbarung der Parteien sollte es sich um ein Praktikum handeln, um für beide Seiten zu prüfen, ob eine Ausbildung der Klägerin bei der Beklagten in Betracht kommt. Auch habe die Klägerin tatsächlich noch keine Ausbildung auf dem Tätigkeitsgebiet abgeschlossen. Unerheblich sei, dass die Klägerin bereits Erfahrungen in dem Berufsfeld der Beklagten gesammelt habe. Praktische Erfahrungen seien einer Berufsausbildung nicht gleichzusetzen.

Keine Überschreitung der Dreimonatsgrenze auf Grund von „Urlaubsgewährung“

Nach dem LAG Düsseldorf habe das Praktikum auch die zulässige Dauer von drei Monaten nicht überschritten. Es sei vielmehr in vereinbarten Zeitabschnitten, die insgesamt die Dauer von drei Monaten nicht überschritten haben, „geleistet″ worden. Insoweit geht das LAG Düsseldorf davon aus, dass nur die Zeiten, in denen die Klägerin tatsächlich für die Beklagte tätig war, als Praktikumszeiten zu qualifizieren sind. Nicht als Praktikumszeit zu bewerten ist hingegen die Zeit der Urlaubsabwesenheit.

Zur Begründung verweist das LAG Düsseldorf auf den Gesetzeswortlaut und den Sinn und Zweck der Ausnahmevorschrift des § 22 Abs, 1 S. 2 Nr. 2 MiloG. Der Gesetzeswortlaut „ein Praktikum (…) leisten″ impliziere, dass der Gesetzgeber nur ein tatsächliches Tätigsein erfasst haben wollte. Hätte der Gesetzgeber auf den ununterbrochenen Bestand des Praktikumsverhältnisses abstellen wollen, hätte er eine Formulierung wie in § 1 Abs. 1 KSchG verwendet. Dort ist hinsichtlich der Wartezeit vor Beginn des Kündigungsschutzes formuliert „(…) dessen Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat″.

Auch der Sinn und Zweck der Bestimmung gebiete es nicht, zeitliche Unterbrechungen der Praktikumszeit in die Berechnung der Drei-Monats-Grenze einfließen zu lassen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Aufteilung der Praktikumszeit im Interesse des Praktikanten liegt und die Parteien die Aufteilung des Praktikums in zeitliche Abschnitte vereinbart haben. Ziel des § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 MiloG sei es, den Missbrauch des sinnvollen Instruments des Praktikums einzuschränken. Es könne aber nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden, wenn der Praktikant auf eigenen Wunsch das Praktikum in Zeitabschnitten leistet und diese sich über mehr als drei Monate verteilen.

Nach dieser Maßgabe sei die Drei-Monats-Grenze vorliegend nicht überschritten worden. Die Klägerin habe mit dem Beklagten im eigenen Interesse vor Beginn des Praktikums vereinbart, dass das Praktikum auf Grund ihrer Urlaubsabwesenheit zeitlich unterbrochen und nach ihrer Rückkehr fortgesetzt werden soll. Die Zeiten der Urlaubsabwesenheit seien daher nicht als Praktikumszeit zu qualifizieren.

Nach Auffassung des LAG Düsseldorf hat die Klägerin demnach ein Orientierungspraktikum im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 MiloG geleistet. Die Zahlung von Mindestlohn kann sie folglich nicht beanspruchen. Die Klägerin hat gegen das Urteil des LAG Düsseldorf Revision eingelegt. Es bleibt abzuwarten wie sich das BAG zu den aufgeworfenen Rechtsfragen positionieren wird.

Praktikant oder Arbeitnehmer: Handlungsleitfaden für den Arbeitgeber

Arbeitgeber, die ein Orientierungspraktikum mindestlohnfrei ausgestalten wollen, sollten zusammenfassend auf folgende Gesichtspunkte achten:

Der Praktikant darf noch keine Ausbildung bzw. noch kein Studium in dem Tätigkeitsgebiet abgeschlossen haben. Nach den Ausführungen des LAG Düsseldorf ist es empfehlenswert vertraglich niederzulegen, dass das Praktikum der Orientierung bzw. Entschließung des Praktikanten im Hinblick auf die von ihm beabsichtigte Aufnahme einer Berufsausbildung oder eines Studiums dient.

Wenn der Praktikant zwischenzeitlich z.B. urlaubsabwesend und deswegen eine zeitliche Aufteilung des Praktikums beabsichtigt ist, sollte die Unterbrechung des Praktikums bereits vor Beginn des Praktikums abgesprochen und schriftlich vereinbart werden.

Ein als „Orientierungspraktikum″ bezeichnetes Vertragsverhältnis ist schließlich nur dann mindestlohnfrei, wenn es sich nach dem tatsächlichen Geschäftsinhalt um ein Praktikums- und nicht um Arbeitsverhältnis handelt. Die Einordnung des Rechtsverhältnisses ist stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig.

Folgende Fragestellung kann dem Arbeitgeber die Abgrenzung der beiden Rechtsverhältnisse aber erleichtern: Wird der Praktikant eingesetzt, damit er sich ein Bild von der angestrebten beruflichen Tätigkeit machen kann (dann Praktikum) oder liegt seine Hauptaufgabe im Betrieb darin, einen ansonsten fehlenden Arbeitnehmer zu ersetzen (dann Arbeitsverhältnis)?

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Online-Betriebsratswahlen – Laut Landesarbeitsgericht Hamburg zulässig!

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In dem zu entscheidenden Fall, fand die im Betrieb durchgeführte Betriebsratswahlneben der herkömmlichen Präsenz- und Briefwahl auch in Form einer Online-Wahl als Alternative zur Briefwahl statt. Das ArbG hatte die Online-Betriebsratswahl zunächst für nichtig erklärt (Urteil v. 7. Juni 2017 – 13 BV 13/16).

Die Entscheidung des Landesarbeitsgericht Hamburg Az. 8 TaBV 5/17

Gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg wurde beim LAG Hamburg Beschwerde eingelegt und das zweitinstanzliche Gericht vertrat überraschend eine abweichende Rechtsauffassung und erklärte die Wahl für wirksam. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.

Die Entscheidung des LAG war nicht zu erwarten, weil ein Online-Wahlverfahren des Betriebsrates nach aktueller Rechtslage nicht vorgesehen und nicht zugelassen ist. Wie das LAG seine Entscheidung dogmatisch begründet, kann bislang nicht nachvollzogen werden, weil die Urteilsgründe noch nicht vorliegen. Jedenfalls wiesen auch die Richter des LAG darauf hin, dass allein durch ihr Urteil keine abschließende Rechtssicherheit geschaffen werden könne, weil es zurzeit noch an den erforderlichen gesetzlichen Grundlagen für eine sichere Online-Betriebsratswahl fehle.

Bedürfnis in der Arbeitswelt: Möglichkeit einer Online-Betriebsratswahl

Es bleibt mit Spannung abzuwarten, wie das LAG Hamburg seine anderslautende Rechtsauffassung dogmatisch belegt und ob und wie der Gesetzgeber zukünftig hierauf reagiert. Auch die Betriebsverfassung sollte sich in das digitale Zeitalter einfügen und selbstverständlich müssen gleichzeitig Maßnahmen gefunden werden, dass die Grundsätze der Wahl, wie z.B. der Schutz des Wahlgeheimnisses und der Schutz vor Manipulation, ebenfalls gewahrt bleiben. Dies sollte mit der heutigen Technik jedoch umsetzbar sein.

Die Vorteile einer Online-Betriebsratswahl sind vielfältig: Es ist mit einer erhöhten Wahlbeteiligung zu rechnen, weil die Teilnahme an der Wahl schneller und unkomplizierter möglich ist. Eine Online-Betriebsratswahl könnte auch bei jüngeren Arbeitnehmern eine höhere Akzeptanz finden und würde nicht zuletzt zu einem erheblichen Zeit- und Kostenersparnis bei der Durchführung der Betriebsratswahl führen. All diese Aspekte sollten einen Anreiz für den Gesetzgeber setzen, sich mit dem Thema alsbald auseinander zu setzen.

Ausblick: Online-Betriebsratswahl weiterhin mit Unsicherheiten verbunden

Die Durchführung einer Online-Betriebsratswahl bleibt auch nach der Entscheidung des LAG Hamburg ein Risiko. Zwar ist die Entscheidung rechtskräftig, es kann jedoch aufgrund der gesetzlichen Regelungen nicht ausgeschlossen werden, dass sich andere Gerichte entgegengesetzt entscheiden würden. Die Praxis braucht Rechtssicherheit.

Es bleibt also abzuwarten, ob der Gesetzgeber diese Herausforderung annimmt, oder ob die Einführung einer Online-Betriebsratswahl ein unerfüllter Wunsch der modernen digitalen Arbeitswelt bleibt. Aktuell wird in der Politik bereits über die Notwendigkeit virtueller Betriebsratssitzungen in Form von Videokonferenzen diskutiert. Der nächste Schritt zur Online-Betriebsratswahl ist nicht mehr so weit und zukünftig wohl auch unumgänglich.

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Die ICT-Karte

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Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt wurden zum 1. August 2017 zwei neue Aufenthaltstitel geschaffen, die aus unserer Sicht das Potential zum Liebling der Personalabteilungen haben: Die ICT-Karte und die Mobile ICT-Karte. ICT steht dabei für „intra-corporate transfer″ oder „intra-corporate transferee″.

Beide Karten bieten Unternehmen gegenüber den bestehenden Aufenthaltstiteln mehr Flexibilität beim Einsatz von Personal aus dem europäischen Ausland und sind dabei vergleichsweise unkompliziert in der Beantragung. Die entsprechenden Regelungen sind in §§ 19b bis 19d des Aufenthaltsgesetzes normiert und umfassen neben dem Transfer von Führungskräften und Spezialisten derselben Unternehmensgruppe auch den Einsatz von Trainees in Deutschland.

Vorteile der ICT-Karte gegenüber bisher bestehenden Aufenthaltstiteln

Bislang war beim konzerninternen grenzüberschreitenden Einsatz von Arbeitnehmern in Deutschland in der Praxis oft ein Aufenthaltstitel auf Grundlage des sog. Internationalen Personalaustauschs das Mittel der Wahl. Dieser erfordert jedoch, dass der deutsche Arbeitgeber für jeden Arbeitnehmer, der vom deutschen Unternehmen aufgenommen wird, einen Arbeitnehmer aus Deutschland in das europäische Ausland entsendet.

Ein solcher Austausch war in der Praxis bis vor kurzem unkompliziert, weil die zuständige Behörde es für die Vorabzustimmung in den ersten beantragten Fällen genügen ließ, wenn Entsendungen aus Deutschland zunächst nur geplant waren. Im Laufe des vergangenen Jahres zeigte sich jedoch, dass diese Praxis nicht fortgesetzt wird und ein echter Austausch in beide Richtungen konkret nachgewiesen werden muss.

Ist ein echter Austausch im Einzelfall nicht möglich, wird die ICT-Karte gegenüber dem Internationalen Personalaustausch zur attraktiven Alternative. Sofern es sich bei dem Arbeitnehmer um einen Spezialisten oder eine Führungskraft handelt, kann er auf Basis einer Entsendungsvereinbarung mit dem ausländischen Vertragsarbeitgeber in Deutschland eingesetzt werden. Dabei ist grundsätzlich nicht einmal ein Hochschulabschluss Voraussetzung.

Kurzfristige Mobilität innerhalb der gesamten EU

Die neue Regelung erlaubt außerdem sogar den kurzfristigen Einsatz von entsandten Arbeitnehmern in Deutschland, die einen ICT-Aufenthaltstitel eines anderen europäischen Mitgliedsstaats besitzen: Sie können in einem Zeitraum von 180 Tagen für eine Dauer von bis zu 90 Tagen innerhalb der Unternehmensgruppe nach Deutschland transferiert werden.

Sollen sie länger als 90 Tage in Deutschland tätig werden, so ist dies mit der Mobilen ICT-Karte als Aufenthaltstitel möglich.

ICT-Karte: Erteilungsvoraussetzungen

Für die Erteilung der ICT-Karte ist die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit („BA″) erforderlich. Diese kann der deutsche Arbeitgeber bereits vorab einholen, um das Verfahren zu beschleunigen. Die BA prüft, ob der Arbeitnehmer zu dem umfassten Personenkreis (Führungskraft, Spezialist oder Trainee) gehört und bereits sechs Monate im Konzern beschäftigt ist. Weiter muss sichergestellt sein, dass er nach dem Einsatz in Deutschland bei seinem ausländischen Arbeitgeber weiterbeschäftigt wird.

Der Knackpunkt liegt in der Praxis jedoch meist bei der Prüfung der Arbeitsbedingungen und dabei insbesondere des Arbeitsentgelts während des Einsatzes in Deutschland. Dieses muss dem eines vergleichbaren Arbeitnehmers entsprechen. Für Unternehmen ist die Gehaltsbestimmung zuweilen schwierig, weil es – anders als etwa im Fall der Blauen Karte EU – keine festen Untergrenzen gibt. Stattdessen muss individuell bestimmt werden, welches Gehalt für die jeweilige Stelle angemessen ist. In der Praxis kann hier der regionale Arbeitgeber-Service helfen und auf Basis der Stellenbeschreibung und der Qualifikation des Mitarbeiters konkrete Zahlen nennen; über die Betriebsnummer bezieht der Service dabei auch die Größe des Arbeitgebers ein. Die BA folgt dann der Einschätzung des Arbeitgeber-Service, den sie ansonsten bei Zweifeln selbst im internen Verfahren beteiligen würde.

Liegen alle Voraussetzungen vor, erteilt die BA die Vorabgenehmigung für Zeiträume von 90 Tagen bis zu drei Jahren. Wird der Aufenthaltstitel für einen Trainee beantragt, gilt stattdessen eine Höchstdauer von einem Jahr.

Bisher seltene Inanspruchnahme der ICT-Karte

Trotz der zahlreichen Vorteile wird die neue ICT-Karte von den Unternehmen bisher selten in Anspruch genommen. Dies könnte an der etwas sperrigen Formulierung des Gesetzestextes liegen und daran, dass die Regelung vergleichsweise neu ist.

Aus unserer Sicht handelt es sich jedoch um eine attraktive Alternative, wenn es um den Aufenthalt von Konzernmitarbeitern in Deutschland geht. Dies gilt umso mehr, wenn die Arbeitnehmer flexibel bei Konzerngesellschaften in der gesamten EU eingesetzt werden sollen. Wir erwarten daher, dass die ICT-Karte und die Mobile ICT-Karte sich mit zunehmendem Bekanntheitsgrad zu praktisch äußerst relevanten Aufenthaltstiteln entwickeln werden.

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Stellenausschreibung: „Jung und dynamisch“ ist nicht zwingend diskriminierend

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Das Bundesarbeitsgericht und auch die Instanzgerichte haben in den vergangenen Jahren vielfach Stellenausschreibungen wegen unterschiedlicher Verstöße gegen das Verbot der Diskriminierung, u.a. aufgrund des Alters, als gleichbehandlungswidrig kassiert und hierdurch ein bunten Strauß an „No-Go’s″ entwickelt.  Zuletzt erlaubte es jedoch mit Urteil vom 23. November 2017 (8 AZR 604/16) die Selbstbeschreibung in einer Stellenausschreibung als „junges und dynamisches Unternehmen″.

Das Alter als Anknüpfungspunkt für mögliche Diskriminierungen in Stellenausschreibungen

Rein qualitativ betrachtet spielt das Merkmal des Alters in der Rechtsprechung von Bundesarbeitsgericht und Europäischem Gerichtshof die praktisch wohl wichtigste Rolle.

Vor allem im Arbeitsrecht fungiert das Alter regelmäßig als Kriterium, an welches direkt oder indirekt angeknüpft wird: die Zwangsbeendigung des Arbeitsverhältnisses beim Erreichen eines bestimmten Lebensalters, die Berechnung der Grundvergütung anhand von Lebensaltersstufen in Tarifverträgen, die Staffelung der Urlaubstage nach der Betriebszugehörigkeit und die soziale Schutzbedürftigkeit – um nur einige von vielen Beispielen zu nennen. In wiederkehrender Regelmäßigkeit beschäftigt sich das Bundesarbeitsgericht aber auch mit der Anknüpfung an das Merkmal der „Berufserfahrung″, welche zwar nicht unmittelbar das Alter betrifft, aber damit in einem engen Zusammenhang steht.

Bewerberin fühlt sich durch Selbstbeschreibung des Unternehmens als „jung und dynamisch“ diskriminiert

Geklagt hatte eine 1961 geborene Frau deutscher Staatsangehörigkeit russischer Herkunft, die 1984 ihr Hochschulstudium als diplomierte Systemtechnik-Ingenieurin abschloss und in den Jahren 2000-2013 an diversen Fortbildungskursen zur Java Programmierung erfolgreich teilnahm. Im Frühjahr 2014 bewarb sie sich bei einem im Jahr 2004 gegründeten Unternehmen, dessen Schwerpunkt im internationalen elektronischen Wertpapierhandel liegt. Ausweislich der veröffentlichten Stellenanzeige suchte das „junge und dynamische Unternehmen mit 65 Mitarbeitern″ „mehrere erfahrene Software Entwickler (Java) (m/w)″ für eine Vollzeittätigkeit.

Die Klägerin fühlte sich durch die Absage des Unternehmens aufgrund ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert.

Das Bundesarbeitsgericht wies die vermeintlichen Ungleichbehandlungen aufgrund des Geschlechts und der ethnischen Herkunft schnörkellos zurück: der Klammerzusatz „(m/w)″ mache hinreichend und abschließend deutlich, dass mit der Stellenausschreibung Frauen wie Männer gleichermaßen angesprochen werden sollten und dass die Formulierung „Unternehmen mit 65 Mitarbeitern″ deshalb ebenso geschlechtsneutral zu verstehen sei. Auch der Umstand, dass die Stelle als Vollzeitstelle ausgeschrieben wurde, sei kein Indiz für eine Diskriminierung wegen des Geschlechts. Das Unternehmen habe damit nicht signalisiert, an der Einstellung von Frauen nicht interessiert zu sein oder männliche Bewerber zu bevorzugen. Für eine ungerechtfertigte Benachteiligung aufgrund ihrer ethnischen Herkunft lagen überhaupt keine Anhaltspunkte vor.

Hinsichtlich eines Verstoßes gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters musste das Gericht – auch um Widersprüche zu seiner bisherigen Rechtsprechung bezüglich diskriminierender Stellenausschreibungen zu vermeiden – etwas weiter ausholen: erst in jüngster Vergangenheit hatte das BAG festgestellt, dass eine Anzeige, die sich „speziell an Berufseinsteiger″ richte, deren Hochschulabschluss „maximal ein Jahr zurück liegen″ solle, jedenfalls mittelbar an das Alter des Bewerbers anknüpfe. Gleiches gelte, wenn in einer Anzeige ein Rechtsanwalt „mit erster Berufserfahrung oder auch als Berufsanfänger″ gesucht werde. Auch die Ausschreibung nach einem „Junior Consultant″ könne ein Rückschluss auf die fehlende beziehungsweise geringe Berufserfahrung zulassen und damit ungerechtfertigt an das Alter als Diskriminierungsmerkmal anknüpfen.

 „Jung und dynamisch“ bezogen auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kann grundsätzlich diskriminierend sein

Die von dem hier in den Rechtsstreit verwickelten Unternehmen aufgegriffene Formulierung „jung und dynamisch″ war vom Bundesarbeitsgericht in Bezug auf ein „Team″ erst 2016 als unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters angesehen worden. Eine solche Ausschreibung enthalte nicht nur die Botschaft an potentielle Bewerber*Innen, dass die Mitglieder dieses Teams nicht nur jung und dynamisch seien, sondern dass dieser Zustand durch Einstellung eines weiteren jungen und dynamischen Mitglieds, welches in den Augen des potentiellen Arbeitsgebers besonders gut passen würde, auch beibehalten werden solle.

BAG: „Jung und dynamisch“ bezogen auf das Unternehmen ist nicht diskriminierend

In dem vorliegenden Verfahren bezogen sich Jugend und Dynamik jedoch nicht auf ein Team – und dadurch implizit auf dessen Mitglieder – sondern auf das Unternehmen der Beklagten. Das Bundesarbeitsgericht führte aus, dass die Selbstbeschreibung als „junges″ Unternehmen sich regelmäßig auf das Alter und damit eine Eigenschaft des Unternehmens bezöge. Maßgeblich sei insofern, zu welchem Zeitpunkt das Unternehmen gegründet worden sei bzw. seine Tätigkeit am Markt aufgenommen habe, hierfür gebe es einen feststehenden Zeitpunkt.

Allerdings ließe die Bestandsdauer eines Unternehmens keinen Rückschluss darüber zu, wie alt die dort Beschäftigten seien. Folglich könne man der Bezeichnung als „junges Unternehmen″ auch nicht entnehmen, dass der Arbeitgeber eine bestimmte Erwartung an das Lebensalter des/der künftigen Stelleninhaber*In habe.

Fast schon komisch mutet an, dass das Bundesarbeitsgericht dazu hinreißen lässt festzustellen, dass das Unternehmen der Beklagten mit einem Alter von 10 Jahren noch „jung″ sei. Dies gelte auch in der IT-Branche, denn „IT-Unternehmen gibt es nicht erst seit wenigen Jahren, sondern bereits seit mehreren Jahrzehnten″.

Dass das Unternehmen ausdrücklich „erfahrene″ Software-Entwickler gesucht und damit ganz offenkundig auf eine Eigenschaft abgestellt hat, die eher lebensältere Bewerber*Innen aufweisen, war dem Gericht nur eine Randnotiz wert. Dabei hätte diese Formulierung möglicherweise sogar Anlass gegeben, über eine Diskriminierung jüngerer Bewerber*Innen nachzudenken.

Absage an die Bewerberin auch im Parallelverfahren

Auch im von der Bewerberin angestrengten Parallelverfahren (Urteil vom 23.11.2017 – 8 AZR 372/16) wies das Bundesarbeitsgericht ihr Anliegen zurück. Die Formulierung in einer Stellenanzeige „Für die Position sollten Sie ein Studium der Ingenieur-Wissenschaften oder technischen Informatik abgeschlossen haben oder kurz vor Ihrem Abschluss stehen″ enthält keine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Alters. Vielmehr bringe das Unternehmen damit zum Ausdruck, dass ein entsprechender Hochschulabschluss als Qualifikation für diese Position erforderlich sei und durch die Einbeziehung von baldigen Absolventen lediglich der Kreis der Angesprochenen erweitert werden solle.

Stellenausschreibungen als diskriminierungsrechtliches Minenfeld

Es bleibt die Erkenntnis, dass Stellenausschreibungen sich zu einem diskriminierungsrechtlichen Minenfeld entwickelt haben: Indiziert eine Anzeige, dass bestimmte Bewerber*Innen aufgrund des Vorliegens eines Diskriminierungsmerkmals weniger gute Einstellungschancen haben, und werden eben diese Personen dann abgelehnt, reicht dies grundsätzlich aus, um Entschädigungsansprüche geltend zu machen. Dies ist im Hinblick auf die Zielsetzung des Gleichbehandlungsrechts auch uneingeschränkt wünschenswert, setzt die Messlatte für eine gute und nicht zu beanstandende Stellenausschreibung indes sehr hoch.

Arbeitgeber*Innen können und sollten in diesem Zusammenhang erwägen, das gesamte Bewerbungsverfahren „merkmalsblind″ zu gestalten und auf diskriminierungsrechtlich relevante Angaben zur Person vollständig zu verzichten. Dieses Verfahren wird in den anglo-amerikanischen Jurisdiktionen bereits erfolgreich praktiziert und könnte für beide Seiten von Vorteil sein – für die sich bewerbende Person, weil nur die Qualifikation gilt und für Arbeitgeber*Innen zur Vermeidung unnötiger Rechtsstreitigkeiten.

Der Hinweis, insbesondere Lebensläufe mögen ohne Foto und ohne Angabe von Geburtsdatum und -ort, Name, Geschlecht und Familienstand eingereicht werden, könnte die Indizwirkung bereits nachhaltig erschüttern. Dass die Vorgaben der Rechtsprechung gleichwohl eingehalten werden müssen, versteht sich freilich von selbst.

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Brückenteilzeit für Januar 2019 geplant: Was erwartet die Arbeitgeber?

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Weniger als drei Monate nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen, d. h. als eine der ersten Gesetzesinitiativen der GroKo liegt nun ein Referentenentwurf zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts vor („RefE″). Das bereits im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU/CSU sehr konkret beschriebene Recht auf befristete Teilzeit – jetzt „Brückenteilzeit″ – wird darin in ein Gesetz gegossen.

Voraussetzungen der Brückenteilzeit

Die Voraussetzungen der Brückenteilzeit sind künftig in einem neuen § 9a TzBfG geregelt und im Grunde aus dem Koalitionsvertrag abgeschrieben:

  • Das Arbeitsverhältnis besteht länger als sechs Monate.
  • Die Brückenteilzeit kann nur für mindestens ein oder höchstens fünf Jahre genommen werden.
  • Der Anspruch besteht nur gegen Arbeitgeber mit mehr als 45 Arbeitnehmern.
  • Arbeitgeber mit 46-200 Arbeitnehmern können einen Antrag ablehnen, wenn sich bereits einer pro angefangene 15 Mitarbeiter in Brückenteilzeit befindet (sog. Zumutbarkeitsgrenze).
  • Es stehen der Brückenteilzeit keine betrieblichen Gründe entgegen.
  • Das Ende der letzten Brückenteilzeit ist mindestens ein Jahr her.
  • Der Antrag muss drei Monate vor Beginn der geplanten Brückenteilzeit gestellt werden.

Obwohl der RefE im Vergleich zu dem Entwurf aus 2017 eine Entschärfung für die Unternehmen darstellt, kommen verschiedene Herausforderungen auf sie zu.

Berechnung der Schwellenwerte und Zumutbarkeitsgrenze

Bei der Berechnung der neuen Schwellenwerte stellt sich die Frage, welche Mitarbeiter zu berücksichtigen sind, insbesondere ob Leiharbeitnehmer zählen und wie Teilzeitbeschäftigte zu berücksichtigen sind. Einzig für Auszubildende stellt der RefE klar, dass diese nicht einzubeziehen sind.

Administrativer Mehraufwand wird sich dadurch ergeben, dass Arbeitgeber die Schwellenwerte und Zumutbarkeitsgrenzen jederzeit im Blick haben müssen, um mit den eingehenden Anträgen auf Brückenteilzeit ordnungsgemäß umgehen zu können. Sie müssen dafür Mitarbeiterzahlen generieren und Brückenteilzeitanträge und -verträge verwalten.

Doppelte Erörterungspflicht

Nach dem RefE können Arbeitgeber mit mehr als 45 Arbeitnehmern künftig zwei Erörterungspflichten treffen: Einmal, wenn ein Arbeitnehmer einen Wunsch auf Veränderung der Arbeitszeit angezeigt hat (§ 7 Abs. 2 RefE), und noch einmal, wenn dieser Arbeitnehmer einen Antrag auf Brückenteilzeit stellt (§ 9a Abs. 3 RefE i.V.m. § 8 Abs. 3 TzBfG). Offen bleibt, welche Konsequenzen es für den Arbeitgeber hätte, wenn er entweder gar nicht oder z.B. nur nach Stellung des Antrags mit dem Arbeitnehmer seiner Erörterungspflicht nachkommt.

Beweislastverlagerung bei der Stellenbesetzung

Bei der Besetzung freier Arbeitsplätze soll es künftig eine Beweislastverteilung zu Lasten des Arbeitgebers geben (§ 9 RefE). Diese Neuerung betrifft insbesondere die heute bereits in unbefristeter Teilzeit tätigen Arbeitnehmer und würde alle Unternehmen unabhängig von ihrer Größe betreffen.

Zeigt ein Mitarbeiter, der sich in unbefristeter Teilzeit befindet, gegenüber dem Arbeitgeber an, dass er seine Arbeitszeit wieder oder erstmals verlängern möchte, soll es für den Arbeitgeber schwieriger werden, diesen Mitarbeiter bei der Besetzung freier Stellen außen vor zu lassen. Denn: Anders als bislang, soll der Arbeitgeber darlegen und beweisen müssen, warum er einen freien Arbeitsplatz nicht mit diesem Mitarbeiter besetzen kann. Wenn der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Mitarbeiter bei der Besetzung freier Stellen nicht berücksichtigen möchte, müsste er belegen können, dass

  • ein Arbeitsplatz nicht frei ist,
  • der angestrebte dem bisherigen Arbeitsplatz des Arbeitnehmers inhaltlich nicht entspricht oder
  • der Teilzeitbeschäftigte nicht mindestens gleich geeignet ist wie ein anderer interner oder externer Bewerber.

Neben einem hohen Begründungsaufwand kämen damit zahlreiche Rechtsfragen auf die Arbeitgeber zu: Ist ein mit einem Leiharbeitnehmer besetzter Arbeitsplatz frei? Wie kann der Arbeitgeber beweisen, dass ein Arbeitsplatz nicht frei ist? Einen Anspruch auf Schaffung einer Stelle mit der gewünschten Arbeitszeit oder auf Zusammenlegung von Arbeitsplätzen hat der Arbeitnehmer nach § 9 RefE aber nicht.

Risikobehaftete Auswahlentscheidung bei mehreren Anträgen

Rechtsunsicherheit entsteht nach dem ReFE für die Arbeitgeber, wenn sie zwischen mehreren Anträgen auf Brückenteilzeit eine Auswahl treffen und einen oder mehrere Anträge ablehnen müssen. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn entgegenstehende betriebliche Gründe die Gewährung sämtlicher Anträge nicht zulassen oder in Unternehmen mittlerer Größe die Zumutbarkeitsgrenze überschritten würde.

In der Begründung des RefE ist von einer Auswahlentscheidung nach „billigem Ermessen″ die Rede, die sämtliche Umstände abwägen und die Interessen angemessen berücksichtigen muss. Wenn ein Arbeitgeber im Einzelfall eine fehlerhafte Auswahlentscheidung träfe, ist das weitere Vorgehen unklar: Darf der Arbeitgeber eine erneute Auswahl treffen und könnten zwischenzeitlich abgeschlossene Brückenteilzeitverträge wieder aufgehoben werden?

Erschwernisse bei der Personalplanung

Auch bei der Personalplanung müssen sich die Arbeitgeber umstellen. Wenn das Gesetz kommt, müssen sie künftig weit mehr „Rückkehrer″ berücksichtigen als dies bislang zum Beispiel durch Eltern- und Pflegezeit der Fall war. Bei einer Ankündigungsfrist von drei Monaten vor Beginn der Absenkung der Arbeitszeit müssen sie außerdem relativ kurzfristig nach Überbrückungsmöglichkeiten suchen und haben nicht viel Zeit, sich auf die veränderte Personalsituation einzustellen.

Zur vorübergehenden Kapazitätsabdeckung können Arbeitgeber auf die Flexibilisierungsinstrumente der Befristung von Arbeitsverträgen zu Vertretungszwecken und der Arbeitnehmerüberlassung zurückgreifen. Voraussichtlich sind das aber nicht überall die nachhaltigsten Lösungen. Angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels, aber auch bei Führungskräften, dürfte es schwierig werden, die vorübergehende Verringerung der Arbeitszeit durch die Einstellung von befristeten Ersatzkräften auszugleichen. Es wird deshalb vermehrt zu einer Umverteilung von Arbeit kommen. Die damit verbundenen Schwierigkeiten werden Arbeitgeber (und Kollegen) in Kauf nehmen müssen.

Ausblick: Brückenteilzeit stellt Arbeitgeber vor Herausforderungen

Der RefE wirft viele rechtliche Fragen auf, die Arbeitgeber künftig beschäftigen werden, und hat auf Arbeitgeberseite bereits zu viel Kritik geführt. Das Recht auf Brückenteilzeit wird als Eingriff in die Vertragsfreiheit gewertet, der insbesondere aufgrund des zunehmenden Fachkräftemangels zur Unzeit komme.

Hauptkritikpunkt ist jedoch die geplante – im Koalitionsvertrag nicht vorgesehene – Beweislastverlagerung, von der die heute unbefristet Teilzeitbeschäftigten profitieren sollen und Unternehmen vor große Schwierigkeiten stellt. Es bleibt daher mit Spannung abzuwarten, welche Änderungen im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch vorgenommen werden – wir werden in jedem Fall berichten!

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BAG: Kein Konzernbetriebsrat bei Konzernspitze im Ausland

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Das BAG hat mit Beschluss vom 23. Mai 2018 (Az.: 7 ABR 60/16) die ständige Rechtsprechung bestätigt, dass ein Konzernbetriebsrat für die inländischen Gesellschaften nur bei einer Konzernspitze im Inland gebildet werden kann. Erfolgt die unternehmensübergreifende Leitung durch die ausländische Konzern(ober)gesellschaft, fehlt es an den Voraussetzungen der Bildung eines Konzernbetriebsrats.

Schon die Vorinstanz LAG Nürnberg hatte am 21. Juli 2016 (Az.: 5 TaBV 54/15) die Zulässigkeit der Errichtung eines Konzernbetriebsrats zur Recht verneint, die Rechtsbeschwerde aber zugelassen.

Sachverhalt: Weder Konzernmutter noch Teilkonzernspitze im Inland

Im konkreten Fall hatten drei örtliche Betriebsratsgremien der in Deutschland gelegenen Technologieunternehmen die Errichtung eines „Konzernbetriebsrates“ bei der inländischen Finanzholding beschlossen. Gesamtbetriebsräte existieren nicht.

Die mitarbeiterlose deutsche Holdinggesellschaft, eine 100%ige Tochtergesellschaft der Schweizer Konzernmutter, hatte als reine Finanzholding keine eigene Geschäftstätigkeit. Bei ihr erfolgte leidglich die Konsolidierung der Jahresergebnisse der vier deutschen Tochtergesellschaften. Die Finanzholding übte insbesondere auch keine unternehmensübergreifende Leitungsmacht im Hinblick auf soziale, personeller oder wirtschaftliche Angelegenheiten der Tochtergesellschaften aus. Trotz formal bestehenden Beherrschungsverhältnisses gegenüber zwei der vier Tochtergesellschaften wurde die Leitungsfunktion durch die Finanzholding auch diesen gegenüber tatsächlich nie ausgeübt. Vielmehr erfolgt die Leitung durch die Konzernmutter in der Schweiz. Wesentliche Entscheidungen wurden durch den CEO der Schweizer Konzernmutter, dessen Stellvertreter, den CFO oder den Verwaltungsrat der Konzernobergesellschaft getroffen. Entsprechend bestand auch keine Teilkonzernspitze in Deutschland.

Der durch die Betriebsräte gebildete „Konzernbetriebsrat″ wurde durch die Tochterunternehmen nicht anerkannt und auch nicht beteiligt. Mit dem eingeleiteten Beschlussverfahren begehrten diese die Feststellung, dass der gebildete „Konzernbetriebsrat“ keinen Bestand hat.

BAG: Konzernbetriebsrat fehlt es an unternehmensübergreifender Leitungsfunktion im Inland

Zu Recht hat das BAG – wie auch die Vorinstanzen – die wirksame Errichtung des Konzernbetriebrats verneint und damit die bisherige Rechtsprechung (z.B. BAG vom 14. Februar 2007 – 7 ABR 26/06; BAG 16. Mai 2007 – 7 ABR 63/06) bestätigt.

Die Beteiligungsrechte sollen dort ansetzen, wo die unternehmerischen Entscheidungen getroffen werden. Die Mitbestimmung auf Konzerneben bedarf eines Ansprechpartners auf Unternehmensseite, mit dem für die nachgeordneten Unternehmen verbindliche Vereinbarungen getroffen werden können. Dies setzt das Vorhandensein einer Leitung im Inland voraus. Das Bestehen einer bloßen Finanzholding reicht hierfür nicht, da diese nicht mit entsprechender Kompetenz der Einflussnahme auf die operativen Tochtergesellschaften ausgestattet ist und somit kein entsprechendes beherrschendes Unternehmen im Sinne des § 18 Abs. 1 AktG darstellt.

Der gebildete „Konzernbetriebsrat“ ist vor diesem Hintergrund funktionslos. Es ist nicht ersichtlich, welche konkreten Rechte und Pflichten er wahrnehmen kann. Fehlt es damit an einer unternehmensübergreifenden Leitungsfunktion im Inland, hindert das Territorialitätsprinzip die Errichtung eines Konzernbetriebsrats.

Ausblick – Auswirkungen des Fehlens eines Konzernbetriebsrats in der Praxis

Auch wenn die Entscheidung die bisherige Rechtsprechung konsequent und zutreffend fortsetzt, bleibt nach der Vorgängerentscheidung des selben Senats vom 14. Februar 2007 (Az.: 7 ABR 26/06) offen, ob damit unternehmensübergreifende Beteiligungsrechte bei Konzernspitze im Ausland vollständig entfallen. Nach den Urteilsgründen der Entscheidung aus 2017 soll dies gerade nicht der Fall sein. Vielmehr führe das Fehlen eines Konzernbetriebsrat wegen ausländischer Konzernspitze nicht zum Fortfall der betrieblichen Mitbestimmung,

sondern nur zu ihrer Verlagerung auf eine andere Ebene in den verbundenen Unternehmen (so BAG vom 14. Februar 2017 – 7 ABR 26/06).

Selbst bei Sachverhalten, die bei Vorhandensein eines Konzernbetriebsrats in dessen originäre Zuständigkeit fielen, sollen die Beteiligungsrechte bei ausländischer Konzernspitze dann von den Gesamtbetriebsräten und Betriebsräten der konzernangehörigen Unternehmen wahrgenommen werden. Der Schwierigkeit, konzerneinheitliche Regelungen zu erreichen, könne die Konzernobergesellschaft im Ausland nach Auffassung des 7. Senats leicht dadurch begegnen, dass sie die Leitungsmacht ins Inland verlagert oder Entherrschungsverträge abschließt. Ob der Senat in seiner aktuellen Entscheidung an dieser Sichtweise festhält, bleibt abzuwarten. Die Urteilsgründe liegen noch nicht vor.

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Ablauf einer Anhörung der Schwerbehindertenvertretung

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Seit dem 30. Dezember 2016 ist die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers nach § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX (bis zum 31. Dezember 2017, § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX) unwirksam, wenn der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß anhört. Klar ist seitdem, dass Arbeitgeber regelmäßig drei Verfahren vor der Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers durchführen müssen:

  • Anhörung der Schwerbehindertenvertretung
  • Anhörung des Betriebsrats
  • Zustimmung des Integrationsamtes

Die Neuregelung ließ für den Arbeitgeber aber auch einige Fragen offen:

  • Welchen Inhalt muss die Anhörung haben?
  • Zu welchem Zeitpunkt muss die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung erfolgen?
  • Wie viel Zeit hat die Schwerbehindertenvertretung für eine Stellungnahme?

Zur neuen Rechtslage liegen mittlerweile erste Entscheidungen vor. Die Entscheidungen des Arbeitsgerichts Leipzig vom 17. August 2017 – 8 Ca 1122/17 sowie des Arbeitsgerichts Hagen vom 6. März 2018 – 5 Ca 1902/17 beschäftigen sich mit dem Inhalt bzw. dem Zeitpunkt der Anhörung. Zunächst gehen wir noch auf die seit 1. Januar 2018 geltende Umnummerierung im SGB IX ein.

Umnummerierung im SGB IX

Für einige Verwirrung kann die erhebliche Umnummerierung der Paragraphen im SGB IX führen. Hier die wichtigsten Änderungen im Überblick:

Thema Bis 31.12.2017 Seit 01.01.2018
Pflichten des Arbeitgebers und Rechte schwerbehinderter Menschen § 81 SGB IX § 164 SGB IX
Betriebliches Eingliederungsmanagement § 84 Abs. 2 SGB IX § 167 Abs. 2 SGB IX
Kündigungsschutz §§ 85 – 92 SGB IX §§ 168 – 175 SGB IX
Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung § 95 SGB IX § 178 SGB IX

Inhalt der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung

Das Arbeitsgericht Leipzig beschäftigt sich in seinem Urteil vom 17. August 2017 mit dem inhaltlichen Umfang der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung. Zunächst stellt es klar, dass auch die zwar erfolgte, aber nicht ordnungsgemäße Anhörung der Schwerbehindertenvertretung die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge habe.

Inhaltlich bliebe die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers

etwas hinter der Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG zurück.

§ 102 BetrVG regelt die Anhörung des Betriebsrats bei Kündigungen. Das Arbeitsgericht Leipzig stellt richtigerweise fest, dass die Schwerbehindertenvertretung – anders als der Betriebsrat – nicht in die Lage versetzt werden müsse, die Wirksamkeit der Kündigung an sich zu prüfen. Zentrale Aufgabe der Schwerbehindertenvertretung sei die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb des Arbeitgebers. Mit der Aussage, die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers bliebe inhaltlich etwas hinter der Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG zurück, gibt das Arbeitsgericht Leipzig aber leider keine belastbare Handlungsanweisung. Aus Vorsichtsgründen sollte die Information der Schwerbehindertenvertretung inhaltlich der des Betriebsrats entsprechen.

Zeitpunkt der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung

Beim Zeitpunkt der Anhörung entschieden das Arbeitsgericht Leipzig und das Arbeitsgericht Hagen in ihren Urteilen übereinstimmend, die Anhörung habe unverzüglich zu erfolgen; insbesondere also vor Stellung des Zustimmungsantrags beim Integrationsamt nach den §§ 168 ff. SGB IX. Damit stellen sie sich gegen die Position der Integrationsämter. Diese haben in einem Positionspapier vom 21. März 2017 dargelegt, die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung könne vor, während oder nach dem Zustimmungsverfahren beim Integrationsamt erfolgen. Lediglich eine von der Anhörung zu trennende erste Unterrichtung im Sinne einer Information an die Schwerbehindertenvertretung müsse spätestens mit dem Antrag beim Integrationsamt erfolgen.

Nach § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung „unverzüglich und umfassend″ zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören. „Unverzüglich″ fordere – so die Ansicht des Arbeitsgerichts Hagen – vom Arbeitgeber, die Schwerbehindertenvertretung ohne schuldhaftes Zögern zu unterrichten undanzuhören, sobald er seinen Kündigungswillen gebildet hat. Die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung müsse daher am Beginn der vom Arbeitgeber zu treffenden Maßnahmen stehen. Dass sich bei naiver Gesetzeslektüre die Worte „unverzüglich und umfassend″ nur auf „unterrichten″ beziehen, thematisiert das Arbeitsgericht nicht. Zwischen „unterrichten″ und „anhören″ unterscheidet das Arbeitsgericht nicht.

Die Anhörung müsse nach Ansicht des Arbeitsgerichts Hagen sogar bereits abgeschlossen sein, bevor der Zustimmungsantrag beim Integrationsamt gestellt wird. Sobald der Zustimmungsantrag gestellt wird, habe der Arbeitgeber seinen Kündigungswillen gefasst und nach außen manifestiert. Dass eine endgültige Entscheidung über die Kündigung erst mit der Kündigungserklärung erfolgt, thematisiert das Arbeitsgericht nicht.

Die Schwerbehindertenvertretung müsse schließlich – so das Arbeitsgericht – die Möglichkeit haben, an der Willensbildung mitzuwirken. Da auch die Betriebsratsanhörung dem Zweck dient, an der Willensbildung des Arbeitgebers mitzuwirken, spricht aus unserer Sicht nichts dagegen, die Anhörungen der Schwerbehindertenvertretung bzw. des Betriebsrats gleichzeitig durchzuführen. Der Betriebsrat darf aber nicht vor der Schwerbehindertenvertretung angehört werden.

Da die Kündigung schon wegen des falschen Zeitpunkts der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung unwirksam war, musste das Arbeitsgericht Hagen eine weitere Besonderheit der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung nicht thematisieren: Nach § 178 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 SGB IX muss der Arbeitgeber seine nach der Anhörung getroffene Entscheidung der Schwerbehindertenvertretung mitteilen. Die Entscheidung kann lauten, an der Kündigung (vorbehaltlich der Zustimmung des Integrationsamts) festzuhalten oder von der Kündigung abzusehen.

Offene Fragen

Hinsichtlich Inhalt und Zeitpunkt der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung geben die vorgestellten Urteile bis zu anderslautenden Entscheidungen höherer Instanzen erste Anhaltspunkte. Neben weiteren zahlreichen Fragen bleibt aber insbesondere offen, wie viel Zeit die Schwerbehindertenvertretung für eine Stellungnahme hat. Die herrschende Literaturmeinung orientiert sich hier bei ordentlichen Kündigungen an der Wochenfrist, die für den Betriebsrat gilt.

Ablauf einer Kündigung von schwerbehinderten Arbeitnehmern

Für die Praxis lassen sich aus den Urteilen folgende Schlussfolgerungen ziehen:

  • Aus Vorsichtsgründen sollte die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung inhaltlich der des Betriebsrats entsprechen.
  • Die Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung hat zudem „unverzüglich″ zu erfolgen, also insbesondere vor der Stellung eines Zustimmungsantrags beim Integrationsamt.

Sofern weitere Urteile keine neuen Erkenntnisse bringen, geht der Arbeitgeber bei Kündigungen von schwerbehinderten Arbeitnehmern regelmäßig zweckmäßigerweise wie folgt vor:

  1. Parallele, inhaltsgleiche Anhörung der Schwerbehindertenvertretung und des Betriebsrats
  2. Abschluss der Anhörungen und Mitteilung der Entscheidung an die Schwerbehindertenvertretung
  3. Stellung Zustimmungsantrag beim Integrationsamt

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Europäische Wende im kirchlichen Arbeitsrecht?

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Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Sache „Egenberger“ (Az.: C-414/16) hat weitreichende Konsequenzen für das deutsche kirchliche Arbeitsrecht.

Gleichzeitig steht das Urteil in grundlegendem Konflikt mit den bisherigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Thematik. Muss das Bundesverfassungsgericht seine bisherige Rechtsprechung zum kirchlichen Arbeitsrecht ändern?

Die Rolle des EuGH für das kirchliche Arbeitsrecht

Der EuGH wurde zu einem Akteur innerhalb des deutschen kirchlichen Arbeitsrechts, da die europarechtlich zulässige Reichweite der „Kirchenklausel“ § 9 Abs. 1 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) zu bestimmen war. Auf Grundlage dieser Vorschrift ist den Kirchen eine größere Freiheit gewährt, diskriminierungsrelevante Anforderungen an ihre Arbeitnehmer zu stellen. Wie das gesamte AGG beruht auch § 9 Abs. 1 AGG auf der Umsetzung der europäischen Richtlinie 2000/78/EG, sodass der EuGH über die unionsrechtskonforme Auslegung entscheiden musste.

Eine ausführliche Analyse hinsichtlich der arbeitsrechtlichen Auswirkungen haben wir bereits vorgenommen. Als Kernaussage des Urteils ist festzuhalten, dass Arbeitsgerichte eine Abwägung durchführen müssen, ob eine von den Kirchen gemachte Anforderung an die Religionszugehörigkeit eines Bewerbers eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte Anforderung angesichts des Ethos der jeweiligen Kirche darstellt. Nur wenn diese Abwägung zugunsten des kirchlichen Arbeitgebers ausfällt, kann eine Benachteiligung aufgrund der Religionszugehörigkeit durch einen kirchlichen Arbeitgeber gerechtfertigt werden. Damit ist für eine Rechtfertigung nach § 9 Abs. 1 AGG nicht das kirchliche Selbstverständnis, sondern die Einschätzung des weltlichen Richters letztverbindlich.

Für die erforderliche Abwägung gibt der EuGH auch einen Anhaltspunkt vor: Eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte Anforderung könne sich insbesondere aus der Art der Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung ergeben. Durch diese Vorgaben wird künftig entscheidend sein, inwieweit die Tätigkeit für einen kirchlichen Arbeitgeber in den Verkündigungsauftrag der jeweiligen Kirche eingebunden oder für die Wahrung deren Glaubwürdigkeit relevant ist. Von Hilfskräften können die Kirchen eine bestimmte Religionszugehörigkeit im Lichte des AGG danach wohl nicht mehr fordern. Dies ist wahrscheinlich nur bei der erheblich kleineren Gruppe von Arbeitnehmern mit leitenden, repräsentierenden oder für den kirchlichen Auftrag besonders bedeutsamer Funktionen möglich. Inwieweit die Grenzfälle zwischen jenen beiden Polen zu beurteilen sind, werden die nationalen Arbeitsgerichte beantworten müssen.

Konflikt mit der Rechtsprechung des BVerfG

1. Kirchliches Arbeitsrecht als Ausdruck kirchlicher Selbstbestimmung

Die nun vom EuGH gemachten Vorgaben stehen im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Soweit die Kirchen aufgrund ihrer Glaubenslehre Anforderungen an ihre Arbeitnehmer richten, hält das Bundesverfassungsgericht eine Abwägung zwischen den Rechtspositionen von Kirche und Arbeitnehmer nicht für erforderlich. Vielmehr sind die Kirchen im Wesentlichen frei, entsprechende Vorgaben zu machen.

Eine verfassungsrechtliche Dimension erlangt das deutsche kirchliche Arbeitsrecht durch die Tatsache, dass auch die Beschäftigung von Arbeitnehmern unter den Schutzbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 140 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV (Weimarer Reichsverfassung) fällt. So hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahre 1985 festgestellt, dass es den Kirchen kraft ihres Selbstbestimmungsrechts auch bei der Begründung von privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen ermöglicht ist, die „religiöse Dimension“ ihres Wirkens im Sinne ihres Selbstverständnisses durch eine entsprechende Gestaltung ihrer Arbeitsverhältnisse sicherzustellen (BVerfG, Beschluss v. 04. Juni 1985 – 2 BvR 1703/83).

Auf Grundlage dieser Rechtsprechung können die Kirchen verbindlich bestimmen, was die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordert, was spezifisch kirchliche Aufgaben sind, was Nähe zu ihnen bedeutet, welches die wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre sind und was als – gegebenenfalls schwerer – Verstoß gegen diese anzusehen ist. Maßstab ist danach alleine das kirchliche Selbstverständnis. Diese Grundsätze hat das Bundesverfassungsgericht in der sogenannten „Chefarzt“-Entscheidung (BVerfG, Beschluss v. 22. Oktober 2014 – 2 BvR 661/12) bestätigt.

Praktisch bedeutet dies, dass die Kirchen ihren Arbeitnehmern sogenannte Loyalitätsobliegenheiten auferlegen können. Dabei können sie verlangen, dass ihre Mitarbeiter – auch im Privatleben – nicht gegen die kirchliche Glaubens- und Sittenlehre verstoßen. Grundsätzlich dürfen sich die staatlichen Gerichte nicht über solche kirchlichen Vorgaben hinwegsetzen. Allenfalls ein Verstoß gegen die Grundprinzipien der Rechtsordnung würde zur Unwirksamkeit einer Loyalitätsobliegenheit führen – was in der Praxis soweit ersichtlich allerdings noch nicht vorgekommen ist.

Verstößt ein Arbeitnehmer gegen eine Loyalitätsobliegenheit, stellt dies einen Kündigungsgrund dar, der von den Arbeitsgerichten anzuerkennen ist. Auch dürfen die Kirchen beurteilen, als wie schwerwiegend der Verstoß einzuschätzen ist.

Eine ausdrückliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu kirchlichen Anforderungen gegenüber Stellenbewerbern ist bislang nicht ergangen. Es kann aber kaum ein Zweifel daran bestehen, dass die Richter aus Karlsruhe auch in diesem Zusammenhang entsprechend ihrer Rechtsprechung zu Loyalitätsobliegenheiten entschieden hätten. Denn auf Grundlage ihrer Konzeption des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts müssen die Kirchen verbindlich aufgrund ihres Selbstverständnisses bestimmen können, welche Anforderungen sie aufgrund ihrer Glaubenslehre an ihre Stellenbewerber richten. Nach den vom Bundesverfassungsgericht (bislang) aufgestellten Grundsätzen dürften diese nur auf einen Verstoß gegen die Grundprinzipien der Rechtsordnung überprüft werden.

Darüber hinaus werden den Kirchen auch im kollektiven Arbeitsrecht aufgrund ihres Selbstbestimmungsrechts umfassende Freiheiten gewährt. Das Betriebsverfassungsgesetz findet nach § 118 Abs. 2 BetrVG keine Anwendung auf die Kirchen und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen. Auch hat das BAG entschieden, dass in kirchlichen Einrichtungen keine Arbeitskämpfe durchgeführt werden dürfen, solange die Kirchen ihre Arbeitsvertragsrichtlinien auf Grundlage des sogenannten „Dritten Wegs“ mit paritätisch besetzten Kommissionen gestalten (BAG, Urteil v. 20. November 2012 – 1 AZR 179/11).

Aus säkularer Perspektive mag es durchaus irritierend sein, dass den Kirchen derartige Freiheiten im Arbeitsrecht von staatlicher Seite gewährt werden, die für „weltliche“ Arbeitgeber – aus guten Gründen – undenkbar sind. Letztlich sind diese Freiheiten aber notwendige Konsequenz aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes. Die Notwendigkeit der Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Bundesverfassungsgericht mit Nachdruck deutlich gemacht.

2. Keine ausreichende Berücksichtigung nationalen Verfassungsrechts durch den EuGH

Auf die deutschen verfassungsrechtlichen Vorgaben ist der EuGH in der hier besprochenen Entscheidung im Zusammenhang seiner rechtlichen Erwägungen aber nicht eingegangen. Dabei wäre dies auch im europarechtlichen Kontext erforderlich gewesen. Denn nach der primärrechtlichen Vorschrift des Art. 17 AEUV achtet die Europäische Union den Status der Kirchen, den sie nach nationalem Recht genießen und beeinträchtigt ihn nicht. Diese Vorgaben bleiben jedoch unbeachtet, da das Urteil des EuGH eine empfindliche Beeinträchtigung der Rechtsstellung der Kirchen in Deutschland zur Folge haben wird.

Mit Art. 17 AEUV wird die Tatsache berücksichtigt, dass das Verhältnis von Staat und Kirche Ausdruck einer langen historischen Entwicklung und letztlich Ausdruck der spezifisch „nationalen Identität“ ist. Im europäischen Vergleich genießen die Kirchen gerade innerhalb Deutschlands ein besonders umfassendes Selbstbestimmungsrecht, was sich insbesondere auf das Arbeitsrecht auswirkt. Dazu gehört allem Voran die bereits angesprochene Möglichkeit der Kirchen, ihren Arbeitnehmern Loyalitätsobliegenheiten aufzuerlegen. Auch im Kündigungsschutzrecht wird im Rahmen der Interessenabwägung dem kirchlichen Selbstverständnis ein besonders hohes Gewicht beigemessen.

Das nun vom EuGH statuierte Erfordernis einer Abwägung zwischen dem Interesse der Kirche und des Arbeitnehmers zur Beurteilung der Wirksamkeit einer kirchlichen Vorgabe entspricht dem grundsätzlichen Rechtsverständnis etwa innerhalb Englands oder in Frankreich. Dort ist der durch das Verfassungsrecht gewährte Umfang kirchlicher Autonomie traditionell erheblich eingeschränkter. Als Konsequenz daraus können die Kirchen in diesen Ländern nicht alleine aufgrund ihres Selbstverständnisses Anforderungen an ihre Mitarbeiter stellen. Vielmehr ist dort immer auch die Einschätzung des Arbeitsgerichts entscheidend, ob die jeweilige Anforderung unter Berücksichtigung aller Umstände angemessen ist, was im Rahmen einer Abwägung entschieden wird.

Diese Herangehensweise ist – wie vorangehend dargestellt – allerdings nicht mit dem deutschen kirchlichen Selbstbestimmungsrecht vereinbar. Der EuGH zwingt nun auch die deutschen Arbeitsgerichte, eine derartige Abwägung vorzunehmen. Infolge einer solchen „Rechtsharmonisierung“ bleibt der erforderliche Schutz der nationalstaatlichen Besonderheiten hinsichtlich der kirchlichen Rechtsstellung aber unberücksichtigt.

3. Mögliche Reaktion des Bundesverfassungsgerichts

Es ist nicht vorauszusehen, wie das Bundesverfassungsgericht bei einer künftigen Verfassungsbeschwerde eines kirchlichen Arbeitgebers mit der Entscheidung des EuGH umgehen wird. Grundsätzlich gilt, dass Gemeinschaftsrecht – auch in seiner Auslegung durch den EuGH – dem nationalen Recht, einschließlich Verfassungsrecht, vorgeht (vgl. BVerfG, Beschluss v. 07. Juni 2000 – 2 BvL 1/97). Das Bundesverfassungsgericht muss grundsätzlich der vom EuGH vorgegebenen unionsrechtskonformen Auslegung von nationalem Recht folgen, solange der europäische Rechtsschutz der Grundrechte dem Maßstab des Grundgesetzes in seinem Wesensgehalt genügt. Diesen Vorbehalt hat das Bundesverfassungsgericht jüngst durch eine „Identitätskontrolle″ erweitert (vgl. BVerfG, Beschluss v. 15. Dezember 2015 – 2 BvR 2735/14). Danach kann auch Unionsrecht in besonderen Ausnahmefällen für unanwendbar erklärt werden, sofern der als unabdingbar angesehene Grundrechtsschutz aus der „Ewigkeitsklausel″ des Art. 79 Abs. 3 GG als verletzt anzusehen ist.

Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht aus Art. 140 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV ist nicht unmittelbarer Bestandteil der Ewigkeitsklausel. Doch erachtet das Bundesverfassungsgericht die kirchliche Autonomie in ständiger Rechtsprechung als ein organisches Ganzes mit der korporativen Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Insofern kann durchaus vertreten werden, dass auch das kirchliche Selbstbestimmungsrecht ein Bestandteil der Identitätskontrolle sein kann. Ob das Bundesverfassungsgericht auf dieser Grundlage eine Verletzung der deutschen Verfassungsidentität annehmen und dadurch eine direkte Konfrontation mit dem EuGH eingehen wird, bleibt abzuwarten.

Konsequenzen für die kirchliche Arbeitsrechtspraxis

In der Beschäftigungspraxis der Kirchen wird die Entscheidung des EuGH allerdings geringere Auswirkungen haben, als die allgemeine mediale Resonanz vermuten lassen könnte. Denn die internen kirchenrechtlichen Vorgaben haben nach einer Novellierung in den vergangenen Jahren die Vorgaben an Bewerber für kirchliche Arbeitsverhältnisse erheblich liberalisiert. Nach der für die katholische Kirche maßgeblichen „Grundordnung“ (Grundordnung des katholischen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse) darf nur die Übertragung geistlich geprägter sowie in der Regel erzieherischer oder leitender Aufgaben an Angehörige der katholischen Kirche erfolgen. Die Vergabe sämtlicher anderer Stellen ist nicht an eine solche Voraussetzung geknüpft. Auch die „Loyalitätsrichtlinie“ der evangelischen Kirche (Richtlinie über kirchliche Anforderungen beruflicher Mitarbeit) sieht für Tätigkeiten abseits der Verkündigung, der Seelsorge, der evangelischen Bildung und der Dienststellenleitung keine Notwendigkeit einer Konfessionszugehörigkeit vor. Damit dürften die Kirchen bereits jetzt mit großer Wahrscheinlichkeit die Anforderungen des vom EuGH geforderten Abwägungsprogramms im Rahmen von § 9 Abs. 1 AGG erfüllen.

Ausblick: Konflikt mit dem Bundesverfassungsgericht wird sich ausweiten

Ausblickend darf in naher Zukunft eine weitere Entscheidung aus Luxemburg zum kirchlichen Arbeitsrecht erwartet werden. Denn auch im Zusammenhang des bereits angesprochenen „Chefarzt“-Falls ist dem EuGH vom BAG eine Vorabentscheidungsfrage vorgelegt worden. In diesem Zusammenhang wird der EuGH zu beantworten haben, inwieweit die Kirchen auf Grundlage von Art. 9 Abs. 2 AGG (weiterhin) ihren Arbeitnehmern Loyalitätsobliegenheiten auferlegen und bei Verstoß gegen diese das Arbeitsverhältnis ggf. kündigen können.

Es ist zu erwarten, dass sich der EuGH auch diesbezüglich an seinen in der soeben ergangenen Entscheidung entwickelten Grundsätzen orientieren wird. Der Konflikt mit dem Bundesverfassungsgericht wird sich daher wohl künftig noch intensivieren.

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Berufsrisiko: Schnelle Fahrt mit Folgen

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Als Rainer Schattler die Überschrift „Abmahnung″ in dem Schreiben vor ihm auf seinem Schreibtisch las, spürte er eine Hitzewelle über seinem Rücken hoch in Richtung Kopf steigen. Beim Durchforsten seines Kalenders unter dem 14.03. fiel ihm kein besonderer Eintrag auf. An einem Mittwoch konnte der Verkehr auf dem morgendlichen Weg ins Büro auch nicht so schlimm gewesen sein. Im Ledersessel hinter dem Steuer seines Dienstwagens bekam man davon aber auch nicht alles mit: Er fuhr ja meist links und vor dem Verkehr!

Und jetzt sollte er also auf der Autobahn in einem Abschnitt mit Geschwindigkeitsbegrenzung einen Kleinwagen durch dichtes Auffahren und Lichthupe bedrängt und dann mit hoher Geschwindigkeit rechts überholt haben?

Er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern. Eigentlich machten die Langsamfahrer doch sowieso immer von alleine Platz?

Aber jetzt hatte so ein Linksspurblockierer sich nicht nur sein Kennzeichen gemerkt, sondern auch den Firmennamen seines Arbeitgebers auf der Kennzeichenumrandung.

Wie hatte der oder die das denn überhaupt lesen können? Vermutlich im innerstädtischen Verkehr nach der Autobahn an einer Ampel getroffen?

Jedenfalls hatte der oder die dann nicht Anzeige bei der Polizei erstattet, sondern seinem Arbeitgeber einen Brief geschrieben.

Und irgendwo in der Personalabteilung hatten sie jetzt also ihm, Rainer Schattler, gehobenes Management (mit Fahrzeugkategorie A) eine Abmahnung geschrieben: Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung (Überhöhte Geschwindigkeit, § 3 StVO, zu geringer Abstand, § 4 StVO, Rechtsüberholen, § 5 StVO). Und dann auch noch Verstoß gegen die Dienstwagenrichtlinie; mit Hinweis auf einen möglichen Widerruf der Dienstwagennutzung.

Er konnte sich das grinsende Gesicht dieses Anzeigenerstatters vorstellen: Die Rache des Kleinwagenfahrers.

Verkehrsverstoß als Vertragsverletzung

Die Rechtsprechung hat sich – abgesehen von Haftungsfragen bei Beschädigungen – bislang in erstaunlich wenigen Fällen mit den arbeitsvertraglichen Konsequenzen von Verkehrsverstößen mit Dienstfahrzeugen befasst:

Wer die im Straßenverkehr geltenden Regeln grob verkehrswidrig und rücksichtslos missachtet und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen gefährdet, begeht nicht nur eine Ordnungswidrigkeit, sondern macht sich unter Umständen auch strafbar.

Die Rechtsprechung formuliert es so: Wenn der Arbeitnehmer im Rahmen der Ausübung seiner vertraglich geschuldeten Arbeit mit dem Dienstfahrzeug des Arbeitgebers eine Gefährdung des Straßenverkehrs begeht, ist dies an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darzustellen (LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 8. Oktober 2015 – 5 Sa 176/15). Ein Arbeitnehmer, der Dienstfahrten mit einem Dienstfahrzeug verrichtet, muss sich selbstverständlich im Straßenverkehr an die Straßenverkehrsordnung halten.

Kraftfahrer, deren Hauptleistungspflicht – wie beim LKW-Fahrer – im Führen des Kraftfahrzeugs liegt, verletzen mit Verstößen gegen die StVO ihre Hauptleistungspflichten. Verkehrsverstöße solcher Mitarbeiter sind Pflichtverletzungen im Leistungsbereich und können bis zu einer (fristlosen) Kündigung führen. Das kann so weit gehen, dass die Einnahme von Drogen die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Berufskraftfahrers auch dann rechtfertigen kann, wenn nicht feststeht, dass die Fahrtüchtigkeit konkret beeinträchtigt war (BAG, Urteil v. 20. Oktober 2016 – 6 AZR 471/15).

Auch Mitarbeiter, deren Haupttätigkeit z.B. im Außendienst, ohne Firmenfahrzeug nicht ausgeübt werden kann, verstoßen durch Verkehrsdelikte gegen ihre Hauptleistungspflichten und werden in der Regel so behandelt wie Berufskraftfahrer (BAG, Urteil v. 14. Februar 1991 – 2 AZR 525/90). Lässt es der Nutzungsvertrag zu, dass das Firmenfahrzeug von Dritten gefahren werden darf und der von einem Fahrverbot betroffene Beschäftigte angeboten hat, sich von einem Verwandten fahren zu lassen, gilt dies allerdings nur eingeschränkt (vgl. LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 3. Juli 2014 – 5 Sa 27/14).

Allerdings gehen die Gerichte grundsätzlich davon aus, dass der Arbeitnehmer sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für sein Arbeitsverhältnis ändern wird. Daher muss der Arbeitgeber solche Verkehrsverstöße grundsätzlich zunächst abmahnen.

Firmenwagennutzer mit Nebenpflichten

Und was gilt bei den Beschäftigten, die ihren Dienstwagen zwar zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzen, aber weder Kraftfahrer sind, noch das Fahrzeug für ihre Arbeitstätigkeit benötigen?

Auch hier sind Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung Verstöße gegen arbeitsvertragliche Nebenpflichten, insbesondere Nebenpflichten aus einer Dienstwagenüberlassungsvereinbarung. Vereinbarungen über die Überlassung eines Dienstwagens sehen regelmäßig vor, dass sich der Beschäftigte auch gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet, die Verkehrsvorschriften einzuhalten und den Arbeitgeber unverzüglich zu unterrichten, wenn ihnen die Fahrerlaubnis zeitweilig oder auf Dauer entzogen wird. Wer gegen solche Nebenpflichten verstößt, kann ebenfalls abgemahnt – schlimmstenfalls gekündigt werden.

Der Arbeitgeber kann sich, wenn er dem Arbeitnehmer ein Fahrzeug zur Privatnutzung überlässt, deren Widerruf vorbehalten. Er muss in einem Formularvertrag – und das sind die Dienstwagenüberlassungsverträge nahezu immer – die AGB-Anforderungen beachten. Der für den Widerruf maßgebliche Sachgrund muss dem Vertrag zu entnehmen sein; auch darf der Wert der Privatnutzung (Sachbezug als geldwerter Vorteil) 25% der Gesamtvergütung nicht überschreiten – das dürfte beim klassischen Dienstwagenberechtigten und derzeit geltenden steuerlichen Regelungen in der Praxis nicht vorkommen.

Allein der Entzug der Fahrerlaubnis kann bei Beschäftigten, die keine Fahrtätigkeit übernehmen, grundsätzlich keinen Grund zur Beendigung des Vertragsverhältnisses darstellen (LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 3. Juli 2014 -  5 Sa 27/14). Wie der Mitarbeiter ins Büro kommt, ist seine Sache. Der Betroffene kann sich fahren lassen oder auf öffentliche Verkehrsmittel ausweichen. Schwierig wird es allerdings für diejenigen, die mangels alternativer Beförderungsmöglichkeiten auf den Individualverkehr angewiesen sind. Können sie sich keine Fahrt zum Arbeitsplatz organisieren, riskieren sie Abmahnung und Kündigung. Dann allerdings nicht wegen des Verkehrsverstoßes, sondern wegen Zuspätkommens oder Nichterscheinens.

Aber auch wenn die Fahrt ins Büro grundsätzlich außerdienstliches Verhalten ist, kann sie kündigungsrelevant werden, wenn sie sich innerbetrieblich auswirkt. Das gilt zum Beispiel für die Trunkenheitsfahrt eines Verkäufers von Sportwagen, die ernsthafte Zweifel an seiner Zuverlässigkeit oder Eignung hervorrufen kann oder den Ruf des Arbeitgebers beeinträchtigt (ArbG Düsseldorf, Urteil v. 12. Juli 2016 – 15 Ca 1769/16).

Es gibt weitere „Berufsrisiken″ – die Serie wird fortgesetzt.

Unsere Personen und die Handlung sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder tatsächlichen Begebenheiten wären rein zufällig.

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Vermittlungsprovision nach Kündigung durch Personaldienstleister?

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Entscheidungen über die gerichtliche Durchsetzung der Zahlung einer Vermittlungsprovision an einen Personaldienstleister nach der Übernahme eines vorher bei dem Kunden eingesetzten Zeitarbeitnehmers durch selbigen sind selten. Dies mag daran liegen, dass entsprechende „Konflikte″ vor dem Hintergrund der oftmals laufenden Geschäftsbeziehungen nicht vor den Gerichten geklärt werden, sondern in der Praxis regelmäßig eine für beide Parteien vertretbare „wirtschaftliche Lösung″ gefunden wird. Eine solche kann u.a. einen Verzicht des Personaldienstleisters auf die an sich vertraglich vereinbarte Vermittlungsprovision oder deren (erhebliche) Reduktion – möglichweise gegen die Zusage des Kunden auf die Abnahme bestimmter „Kontingente″ oder „Volumina″ – bedeuten.

Kein Anspruch des Zeitarbeitsunternehmens auf Vermittlungsprovision

Vor diesem Hintergrund ist eine aktuelle Entscheidung des LG Braunschweig interessant, das sich damit befasst hat, ob das Zeitarbeitsunternehmen die Zahlung einer in AGB vereinbarten Vermittlungsprovision vom Kunden beanspruchen kann, nachdem dieser ein Arbeitsverhältnis mit dem überlassenen Mitarbeiter begründet hat, das vorher vom Personaldienstleister gekündigt worden ist (Urt. v. 18. Januar 2018 – 1 O 1939/17 (214). Im Ergebnis hat das Gericht einen solchen Anspruch verneint.

Forderung einer in AGB vorgesehenen Vermittlungsprovision

Der Personaldienstleister X und das später beklagte Kundenunternehmen Y schlossen einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag. In den von dem Personaldienstleister in diesem Zusammenhang gestellten AGB heißt es in Ziff. 15:

Kommt es während der Dauer eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages zwischen dem Entleiher oder eines mit ihm rechtlich oder wirtschaftlich verbunden Unternehmens und dem Mitarbeiter von X zum Abschluss eines Arbeitsvertrages, gilt dies unwiderleglich als Personalvermittlung. Eine Vermittlung liegt auch dann vor, wenn der Entleiher oder ein mit ihm rechtlich oder wirtschaftlich verbundenes Unternehmen innerhalb von 6 Monaten nach Beendigung der Überlassung mit dem Mitarbeiter einen Arbeitsvertrag schließt. Dem Entleiher bleibt in diesem Fall der Nachweis vorbehalten, dass der Abschluss des Arbeitsvertrages nicht auf der vorangegangenen Überlassung beruht. X hat in beiden Fällen Anspruch auf Zahlung einer Vermittlungsprovision gegenüber dem Entleiher. […]„

Der Arbeitnehmer Z wurde von Dezember 2016 bis Februar 2017 mehrfach im Betrieb des Beklagten eingesetzt. Mit Schreiben vom 20. Februar 2017 kündigte die Klägerin das mit Z bestehende Arbeitsverhältnis zum 31. März 2017. Im März 2017 schloss der Beklagte mit Z einen Arbeitsvertrag.

Die daraufhin von der Klägerin dem Beklagten in Rechnung gestellten Personalvermittlungskosten wurden – trotz zwei schriftlicher Aufforderungen – nicht gezahlt. Der Beklagte ist der Meinung, dass der Klägerin aufgrund der vorherigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem sodann übernommenen Arbeitnehmer keine Personalvermittlungskosten zustehen würden.

Keine „Übernahme“ im Sinne der AGB des Personalvermittlers

Die Klausel regele den Anspruch des Personaldienstleisters auf Vergütung, soweit der Arbeitnehmer während der Überlassung oder im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dieser vom Kunden übernommen werde. Grundsätzlich könne eine derartige Bestimmung zwar wirksam sein (vgl. BGH v. 11. März 2010 – III ZR 240/09; BGH v. 10. November 2011 – III ZR 77/11). Im vorliegenden Fall liege allerdings – nach einer Auslegung der vertraglichen Regelung – keine Übernahme i.S.v. Ziff. 15 der AGB vor, da die Klägerin das Arbeitsverhältnis zu dem übernommenen Zeitarbeitnehmer bereits vor Abschluss des Arbeitsvertrages zwischen dem Beklagten und Z gekündigt habe.

Kündigung des Arbeitnehmers durch Personaldienstleister schließt Vermittlungsprovision aus

Eine Übernahme setze vom Wortlaut voraus, dass eine Person von einer anderen direkt etwas erhalte bzw. sich direkt nehme. Demnach erfordere eine Übernahme im Sinne der Arbeitnehmerüberlassung, dass der Kunde den Zeitarbeitnehmer gerade aus dem Arbeitsverhältnis zum Personaldienstleister übernehme. Kündige das Zeitarbeitsunternehmen jedoch den Vertrag zum Zeitarbeitnehmer und suche sich dieser daraufhin eigenständig eine neue Arbeitsstelle, könne keine Rede von einer Übernahme sein. Ein verständiger und redlicher Vertragspartner würde davon ausgehen, dass der Personaldienstleister kein Interesse mehr an dem weiteren Werdegang des Zeitarbeitnehmers habe und demnach keine finanziellen Ansprüche mehr geltend mache.

Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile nicht erforderlich

Auch der Sinn und Zweck der Vergütungsregelung spreche für diese Auslegung des Begriffs „Übernahme″. Grundsätzlich solle die Vergütung der teilweise Ausgleich dafür sein, dass es zu einem ungeplanten Wechsel des Zeitarbeitnehmers zum Kunden gekommen sei, der erhebliche wirtschaftliche Nachteile für den Personaldienstleister bringen könne (BGH v. 10. November 2011 – III ZR 77/11). Solche lägen aber gerade dann nicht vor, wenn das Zeitarbeitsunternehmen von sich aus das Arbeitsverhältnis gekündigt habe, denn in einem solchen Fall müsse dieses sich ebenfalls selbst um Ersatz bemühen, ohne hierfür eine Kompensation zu erhalten. Des Weiteren liege kein ungeplanter Wechsel vor. Kündige der Personaldienstleister das mit dem Zeitarbeitnehmer bestehende Arbeitsverhältnis müsse dieser davon ausgehen, dass sich der Mitarbeiter eine neue Arbeitsstelle suchen werde. Ob dies bei einem vormaligen Kunden oder einem unbeteiligten Dritten erfolge, sei dabei unerheblich.

Vermittlungsprovision könnte Wechsel des Arbeitnehmers verhindern oder wesentlich erschweren

Die Erstreckung einer Übernahme auf ein bereits durch den Personaldienstleister gekündigtes Arbeitsverhältnis würde darüber hinaus zu einer Unwirksamkeit von Ziff. 15 der AGB führen. Gem. § 9 Abs. 1 Nr. 3 HS. 1 AÜG seien Vereinbarungen unwirksam, die es dem Kunden untersagten, den Zeitarbeitnehmer zu einem Zeitpunkt einzustellen, in dem dessen Arbeitsverhältnis zum Personaldienstleister nicht mehr bestehe. Dieses Verbot erstrecke sich auch auf Vereinbarungen zwischen dem Zeitarbeitsunternehmen und dem Kunden, die den Wechsel des Arbeitnehmers zu diesem verhinderten oder wesentlich erschwerten. Hierunter könnten grundsätzlich Vermittlungsprovisionen fallen, die sich der Verleiher vom Entleiher im Falle der Übernahme versprechen lasse (BGH v. 3. Juli 2003 – III ZR 348/02; BGH v. 11. März 2010 – III ZR 240/09; BGH v. 10. November 2011 – III ZR 77/11).

Seit dem 01. Januar 2004 sei zwar in § 9 Abs. 1 Nr. 3 HS. 2 AÜG vorgesehen, dass die Unwirksamkeitsfolge aus Halbsatz 1 die Vereinbarung einer angemessenen Vergütung für die nach einer vorangegangenen Überlassung erfolgende Übernahme nicht ausschließe. Diese Bestimmung führe vorliegend jedoch zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Die Regelung sei durch den Gesetzgeber in das AÜG aufgenommen worden, da dieser eine Übernahme des Zeitarbeitnehmers grundsätzlich als sozialpolitisch erwünscht und damit honorarwürdig angesehen habe (BT-Drucks. 15/6008, S. 11).

Der Gesetzgeber habe durch die Einführung des 2. Halbsatzes der Tatsache Rechnung tragen wollen, dass eine entgeltliche Arbeitsvermittlung eine erlaubte Tätigkeit darstelle und eine Arbeitnehmerüberlassung häufig mit dem Ziel der Personalgewinnung erfolge (BT-Drucks. 15/1749, S. 29). § 9 Abs. 1 Nr. 3 AÜG unterscheide auch nicht danach, ob das Arbeitsverhältnis durch den Personaldienstleister oder den Zeitarbeitnehmer beendet worden sei. Das Gesetz spreche undifferenziert nur von einem beendeten Arbeitsverhältnis.

Wahlrecht des Arbeitnehmers soll nicht beeinträchtigt werden

Aufgrund der unterschiedlichen Konsequenzen für den Zeitarbeitnehmer sei das Gesetz jedoch dahingehend auszulegen, dass nur der Fall, dass dieser das Arbeitsverhältnis selbst kündige, erfasst sei. Der Gesetzgeber wolle es dem Mitarbeiter durch die Einführung des 2. Halbsatzes nicht erschweren, eine andere Arbeitsstelle zu finden. Dies ergebe sich zum einem aus dem Sinn und Zweck des § 9 Abs. 1 Nr. 3 AÜG, nach dem das Recht des Arbeitnehmers auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nicht beeinträchtigt werden solle (BT-Drucks. 15/1749, S. 29).

Vermittlungsprovision würde Arbeitsplatzsuche beeinträchtigen

Zum anderen spiegele sich die Intention in der Gesetzesbegründung wieder, nach der die vereinbarte Vergütung angemessen sein müsse, damit der sozialpolitisch gewünschte Wechsel nicht erschwert werde (BT-Drucks. 15/6008, S. 11). Könne der Personaldienstleister sogar nach der Kündigung des mit dem Zeitarbeitnehmers bestehenden Arbeitsverhältnisses für danach geschlossene Arbeitsverträge mit einem vormaligen Kunden eine Provision verlangen, würde dies faktisch zu einer Beeinträchtigung der Arbeitsplatzsuche führen.

Es wäre zu befürchten, dass der Zeitarbeitnehmer, der aufgrund der (arbeitgeberseitigen) Kündigung zwingend auf eine neue Anstellung angewiesen sei, aufgrund einer möglichen vom Personaldienstleister geforderten Provision bei der Suche erheblich beschränkt wäre. Er müsste davon ausgehen, dass er bei Arbeitgebern, bei denen er in den Monaten zuvor tätig gewesen sei, eine deutlich erschwerte Chance auf Einstellung habe, da sich der potentielle Arbeitgeber bei einer anderen Auslegung der Bestimmung einem möglichen Provisionsanspruch durch den Personaldienstleister ausgesetzt sehen würde. Ein solcher, der je nach Verdienst des Arbeitnehmers nicht notwendig geringfügig ausfallen müsse, sei grundsätzlich dazu geeignet, dass der potentielle Arbeitgeber von einer Einstellung absehen oder anderen Bewerbern den Vorzug geben werde.

Zeitarbeitnehmer wird Arbeitsverhältnis nicht vor Abschluss eines Neuvertrages kündigen

Der hiesige Fall sei auch nicht mit dem Regelfall vergleichbar, den der Gesetzgeber bei der Einfügung der 2. Halbsatzes in § 9 Abs. 1 Nr. 3 AÜG vor Augen gehabt haben dürfte, nämlich dass der Zeitarbeitnehmer ohne vorherige Kündigung durch den Personaldienstleister zum Kunden wechsele. Regelmäßig habe der Zeitarbeitnehmer einen gesicherten Arbeitsplatz, denn er werde das Arbeitsverhältnis nicht kündigen, bevor er eine Vereinbarung mit dem Kunden über seine Anstellung geschlossen habe.

Er sei dadurch in der Lage, seinen Lebensunterhalt – im besten Fall ohne Unterbrechung – eigenständig zu finanzieren. Vorliegend müsse der Zeitarbeitnehmer jedoch befürchten, dass er nach Ablauf der Kündigungsfrist in die Arbeitslosigkeit falle. Die (etwaige) Beanspruchung von staatlicher Unterstützung habe für den Zeitarbeitnehmer drastische soziale und wirtschaftliche Konsequenzen, so dass eine unterschiedliche Behandlung der beiden Fälle angezeigt sei.

Umstand der Vermittlungstätigkeit muss hinter sozialpolitischem Zweck zurücktreten

Für die Angemessenheit dieser Differenzierung spreche ebenfalls der bereits erläuterte Sinn und Zweck der Vermittlungsvergütung. Müsse der Personaldienstleister keinen wirtschaftlichen Nachteil hinnehmen, gebe es auch keinen solchen, der durch die Vergütungsregelung kompensiert werden müsse. Etwas anderes ergebe sich nicht daraus, dass die Vermittlungstätigkeit an sich bereits durch die Überlassung des Zeitarbeitnehmers durchgeführt worden sei. Als solche müsse dabei grundsätzlich jede Tätigkeit angesehen werden, die zu einer Kontaktmöglichkeit zwischen dem Kunden und dem Zeitarbeitnehmer führe (OLG Saarbrücken v. 15. Oktober 2014 – 1 U 113/13).

Allerdings müsse dieser Umstand hinter dem sozialpolitischen Zweck, dass der gekündigte Zeitarbeitnehmer schnell und ohne Erschwernisse durch seinen vormaligen Arbeitgeber eine neue Arbeitsstelle finden könne, zurücktreten. Der Schutz des Zeitarbeitnehmers vor einem sozialen Abstieg überwiege die Interessen des Personaldienstleisters an einer Vergütung – insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass dieser für die vormalige Überlassung bereits ein Entgelt von dem Kunden erhalten habe.

Kommentar: Entscheidung überzeugt weder in der Begründung noch im Ergebnis

Zwar kann man aus materiellen Gerechtigkeitserwägungen sicherlich Verständnis dafür aufbringen, dass ein Personaldienstleister, der aus einem eigenen Entschluss den Arbeitsvertrag mit einem Zeitarbeitnehmer kündigt und damit die zukünftige Zusammenarbeit beendet, nicht noch ein Entgelt dafür erhalten soll, wenn ein Kunde den vormals an diesen überlassenen Mitarbeiter in ein Arbeitsverhältnis übernimmt.

Es kann die Frage gestellt werden, warum der Personaldienstleister noch monetär entschädigt werden soll, wenn der Zeitarbeitnehmer durch die vorher ausgesprochene arbeitgeberseitige Kündigung so oder so aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden wäre. Der Personaldienstleister verliert durch die Übernahme des Mitarbeiters also nichts, was er durch den Ausspruch der Kündigung nicht auch verlieren wollte. Ihm wird daher nicht unfreiwillig ein für ihn bedeutsames Wirtschaftsgut, nämlich die dem Kunden zu überlassende Arbeitskraft des Zeitarbeitnehmers, entzogen.

Insoweit unterscheidet sich die Situation sicherlich von dem Fall, dass der Zeitarbeitnehmer „gegen den Willen des Personaldienstleisters″, u.a. nach einer Eigenkündigung, vom Kunden übernommen wird und dadurch bei dem Zeitarbeitsunternehmen „eine Lücke gerissen wird″, den dieses im Zweifel durch eigene Recruitmentbemühungen ausgleichen müsste.

Maßgebliche Entscheidungsgrundlage müssen AGB und AÜG sein

Selbst wenn das Ergebnis, dem Personaldienstleister – trotz dieser Erwägungen – eine Vermittlungsprovision zuzusprechen, als „ungerecht″ oder „unrichtig″ empfunden wird, kann dieses nicht der Treiber für eine Entscheidung und deren Herleitung sein. Maßgeblich für die Bewertung der Frage, ob ein Zahlungsanspruch besteht oder nicht, sind zunächst die maßgeblichen und in der Folge auszulegenden Rechtsgrundlagen/-quellen, vorliegend die zwischen den Parteien geltenden und vom Personaldienstleister gestellten AGB sowie § 9 Abs. 1 Nr. 3 AÜG. In diesem Zusammenhang macht es sich das LG Braunschweig allerdings etwas zu leicht.

Verweigerung der Zahlung einer Vermittlungsprovision denkbar

Letztlich mag das Urteil des LG Braunschweig – insbesondere aufgrund seines m.E. deutlichen „Ergebnisbezugs″ – wenig überzeugend sein, es ist jedoch nun „in der Welt″, auch wenn es sich zunächst „nur″ um eine erstinstanzliche Entscheidung handelt. Personaldienstleister mögen sich vor diesem Hintergrund darauf einstellen, dass deren Kunden die Zahlung einer Vermittlungsprovision in der Zukunft mit den dortigen Erwägungen ablehnen werden, wenn und soweit die Übernahme des Zeitarbeitnehmers nach einer arbeitgeberseitigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt.

Dieser Umstand mag dann auch geeignet sein, die oftmals nur außergerichtlich geführten Verhandlungen über die Entstehung eines Zahlungsanspruchs argumentativ zugunsten des Kunden zu beeinflussen und den Personaldienstleister davon abhalten, eine gerichtliche Auseinandersetzung – verbunden mit einer Belastung der laufenden Kundenbeziehungen und entsprechender Kostenrisiken – zu suchen.

Abhilfe durch ausdrückliche Regelung schaffen

Um einen Streit zwischen den Parteien über einen Anspruch auf eine Vermittlungsprovision von vornherein auszuschließen, kann es geboten sein, dazu in der maßgeblichen Bestimmung eine ausdrückliche Regelung zu treffen, nach der ein solcher nach einer arbeitgeberseitigen Kündigung nicht entsteht. Hierbei sollte aber sodann zwischen den Gründen differenziert werden, die zu einer solchen geführt haben.

Mag dies bei betriebsbedingten Ursachen, die der Personaldienstleister selbst gesetzt hat, noch nachvollziehbar sein, ist dies bei verhaltensbedingten Gründen sicherlich nicht mehr begründbar, zumal es der Zeitarbeitnehmer dann in der Hand hätte, durch bewusst von ihm initiierte Vertragsverstöße eine kurzfristige Beendigung des Arbeitsverhältnisses (und den von ihm gewünschten Wechsel zum Kunden) zu provozieren und dem Personaldienstleister damit gleichzeitig – möglicherweise in bewusster Abstimmung zwischen Zeitarbeitnehmer und Kunden – seinen Anspruch auf Zahlung einer Vermittlungsprovision zu nehmen.

Eine entsprechend differenziert ausgestaltete Klausel kann insbesondere vor dem Hintergrund geboten sein, dass die vom LG Braunschweig entwickelte Argumentation der zum Ausschluss der Vermittlungsprovision führenden Arbeitgeberkündigung auch unerwünschte „Fernwirkungen″ haben kann, selbst wenn der Zeitarbeitnehmer eine Eigenkündigung ausspricht, die nach bisher überwiegender Ansicht bei einer AGB-rechtlich zulässigen Gestaltung der Klausel im Übrigen zu einem entsprechenden Zahlungsanspruch geführt hätte.

Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass die von der Regelung – nach Auffassung des LG Braunschweig – betroffene unzulässige Konstellation bislang rechtmäßig erfasste Sachverhalte „infiziert″ – mit der Folge, dass ein Anspruch auf Vermittlungsprovision ausfallen kann, wenn zwar im konkreten Fall eine Eigenkündigung des Zeitarbeitnehmers vorliegt, der Kunde aber die Unzulässigkeit der Klausel in Gänze für sich reklamiert, da sich diese auch auf vermeintlich unzulässige Konstellationen bezieht (z.B. Provision nach Übernahme aufgrund einer Arbeitgeberkündigung).

Weitere Entwicklung abwarten

„Blinder Aktionismus″ ist jedoch nicht angezeigt. Zunächst bleibt abzuwarten, ob der Fall aus Braunschweig in die Berufung gehen wird. Dort werden die Karten dann neu gemischt. Sollte die Entscheidung rechtskräftig werden oder sogar vom zuständigen Oberlandeslandesgericht bestätigt werden, muss jeder Personaldienstleister entscheiden, ob er auf Grundlage des m.E. nicht überzeugenden Urteils eine Anpassung der Klausel auf die Zahlung der Vermittlungsvergütung vornimmt. Das „konservative″ Zeitarbeitsunternehmen wird dies tun, um über eine klare und eindeutige Regelung zu verfügen, die im Zweifel geeignet ist, Diskussionen mit dem Kunden zu vermeiden.

Etwas „mutigere″ Personaldienstleister können es freilich darauf ankommen lassen, müssen dann aber bereit sein, entsprechend „unangenehme″ Gespräche mit deren Kunden über das Ob einer Vermittlungsprovision zu führen; dazu sollte es auch gehören, etwaig streitige bleibende Ansprüche in letzter Konsequenz gerichtlich zu verfolgen.

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Kein Anspruch auf Herausgabe der privaten Mobilfunknummer

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Die Digitalisierung ist in vollem Gange und wirkt sich zunehmend auch auf die Arbeitswelt und den privaten Alltag aus. Für viele bedeutet die ständige Nutzung mobiler Geräte wie Smartphones vor allem mehr Flexibilität im Berufsalltag. Kritische Stimmen sehen dagegen die Gefahr einer „ständigen Erreichbarkeit″, die ein Leben ohne Feierabend zur Folge habe.

Das LAG Thüringen war nunmehr gehalten, zu der derzeit bestehenden Diskussion zur Flexibilisierung der Arbeitszeit Stellung zu nehmen. Mit Urteil vom 16. Mai 2018 (Az. 6 Sa 442/17, 6 Sa 444/17) hat es entschieden, dass ein Arbeitgeber von seinen Arbeitnehmern grundsätzlich nicht die Bekanntgabe ihrer privaten Mobilfunknummer verlangen kann, um sie außerhalb eines Bereitschaftsdienstes im Notfall erreichen zu können.

Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte gefordert

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatte ein kommunaler Arbeitgeber das System seiner Rufbereitschaft zur Einrichtung eines Notfalldienstes geändert. Im Rahmen dieser Änderung verlangte er von seinen Arbeitnehmern die Bekanntgabe ihrer privaten Mobilfunknummer, um sie im Notfall auch außerhalb des Bereitschaftsdienstes erreichen zu können. Die Kläger verlangten in diesem Zusammenhang die Entfernung einer arbeitgeberseitigen Abmahnung aus der Personalakte, weil sie nur ihre private Festnetznummer, nicht aber ihre private Handynummer für Bereitschaftsdienste angegeben hatten.

Bereits das ArbG Gera als Vorinstanz (Az. 5 Ca 163/13, 5 Ca 125/17) hatte ein diesbezügliches Recht des Arbeitgebers auf Herausgabe der privaten Mobilfunknummer verneint. Dies hat das LAG Thüringen mit seiner Entscheidung bestätigt, so dass die arbeitgeberseitig ausgesprochene Abmahnung zu Unrecht erfolgte und somit aus der Personalakte zu nehmen ist.

Pflicht zur Herausgabe der privaten Mobilfunknummer ist erheblicher Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung

Nach Auffassung des LAG Thüringen könne es zwar offen bleiben, ob überhaupt eine Anspruchsgrundlage für die Herausgabe der privaten Mobilfunknummer bestehe. Jedenfalls werde ein solcher Anspruch durch das Thüringer Landesdatenschutzgesetz (ThürDSG) begrenzt, da die Pflicht zur Herausgabe der privaten Mobilfunknummer erheblich in das Recht des Arbeitnehmers auf informationelle Selbstbestimmung eingreife und daher durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers gerechtfertigt sein müsse.

Einer Abwägung der beiderseitigen Interessen hielt der Eingriff jedoch nicht stand. Eine Pflicht zur Herausgabe der privaten Mobilfunknummer tangiere – nach Auffassung des LAG Thüringen – im besonderen Maße die persönliche Sphäre des Arbeitnehmers und sei deshalb unangemessen. Dies beruhe vor allem darauf, dass sich der Arbeitnehmer durch die „ständige Erreichbarkeit″ dem Arbeitgeber nicht mehr, jedenfalls nicht ohne Rechtfertigungsdruck, entziehen und damit nicht zur Ruhe kommen könne. Dabei sei – so das Gericht – auch unerheblich, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, tatsächlich vom Arbeitgeber kontaktiert zu werden. Gegen eine vorrangige Schutzwürdigkeit des Arbeitgebers spreche nach seiner Auffassung außerdem, dass dieser die Problemlage durch die Änderung des bestehenden Systems der Rufbereitschaft selbst herbeigeführt habe und zudem andere Möglichkeiten zur Absicherung bei Notfällen bestünden.

Die Zulassung der Revision wurde vom LAG Thüringen mit der Begründung abgelehnt, dass die grundlegende Rechtsfrage, dass ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einer Rechtfertigung durch ein entgegenstehendes, überwiegendes berechtigtes Interesse bedürfe, bereits hinreichend geklärt sei.

Gericht setzt Diskussion um Flexibilisierung der Arbeitszeiten fort

Die Diskussion um eine mögliche Flexibilisierung des aktuellen Arbeitszeitrechts nimmt zu. Befürworter einer Reform argumentieren, das Arbeitszeitgesetz sei veraltet und zu starr. Die darin enthaltenen Regelungen seien nicht mehr mit dem zunehmenden Wunsch nach freien Gestaltungsräumen und der digitalen Welt vereinbar.

Andere hingegen – insbesondere Gewerkschaften und Betriebsräte – wollen an den bestehenden Regelungen im Arbeitszeitgesetz festhalten und fordern zudem eine Reduzierung der Erreichbarkeit – etwa durch eine Löschung von E-Mails nach Feierabend. Ihrer Auffassung zufolge führe die Nutzung digitaler Geräte zu einer ständigen Erreichbarkeit, die langfristig eine Belastung für das Privat- und Familienleben des Arbeitnehmers darstelle. Auch gesundheitliche Beeinträchtigungen wie etwa Burnout seien möglich, wenn der Arbeitnehmer nie abschalten könne. In diesem Sinne hat nunmehr auch das LAG Thüringen Position ergriffen, indem es dem Arbeitgeber – zugunsten des Arbeitnehmers – ein Recht auf Herausgabe der privaten Mobilfunknummer verwehrt.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Diskussion zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten weiter entwickeln wird.

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Berücksichtigung von Zeitarbeitnehmern bei den Schwellenwerten einer Massenentlassung

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Zählen Zeitarbeitnehmer beim Kunden oder zählen sie nicht mit? Diese Frage hat der Gesetzgeber im Rahmen der AÜG-Reform – zumindest im Grundsatz – für die Schwellenwerte der Betriebsverfassung und der Unternehmensmitbestimmung mit einem „Ja″ beantwortet (vgl. § 14 Abs. 2 S. 4 bis 6 AÜG).

Noch ungeklärt ist, ob Zeitarbeitnehmer auch bei Schwellenwerten bei dem Kunden im Übrigen zu berücksichtigen sind – so beispielsweise im Rahmen von § 17 KSchG: Danach ist bei Überschreitung der in der Vorschrift genannten Zahlenwerte vor dem Ausspruch von (betriebsbedingten) Kündigungen des Arbeitgebers oder dem Abschluss entsprechender Aufhebungsverträge ein Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat (sofern vorhanden) und ergänzend eine Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit einzureichen.

Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, sind Kündigungen und sogar Aufhebungsverträge unwirksam.

LAG Düsseldorf lässt Zeitarbeitnehmer bei Schwellenwerten einer Massenentlassung unberücksichtigt

Das LAG Düsseldorf hat es zuletzt mit einer überzeugenden Begründung abgelehnt, Zeitarbeitnehmer bei der Anwendung der Vorschrift mitzuzählen (LAG Düsseldorf v. 8. September 2016 – 11 Sa 705/15).

Dem Verfahren lag dabei folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beklagte betreibt Bildungseinrichtungen. Anfang November 2014 vereinbarte sie mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat einen Interessenausgleich über ihre Absicht, insgesamt vier Einrichtungen zu schließen. Der Klägerin und weiteren 11 Angestellten wurde anschließend gekündigt.

Mit der Kündigungsschutzklage hat die Klägerin geltend gemacht, es habe sich um eine nach § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KSchG anzeigepflichtige Maßnah­me gehandelt. Bei der Beklagten seien nicht mehr als 120 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Deshalb hätten bereits zwölf Kündigungen dazu geführt, dass die Beklagte 10% der in ihrem Betrieb in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer entlassen habe. Demgegenüber hat die Beklagte gemeint, die bei ihr eingesetzten vier Zeitarbeit­nehmer müssten bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl berücksichtigt werden. Daher habe sie keine Massenentlassungsanzeige erstatten müssen.

BAG legt dem EuGH das Verfahren  vor

Auf die Revision vor dem BAG hat der 2. Senat nun entschieden, den EuGH um die Beantwortung von Fragen zur Auslegung von Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a) der Massenentlassungsrichtlinie (Richtlinie 98/59/EG v. 20. Juli 1998) zu ersuchen (Urt. v. 16. November 2017 – 2 ARZ 90/17 (A).

Für das BAG ist entscheidungserheblich, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Zeitarbeit­nehmer bei der Bestimmung der Zahl der in einem Betrieb beschäftigten Arbeitneh­mer i.S.d. § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KSchG zu berücksichtigen sind. Für die Beantwor­tung der Fragen sei der EuGH zuständig. Der 2. Senat stellt dabei richtig fest, dass § 17 KSchG der Umsetzung der Massenentlassungsrichtlinie dient. Ergänzend geht das BAG weiter davon aus, dass für die Entscheidung des Rechtsstreits die Auslegung des in der Vorschrift verwendeten Begriffs des „Arbeitnehmers″ ist. Anders gewendet, musste sich das BAG die Frage stellen, ob ein „Zeitarbeitnehmer″ ein „Arbeitnehmer″ im Sinne des § 17 KSchG erheblich ist.

Die vom BAG dem EuGH konkret gestellten Fragen zur Auslegung von § 17 KSchG lauten dabei wörtlich wie folgt:

1. Ist Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20.07.1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (RL 98/59/EG) dahin auszulegen, dass zur Bestimmung der Zahl der in der Regel in einem Betrieb tätigen Arbeitnehmer auf die Anzahl der im Zeitpunkt der Entlassung bei gewöhnlichem Geschäftsgang beschäftigten Arbeitnehmer abzustellen ist?

2. Ist Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a RL 98/59/EG dahin auszulegen, dass bei der Bestimmung der Zahl der in der Regel in einem Betrieb eines entleihenden Unternehmens tätigen Arbeitnehmer dort eingesetzte Leiharbeitnehmer mitzählen können?

Sofern die 2. Frage bejaht wird:

3. Welche Voraussetzungen gelten für die Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der Bestimmung der Anzahl der in der Regel in einem Betrieb eines entleihenden Unternehmens tätigen Arbeitnehmer?

Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Warteposition

Insbesondere für den beklagten Arbeitgeber ist diese Situation jedoch ausgesprochen misslich. Es ergeht zunächst keine (höchstrichterliche) Entscheidung in der Sache; das Verfahren wird bis zu einer Klärung durch den EuGH vom BAG ausgesetzt.

Aufgrund des streitgegenständlichen Kündigungssachverhalts – gepaart mit der arbeitgeberseitigen Niederlage in der zweiten Instanz – dürfte die durch die Vorlage des BAG an den EuGH eintretende Verzögerung zu weiteren (erheblichen) finanziellen Risiken des Arbeitgebers führen. Es können (weitere) Annahmeverzugslohnansprüche des Arbeitnehmers entstehen, so er denn vor dem BAG letztlich obsiegen wird.

Oftmals wird diese Position von Arbeitnehmern und deren Prozessbevollmächtigten genutzt, um einen für diese günstigen und für den Arbeitgeber teuren Abfindungsvergleich zu verhandeln. Ein Risiko, das sich durch die Vorlage des BAG an den EuGH und dem damit verbundenen Zeitverlust vor einer höchstrichterlichen Entscheidung sehr leicht potenziert – davon ausgehend, dass sich der EuGH mit der Sache erst mit einem Vorlauf von ca. 1 Jahr befassen wird, bevor diese wieder beim 2. Senat „aufschlägt″.

Update: Revision zurückgenommen

Wie berichtet hat das BAG mit Beschluss vom 16. November 2017 das Revisionsverfahren ausgesetzt (Az. 2 AZR 90/17 (A) und dem EuGH die Frage vorgelegt hat, ob bei einem Kunden eingesetzte Zeitarbeitnehmer im Rahmen der für eine Massenentlassung relevanten Schwellenwerte des § 17 KSchG wie eigene Mitarbeiter mitzuzählen sind (Az. C-57/18). Dies hat der Gesetzgeber im Rahmen der AÜG-Reform nicht geklärt. In § 14 Abs. 2 S. 4 bis 6 AÜG ist lediglich geregelt worden, dass Zeitarbeitnehmer bei den Schwellenwerten der Betriebsverfassung und der Unternehmensmitbestimmung grundsätzlich zu berücksichtigen sind.

Vor diesem Hintergrund durfte mit Spannung erwartet werden, was der EuGH aus der Vorlagefrage des BAG machen wird. Diese hat sich nun – etwas unerwartet und überraschend – entladen, und zwar anders als gedacht: laut einer aktuellen Pressemitteilung des BAG vom 12. Juni 2018 hat die Beklagte mit Zustimmung der Klägerin die Revision zurückgenommen. Damit ist dieser Rechtsstreit vor dem BAG beendet. Der EuGH hat das bei diesem anhängige Vorlageverfahren inzwischen in seinem Register gestrichen.

Die Frage, ob und unter welchen Umständen Zeitarbeitnehmer bei den Schwellenwerten einer Massenentlassung mitzählen, bleibt damit weiterhin höchstrichterlich ungeklärt. Die Praxis wird mit der andauernden Rechtsunsicherheit daher – zunächst auf unbestimmte Zeit – leben müssen.

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Zusammensetzung des Aufsichtsrats – sind Arbeitnehmer ausländischer Gesellschaften beim Schwellenwert mitzuzählen?

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In der jüngsten Vergangenheit haben sich bereits einige Landgerichte mit der Frage befasst, ob Arbeitnehmer ausländischer Tochtergesellschaften bei der Ermittlung des Schwellenwerts für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern mitzuzählen sind.

Nun hat sich auch das OLG Frankfurt a. M. in einer Entscheidung vom 25. Mai 2018 (Az. 21 W 32/18) der vorherrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur angeschlossen.

Anteil der im Aufsichtsrat vertretenen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat hängt von der Arbeitnehmerzahl ab

Nach § 4 Abs. 1 DrittelbG ist ein Aufsichtsrat zu einem Drittel mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen. Beschäftigt ein Unternehmen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer, ist eine paritätische Verteilung von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern im Aufsichtsrat vorgesehen.

Statusverfahrens nach § 99 AktG: Aktionär begehrt Überprüfung der Zusammensetzung des Aufsichtsrats

Der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft mit deutschen und ausländischen Tochtergesellschaften (AG) war auf Basis des DrittelbG zu einem Drittel mit Arbeitnehmervertretern besetzt. Während in Deutschland etwa 1.192 Arbeitnehmer beschäftigt waren, belief sich die Arbeitnehmerzahl unter Berücksichtigung der Arbeitnehmer aller ausländischen Tochtergesellschaften auf über 2.000.

Ein Aktionär der AG begehrte im Rahmen eines gerichtlichen Statusverfahrens nach § 99 AktG eine Überprüfung der Zusammensetzung des Aufsichtsrats. Er war der Auffassung, dass der Aufsichtsrat paritätisch zu besetzen sei. Hierbei stützte er sich neben teleologischen Argumenten auch auf europarechtliche und deutsche Diskriminierungsverbote.

Neubesetzung des Aufsichtsrats durch Gerichte abgelehnt

Nachdem auch die Vorinstanz (Landgericht Frankfurt a. M v. 21. Dezember 2017 – 3-4 O 85/17) eine Neubesetzung des Aufsichtsrats abgelehnt hatte, wurde die hiergegen gerichtete Beschwerde durch das OLG Frankfurt a. M. ebenfalls zurückgewiesen.

In seiner Begründung setzt sich die erkennende Kammer des OLG ausführlich mit den Argumenten des Antragstellers auseinander. Zwar spreche der Wortlaut des MitbestG indifferent von Arbeitnehmern, ohne hierbei zwischen den jeweiligen Beschäftigungsorten zu differenzieren. Allerdings gelte für den ebenfalls heranzuziehenden § 5 MitbestG das Territorialprinzip. Das Argument des Antragstellers, wonach ein derartiges Verständnis Unternehmen zur Verlagerung von Stellen ins Ausland treiben könnte, hält das Gericht für wenig überzeugend. So sei eine ganze Reihe von Faktoren für die Standortwahl von Bedeutung. Allein die regulatorische Standortattraktivität sei kein abschließendes Kriterium, zumal ansonsten eine große Vielzahl von arbeitnehmerschützenden Maßnahmen keinen Bestand haben dürfte.

Auch die vom Antragsteller geäußerten europarechtlichen Bedenken werden von der Kammer nicht geteilt. So seien alle Arbeitnehmer – unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit – von dem jeweiligen Grad der Mitbestimmung betroffen.

Ebenso wenig läge ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Im vorliegenden Fall sei bereits fraglich, ob eine verfassungsmäßig relevante Ungleichbehandlung vorliege. Die vom Antragsteller aufgeführten Unternehmen mit hohem ausländischen Belegschaftsanteil sowie die jeweiligen Arbeitnehmer und Anteilseigner könnten bereits aufgrund der auf sie anzuwendenden ausländischen Normen nicht ohne Weiteres als taugliche Vergleichsgruppe zu vergleichbaren Akteuren mit überwiegend inländischem Belegschaftsanteil zu sehen sein. Jedenfalls sei das Land der Anstellung auch für das passive und aktive Wahlrecht zum Aufsichtsrat entscheidend, weshalb dieses ebenfalls ein sachgerechtes Differenzierungskriterium darstelle.

Rechtssicherheit bei Fragen zum maßgeblichen Mitbestimmungsstatut

Im Einklang mit der (wohl) herrschenden Auffassung in der Literatur wurde es bisher abgelehnt, Arbeitnehmer ausländischer Konzerngesellschaften bei der Ermittlung des Schwellenwerts von 2.000 Arbeitnehmern mitzuzählen (z. B. LG München I vom 23. März 2018 – 38 O 14696/17; LG Dortmund v. 22. Februar 2018 – 18 O 71/17 (AktE); LG Hamburg v. 6. Februar 2018 – 403 HKO 130/17).

Die Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. schafft insofern weitere Rechtssicherheit bei der Bestimmung des maßgeblichen Mitbestimmungsstatuts und ist – auch mit Blick auf den damit verbundenen Gestaltungsspielraum für international agierende Konzerne – zu begrüßen.

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Online-Betriebsratswahlen – Laut Landesarbeitsgericht Hamburg zulässig!

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In dem zu entscheidenden Fall, fand die im Betrieb durchgeführte Betriebsratswahlneben der herkömmlichen Präsenz- und Briefwahl auch in Form einer Online-Wahl als Alternative zur Briefwahl statt. Das ArbG hatte die Online-Betriebsratswahl zunächst für nichtig erklärt (Urteil v. 7. Juni 2017 – 13 BV 13/16).

Die Entscheidung des Landesarbeitsgericht Hamburg Az. 8 TaBV 5/17

Gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg wurde beim LAG Hamburg Beschwerde eingelegt und das zweitinstanzliche Gericht vertrat überraschend eine abweichende Rechtsauffassung und erklärte die Wahl für wirksam. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.

Die Entscheidung des LAG war nicht zu erwarten, weil ein Online-Wahlverfahren des Betriebsrates nach aktueller Rechtslage nicht vorgesehen und nicht zugelassen ist. Wie das LAG seine Entscheidung dogmatisch begründet, kann bislang nicht nachvollzogen werden, weil die Urteilsgründe noch nicht vorliegen. Jedenfalls wiesen auch die Richter des LAG darauf hin, dass allein durch ihr Urteil keine abschließende Rechtssicherheit geschaffen werden könne, weil es zurzeit noch an den erforderlichen gesetzlichen Grundlagen für eine sichere Online-Betriebsratswahl fehle.

Bedürfnis in der Arbeitswelt: Möglichkeit einer Online-Betriebsratswahl

Es bleibt mit Spannung abzuwarten, wie das LAG Hamburg seine anderslautende Rechtsauffassung dogmatisch belegt und ob und wie der Gesetzgeber zukünftig hierauf reagiert. Auch die Betriebsverfassung sollte sich in das digitale Zeitalter einfügen und selbstverständlich müssen gleichzeitig Maßnahmen gefunden werden, dass die Grundsätze der Wahl, wie z.B. der Schutz des Wahlgeheimnisses und der Schutz vor Manipulation, ebenfalls gewahrt bleiben. Dies sollte mit der heutigen Technik jedoch umsetzbar sein.

Die Vorteile einer Online-Betriebsratswahl sind vielfältig: Es ist mit einer erhöhten Wahlbeteiligung zu rechnen, weil die Teilnahme an der Wahl schneller und unkomplizierter möglich ist. Eine Online-Betriebsratswahl könnte auch bei jüngeren Arbeitnehmern eine höhere Akzeptanz finden und würde nicht zuletzt zu einem erheblichen Zeit- und Kostenersparnis bei der Durchführung der Betriebsratswahl führen. All diese Aspekte sollten einen Anreiz für den Gesetzgeber setzen, sich mit dem Thema alsbald auseinander zu setzen.

Ausblick: Online-Betriebsratswahl weiterhin mit Unsicherheiten verbunden

Die Durchführung einer Online-Betriebsratswahl bleibt auch nach der Entscheidung des LAG Hamburg ein Risiko. Zwar ist die Entscheidung rechtskräftig, es kann jedoch aufgrund der gesetzlichen Regelungen nicht ausgeschlossen werden, dass sich andere Gerichte entgegengesetzt entscheiden würden. Die Praxis braucht Rechtssicherheit.

Es bleibt also abzuwarten, ob der Gesetzgeber diese Herausforderung annimmt, oder ob die Einführung einer Online-Betriebsratswahl ein unerfüllter Wunsch der modernen digitalen Arbeitswelt bleibt. Aktuell wird in der Politik bereits über die Notwendigkeit virtueller Betriebsratssitzungen in Form von Videokonferenzen diskutiert. Der nächste Schritt zur Online-Betriebsratswahl ist nicht mehr so weit und zukünftig wohl auch unumgänglich.

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Die Brückenteilzeit rückt näher: Bundeskabinett beschließt Gesetzesentwurf

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Zum Januar 2019 soll das Gesetz zur sog. Brückenteilzeit in Kraft treten. Zwischenzeitlich ist das Gesetzgebungsverfahren mit dem Beschluss des Bundeskabinetts weiter vorangeschritten.

Minimale Änderungen bei Beweislastverlagerung

Der nun vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung enthält im Vergleich zum Referentenentwurf lediglich klarstellende Änderungen und zwar bei der geplanten Beweislastverlagerung zu Lasten der Arbeitgeber. Zur Erinnerung: Arbeitgeber können künftig den Anspruch teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer auf bevorzugte Berücksichtigung bei der Besetzung freier Stellen nur noch sehr eingeschränkt ablehnen.

Insoweit wird in dem Gesetzesentwurf klargestellt, dass ein freier zu besetzender Arbeitsplatz vorliegt, wenn der Arbeitgeber die Organisationsentscheidung getroffen hat, diesen zu schaffen oder einen unbesetzten Arbeitsplatz neu zu besetzen. Dementsprechend können Arbeitnehmer, die ihre Arbeitszeit verlängern möchten, nicht die Schaffung neuer Stellen erzwingen.

Das entlastet die Arbeitgeber und lässt ihnen grundlegende organisatorische Freiheiten. Die geplante Beweislastverlagerung dürfte damit aber nur geringfügig entschärft werden: Hat sich ein Arbeitgeber entschieden, eine neue Stelle zu schaffen oder einen unbesetzten Arbeitsplatz zu besetzen, sind die Möglichkeiten der Ablehnung eines teilzeitbeschäftigten Mitarbeiters bei der Besetzung auch nach dem Regierungsentwurf weiterhin sehr eingeschränkt. Dies entspricht dem Zweck des Gesetzes, nämlich für teilzeitbeschäftigte Mitarbeiter die Rückkehr in Vollzeit zu erleichtern.

Bei der Brückenteilzeit, d.h. dem künftigen Anspruch auf befristete Teilzeittätigkeit in Unternehmen mit mehr als 45 Mitarbeitern, sieht der Regierungsentwurf im Vergleich zum Referentenentwurf keine Änderungen vor.

Nächste Schritte im Gesetzgebungsverfahren

Der Gesetzesentwurf geht nun ins parlamentarische Gesetzgebungsverfahren. Ob es dort zu weiteren Änderungen kommt, bleibt abzuwarten. Wir halten Sie auf dem Laufenden!

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Reform der Entsenderichtlinie – Gleicher Lohn für gleiche Arbeit

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Vorübergehend im europäischen Ausland zu arbeiten – das gehört für viele Arbeitnehmer in der Europäischen Union mittlerweile zur Normalität. Zwischen 2010 und 2016 stieg die Zahl der Entsendungen innerhalb der EU um 69 %. Im Jahr 2016 wurden über 2,3 Millionen Arbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber in andere Mitgliedstaaten entsandt.

Mit der steigenden Zahl der Entsendungen in Europa stieg auch das Unbehagen in den westlichen EU-Staaten – allen voran Frankreich und die Benelux-Staaten – die die Funktionsfähigkeit ihres Arbeitsmarktes durch günstigere Arbeitskräfte aus Osteuropa gefährdet sahen. Seit 2016 wurde deswegen über eine Reform der 20 Jahre alten Entsenderichtlinie in zahlreichen Verhandlungsrunden in den europäischen Institutionen gestritten. Herausgekommen ist ein Kompromiss zwischen den polarisierenden Interessen der westlichen und östlichen Mitgliedstaaten.

Entsenderichtlinie: Lohn- und Sozialdumping soll verhindert werden

Bisher waren Unternehmen nur verpflichtet gewisse Mindeststandards wie den Mindestlohn oder Mindestruhezeiten bei ihren entsandten Arbeitnehmern einzuhalten, sodass entsandte Arbeitnehmer häufig zu deutlich günstigeren Konditionen als vergleichbare lokale Arbeitnehmer eingesetzt werden konnten. Die nun beschlossenen Änderungen der Entsenderichtlinie – die bis 2020 von den europäischen Mitgliedstaaten umzusetzen sind –

sollen dieser Entwicklung entgegenwirken und Lohn- und Sozialdumping effektiv verhindern.

Folgende Änderungen sind beschlossen worden:

  • Entsendende Unternehmen sind für die Vergütung ihrer entsandten Arbeitnehmer nun an sämtliche Vergütungsvorschriften im Aufnahmestaat gebunden. Dies gilt nicht nur für Vergütungsvorschriften in Gesetzen, sondern auch für Vergütungsregelungen in für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen. Entsandte Arbeitnehmer erhalten somit ab dem ersten Tag den gleichen Tariflohn wie ihre Kollegen im Aufnahmestaat.
  • Davon umfasst sind sämtliche Vergütungsbestandteile wie Prämien und Zulagen, wenn sie in gesetzlichen Regelungen oder in allgemeinverbindlichen Tarifverträgen festgelegt sind. Entsandte Arbeitnehmer erhalten nach Maßgabe der jeweiligen Regelung ebenso wie vergleichbare lokale Arbeitnehmer Weihnachtsgeld, Schlechtwettergeld, Mobilitätsbeihilfen etc.
  • Entsendungen sind künftig auf 12 Monate begrenzt und können auf maximal 18 Monate verlängert werden. Nach Ablauf dieser Frist gelten die gesamten verbindlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen im Aufnahmestaat für entsandte Arbeitnehmer. Davon ausgenommen sind lediglich Vorschriften zur Begründung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen und der betrieblichen Altersversorgung.
  • Wird ein entsandter Arbeitnehmer durch einen anderen ersetzt, der die gleiche Tätigkeit am gleichen Ort ausführt, so wird die Entsendungsdauer der einzelnen Arbeitnehmer addiert. Eine Umgehung der Frist von 12 Monaten durch den roulierenden Austausch von Mitarbeitern ist somit nicht möglich.
  • Reise-, Verpflegung- oder Unterbringungskosten im Aufnahmestaat dürfen zukünftig nicht mehr vom Lohn des Arbeitnehmers abgezogen werden. Vielmehr soll der Arbeitgeber diese Kosten übernehmen und sicherstellen, dass die Unterbringung seiner Arbeitnehmer angemessen erfolgt.

Auch der Straßenverkehrssektor ist von der Reform der Entsenderichtlinie betroffen. Sobald die im sog. Mobilitätspaket der EU enthaltenen sektorenspezifischen Rechtsvorschriften in Kraft treten, greifen auch dort die Reformen der Entsenderichtlinie. Den Vorschlag des Verkehrsausschuss, grenzüberschreitende Transporte vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszunehmen, hat das EU-Parlament abgelehnt.

Auswirkungen der Entsenderichtlinie für deutsche Unternehmen

Deutsche Unternehmen werden die nunmehr beschlossenen Änderungen der Entsenderichtlinie deutlich spüren – dementsprechend groß ist die Kritik aus den Reihen der Arbeitgeberverbände. Diese befürchten einen erheblichen bürokratischen Mehraufwand und eine massive Behinderung des europäischen Binnenmarktes. Denn nach Deutschland werden in Europa mit Abstand die meisten Arbeitnehmer entsandt. 2016 waren es über 400.000 Arbeitnehmer. Vorwiegend sind diese zu deutlich günstigeren Konditionen als vergleichbare deutsche Arbeitnehmer in der Baubranche, der Industrie oder in sozialen Berufen wie der Altenpflege tätig, jene Sektoren, die besonders im Fokus der Reformbestrebungen lagen. Andersherum werden allerdings auch zahlreiche Arbeitnehmer von deutschen Unternehmen in das europäische Ausland entsandt – 2016 waren es über 260.000 Arbeitnehmer.

Ob sich die Entsendepraxis der deutschen Unternehmen durch die Reform der Entsenderichtlinie künftig ändert, bleibt abzuwarten. Auch wenn die Mitgliedstaaten nach der Richtlinie dazu verpflichtet sind, alle die Entlohnung ausmachenden Bestandteile und die Arbeits-und Beschäftigungsbedingungen transparent darzustellen und zu veröffentlichen, werden rechtskonforme Entsendungen künftig jedenfalls mit einem deutlich erhöhten bürokratischen Aufwand verbunden sein, dessen Bewältigung insbesondere Unternehmen mit kleinen Personalabteilungen vor eine Herausforderung stellen wird.

Und dass die Reform der Entsenderichtlinie tatsächlich langfristig den fairen Wettbewerb auf dem europäischen Binnenmarkt sichert, bleibt zu bezweifeln. Denn auch wenn die Löhne nach der neuen Richtlinie angepasst werden müssen und Lohngleichheit hergestellt wird – der Unterschied in der Sozialversicherung bleibt. Denn entsandte Arbeitnehmer können weiterhin Mitglied des Sozialversicherungssystems ihres Heimatlandes bleiben und sich auf diese Weise oftmals zu deutlich günstigeren Bedingungen versichern. Die Lohnkosten für diese Arbeitnehmer werden also auch künftig häufig geringer sein, als die vergleichbarer Arbeitnehmer im Inland.

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