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Brennpunkt Digitalisierung und Mitbestimmung: Nach Facebook und Google Maps diesmal Twitter

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Nach der aufsehenerregenden Facebook-Entscheidung des BAG (Beschluss v. 13. Dezember 2016 – 1 ABR 7/15) steht erneut die Diskrepanz zwischen der rasanten Digitalisierung und der restriktiven Rechtsprechung zu § 87 I Nr. 6 BetrVG im Mittelpunkt der arbeitsrechtlichen Aufmerksamkeit.

Das LAG Hamburg (Beschluss vom 13. September 2018 – 2 TaBV 5/18) bejahte kürzlich die Frage, ob ein vom Arbeitgeber unterhaltener Twitter Account eine technische Einrichtung darstellt, die zur Überwachung der Leistung und des Verhaltens von Arbeitnehmern bestimmt ist.

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei einem Twitter-Account

Die Arbeitgeberin betreibt in 30 Betriebsstätten Multiplex Kinos. Über einen unternehmensweiten Twitter-Account werden Kunden regelmäßig über Angebote und Veranstaltungen auf den neuesten Stand gebracht. Wie andere Social Media Kanäle dient der Twitter-Account sowohl dem offenen Meinungsaustausch über Filminhalte als auch der Verbreitung von Marketingmaßnahmen.

Die Twitter-Seite beinhaltet die Funktionen „Antworten“, „Retweet“ und „Erwähnungen“. Die Abonnenten können entsprechend Beiträge weiterleiten, auf Tweets des Kinobetreibers hin eigene Beiträge posten und dem Ersteller des Beitrags antworten. Diese Funktionen lassen sich nicht durch den jeweiligen Nutzer deaktivieren.

Der zuständige Gesamtbetriebsrat macht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BAG zur „Feedback-Funktion“ bei Facebook ein Mitbestimmungsrecht geltend, da Rückschlüsse auf das Verhalten oder die Leistung der postenden Arbeitnehmer ermöglicht werden könnten. Daher soll der Twitter Account im Zuge eines Unterlassungsanspruchs abgeschaltet werden.

ArbG Hamburg: Kein Mitbestimmungsrecht bei einem Twitter-Account

Das ArbG Hamburg hat mit Beschluss vom 6. Dezember 2017 (Az: 28 BV 6/17) einen Unterlassungsanspruch zurückgewiesen. Twitter biete keine Auswertungsmöglichkeit, die es dem Arbeitgeber ermöglicht, Rückschlüsse auf das Verhalten oder die Leistung einzelner Arbeitnehmer zu ziehen. Daher besteht kein ständiger Überwachungsdruck auf Arbeitnehmer.

Zudem besteht zwischen Facebook und Twitter ein gravierender Unterschied: Twitter ermöglicht es seinen Nutzern lediglich, eigene Posts auf der eigenen Seite und nicht der des Multiplex Kinos zu hinterlassen. Die Seite von Privatpersonen entzieht sich allerdings regelmäßig der zurechenbaren Sphäre des Arbeitgebers.

LAG Hamburg: Twitter-Account des Arbeitgebers unterliegt der Mitbestimmung durch den Betriebsrat

Nach dem LAG Hamburg ließe sich die Facebook-Entscheidung des BAG auf Twitter übertragen und dementsprechend bestünde auch für die Antworten-Funktion ein Mitbestimmungsrecht. Der Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts liege darin, Arbeitnehmer nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats dem mentalen Druck technischer Überwachungseinrichtungen auszusetzen. Ob eine Leistungskontrolle tatsächlich bezweckt ist und tatsächlich durchgeführt wird, ist für die Mitbestimmung irrelevant (so das BAG bereits mit Beschluss v. 11. März 1986 – 1 ABR 12/84).

Der Arbeitgeber biete durch das Betreiben des Twitter-Accounts überhaupt erst die Möglichkeit, Beiträge abzugeben. Der Speicherort der Beiträge spiele im Hinblick auf den Regelungszweck der Vorschrift keine Rolle. Ausschlaggebend sei allein, dass personenbezogene Daten über das Verhalten der Arbeitnehmer Dritten gegenüber zugänglich gemacht werden, die einer späteren Wahrnehmung zugänglich sind. Diese könnten auch weder vom Arbeitgeber noch vom Arbeitnehmer gelöscht werden.

Bisherige Rechtsprechung zum Mitbestimmungsrecht zeigt: Nichts ist unmöglich!

Das LAG Hamburg hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Am Ende des Beschlusses betonen die Richter, dass sich Twitter und Facebook grundsätzlich voneinander unterscheiden. Die Bewertung dieses Unterschieds sei aber dem BAG vorbehalten.

Die BAG-Rechtsprechung lässt kein einheitliches Muster erkennen. So stellte das BAG in seiner Entscheidung zu Google Maps (BAG, Beschluss v. 10. Dezember 2013 – 1 ABR 43/12) noch auf ein erforderliches Unmittelbarkeitskriterium ab, wonach die technische Einrichtung selbst Daten erheben oder verarbeiten muss, um dem Mitbestimmungsrecht zu unterfallen. Die Antwort-Funktion bei Twitter erfüllt diese Voraussetzung nicht, was vom LAG allerdings unberücksichtigt geblieben ist.

Das ArbG Heilbronn (Beschluss vom 8. Juni 2017 – 8 BV 6/16) greift das Unmittelbarkeitskriterium auf und ergänzt, dass, wenn der Arbeitgeber die Nutzer nicht zur Abgabe von Beiträgen auffordert, ein Mitbestimmungsrecht ausscheide.

Diese Rechtsprechung erscheint in Bezug auf die Nutzung eines Twitter-Accounts passender, als die zu Facebook, da die Feedback-Funktion bei Facebook ein freiwilliges Add-In ist, während man die Antworten-Funktion bei Twitter nicht abschalten kann. Darüber hinaus erscheint es realitätsfern, dass Arbeitgeber eigenständig private Twitter-Accounts Dritter anschauen, um das Verhalten oder die Leistung ihrer Arbeitnehmer ohne vorherigen Hinweis zu kontrollieren. Zudem können mehrere Arbeitnehmer aus den insgesamt 30 Betriebsstätten die Funktionen nutzen, sodass der Arbeitgeber nicht nachverfolgen kann, wer der Urheber des betreffenden Beitrags ist.

Das BAG hat im Hinblick auf Facebook betont, dass bei mehreren bestehenden Adminrechten bei der Nutzung eines Social-Media-Accounts in der Regel kein Mitbestimmungsrecht besteht.

Reformbedarf im Mitbestimmungsrecht

Das Mitbestimmungsrecht aus § 87 I Nr. 6 BetrVG und die wesentliche Rechtsprechung des BAG stammen aus einer Zeit, in der die Digitalisierung den Ablauf und die Organisation von Betrieben noch nicht derart beeinflusste. Eine Reformierung und Anpassung von Gesetz und/oder Rechtsprechung ist dringend erforderlich, da durch den weiten Tatbestand fast jede IT- Applikation (80%) mitbestimmungspflichtig ist.

Ganze Wertschöpfungsketten können zum Erliegen kommen, wenn der Betriebsrat sich einer oftmals zeitintensiven Aushandlung einer IT- Betriebsratsvereinbarung versperrt, was zu Wettbewerbsnachteilen deutscher Unternehmen gegenüber internationalen Konkurrenten führt. Daher blockiert das Mitbestimmungsverfahren regelmäßig technische Innovation und damit die Effizienz von Unternehmen in Deutschland.

Zudem erscheint es in Zeiten des regen Meinungsaustauschs über Twitter realitätsfern, dass ein Unternehmen die Zustimmung des Betriebsrats braucht, um twittern zu dürfen, während Politiker zahlreiche Tweets versenden. Vielleicht bringt diese dem Nicht-Juristen schwer zu vermittelnde Entscheidung den Gesetzgeber oder das BAG dazu, die folgenden Reform in Betracht zu ziehen:

  • Das BAG sollte in seiner Rechtsprechung zum Wortlaut des § 87 I Nr. 6 BetrVG („bestimmt“) zurückkehren, sodass eine Überwachungsabsicht des Arbeitgebers vorausgesetzt wird.
  • Ein Unmittelbarkeitskriterium („Überwachung durch die technische Einrichtung selbst“) sollte einheitlich von der Rechtsprechung herangezogen werden.
  • Das Gesetz könnte eine Änderung des Tatbestandes insoweit vornehmen, dass die Einführung der IT-Applikation grundsätzlich erlaubt ist, ein Verbot allerdings hinsichtlich der Auswertung der Daten bis zur Einigung mit dem Betriebsrat besteht.

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Das Damoklesschwert der Entleiherhaftung bei der Arbeitnehmerüberlassung

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Bei der Arbeitnehmerüberlassung ist der Verleiher der Arbeitgeber der Leiharbeitnehmer. Der Entleiher steht zu ihnen in keiner vertraglichen Beziehung. Trotzdem haftet er unter Umständen für die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge aus dem zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer bestehenden Arbeitsverhältnis.

Entleiher haftet für Sozialversicherungsbeiträge wie ein Bürge

Bereits seit 1971 gilt im deutschen Sozialversicherungsrecht die Bürgenhaftung des Entleihers: Zwar schuldet die Sozialversicherungsbeiträge in erster Linie der Verleiher, weil er der Arbeitgeber ist. Der Entleiher kann aber gemäß § 28e Abs. 2 SGB IV ebenfalls für diese haftbar gemacht und in Anspruch genommen werden. Diese Mithaftung des Entleihers wird Bürgenhaftung genannt, weil der Entleiher wie ein Bürge haftet.

Die Mithaftung gilt für die Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen-, Renten- und Unfallversicherung. Sie erstreckt sich sowohl auf die Arbeitnehmer- als auch für die Arbeitgeberbeiträge. Und sie besteht für den jeweiligen Überlassungszeitraum hinsichtlich aller Beschäftigten, die dem Entleiher gegen eine Vergütung zur Arbeitsleistung von dem Verleiher überlassen worden sind.

Bemessungsgrundlage der Haftung ist das Arbeitsentgelt, das der Verleiher dem Leiharbeitnehmer schuldet – einschließlich aller sozialversicherungsrechtlich relevanten Zulagen, Zuschläge etc. Bei einem monatlichen Bruttoentgelt von EUR 2.000 und einem Beitragssatz von insgesamt etwa 40 % (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge) beträgt das Haftungsrisiko des Entleihers pro Arbeitnehmer und pro Monat also EUR 800. Hier können immense Beitragsforderungen auf den Entleiher zukommen.

Für den Einzug der Beiträge zur Unfallversicherung sind die Berufsgenossenschaften zuständig. Die Beiträge für alle anderen Zweige der Sozialversicherung ziehen die Krankenkassen als zentrale Einzugsstellen ein.

Beitragsforderungen aus heiterem Himmel

Viele Entleiher werden durch solche Beitragsforderungen völlig überrascht. Manche Krankenkassen und Berufsgenossenschaften versenden ohne vorherige Ankündigung Beitragsbescheide über die ausstehenden Sozialversicherungsbeiträge, andere hören den Entleiher zu der beabsichtigten Inanspruchnahme zunächst an.

Die Erfahrung zeigt, dass viele Einzugsstellen Zahlungsfristen setzen, die noch vor der Widerspruchsfrist ablaufen. Damit zwingen sie den Entleiher zur Entrichtung der Beiträge, bevor die Zahlungspflicht durch Bescheid bestandskräftig festgestellt ist. Anträge auf eine Aussetzung der sofortigen Vollziehung haben nur Aussicht auf Erfolg, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheids bestehen oder die Beitragslast so hoch ist, dass der Entleiher durch die Zahlung in ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten geriete.

Gegen den Beitragsbescheid kann Widerspruch erhoben werden, wobei die Widerspruchsverfahren oft Monate dauern. Wird die Beitragspflicht im Widerspruchsbescheid bestätigt, kann das Sozialgericht angerufen werden. Gegen dessen Urteil ist die Berufung möglich. Die Ausschöpfung des Rechtsmittelwegs kann Jahre in Anspruch nehmen. Wird im Nachhinein festgestellt, dass die Beiträge nicht geschuldet waren, muss die Einzugsstelle sie nebst jährlichen Zinsen in Höhe von 4 % zurückzahlen.

Hohe Risiken bei Insolvenz des Verleihers

Besonders hoch ist das Risiko des Entleihers, Beitragsforderungen ausgesetzt zu sein, wenn über das Vermögen des Verleihers das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Oftmals hat dieser schon Monate vor der Insolvenzeröffnung jedenfalls die Arbeitgeberbeiträge nicht mehr abgeführt. Häufig sind in der Praxis auch die Fälle, dass der Verleiher zwar noch Beiträge entrichtet hat, aber unter Zugrundelegung eines zu niedrigen Arbeitsentgelts. Dies passiert vor allem dann, wenn der Verleiher seine Arbeitnehmer „untertariflich“ entlohnt hat, etwa weil er (fälschlicherweise) davon ausging, dass durch die Anwendung eines Tarifvertrages der „equal-pay“-Grundsatz wirksam abbedungen worden sei (sog. „CGZP-Fälle″). Bezüglich der „Differenzlöhne“ haftet dann der Entleiher für die nicht vom Verleiher abgeführten Sozialversicherungsbeiträge.

Hat der Verleiher vor Insolvenzeröffnungen noch Zahlungen an die Einzugsstelle geleistet, ist bezogen auf diese Monate zwar zunächst die Beitragspflicht erfüllt worden, so dass auch der Entleiher nicht mehr haftet. Die Zahlungen, die zu einer Zeit erfolgten, in der der Verleiher bereits am wirtschaftlichen Abgrund operierte, können aber nach den Vorschriften über die Insolvenzanfechtung anfechtbar sein. Der Insolvenzverwalter kann solche Gelder von der Einzugsstelle zurückfordern. Zahlt diese sie zurück, lebt die ursprüngliche Beitragsforderung und damit auch die Mithaftung des Entleihers wieder auf.

Zwar kann die Einzugsstelle die Beitragsansprüche im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Verleihers anmelden. Dies tut sie in der Regel auch. Da die Ansprüche im Insolvenzverfahren aber nur in den seltensten Fällen in voller Höhe befriedigt werden, nimmt die Einzugsstelle im Zweifel auch den Entleiher in Anspruch. Dieser kann die Einzugsstelle nicht darauf verweisen, zunächst den Ausgang des Insolvenzverfahrens abzuwarten. Er muss die Ansprüche, soweit sie berechtigt sind, sofort in voller Höhe begleichen und dann versuchen, einen Teil aus der Insolvenzmasse erstattet zu erhalten.

Abwehr der Beitragsansprüche ist möglich

Die Erfahrung zeigt, dass eine Abwehr der gegen den Entleiher gerichteten Beitragsforderungen in vielen Fällen zumindest teilweise möglich ist. In jedem Einzelfall ist gründlich zu prüfen, ob die Ansprüche bereits verjährt sind, ob die Leiharbeitnehmer, für die die Einzugsstelle Beiträge verlangt, tatsächlich in der maßgeblichen Zeit im Betrieb des Entleihers eingesetzt waren und ob der Beitragsberechnung das zutreffende Arbeitsentgelt zugrunde gelegt wurde. Besonders aufwendig ist die Prüfung, wenn die Einzugsstelle Sozialversicherungsbeiträge auf sogenannte „Differenzlöhne“ verlangt.

Voraussetzung für eine erfolgreiche Abwehr der Ansprüche ist, dass der Entleiher über die nötigen Beweismittel verfügt. Nicht nur die Rechnungen des Verleihers, sondern auch die Zeiterfassungslisten sollten über die gesetzlichen Fristen hinaus aufbewahrt werden. Sie werden benötigt, um zu prüfen, ob die jeweiligen Zeitarbeitnehmer in der fraglichen Zeit tatsächlich bei dem Entleiher tätig waren. Denn Beitragsansprüche können noch viele Jahre nach dem Einsatz der Leiharbeitnehmer geltend gemacht werden.

Haftung für Sozialversicherungsbeiträge durch Bankbürgschaft vermeiden

Daneben gibt es für Entleiher Möglichkeiten, deren Haftungsrisiko von vornherein zu begrenzen. Im Zweifel kann sich der Entleiher von dem Verleiher eine Bankbürgschaft geben lassen und von ihr Gebrauch machen, wenn Beiträge an die Einzugsstelle gezahlt werden müssen.

Eine solche Bürgschaft muss, um einen wirksamen Schutz zu bieten, verschiedene Voraussetzungen erfüllen. Sie muss unbefristet, unwiderruflich und selbstschuldnerisch sein. Sie muss vorsehen, dass das Kreditinstitut bereits auf erstes Anfordern zur Zahlung verpflichtet ist. Ferner sollte sie ausdrücklich auch für den Fall gelten, dass Beiträge infolge einer Insolvenzanfechtung entrichtet werden müssen. Schließlich darf die Bürgschaftsurkunde nicht zu früh zurückgegeben werden. Denn gerade im Fall der Insolvenzanfechtung ist noch nach vielen Jahren mit einer Beitragsforderung durch die Einzugsstelle zu rechnen.

Alternativ kann der Entleiher auch einen Teil der dem Verleiher für die Überlassung der Leiharbeitnehmer geschuldeten Vergütung zurückbehalten, um damit etwaige Haftungsansprüche wegen der Forderungen der Einzugsstellen begleichen zu können. Sowohl die Stellung einer Bürgschaft als auch der Einbehalt der Vergütung müssen zwischen Ent- und Verleiher vereinbart werden.

Zudem ist der Entleiher gut beraten, sich regelmäßig und/oder auf entsprechende Anfrage Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Einzugsstellen und der Berufsgenossenschaften vorlegen zu lassen. Eine entsprechende Vorlagepflicht des Verleihers sollte vertraglich vereinbart werden. Aus den Bescheinigungen ergibt sich zwar lediglich, dass der Verleiher die für die gemeldeten Leiharbeitnehmer entsprechend der angezeigten Entgelte anfallenden Sozialversicherungsbeiträge abgeführt hat, nicht aber, dass die Berechnung der Entgelte korrekt ist und dass die Beiträge auch zukünftig abgeführt werden. Der Entleiher kann sich durch die Vorlage der Unbedenklichkeitsbescheinigungen jedoch eine „relative Sicherheit″ verschaffen, indem er eine Geschäftsbeziehung mit einem Verleiher nicht eingeht oder kurzfristig beendet, wenn er aus den vorgelegten Unterlagen ableiten kann, dass der Verleiher in der Vergangenheit Beiträge nicht, nicht regelmäßig oder nicht ordnungsgemäß abgeführt hat.

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Entgelttransparenzgesetz: Überlassung von Entgeltlisten an den Betriebsrat?

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Auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männernam 6. Juli 2017 hat der Betriebsrat kein Recht auf Überlassung von Entgeltlisten. So entschied jedenfalls das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in seinem Beschluss am 23. Oktober 2018 (8 TaBV 42/18) und bestätigte damit die Entscheidung der Vorinstanz (AG Düsseldorf, Beschl. vom 6. Juli 2018 – 11 BV 47/18).

Betriebsrat verlangte neben Einsichtnahme auch Überlassung von Entgeltlisten

Geklagt hatte der Betriebsrat einer GmbH, der die Vorlage von Gehaltslisten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer*, in elektronischer bzw. gedruckter Form von seiner Arbeitgeberin begehrte. Seiner Ansicht nach sei der Aufgabenbereich von Betriebsräten im Zusammenhang mit der Schaffung des EntgTranspG wegen der Durchsetzung der Entgeltgleichheit von Männern und Frauen erweitert worden. Die Arbeitgeberin wäre gemäß § 13 Abs. 2 S. 1 EntgTranspG dazu verpflichtet, zur vollständigen Auswertung der Entgeltlisten neben der Einsichtnahme auch deren Überlassung zu gewähren.

Die beklagte Arbeitgeberin hat den Betriebsrat regelmäßig per E-Mail über die eingehenden Auskunftsanfragen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Überprüfung der Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots berichtet. Daneben gewährt sie dem Betriebsrat Einsicht in die Entgeltlisten, auf denen nach Geschlecht aufgeschlüsselt umfassend die an alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gewährten Entgeltbestandteile aufgeführt sind. Die Entgeltlisten werden auf einem PC als pdf-Datei oder als Ausdruck dieser Datei zur Verfügung gestellt. Dabei besteht auch die Möglichkeit, sich Notizen zu machen und Auswertungen – zum Beispiel Berechnungen – unter Zuhilfenahme elektronischer Hilfsmittel wie Taschenrechner oder Laptop vorzunehmen.

Nach Ansicht des Betriebsrats erfordere die Wahrnehmung seiner Aufgaben nicht nur die bloße Einsichtnahme in die Entgeltlisten, sondern darüber hinaus auch deren Überlassung an den Betriebsausschuss. Nur so könne er die Entgeltlisten im Sinne des § 13 Abs. 2 S. 1 EntgTranspG adäquat auswerten.

Betriebsrat beruft sich auf § 13 EntgTranspG

§ 13 EntgTranspG normiert die Rechte und Pflichten des Betriebsrats bzw. des Betriebsausschusses in Bezug auf den individuellen Auskunftsanspruch der Beschäftigten nach § 10 EntgTranspG. Danach soll sich der Betriebsrat dafür einsetzen, die Durchsetzung des Auskunftsanspruchs zu fördern.

Nach § 13 Abs. 2 EntgTranspG haben der Betriebsrat bzw. der Betriebsausschuss für die Erfüllung der Aufgaben das Recht, die Gehaltslisten über die Bruttolöhne und Bruttogehälter im Sinne des § 80 Abs. 2 S. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG)

einzusehen und auszuwerten.

In § 80 BetrVG wiederum ist neben den allgemeinen Aufgabenbefugnissen des Betriebsrats die Vorlagepflicht der Arbeitgeberin bzw. des Arbeitgebers für sämtliche für den Betriebsrat erforderliche Unterlagen verankert. Daneben gewährt die Norm ebenso ein Einblicksrecht des Betriebsausschusses in die Entgeltlisten.

Die Auslegung der Gesetzesnormen ist eindeutig

Das LAG wies die Anträge als unbegründet ab und stellte

klar: Ein solcher Anspruch sei für den Betriebsrat nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen im Hinblick auf die Bestimmungen des EntgTranspG im Zusammenspiel mit § 80 Abs. 1 Nr. 2a, Abs.2 S. 2 Nr. 1 BetrVG „egal in welcher Form“ nicht ableitbar. Weder die Übergabe der Entgeltlisten in elektronischer oder gedruckter Form, noch hilfsweise die Überlassung eines PC, auf dem die Listen gespeichert sind, noch die Gestellung zusätzlichen Büropersonals zwecks Schaffung einer „Abschreibemöglichkeit“ der Listen könne der Betriebsrat demnach verlangen.

Bereits dem Wortlaut des § 13 Abs. 2 EntgTranspG („einzusehen und auszuwerten“) sei im Wege der Auslegung die Einräumung einer dauerhaft unbeschränkten und physischen Verfügungsgewalt über die Entgeltlisten nicht zu entnehmen. Vielmehr läge nach allgemeinem Sprachgebrauch auch in der Sichtung von Quellen das Potenzial, Informationen nutzbar zu machen und sie damit auszuwerten. Genau dieses Potenzial werde durch das Begriffspaar „einsehen und auswerten“ in § 13 Abs. 2 EntgTranspG deutlich.

Der Argumentation des Klägers, wonach unter „auswerten“ vielmehr die Verarbeitung von Informationen im datenschutzrechtlichen Sinne zu verstehen und daher unter Berücksichtigung der Befugnisse aus § 80 Abs. 2 BetrVG die Überlassung der Entgeltlisten notwendig sei, erteilte das LAG eine Absage: Für eine solche Auslegung gäbe es keinen Bedarf. Mangels einheitlicher Begriffsverwendung im Arbeitsrecht müsse der Begriff im Rahmen des EntgTranspG interpretiert werden. Wäre hier mit „auswerten“ eine über das Einsichtsrecht hinausgehende Befugnis im Sinne eines Überlassungsrechts gemeint, gäbe es keinen Raum mehr für die bloße Einsichtnahme.

Gleiches gelte auch im Hinblick auf das in § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG gewährte Einblicksrecht, das sich sonst erübrigen würde, könnte der Einblick des Betriebsausschusses in die Entgeltlisten keinen -zur Verwirklichung seiner Aufgaben notwendigen- Erkenntnisgewinn verschaffen.

Eine Erweiterung des Aufgabenkanons des Betriebsrats durch die Einführung des EntgTranspG sieht das LAG daher nicht. Entscheidend sei im Rahmen der Auslegungsgrundsätze der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers aus Systematik, Sinn und Zweck. Damit werde durch § 13 Abs. 1 Satz 1 unterstrichen, dass das Thema Entgeltgleichheit eine allgemeine Aufgabe des Betriebsrats darstelle, da es sich dabei um 

einen Anwendungsfall der Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern

handele.

Der Inhalt der Gesetzesbegründung und damit der Wille des Gesetzgebers gäbe damit deutlich zu erkennen, dass sich die bisherige Rechtslage abgesehen vom Einbezug in die Auskunftserteilung nicht geändert habe.

Fazit: Die Rechte des Betriebsrats wurden nicht erweitert

Die Entscheidung das LAG Düsseldorf ist zu begrüßen. Sie schafft Rechtssicherheit für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber im Umgang mit den neuen Regelungen zur Entgelttransparenz. Hatten sich Arbeitsgerichte (vgl. LAG Hamm, Beschl. v. 19. September 2017 – 7 TaBV 43/17; LAG Hannover, Beschl. v. 22. Oktober 2018 – 12 TaBV 23/18) in der in der jüngeren Vergangenheit vermehrt mit der Frage zu beschäftigen, ob sich das Einsichtsrecht des Betriebsrats auch auf nichtanonymisierte Entgeltlisten bezieht und dies bejaht, finden die Befugnisse zur effektiven Wahrnehmung der Aufgaben des Betriebsrats im Rahmen des individuellen Auskunftsanspruchs nach dem EntgTranspG vorliegend ihre Grenzen.

Unabhängig von darüber hinaus gehenden datenschutzrechtlichen Bedenken – worauf das Gericht nicht weiter einging –, ist das Gesetz hier im Zusammenspiel mit den Regelungen des BetrVG eindeutig. Eine Ausweitung der Befugnisse des Betriebsrats ist weder nach Wortlaut, Sinn und Zweck, noch nach der Gesetzesbegründung zu erkennen. Auch erscheint es wenig nachvollziehbar, weshalb der Betriebsrat dem Auskunftsverlangen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht auch ausreichend mittels Einsichtnahme in die Unterlagen und darauf basierender Verwertung zur Durchsetzung verhelfen vermag.

Aufgrund der Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfragen wurde die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

*Erfasst sind alle Geschlechtsidentitäten, lediglich der Lesbarkeit halber wird im Folgenden nur die binäre Schreibweise verwendet.

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Beteiligungsvereinbarung muss keine Sitzgarantie für Gewerkschaftsvertreter enthalten

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Besonderheit der SE ist der Vorrang einer einvernehmlichen Lösung über die Ausgestaltung der Unternehmensmitbestimmung zwischen Firmenleitung und Arbeitnehmervertretern.

Das LAG Baden-Württemberg (Urteil v. 9. Oktober 2018 – 19 TaBV 1/18) stärkt im Zusammenhang mit der Umwandlung einer deutschen AG in eine SE die Regelungsautonomie der Betriebsparteien bei Abschluss einer Beteiligungsvereinbarung.

Gewerkschaften sahen Sitzgarantie im Aufsichtsrat in Gefahr

Im Jahr 2014 schlossen Unternehmensleitung und Arbeitnehmervertreter eine Beteiligungsvereinbarung i. S. v. § 21 SEBG wonach für die SE zunächst ein 18-köpfiger, paritätisch besetzter Aufsichtsrat unter Aufrechterhaltung der zuvor bestehenden Sitzgarantie für Gewerkschaftsvertreter nach dem MitbestG von 1976 errichtet wurde.

Die Vereinbarung sieht jedoch auch vor, dass der Aufsichtsrat per Satzungsänderung auf 12 paritätisch zu besetzende Sitze verkleinert werden kann; in diesem Fall entfällt gleichzeitig die Sitzgarantie der Gewerkschaftsvertreter. Zwei Gewerkschaften beantragten daraufhin unter anderem die Feststellung, dass die Beteiligungsvereinbarung wegen fehlender Berücksichtigung ihrer Sitzgarantie unwirksam sei. Außerdem stellten die Gewerkschaften einen Unterlassungsantrag gegen eine Verkleinerung des Aufsichtsrats durch Satzungsbeschluss.

LAG Baden-Württemberg: SEBG schützt keine Sitzgarantien für Gewerkschaften

Wie bereits in erster Instanz wurden die Anträge auch durch das LAG zurückgewiesen.

Die Vorschrift des § 21 Abs. 6 SEBG ist laut Gesetzesbegründung Ausdruck eines strengen Bestandsschutzes. Dieser ist – so das LAG – im Fall der SE-Gründung durch Umwandlung erforderlich, um eine „Flucht aus der Mitbestimmung″ zu verhindern. Eine SE-Beteiligungsvereinbarung muss daher zumindest das gleiche Ausmaß der Arbeitnehmerbeteiligung garantieren, wie es vor der Umwandlung bestanden hatte.

Ob darunter auch eine etwaige Sitzgarantie für Gewerkschaften nach dem MitbestG von 1976 fällt, ist in der Literatur bislang umstritten. Mit der vorliegenden Entscheidung schließt sich das LAG derjenigen Ansicht an, die das Ausmaß der Arbeitnehmerbeteiligung qualitativ versteht, d. h. geschützt werden soll der proportionale Anteil an Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat, nicht jedoch quantitativ deren Gesamtzahl oder gar einzelne Sitzgarantien für Gewerkschaften bzw. leitende Angestellte.

Unter Verweis auf das limitierende Rechtsschutzsystem der §§ 241 ff. AktG weist das LAG schließlich auch den Unterlassungsantrag der Gewerkschaften gegen eine Verkleinerung des Aufsichtsrats als unzulässig zurück. Die Systematik des AktG sehe keine präventive Kontrolle gegen Beschlüsse der Hauptversammlung vor, sondern lediglich die nachträgliche Klage auf deren Nichtigkeit. Dadurch werde dem Rechtsschutzinteresse der Antragsteller ausreichend Rechnung getragen.

BAG wird zu Sitzgarantien von Gewerkschaften oder leitenden Angestellten im SE-Aufsichtsrat Stellung nehmen

Die Gesellschaftsform SE wird in diesem Jahr 15 Jahre alt und erfreut sich mittlerweile insbesondere bei wachsenden Unternehmen großer Beliebtheit, was unter anderem an der Möglichkeit der Flexibilisierung der Unternehmensmitbestimmung liegt.

Das LAG hat in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall – gestützt auf eine geradezu schulbuchmäßige Auslegung von § 21 Abs. 6 SEBG unter Berücksichtigung der zugrundeliegenden SE-RL (insb. Art. 2 lit. k, Art. 3 Abs. 4 und Art. 4 SE-RL) – ein deutliches Zeichen für das Instrument der Flexibilisierung gesetzt.

Nunmehr wird sich auch das BAG mit der in der Literatur umstrittenen Rechtsfrage, ob eine Sitzgarantie für Vertreter von Gewerkschaften oder leitenden Angestellten im SE-Aufsichtsrat in einer Beteiligungsvereinbarung erhalten bleiben muss, befassen (Revision unter Az. 1 ABR 43/18 eingelegt). Die kommende höchstrichterliche Entscheidung wird – so oder so – zu der für die Praxis wichtigen Planungs- und Rechtssicherheit bei SE-Gründungen beitragen.

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Bislang wenig beachtete, aber gleichsam für die Praxis wichtige Aspekte bei der Arbeitnehmerüberlassung

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Viele Unternehmen setzen Leiharbeitnehmer ein, um Auftragsspitzen abzudecken oder vorübergehende Ausfälle von Beschäftigten (Krankheit, Elternzeit etc.) aufzufangen. Mit den arbeits- und sozialrechtlichen Folgen der Arbeitnehmerüberlassung sind die meisten vertraut. Wer verhindern möchte, dass die Leiharbeit mit einem bösen Erwachen endet, muss aber auch andere Rechtsgebiete im Blick haben.

Rundfunkbeiträge bei Arbeitnehmerüberlassung

Nach § 5 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag schuldet jeder Inhaber einer Betriebstätte den Rundfunkbeitrag. Dessen Höhe hängt von der Anzahl der Beschäftigten ab. Die Frage ist, ob Leiharbeitnehmer im Betrieb des Verleihers oder im Betrieb des Entleihers mitgezählt werden. Deren Beantwortung ist entscheidend dafür, ob der auf die Leiharbeitnehmer entfallende Anteil am Rundfunkbeitrag vom Verleiher oder vom Entleiher gezahlt wird.

Dass sich der Rundfunkbeitrag nach der Anzahl der Beschäftigten bemisst, hat einen simplen Hintergrund: Mit der Anzahl der Beschäftigten steigt die Zahl der Personen, die in der Betriebsstätte das Radio- und Fernsehprogramm nutzen können. Dies spräche dafür, dass die Leiharbeitnehmer im Betrieb des Entleihers mitgezählt werden und dieser einen entsprechend höheren Rundfunkbeitrag entrichten muss. Denn die Leiharbeitnehmer halten sich im Betrieb des Entleihers auf. Im Betrieb des Verleihers haben sie nahezu nie einen eingerichteten Arbeitsplatz oder eine regelmäßige Aufenthaltsmöglichkeit.

Mehrere Gerichte vertreten jedoch die gegenteilige Auffassung: Das VG Karlsruhe (Urteil vom 5. Mai 2017 – 2 K 2759/16) und jüngst auch das OVG Münster (Urteil vom 21. August 2018 – 2 A 1989/16) haben entschieden, dass bei der Bemessung des Rundfunkbeitrags Leiharbeitnehmer der Betriebsstätte des Verleihers zuzuordnen sind. Begründet haben sie dies mit einem Praktikabilitätsargument: Die Stellen, die die Rundfunkbeiträge einziehen, könnten wegen der teils hohen Fluktuation der Leiharbeitnehmer und der häufig wechselnden Einsatzorte oft nicht erkennen, welcher Entleiher wie viele Leiharbeitnehmer einsetze. Müssten die Entleiher die Anzahl der Zeitarbeitnehmer regelmäßig melden, entstünde dem Rundfunkbeitragsservice ein erheblicher Verwaltungsaufwand. Außerdem seien Kontrollen, die der Rundfunkbeitragsservice bei Entleihern durchführte, unverhältnismäßige Eingriffe in die Betriebssphäre. All diese Nachteile hätten die Bundesländer, als sie sich auf den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag verständigt hätten, nicht gewollt.

Im Fall des OVG Münster hatte dies zur Folge, dass der Verleiher den Rundfunkbeitrag für 101 Beschäftigte entrichten musste, obwohl in seinem Betrieb „körperlich“ nur drei Mitarbeiter tatsächlich tätig waren, die übrigen 98 also bei Entleihern eingesetzt waren. Freuen über diese Rechtsprechung können sich hingegen die Entleiher. Ihr Rundfunkbeitrag bemisst sich allein nach der Größe der Stammbelegschaft.

Betriebsunfall bei Arbeitnehmerüberlassung

Der Gesetzgeber hat für Unfälle, die sich im Betrieb ereignen, besondere Vorschriften geschaffen. Wird ein Beschäftigter durch einen Betriebsunfall verletzt, kann er in der Regel weder von seinem Arbeitgeber noch von Kollegen, die an dem Unfall ein Verschulden trifft, Schadensersatz verlangen. Zur Wahrung des Betriebsfriedens hat sich der Gesetzgeber entschlossen, dass der geschädigte Arbeitnehmer (von wenigen Ausnahmen abgesehen) nur Ansprüche gegen die Berufsgenossenschaft hat. Man spricht von dem Haftungsprivileg des Arbeitgebers (vgl. § 104 SGB VII).

Die Frage, was gilt, wenn der Verletzte ein Leiharbeitnehmer ist, ist durch ein aktuelles Urteil des LG Saarbrücken (vom 28. Juni 2018 – 9 O 182/17) wieder in den Fokus gerückt. Eine Zeitarbeitsfirma hatte eine bei ihr angestellte Flugsicherheitsassistentin einem Flughafenbetreiber zur Arbeitsleistung überlassen. Die Leiharbeitnehmerin war eines Tages bei Glätte auf dem Flughafengelände gestürzt. Wegen der Verletzungen, die sie sich zugefügt hatte, verlangte sie von dem Flughafenbetreiber, also dem Entleiher, Schadensersatz.

Das LG Saarbrücken verneinte einen solchen Anspruch. Zur Begründung führte es aus, dass zwar der Verleiher der Arbeitgeber sei, das Haftungsprivileg aber auch dem Entleiher zugutekomme. Denn der Leiharbeitnehmer sei in den Betrieb des Entleihers eingegliedert und bilde mit den übrigen dort Beschäftigten eine Gefahrengemeinschaft. Es spreche daher alles dafür, den Entleiher haftungsrechtlich wie einen „Quasi-Arbeitgeber“ zu behandeln.

Für die Entleiher bedeutet dies, dass sie bei Betriebsunfällen in aller Regel Schadensersatzforderungen von Leiharbeitnehmern nicht erfüllen müssen. Diese Haftungsfreistellung erkaufen sie sich in gewisser Weise dadurch, dass der Verleiher sie indirekt an den Unfallversicherungsbeiträgen beteiligt. Zwar muss der Verleiher diese Beiträge abführen, weil er der Arbeitgeber ist. Er wird sie bei der Kalkulation der Vergütung für die Arbeitnehmerüberlassung aber „einpreisen“, so dass mittelbar zumindest auch die Entleiher einen Teil dieser Beiträge zahlen.

Vorsteuerabzug bei Arbeitnehmerüberlassung

In den Rechnungen, die der Verleiher dem Entleiher für die Arbeitnehmerüberlassung erteilt, ist in aller Regel Umsatzsteuer ausgewiesen. Diese möchte der Entleiher als Vorsteuer von seiner Umsatzsteuerschuld abziehen (§ 15 UStG). Dies ist nur möglich, wenn die Rechnung eine korrekte Leistungsbezeichnung enthält.

Der BFH hat zuletzt im Jahr 2000 (Beschluss v. 18. Juli 2000 –V B 48/00) offengelassen, ob er an seiner alten Rechtsprechung festhält, nach der es genügte, beispielsweise die pauschale Leistungsbezeichnung „Malerarbeiten“ in der Rechnung anzugeben, wenn Arbeitnehmer zur Ausführung von Malerarbeiten überlassen wurden; die Kennzeichnung „Überlassung von Arbeitnehmern für Malerarbeiten“ war nicht erforderlich. Von dieser alten Rechtsprechung wenden sich jedoch immer mehr Finanzgerichte ab.

So hat das FG München (Urteil vom 18. Mai 2018 – 3 K 1609/16) vor kurzem entschieden, dass die Leistungsbezeichnung „Kommissions- und Lagerarbeiten“ nicht ausreichend sei, weil hieraus nicht hervorgehe, dass die Leistung in Form der Arbeitnehmerüberlassung erbracht wurde. Dieses Urteil ist rechtskräftig.

Entleiher sollten darauf achten, dass die Rechnung des Verleihers immer auch einen Hinweis auf die Arbeitnehmerüberlassung enthält. Solange es kein neues Grundsatzurteil des BFH gibt, sollte die Leistungsbeschreibung auch im Übrigen so genau wie möglich sein. Enthalten sein sollten – wie auch in der Praxis üblich – zumindest die Namen der Leiharbeitnehmer, Einsatztage, geleisteten Stunden, Stundensätze und Einsatzorte.

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Vergütung von Reisezeiten – Bestehende Handlungsspielräume nutzen

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Mit Urteil vom 17. Oktober 2018 (Az.: 5 AZR 553/17) hatte das BAG entschieden, dass erforderliche Reisezeiten bei vorübergehenden Auslandsentsendungen wie Arbeit zu vergüten sind. Die Entscheidung des BAG wurde nach Bekanntgabe der Pressemitteilung teils „dramatisch″ kommentiert.

Nachdem das Urteil zwischenzeitlich im Volltext vorliegt, ist klar: Die Entscheidung des BAG bewegt sich auf bekanntem Terrain und bezieht sich insbesondere nicht auf das Arbeitszeitgesetz. Für die Praxis wichtig bleiben die nach BAG zulässigen abweichenden Regelungen durch Arbeits- oder Tarifvertrag.

Worum es ging: Mitarbeiter verlangt Vergütung für Reisezeit

Ein technischer Mitarbeiter eines Bauunternehmens wurde von seiner Arbeitgeberin auf eine Baustelle nach China entsandt. Auf Wunsch des Mitarbeiters buchte die Arbeitgeberin für die Hin- und Rückreise keine Direktflüge in der Economy-Class, sondern Flüge in der Business Class mit Zwischenstopp in Dubai.

Die Arbeitgeberin hatte für die Reisetage jeweils für acht Stunden die normale Vergütung in Ansatz gebracht. Mit der Klage verlangte der Kläger Vergütung für 37 weitere Stunden Reisezeit. Das LAG Rheinland-Pfalz hatte der Klage im Wesentlichen stattgegeben.

BAG: Vergütung von Reisezeiten, wenn diese zur Hauptleistungspflicht gehören

Das BAG hat das Berufungsurteil zur näheren Sachverhaltsaufklärung an das LAG Rheinland-Pfalz zurückverwiesen. Der Kläger habe zwar Anspruch auf Vergütung der erforderlichen Reisezeiten. In welcher Höhe die Forderungen begründet seien, müsse jedoch nochmals aufgeklärt werden.

Das Urteil des BAG liegt damit auf der Linie seiner bisherigen Rechtsprechung. Das BAG nimmt bereits bisher u.a. dann eine Vergütungspflicht von Reisezeiten nach § 611 BGB bzw. § 611a BGB an, wenn das Fahren zur auswärtigen Arbeitsstelle zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten gehört. Dies sei dann anzunehmen, wenn das wirtschaftliche Ziel der Gesamttätigkeit darauf ausgerichtet sei, Kunden aufzusuchen (so etwa zu den Außendienstmitarbeitern BAG, Urteil v. 10. Oktober 2006 – 1 ABR 59/05). In diesen Fällen gehöre die zwingende An- und Abreise zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten.

Diese Grundsätze seien auch auf eine vorübergehende Entsendung ins Ausland übertragbar, weil diese in der Regel im alleinigen Interesse des Arbeitgebers sei und in untrennbarem Zusammenhang mit der Arbeitsleistung stünde. Aufgrund dieser Fremdnützigkeit gehörten die Hin- und Rückreise zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten nach § 611 BGB bzw. § 611a BGB. Das BAG stellt hierbei erneut klar, dass die arbeitszeitrechtliche Einordnung der Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz für die Vergütungspflicht keine Rolle spiele.

Mögliche Abweichung durch Arbeits- oder Tarifvertrag

Im Ausgangspunkt sind Reisezeiten mit der für die eigentliche Tätigkeit vereinbarten Vergütung zu bezahlen. Das BAG anerkennt jedoch, dass durch Arbeits- oder Tarifvertrag eine gesonderte Vergütungsregelung getroffen werden kann. Insoweit kann die Vergütungspflicht reduziert und auch vollständig ausgeschlossen werden, wenn hierdurch der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn im Einzelfall nicht unterschritten wird. Der Gestaltung entsprechender Tarif- bzw. Arbeitsverträge kommt damit erhebliche Bedeutung zu. So dürfte beispielsweise in Anlehnung an die Rechtsprechung zur pauschalen Überstundenabgeltung eine Klausel intransparent sein, nach der „sämtliche Reisezeiten, auch außerhalb der regulären Arbeitszeit vollständig mit der Vergütung abgegolten″ sein sollen.

Die Praxis wird sich auch damit befassen, in welchen Fällen abweichende Regelungen durch Betriebsvereinbarung in Betracht kommen. So hatte das LAG Düsseldorf jüngst eine Regelung in einer Betriebsvereinbarung für wirksam erachtet, die die ersten und letzten 20 Minuten der Reisezeit eines Außendienstmitarbeiters von der Wohnstätte zum ersten Kunden und die ersten 20 Minuten der Rückfahrt vom letzten Kunden nach Hause als nicht vergütungspflichtige Arbeitszeit festlegte. Das LAG Düsseldorf sah hierin insbesondere auch keinen Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG, da die einschlägigen Tarifverträge keine Regelungen zur Vergütung von Wegezeiten enthielten (LAG Düsseldorf, Urteil v. 14. Dezember 2018 – 10 Sa 96/18, Revision zugelassen).

Jedenfalls: Nur „erforderliche″ Reisezeiten sind zu vergüten

Fehlt eine solche Vergütungsregelung für Reisezeiten, bezieht sich die Vergütungspflicht auf die „erforderlichen″ Reisezeiten. Gibt der Arbeitgeber Reisemittel und -verlauf vor, ist die Reisezeit erforderlich, die aus den Vorgaben des Arbeitgebers folgt. Überlässt der Arbeitgeber die Wahl von Reisemittel und -verlauf dem Arbeitnehmer, so ist dieser verpflichtet, das kostengünstigste Reisemittel und den kostengünstigsten Reiseverlauf zu wählen, es sei denn, Reisemittel oder Reisverlauf wären wegen besonderer Umstände nicht zumutbar.

Neben der unmittelbaren Reisezeit sind nach Ansicht des BAG auch Wegezeiten vom und zum Flughafen sowie Zeiten für Einchecken und Gepäckausgabe erforderlich. Eigennütziger Zeitaufwand (Kofferpacken, Duschen, etc.) gilt hingegen nicht als erforderliche Reisezeit. Die Darlegungs- und Beweislast für die Erforderlichkeit von Reisezeiten liegt insoweit beim Arbeitnehmer, wenn diesem die Wahl von Reisemittel und -verlauf überlassen ist. Eine Anrechnung von ersparten Wegezeiten kommt grundsätzlich in Betracht, spielte im entschiedenen Fall aber keine Rolle.

Vergütung von Reisezeiten sollte daher unbedingt geregelt werden

Unternehmen sollten von den durch das BAG gegebenen Gestaltungsspielräumen Gebrauch machen und die Vergütung von Reisezeiten unbedingt regeln. Auf welcher Ebene eine Regelung sinnvoll erscheint, muss im Einzelfall geprüft werden. Eine fehlende Regelung führt aber jedenfalls dazu, dass – sofern die Reisezeiten vergütungspflichtig sind – erforderliche Reisezeiten auf Grundlage der „üblichen″ Vergütung bezahlt werden müssen.

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Massenentlassungsanzeige: Erst anzeigen, dann unterschreiben?

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Eine Massenentlassungsanzeige ist bei jeder größeren Personalabbaumaßnahme unverzichtbar. Wann sie erforderlich ist, hängt von der Anzahl der Arbeitnehmer ab, deren Arbeitsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitgebers innerhalb von 30 Kalendertagen beendet werden soll. Sind die Schwellenwerte des § 17 Kündigungsschutzgesetz überschritten, muss gegenüber der Agentur für Arbeit Anzeige erstattet werden, noch bevor Kündigungen ausgesprochen werden.

Kündigungserklärung erst nach Massenentlassungsanzeige

Natürlich bedeutet dies, dass dem Arbeitnehmer das Kündigungsschreiben erst ausgehändigt werden darf, nachdem die Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist.

Das LAG Baden-Württemberg (Urteil v. 21. August 2018 – 12 Sa 17/18) ist jetzt aber noch einen Schritt weiter gegangen: Der Arbeitgeber dürfe, so das LAG, die Kündigungserklärung vor Eingang der Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit noch nicht einmal unterschreiben. Wörtlich hat das LAG ausgeführt:

Die Massenentlassungsanzeige ist zu einem Zeitpunkt zu erstellen, in dem Kündigungen geplant, aber noch nicht entschieden sind.

Zur Begründung für seine Auffassung hat sich das LAG Baden-Württemberg auf eine Entscheidung des BAG (Urteil v. 9. Juni 2016 – 6 AZR 405/15) berufen. In jenem Urteil hatte das BAG aber lediglich entschieden, dass die Kündigungen erst nach Erstattung der Massenentlassungsanzeige „erklärt“ werden dürfen. Dass sogar ihre Unterzeichnung vorher unzulässig wäre, hatte das BAG nicht ausgesprochen.

Anzeigepflicht und Konsultationsverfahren

Die Vorgabe des LAG Baden-Württemberg („Erst anzeigen, dann unterschreiben″) erstaunt. Denn sie ergibt sich nicht aus dem Wortlaut des § 17 Kündigungsschutzgesetz. Die Massenentlassungsanzeige muss der Arbeitgeber gegenüber der Agentur für Arbeit abgeben (Anzeigepflicht). Besteht in einem Betrieb ein Betriebsrat, ist der Arbeitgeber nach § 17 Absatz 2 Kündigungsschutzgesetz außerdem verpflichtet, mit ihm die Möglichkeiten, Entlassungen zu vermeiden oder ihre Folgen abzumildern, zu beraten (Konsultationsverfahren). Erst wenn das Konsultationsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde, kann der Arbeitgeber die Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit einreichen und im Anschluss daran Kündigungen aussprechen.

Nur Betriebsrat hat Beratungsanspruch

Nach der gesetzlichen Konzeption hat nur der Betriebsrat einen Beratungsanspruch. Daher ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Betriebsrat im Vorfeld der Beratungen schriftlich über die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer, sowie die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien unterrichten. Gleichzeitig ist der Agentur für Arbeit eine Kopie dieser schriftlichen Unterrichtung zuzuleiten.

Hieraus folgt: Denklogische Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Durchführung der Beratungen mit dem Betriebsrat ist, dass der Arbeitgeber die Entlassungen zum Zeitpunkt der Unterrichtung geplant und noch nicht endgültig beschlossen hat. Andernfalls könnte er Vorschläge des Betriebsrats zur Vermeidung oder Einschränkung der Massenentlassung bei seinen Planungen nicht berücksichtigen. Deshalb darf in diesem Stadium der Kündigungsentschluss noch nicht gefasst sein.

Agentur für Arbeit bestätigt nur Eingang

Anders ist dies nach Abschluss der Beratungen mit dem Betriebsrat, also bei Abgabe der Massenentlassungsanzeige. Weshalb, wie das LAG meint, der Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt den Kündigungsentschluss noch nicht gefasst haben darf, erschließt sich nicht. Denn die Agentur für Arbeit bestätigt dem Arbeitgeber lediglich den rechtswirksamen Eingang der Massenentlassungsanzeige. Eine Beratungspflicht des Arbeitgebers gegenüber der Agentur für Arbeit besteht gerade nicht. Die Eingangsbestätigung der Agentur für Arbeit enthält auch keine Informationen, die den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers noch beeinflussen könnten. Schließlich ist die Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigungen allein den Arbeitsgerichten vorbehalten.

Kündigungsentschluss bis Massenentlassungsanzeige zurückstellen?

Angesichts dessen dürfte es eine übertriebene Förmelei sein, vom Arbeitgeber zu verlangen, die – in der Praxis oft zeitgleich zur Massenentlassungsanzeige in Vorbereitung befindlichen – Kündigungsschreiben erst nach Einreichung der Anzeige zu unterschreiben. Zum einen sind die Kündigungen, solange sie sich noch im Machtbereich des Arbeitgebers befinden, noch gar nicht den Arbeitnehmern zugegangen, ja noch nicht einmal auf den Weg zu ihnen gebracht worden. Abgesehen davon muss der Arbeitgeber bei Erstellung der Massenentlassungsanzeige bereits bestimmen, wer anschließend entlassen werden soll. Anders wäre er gar nicht in der Lage, in der Anzeige Angaben zum Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer zu machen, wozu das Gesetz ihn aber anhält (§ 17 Absatz 3 Satz 5 Kündigungsschutzgesetz).

Arbeitsmarktpolitische Zwecke

Auch arbeitsmarktpolitische Zwecke, die mit der Massenentlassungsanzeige verfolgt werden, erfordern nicht die durch das LAG Baden-Württemberg vorgegebene Handhabung. Denn die Agentur für Arbeit soll in die Lage versetzt werden, rechtzeitig Maßnahmen zu veranlassen, um die zu kündigenden Arbeitnehmer in neue Arbeitsverhältnisse zu vermitteln. Dies kann sie aber auch, wenn die Kündigungen bei Anzeigeerstattung bereits unterzeichnet in der Schublade liegen.

Praxistipp bis zur Entscheidung des BAG: Unterschrift unter Kündigung erst nach Eingang der Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit

Gegen das Urteil des LAG Baden-Württemberg ist Revision eingelegt worden (Az.: 2 AZR 459/18). Bis zur Entscheidung des BAG ist Arbeitgebern vorsorglich zu empfehlen, Kündigungen erst dann zu unterschreiben, nachdem die Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist. Erfolgt beides – wie in dem vom LAG Baden-Württemberg entschiedenen Fall – am selben Tag, sollte die Reihenfolge dokumentiert werden. Jedenfalls bis zu einer höchstrichterlichen Klärung der Rechtslage müssen im Prozess notfalls die genauen Uhrzeiten bewiesen werden, zu denen die Anzeige bei der Agentur für Arbeit einging und die Kündigungen unterzeichnet wurden.

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Home-Office: Möglichkeiten und Grenzen der Zuweisung von Heimarbeitsplätzen

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Mit zunehmender Digitalisierung der Arbeit und Vernetzung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern haben Heimarbeitsplätze (Home-Office) wieder an Konjunktur gewonnen. Sie sind probates Mittel, um das Bedürfnis nach Flexibilisierung der Arbeit und guter Work-Life-Balance in Einklang zu bringen.

Zugleich birgt die Beschäftigung im Home-Office aber auch Gefahren, da sie das Potential in sich trägt, die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit zu verwischen. Immer wieder sind die Gerichte daher mit Rechtsfragen befasst, die sich um den Themenkreis „Home-Office“ und „Arbeit 4.0“ drehen.

Von besonderem Interesse ist die Frage danach, inwiefern der Arbeitgeber eine Tätigkeit im Home-Office auch gegen den Willen des Arbeitnehmers anordnen darf. Hiermit hatte sich das LAG Berlin-Brandenburg jüngst auseinanderzusetzen (Urteil v. 14. November 2018 – 17 Sa 562/18).

Kündigung, nachdem Arbeitnehmer Arbeit im Home-Office verweigert hat

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt war der Arbeitnehmer nach umfangreichen Umstrukturierungsmaßnahmen dazu angehalten worden, einen Teil seiner Arbeit im Home-Office zu erledigen. Dies lehnte er jedoch nachdrücklich ab. Als er die aufgetragenen Arbeiten im Home-Office nicht ausführte, kündigte der Arbeitgeber nach vorheriger Abmahnung das Arbeitsverhältnis fristlos.

Der daraufhin vom Arbeitnehmer erhobenen Kündigungsschutzklage hatte bereits das ArbG Berlin in der Vorinstanz stattgegeben. Die Berufung des Klägers blieb auch in der zweiten Instanz erfolglos. Das LAG Berlin-Brandenburg stellt in seiner Entscheidung die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung fest und verneint damit die Auflösung des Arbeitsverhältnisses, da kein Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliege.

Arbeitgeber grundsätzlich zur einseitigen Anordnung einer Tätigkeit im Home-Office berechtigt – Aber: Regelungen im Arbeitsvertrag maßgebend

Ob eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt ist, richtet sich unter anderem danach, ob ein „an sich geeigneter“ Kündigungsgrund vorliegt. Dies können beispielsweise solche Gründe sein, die im Verhalten des Arbeitgebers begründet sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zählt hierzu auch die beharrliche Weigerung, arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen (etwa BAG, Urteil v. 28. Juni 2018 – 2 AZR 436/17).

Das LAG Berlin-Brandenburg hatte sich also mit der Frage auseinanderzusetzen, ob den Arbeitnehmer eine Pflicht traf, im Home-Office tätig zu werden. Ob dem so war, hing maßgeblich davon ab, ob der Arbeitgeber überhaupt zur einseitigen Anordnung einer Tätigkeit im Home-Office berechtigt war. Beurteilungsgrundlage hierfür ist § 106 GewO, wonach der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen bestimmen kann.

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers ist allerdings durch den Arbeitsvertrag begrenzt: Soweit dieser bereits eine Regelung – beispielsweise zum Arbeitsort – vorsieht, kann der Arbeitgeber nicht einseitig in die vertragliche Abrede eingreifen. Es bedarf vielmehr einer neuen vertraglichen Vereinbarung, welche die alte ersetzt.

Im zu entscheidenden Fall hatten die Parteien eine entsprechende Abrede über den Ort der Arbeitsleistung getroffen: Diese sollte im Betrieb des Arbeitgebers erbracht werden. Nach Auffassung des LAG wich die Weisung des Arbeitgebers, Arbeiten künftig teilweise im Home-Office zu erledigen, zu stark von der arbeitsvertraglichen Vereinbarung ab. Es hätte einer neuen vertraglichen Abrede bedurft, um den Arbeitnehmer wirksam zu verpflichten.

Durch die Tätigkeit im Home-Office verliere der Arbeitnehmer den unmittelbaren Kontakt zu seinen Kollegen und die Möglichkeit, ohne weiteres für die betriebliche Interessenvertretung und für im Betrieb vertretene Gewerkschaften erreichbar zu sein. Darüber hinaus verwische eine Tätigkeit im Home-Office die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit. Ziehe der Arbeitnehmer selbst – etwa zwecks besserer Vereinbarung von Beruf und Familie – die Tätigkeit im Home-Office vor, so ändere dies nichts daran, dass eine einseitige Anordnung nicht möglich sei.

Praxishinweis: Verpflichtung zur Arbeit im Home-Office vertraglich regeln

Das LAG Berlin-Brandenburg hat die Grenzen des Weisungsrechts des Arbeitgebers hinsichtlich einer Tätigkeit im Home-Office klar abgesteckt. Eine Rechtspflicht hierzu kommt nur dann in Frage, wenn entweder der Arbeitsvertrag eine Regelung des Arbeitsortes gar nicht vorsieht oder wenn der Arbeitnehmer in eine entsprechende Tätigkeit eingewilligt hat.

Aus Sicht des Arbeitgebers wird stets zu beachten sein, dass ein arbeitsvertraglicher „Leerzustand“ hinsichtlich des Arbeitsortes nur selten in Betracht kommen wird: Grundsätzlich wird sich eine vertragliche Abrede, soweit sie nicht ohnehin ausdrücklich vereinbart wurde, aus der ständigen Praxis der Arbeitsvertragsparteien ergeben. Es ist daher ratsam, eine Verpflichtung zur Arbeit im Home-Office stets auf vertraglicher Grundlage zu begründen.

Ausblick: Regelungen zum Arbeitsort werden im Zeitalter des Arbeitens 4.0 immer wichtiger

Neben der bereits seit einigen Jahren anhaltenden Diskussion um die ständige Erreichbarkeit von Arbeitnehmern rückt die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg nun erneut einen weiteren Aspekt in das Zentrum der Kontroverse: Nicht nur die Regelungen über die Arbeitszeit bedürfen der ständigen Reflexion, sondern auch solche über den Arbeitsort.

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Vorsicht Arbeitgeber: Der richtige Umgang mit Lohnpfändungen

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Man stelle sich vor, dass ein Arbeitnehmer seinem Kind Unterhalt und einem Versandhaus den Kaufpreis für Unterhaltungselektronik schuldet. Sowohl das Kind als auch das Versandhaus haben ein Urteil gegen den Arbeitnehmer erstritten. Da beide wissen, wo der Arbeitnehmer beschäftigt ist, möchten sie auf seinen Lohn zugreifen. Kommt es zur Gehaltspfändung, muss der Arbeitgeber wissen, an wen er künftig das Arbeitsentgelt auszuzahlen hat.

Pfändungsverfügung und Pfändungsbeschluss

Bei vielen Schuldnern, so auch dem Arbeitnehmer im Beispiel, ist das Gehalt der einzige pfändbare Vermögenswert. Tilgt der Arbeitnehmer seine Schulden nicht freiwillig, müssen Gläubiger erwirken, dass der Arbeitgeber Teile des Lohns so lange an sie abführt, bis die Verbindlichkeiten beglichen sind.

Öffentlich-rechtliche Gläubiger, insbesondere Finanzämter, können dies selbst tun, indem sie dem Arbeitgeber eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung übersenden. Privatpersonen müssen bei dem Amtsgericht einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragen und den Gerichtsvollzieher bitten, ihn dem Arbeitgeber zuzustellen.

Pfändung wirkt wie Abtretung – Auszahlung muss an Gläubiger erfolgen

Die Pfändung in Verbindung mit der Einziehungsverfügung bzw. dem Überweisungsbeschluss hat die gleiche Wirkung wie eine Abtretung. Es gilt also all das, was auch gälte, wenn der Arbeitnehmer Teile seines Lohns an seinen Gläubiger abgetreten hätte.

Schon deshalb muss der Arbeitgeber die amtlichen Schriftstücke, die ihm zugestellt werden, sorgfältig lesen. Denn die gepfändeten Lohnbestandteile dürfen nur noch an den Gläubiger, der die Pfändung erwirkt hat, ausgezahlt werden.

Werden Lohnbestandteile versehentlich an den Arbeitnehmer gezahlt, muss der Arbeitgeber sie anschließend noch einmal an den Gläubiger abführen. Diese Doppelzahlung kann er in aller Regel nicht von dem Arbeitnehmer ersetzt verlangen, weil der Arbeitgeber, wenn er die Pfändung ignoriert, auf eigenes Risiko handelt.

Drittschuldner-Auskunft sollte schriftlich erteilt werden

Behörden stellen ihre Pfändungs- und Einziehungsverfügungen fast immer per Post zu und fordern im Kleingedruckten zur Abgabe einer Drittschuldner-Auskunft auf. In der Drittschuldner-Auskunft muss der Arbeitgeber erklären, ob er zu Zahlungen bereit ist und ob andere Personen Rechte an den Gehaltsansprüchen haben (z. B. Lohnabtretungen oder früher erfolgte Gehaltspfändungen).

Von Privatpersonen erwirkte Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse hingegen stellt der Gerichtsvollzieher meist persönlich zu. Hierbei fragt er den Arbeitgeber, ob er die Drittschuldner-Auskunft mündlich abgeben möchte. Diese Frage sollte der Arbeitgeber immer verneinen, weil der Inhalt der Auskunft wegen der Haftungsrisiken wohlüberlegt sein sollte. Der Gerichtsvollzieher wird dann darauf hinweisen, dass die Drittschuldner-Auskunft binnen 14 Tagen schriftlich entweder ihm gegenüber oder unmittelbar gegenüber dem pfändenden Gläubiger erfolgen muss.

Pfändungsfreibeträge: Unpfändbarer und pfändbarer Lohn

Durch die Pfändung darf dem Arbeitnehmer nicht der gesamte Lohn genommen werden. Denn andernfalls müsste er Sozialhilfe beantragen, was der Gesetzgeber vermeiden möchte, um die öffentlichen Kassen zu schonen. Deshalb sieht das Gesetz Pfändungsfreibeträge vor, also Beträge, die dem Arbeitnehmer belassen werden müssen. Ihre Höhe hängt davon ab, wie vielen Personen der Arbeitnehmer Unterhalt gewähren muss. Die aktuellen Beträge ergeben sich aus der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2017 .

Besonderheiten beim unpfändbaren Lohn

Die in der Bekanntmachung genannten Beträge gelten aber nicht immer. Denn einige Gehaltsbestandteile sind entweder ganz oder teilweise unpfändbar. Dazu gehören unter anderem Überstundenvergütung, Weihnachtsgeld und bestimmte Zulagen. Diese dürfen bei der Berechnung des pfändbaren Lohns nicht berücksichtigt werden.

Wenn ein Gläubiger – wie das Kind im Beispielsfall – Unterhalt von dem Arbeitnehmer verlangt und zu diesem Zweck den Lohn pfändet, setzt das Amtsgericht individuelle Pfändungsfreibeträge fest. Hierauf müssen Arbeitgeber bei der Lektüre des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses unbedingt achten. Besonders hoch ist der Verwaltungsaufwand für den Arbeitgeber, wenn gleich mehrere Angehörige, etwa ein geschiedener Ehegatte und zwei Kinder, wegen ihrer Unterhaltsansprüche vollstrecken. In diesem Fall muss der Arbeitgeber unter Umständen allmonatlich vier Teilbeträge überweisen: an den Arbeitnehmer und die drei Angehörigen.

Keine arbeitsrechtlichen Maßnahmen wegen Pfändungen ergreifen

Keinesfalls sollte der Arbeitgeber nach Erhalt einer Pfändungsmaßnahme das Arbeitsverhältnis kündigen. Denn nach der Rechtsprechung des BAG (Urteil v. 15. Oktober 1992 –2 AZR 188/92) rechtfertigt der mit der Bearbeitung von Pfändungen verbundene Arbeitsaufwand nur in Ausnahmefällen eine ordentliche Kündigung.

Darüber hinaus hat das BAG (Urteil v. 18. Juli 2006 – 1 AZR 578/05) entschieden, dass der Arbeitgeber von dem Arbeitnehmer für die Bearbeitung einer Pfändung keine „Bearbeitungsgebühr“ verlangen kann. Entgegenstehende Regelungen im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung sind unwirksam.

Problemfälle: Kranken- und Pflegeversicherung sowie Sachleistungen

Genau prüfen muss der Arbeitgeber Fälle, in denen der Arbeitnehmer privat kranken- und pflegeversichert ist. Denn Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sind immer unpfändbar, Beiträge an ein privates Versicherungsunternehmen hingegen nur, soweit sie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen. Das kann den Arbeitgeber dazu zwingen, aufwendige Nachforschungen anzustellen, welche Beträge üblich sind.

Vorsicht ist auch geboten, wenn dem Arbeitnehmer ein Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen worden ist. Denn dieser Sachbezug ist meist pfändbar. Der geldwerte Vorteil, der aus der Überlassung des Fahrzeugs folgt, wird in der Gehaltsabrechnung dem „Brutto“ hinzugerechnet und vom „Netto“ wieder abzogen. Zu beachten ist, dass der „Netto-Abzug“ nicht das pfändbare Einkommen mindern darf. Denn andernfalls stünde der Arbeitnehmer, der einen Dienstwagen hat, besser als derjenige, der ein Auto privat geleast hat.

Im Zweifel Geld beim Amtsgericht hinterlegen

Nicht nur die genannten, sondern auch andere Konstellationen können dazu führen, dass der Arbeitgeber den pfändbaren Betrag nicht zweifelsfrei berechnen kann.

Das Gesetz hilft ihm auf zweierlei Weise. Er kann in manchen Fällen das Amtsgericht um eine Klarstellung bitten, wie der pfändbare Betrag zu berechnen ist. Darüber hinaus kann er Teilbeträge beim Amtsgericht hinterlegen, wenn sich nicht aufklären lässt, wem sie zustehen. Durch die Hinterlegung wird der Arbeitgeber von seiner Pflicht sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Gläubiger gegenüber frei. Arbeitnehmer und Gläubiger streiten anschließend untereinander darüber, an wen die hinterlegten Gelder auszuzahlen sind.

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Deutschlands Arbeitsgerichte (23) – Aachen

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Gute Architektur färbt auf ihre Umgebung ab, heißt es. Am Adalbertsteinweg, an dem das Aachener Justizzentrum aus Arbeits-Amts- und LandgerichtSozialgerichtVerwaltungsgericht sowie der Staatsanwaltschaft liegt, kann man dies leider nicht so wirklich ablesen. Hier reihen sich in tristen Häusern 1-Euro-Läden und Handyshops aneinander. Dabei besteht das Justizzentrum aus einer solchen Ansammlung architektonisch anspruchsvoller Bauten, dass die Entscheidung schwerfällt, mit welchem Bauteil eine Beschreibung beginnen soll…

Seit Jahren schwebte mir diese Einleitung des Beitrags über das Arbeitsgericht Aachen in dieser Reihe vor – und gleichzeitig hat mich der Umfang der zu beschreibenden Bauten davon abgehalten. Eine streng dem Gang des Besuchers folgende Beschreibung hätte zu vieles ausgelassen – ihr konnte ich ebenso wenig abgewinnen, wie einer chronologischen Beschreibung, die sich den Gebäudeteilen nach ihrer Entstehungszeit nähert. Ich will es mit einer Mischung versuchen:

Die Historie des Justizzentrums Aachen

In einer Nebenstraße des Adalbertsteinwegs, der Kongressstraße, wurde im März 1888 das neue Gebäude des Amts- und Landgerichts eingeweiht. Schnell zu klein, wurde es nach Verzögerung durch den Ersten Weltkrieg und die Ruhrbesetzung 1929 um ein weiteres Gebäude am Adalbertsteinweg erweitert.

Gleich nebenan, hinter einem repräsentativen Eingangsblock am Adalbertsteinweg 92, befand sich das städtische Gefängnis mit Zellenblock und Verwaltung, entworfen vom Architekten Robert Ferdinand Cremer, von dem auch das Hauptgebäude des Polytechnikums Aachens, der heutigen RWTH-Aachen stammt. In den 1990er Jahren war das Gefängnis in die Jahre gekommen und wurde schließlich im Jahr 2004 in einen Neubau verlegt. Nach seinem Abriss war Platz für den Neubau eines Justizzentrums, dessen Saal- und angrenzende Verwaltungstrakte sich auf dem Baugrund des früheren Gefängnisses befinden und im Jahr 2008 eröffnet wurden.

Das Parkhaus

Wer sich dem Justizzentrum von der Autobahn aus nähert, stößt am Adalbertsteinweg zunächst auf einen riesigen Block mit der Anmutung eines Hochbunkers – das Parkhaus des Gerichtszentrums.

Das Gebäude, vielmehr dessen Außenhaut, hat der Künstler Rémy Zaugg gestaltet. Wer sich die Fassade aus roten Betonfertigteilen, die zur Belüftung eine Art Flechtstruktur bilden, anschaut, sieht in den Fassadenelementen eingelassene Wörter mit je acht Buchstaben wie Marzipanlauwarm oder Schnabel. Interpretationen verbieten sich eigentlich, weil Rémy Zaugg erklärte, es handele sich um reine Zufallswörter ohne System und Hintergedanken. Nun ja, sie sind jedenfalls systematisch verteilt: Adjektive und Verben auf der Stirnseite, Substantive auf der Längsseite.

Die Anreise

Mir ist es noch nie gelungen, in diesem Parkhaus einen Parkplatz zu ergattern, auch wenn es – bei insgesamt 400 Parkplätzen – im Erdgeschoss Besucherparkplätze geben soll. Die oberen Geschosse dagegen sind ausschließlich für Justizbedienstete reserviert. Ich weiche in das weiter westlich Richtung Innenstadt gelegene Parkhaus eines Supermarktes aus. Von dort führt der Weg zum Gericht an besagten Läden vorbei und man passiert den früheren und heute verschlossenen Eingang des Amts- und Landgerichts mit seiner schönen, doppelflügeligen Tür hinter einer Freitreppe. Der Schriftzug ist zu schön, um ihn nicht zu zeigen.

Ein paar Schritte weiter geht es durch das ehemalige Eingangsgebäude der Justizvollzugsanstalt. Ein Durchgang mit neugotischem Kreuzrippengewölbe führt zum Eingangshof des Justizzentrums.

 

Der Eingangshof

Hinter dem Durchgangsgebäude befindet sich der mit Steinplatten belegte Innenhof. Hier empfangen den Besucher klare Linien: Die Flechtstruktur der Parkhausfassade, der zentrale Saalbau mit seinen strukturierten Fensterbändern und der Boden mit seiner Umrandung aus großen quadratischen Betonplatten um eine rechteckige „Seenlandschaft“ aus kleinere Betonplatten, die so verlegt wurden, dass in den Fugen Gras emporwachsen kann. Wie ein Kunstwerk ragt in der linken Hälfte ein großer Baum empor.

Vom Innenhof führen eine Treppe und eine Rampe zum Eingang in den Saaltrakt hinauf.

 

Die Altbauten

Wer die Eingangsschleuse passiert, betritt einen Vorflur, in dem sich eine Informationstheke mit Justizpersonal und Lagepläne befinden – farbig an der Wand, als Kupferstich in der Raummitte.

Das ist an dieser Stelle auch geboten, weil man hier – je nach Ziel – zum Saaltrakt geradeaus, zu den Sälen in den Altbauten (Haus D) nach rechts in historische Flure abbiegen muss. Wechseln wir in eine historische Begehung der Gebäude:

Die Epochen der Altbauten lassen sich auch klar am Äußeren und im Inneren ablesen, auch wenn sie von 2008 bis 2011 saniert und modernisiert wurden.

Der älteste Gebäudeteil im neugotischen Stil an der Kongressstraße 11 stammt aus den Jahren 1883 bis 1888 nach einem Entwurf des Architekten und preußischen Baubeamten Karl Friedrich Endell. Das Gebäude wird von seinem zentralen Hauptbau, dessen von Natursteinen eingefasste Backsteinfassade mit den drei Rundbögen hinter einer imposanten Treppe aufragt, und den hohen Fenstern geprägt. Rechts und links schließen sich Mittelbauten an. Sie sind von Abschlussflügeln eingefasst, deren Giebel den Mittelbau nachbilden.

Innen gibt es neugotische Kreuzgewölbe und -bögen, ein herrliches Treppenhaus und kleinteilige Bodenfliesen.

 

Der Erweiterungsbau aus dem Jahr 1929 ist in seiner Grundform und Fassadengestaltung schlichter aber nicht weniger staatstragend. Ein Mitteltrakt wird zur Straßenseite von zwei Seitenflügeln flankiert. Die Fassade aus Backstein und Muschelkalkstein folgt Aachener Bautradition. Die Pilasterkapitelle und der Rahmen des Hauptportals mit den Tierkreiszeichen stammen vom Künstler und Bildhauer Wolfgang Wallner. Das große schmiedeeiserne Portalgitter stammt – wie die Treppengeländer im Innern – vom Kunstschmied Carl Wyland aus Köln.

 

Was von der Straße noch wuchtig und trutzig wirkt, löst sich im Innenhof in eine von waagerechten und senkrechten Fensterbändern gefasste Klinkerfassade auf, die auch in Hamburg stehen könnte.

Innen gibt es mit Säulen, schmiedeeisernen Gitter und Hallen ausgestattete Räumlichkeiten, die jedem Justizfilm eine angemessene Kulisse bieten würden.

Der zentrale Saalbau des ArbG Aachen

Zum Arbeitsgericht geht es zurück zum Neubau. Er wurde von Gesine Weinmiller entworfen, aus deren Hand auch der zuvor entstandene Bau des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt stammt.

Der Neubau besteht aus einem zentralen Saaltrakt (Haus A) und angrenzenden Verwaltungsgebäuden und wurde zwischen September 2004 und Dezember 2007 errichtet. Der Neubau kam – man mag es im Jahr 2019 nicht glauben – ohne Kostensteigerung aus. Der neue Saaltrakt bildet das Hauptgebäude und „Zentrum“ des Justizzentrums. Seine Fassade mit hellen Betonfertigteilen aus glatt poliertem Weißbeton mit Marmorzuschlagsstoffen wird von den streng symmetrischen Fenstern durchbrochen.

Inmitten des Saaltrakts liegt die große Halle. Sie ist wirklich groß – so wie man es in Verwaltungsgebäuden des 18. und 19. und frühen 20. Jahrhunderts kennt. Die sehr zurückhaltende Rechteckstruktur aus mit Holz verkleideten und zur Halle hin offenen Rundgängen hat etwas Abstraktes, wirkt aber keineswegs seelenlos.

Sie wird gekrönt von einer Kassettendecke mit Milchglasscheiben, durch die von oben Licht einströmt.

Ich habe mich auf das Dach führen lassen und die aufwändige Überdachung dieser Decke bewundert. Innerhalb dieser an ein Gewächshaus erinnernden Konstruktion finden sich auch Leuchten, die an trüben Tagen und abends für ausreichend „Tageslicht“ in der Halle sorgen. Selbstverständlich sind die Flachdächer des Justizzentrums begrünt.

Am Kopf der Halle befinden sich die Aufzüge, an ihrem Ende ein Treppenhaus. Als Kontrast zum Holz der Wandverkleidung, den weißgestrichenen Wänden der Flure und dem hellen geschliffenen und polierten Boden mit Verkieselung sind die Wände der Aufzüge und des Treppenhauses in einem dunklen Grau gehalten. Zum Kontrast sind im Treppenhaus hölzerne Geländer in die Wand eingelassen. Die Beleuchtung dezent zurückgesetzt.

Das Grau des Treppenhauses greift damit eine Farbe auf, die sich aus dem alle Etagen übergreifenden Wandbild der Künstlerin Veronika Kellndorfer ergibt. Wer das Gebäude des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt kennt, der kennt auch die Arbeiten der Künstlerin. In Aachen zeigt das Wandbild – für ein Gericht eher ungewöhnlich – eine Innenansicht des Case Study House Nr. 8 von Ray Eames im Pacific-Palisades-Viertel von Los Angeles unweit der Pazifik-Küste. Die Entscheidung für das Motiv bezieht sich auf Architektur und Funktionalität, so die Künstlerin. Die Vorlage für dieses Wandbild war, wie mir Veronika Kellndorfer mitteilte, ein Farb-Dia der Größe 4×5 Inch. Dessen Farbe wurde im Siebdruck reduziert, allerdings nicht auf Schwarz/Weiß, sondern auf einen Elfenbeinton wie er auch in den Vorhängen enthalten ist. Der Siebdruck wurde in das Glas gesintert, also eingebrannt.

Die Verhandlungssäle

Die Halle ist umgeben von den Verhandlungssälen, insgesamt 30 Säle. Im Zentralbau werden die Strafverfahren von Amts- und Landgericht verhandelt sowie die Verfahren der Fachgerichte, also auch des Arbeitsgerichts. Vor den Sälen befinden sich Sitzbänke und die obligatorischen Büropflanzen.

Die Sitzungssäle werden vor allem durch zwei Dinge geprägt – Holz und Licht. Der Boden aus Parkett, die Stirnseiten vertäfelt. Die Richterbank steht in einigen Sälen auf einem Podest. Die Möbel – Richtertisch und Tische der Parteien sind mit Echtholz funiert – greifen den Holzton des Bodens und der Wände auf. In die Schubladen der Richtertische passt ein Schönfelder. Auch die Bildschirme vor den Sälen sind mit Holz gerahmt.

Die Fenster lassen großzügig Licht herein. Die Deckenbeleuchtung folgt den Bedürfnissen der Arbeitenden und der Besucher.

In den oberen Stockwerken gibt es Verwaltungsräume, die – zu empfehlende – Kantine und die gut ausgestattete Bibliothek jeweils mit Blick über die Stadt.

Wer die Halle im Erdgeschoss an ihrem Ende verlässt, steht vor der Cafeteria, die mit ihrer offenen Theke wie das Café eines Museumsbaus wirkt.

Die Verwaltungsbauten

Rechts und links der Cafeteria befinden sich die Übergänge in die Verwaltungsanbauten, links (Haus B) die Büros der Geschäftsstellen und Richterinnen und Richter des Arbeitsgerichts und der Bediensteten der Staatsanwaltschaft. Das Verwaltungsgebäude rechts (Haus C) belegen die Verwaltungen und Richterzimmer des Amts- und Landgerichts sowie des Sozial- und Verwaltungsgerichts.

Diese Bürogebäude sollen mit ihrer mit Ziegel verkleideten Fassade einen Bezug zum Altbau herstellen. Auch hier wurde nicht an der Gestaltung gespart. Je fünf Fenster gruppieren sich zu einer Einheit im Ziegelmuster, dass selbst wieder in Flechtbändern sortiert ist.

Wer die Verwaltungsbauten betritt, gelangt in ein großes Foyer, über dem in den einzelnen Etagen ebenfalls offene Rundgänge liegen. Der Blick reicht auch hier bis zum Glasdach.

Die Höfe

Das Justizzentrum hat insgesamt fünf Höfe, die sich nicht nur in ihrer Funktion als Parkplatz, Naturlandschaft oder Eingangs- oder Aufenthaltszone unterscheiden, sondern auch in ihrem Erscheinungsbild. Den Eingangshof habe ich beschrieben.

Die zwei Innenhöfe der Verwaltungsbauten beherbergen Gehölzgruppen und Haine.

Der Innenhof zwischen Altbau, Saaltrakt und Haus C ist funktional: Parkplatz und Anlieferzone.

Der Innenhof des ersten Erweiterungsbaus steht dazu in einem starken Kontrast: Dort stand das Denkmal zum Aachener Kongress – von dem die Kongressstraße ihren Namen hat. Hier trafen sich im Oktober 1818 der preußische König Friedrich Wilhelm III., der österreichische Kaiser Franz I. und der russische Zar Alexander I. in Aachen, um den fünften Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig zu feiern. Das Kongressdenkmal musste dem Erweiterungsbau weichen und zog in den Aachener Stadtgarten um. An seine Stelle trat ein Brunnen mit einem steinernen Merkur, den ebenfalls Wolfang Wallner gestaltet hatte. Der heutige Betonbrunnen hat zwar etwas Meditatives, ein Künstlername scheint mit ihm aber nicht verbunden zu sein.

Der Park

Um das Justizzentrum verläuft ein Park, der es gegenüber der Umgebung hervorhebt und gleichzeitig einen Übergang zu den Nachbarbauten herstellt.

Die Raumnummern im ArbG Aachen

Für den Besucher vielleicht nicht ohne Belang:

Alle Raumbezeichnungen sind vierstellig. Die erste Ziffer gibt das Geschoss an, die zweite Ziffer verweist auf das Gebäude, für den Zentralbau steht die Null.

Es gibt keine Zufälle!

 

Zusammenfassung

Das Justizzentrum Aachen verbindet alte und neue Justizwelt ausgezeichnet und vorbildlich. Und es wirkt keineswegs wie ein „Zweckbau“ – hier könnte, ohne optische Abstriche machen zu müssen, ein Kulturbau, ein Museum einziehen. Kein Wunder, dass dies prämiert wurde.

Die Serie widmet sich Deutschlands Arbeitsgerichten – den Gebäuden, ihrer Architektur und der Umgebung

Hier geht es zum Arbeitsgericht Lübeck, die vorhergehenden Teile finden Sie hier: HannoverRadolfzellWeselOffenbach am MainBochumBremenDetmoldHamburgKoblenzKarlsruheDarmstadtDuisburgUlmStuttgartBerlinRavensburgMünchenSaarbrückenKölnSiegburgFrankfurt.

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Mindestehedauer von zehn Jahren bei Hinterbliebenenversorgung unwirksam

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Die betriebliche Hinterbliebenenversorgung steht in letzter Zeit immer wieder im Fokus der Rechtsprechung. In der Diskussion stehen insbesondere Regelungen in Versorgungsordnungen und Versorgungszusagen, mit denen die Arbeitgeber ihr wirtschaftliches Risiko begrenzen wollen.

Das BAG hatte sich zuletzt mit Altersabstandsklauseln und Späteheklauseln zu befassen. Das BAG hat hierbei sowohl Altersabstandsklauseln als auch Späteheklauseln im Grundsatz für zulässig anerkannt. Die diesen Regelungen immanente unmittelbare Altersdiskriminierung haben die Richter für gerechtfertigt erachtet, weil die Regelungen dem Interesse des Arbeitgebers an einer überschaubaren und kalkulierbaren Versorgungslast dienen würden (vgl. etwa zuletzt BAG, Urteil v. 11. Dezember 2018 – 3 AZR 400/17; BAG, Urteil v. 16. Oktober 2018 – 3 AZR 520/17 zu Altersabstandsklauseln und BAG, Urteil v. 15. Oktober 2013 – 3 AZR 294/11 zu einer Spätehenklausel). Damit steht für die Praxis fest, dass angemessene Altersabstands- und Spätehenklauseln eine zulässige Gestaltung sind.

Witwe klagte gegen Mindestehedauerklausel

In einer weiteren Entscheidung hatte das BAG eine andere Gestaltungsvariante zu beurteilen, mit der ein Arbeitgeber sein wirtschaftliches Risiko in Grenzen halten wollte. Es ging um eine Mindestehedauerklausel, d.h. um eine Regelung, nach der ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nur bestehen sollte, wenn die Ehe zwischen dem versorgungsberechtigten Arbeitnehmer* und dem Ehegatten im Zeitpunkt des Todes des Arbeitnehmers für eine bestimmte Mindestdauer bestand.

Geklagt hatte eine Witwe gegen den ehemaligen Arbeitgeber ihres verstorbenen Mannes. Diesem wurde zu Lebzeiten auf individualvertraglicher Basis eine Hinterbliebenenversorgung zugesagt, wobei die Witwenversorgung entfallen sollte, wenn die Ehe im Zeitpunkt des Todes des Versorgungsberechtigten noch keine zehn Jahre bestanden hat. Die Ehe der Beiden bestand jedoch zum Todeszeitpunkt erst vier Jahre. Die Vorinstanzen hatten die Klage der Witwe noch abgewiesen.

BAG: Mindestehedauer von zehn Jahren als unangemessene Benachteiligung der Witwe

Das BAG erklärte die Mindestehedauerklausel von zehn Jahren für unwirksam und gab damit der Witwe in seiner Entscheidung vom 19. Februar 2019 (3 AZR 150/18) Recht.

Nach Ansicht des BAG entspreche die Zusage einer Hinterbliebenenversorgung der Vertragstypik, dass Ehepartner der Arbeitnehmer abgesichert sind. Schränke der Arbeitgeber den Personenkreis zulasten des Arbeitnehmers in der Versorgungszusage ein, unterliege diese Einschränkung als Allgemeine Geschäftsbedingung der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das BAG sah die Mindestehedauer von zehn Jahren in der konkreten Versorgungsordnung indes als willkürlich an, da sie keinen inneren Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis und zum verfolgten Zweck habe.

Mindestehedauerklausel wohl grundsätzlich zulässig – zehn Jahre sind aber zu viel

Bislang liegt zwar nur die Pressemitteilung vor. Hiernach scheint für das BAG aber insbesondere die „willkürlich″ gegriffene Zeitspanne von zehn Jahren problematisch zu sein.

Bereits in einer vorangegangenen Entscheidung hat das BAG festgestellt, dass für die Zusage einer Hinterbliebenenversorgung vertragstypisch sei, dass diese eine bestimmte Personen in einem Näheverhältnis zum Versorgungsberechtigten absichere. Es entspreche der im Gesetz angelegten Vertragstypik, dass diejenigen Personen, die in einem solchen Näheverhältnis stünden, auch abgesichert seien (vgl. BAG, Urteil v. 21. Februar 2017 – 3 AZR 297/15). Schränke der Arbeitgeber den hiernach erfassten Personenkreis ein, so unterliege diese Einschränkung der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Eine Mindestehedauerklausel würde diesen Grundsätzen entsprechend nur dann keine unangemessene Benachteiligung darstellen, wenn begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers vorlägen. Dem vormaligen Arbeitgeber ist es indes offensichtlich nicht gelungen, einen inneren Zusammenhang zwischen der gewählten Zeitspanne von zehn Jahren und dem damit verfolgten Zweck herzustellen.

Ein solch berechtigtes Interesse wird vom BAG zwar grundsätzlich in der Begrenzung des finanziellen Risikos des Arbeitgebers anerkannt. Auch in der gesetzlichen Rentenversicherung gibt es insoweit in § 46 Abs. 2a SGB VI eine Mindestehedauerregelung von einem Jahr. Entsprechend ist anzunehmen, dass das BAG eine hieran orientierte Mindestehedauerklausel auch für zulässig erachten dürfte. Dies hätte allerdings zur Folge, dass Mindestehedauerklauseln zur effektiven Begrenzung des mit einer Hinterbliebenenversorgung verbundenen wirtschaftlichen Risikos nur einen geringen Beitrag leisten könnten.

In der Vergangenheit (Urteil v. 28. Juli 2005 – 3 AZR 457/04) hatte das BAG eine Regelung in einer Betriebsvereinbarung für wirksam erachtet, die einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung ausschloss, wenn die Ehe nach Vollendung des 50. Lebensjahres des Ehegatten geschlossen wurde und vor Eintritt des Versorgungsfalles nicht mindestens zehn Jahre bestanden hat (Kombination aus Spätehen- und Mindestehedauerklausel). Auch eine Regelung, wonach eine Hinterbliebenenversorgung nur geleistet wird, wenn die Ehe des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers zur Zeit seines Todes mindestens zwei Jahre bestanden hat, hatte das BAG nicht beanstandet (Urteil v. 11. August 1987 – 3 AZR 6/86).

Die anstehende Urteilsbegründung wird zeigen, ob sich das BAG mit diesen alten Entscheidungen auseinandersetzt und ggf. neue Grundsätze für Mindestehedauerklauseln aufstellt.

Mindestehedauerklausel: Handlungsbedarf prüfen

In jedem Fall sind Unternehmen gut beraten, ihre Versorgungsordnungen auf die Wirksamkeit von entsprechenden Klauseln zu prüfen. Ob Mindestehedauerklauseln – entgegen der hier vertretenen Ansicht – sogar generell unzulässig sind, kann jedoch erst nach Vorliegen des Urteils im Volltext vertieft bewertet werden.

Auch Altersabstandklauseln und Späteheklauseln sollten auf ihre Konformität im Hinblick auf die aktuelle Rechtsprechung des BAG hin geprüft werden. Unabhängig davon bleibt es bei der Gestaltung von Versorgungszusagen und -ordnungen mit einer Hinterbliebenenversorgung wichtig, das wirtschaftliche Risiko für den Arbeitgeber durch angemessene Gestaltungen zu begrenzen. Auch wenn nach der Rechtsprechung Mindestehedauerklauseln hierfür nur begrenzt tauglich sein dürften, bieten insbesondere Altersabstandsregelungen erheblichen Gestaltungsspielraum.

*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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Aufhebungsvertrag: „Fairness″ als Wirksamkeitsvoraussetzung?

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Neben der Kündigung ist der Aufhebungsvertrag der in der Praxis wichtigste Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Das BAG hat nun entschieden, dass Aufhebungsverträge dann in ihrer Wirksamkeit bedroht sind, wenn bei ihrem Abschluss das „Gebot fairen Verhandelns″ verletzt wurde.

Die Urteilsgründe liegen bislang noch nicht vor. Eine Pressemitteilung des BAG (Pressemitteilung Nr. 6/19) gibt allerdings Aufschluss über die groben Leitlinien der Entscheidung, die sicherlich eine kontroverse Diskussion auslösen wird.

Aufhebungsvertrag in eigener Wohnung geschlossen

Eine Reinigungsfachkraft schloss in ihrer Wohnung mit ihrem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag, der die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Zahlung einer Abfindung vorsah. Die Klägerin hatte in den Vorinstanzen vorgetragen, am Tag des Abschlusses des Aufhebungsvertrages erkrankt gewesen zu sein, was vom Arbeitgeber allerdings bestritten wurde. Die Klägerin hat den Aufhebungsvertrag später wegen Irrtums, arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung angefochten sowie hilfsweise den Widerruf des Aufhebungsvertrages erklärt.

Kein Verbraucherwiderruf von Aufhebungsverträgen

Da eine Anfechtung des Aufhebungsvertrages wohl offensichtlich nicht in Betracht kam, widmete sich das BAG zunächst der Frage danach, ob der Aufhebungsvertrag widerrufen werden konnte. Verbrauchern, die außerhalb von Geschäftsräumen Verträge mit Unternehmern abschließen, können diesen nach den Vorschriften über den Verbraucherwiderruf mit der Folge widerrufen, dass sie unwirksam werden.

Schon die Vorinstanz hatte festgestellt, dass der Klägerin im Ergebnis kein Widerrufsrecht zustand. Zwar ist anerkannt, dass auch Arbeitnehmer* als solche grundsätzlich als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB zu behandeln sind. Jedoch bedarf es stets einer sorgfältigen Prüfung, ob eine Norm des Verbraucherschutzrechtes auch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer anwendbar ist.

Insbesondere für die Frage nach dem Widerruf von Aufhebungsverträgen geht die herrschende Meinung davon aus, dass die Vorschriften über den Verbraucherwiderruf nicht zur Situation des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages passen. Dieser Linie ist das BAG treu geblieben und hat unter Berufung auf den im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers die Anwendbarkeit der Vorschriften über den Verbraucherwiderruf auf Aufhebungsverträge verneint.

„Gebot des fairen Verhandelns″ als Unwirksamkeitsgrund

Während die Feststellungen des BAG zum Verbraucherwiderruf zu erwarten waren, sind die weiteren Feststelllungen des Gerichts besonders aufsehenerregend. Es hat moniert, die Vorinstanz hätte nicht geprüft, ob sich der Arbeitgeber bei Abschluss des Arbeitsvertrages an das „Gebot fairen Verhandelns″ gehalten hätte.

Das „Gebot fairen Verhandelns″ ist eine vertragliche Nebenpflicht der Arbeitsvertragsparteien, die immer dann verletzt sei, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation schafft, die eine freie und unabhängige Entscheidung über den Abschluss des Aufhebungsvertrags erheblich erschwert. Eine Verletzung dieser Pflicht würde einen Schadensersatzanspruch nach sich ziehen, der darauf gerichtet ist, den Zustand herzustellen, der ohne die Verletzung des „Gebots fairen Verhandelns″ bestehen würde. Dies sei vorliegend der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.

Das BAG hat die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen mit der Aufforderung zu prüfen, ob die krankheitsbedingte Schwäche der Klägerin bewusst ausgenutzt und so gegen das „Gebot fairen Verhandelns″ verstoßen wurde.

Ausblick: Neuer Unwirksamkeitsgrund für Aufhebungsverträge?

Es bleibt abzuwarten, wie das BAG seine Entscheidung im Detail begründet hat. Der Veröffentlichung der Urteilsgründe kann mit Spannung entgegengeblickt werden. Zumindest auf den ersten Blick scheint es so, als habe das BAG mit dem „Gebot fairen Verhandelns″ einen neuen Unwirksamkeitsgrund für Aufhebungsverträge geschaffen. Mit Sicherheit wird die Entscheidung eine lebhafte Diskussion in der juristischen Fachwelt auslösen.

*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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Abfindung und Lohnsteuer: Gefahren für Arbeitgeber

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Der Arbeitnehmer muss die Abfindung, die ihm der Arbeitgeber für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt, als Einkommen versteuern (§§ 2, 19, 24 EStG). Allerdings ist die Abfindung steuerlich begünstigt. Es gilt die sogenannte Fünftel-Regelung (§§ 34, 24 EStG).

Gäbe es sie nicht, würde die Abfindung im Jahr ihrer Auszahlung mit den sonstigen Einkünften zusammengerechnet, so dass die Einkünfte in diesem Jahr besonders hoch wären. Da der Steuersatz mit zunehmendem Einkommen stärker ansteigt (Steuerprogression), ergäbe sich für den Arbeitnehmer ein höherer Steuersatz als sonst. Diese steuerliche Mehrbelastung führte dazu, dass von der Abfindung wenig übrigbliebe.

Um dies zu vermeiden, wird mittels der Fünftel-Regelung unterstellt, dass der Arbeitnehmer von der Abfindung in fünf aufeinanderfolgenden Jahren jeweils ein Fünftel erhalten hätte. Durch diese fiktive Verteilung der Abfindung auf mehrere Jahre wird die Steuerprogression abgemildert.

Arbeitgeber haftet für Lohnsteuer

Die Erhebung der Einkommensteuer, die auf die Abfindung entfällt, erfolgt über die Lohnsteuer (§ 38 EStG; die Kirchenlohnsteuer und der Solidaritätszuschlag werden hier der Einfachheit halber außer Acht gelassen). Zwar schuldet der Arbeitnehmer die Lohnsteuer. Der Arbeitgeber muss sie aber von der Abfindung einbehalten und an das Finanzamt abführen (§ 39b EStG).

Für die korrekte Entrichtung der Lohnsteuer haftet der Arbeitgeber. Führt er einen zu geringen Betrag ab, kann das Finanzamt ihn unmittelbar in Anspruch nehmen. Denn Arbeitnehmer und Arbeitgeber haften als Gesamtschuldner (§ 42d EStG). Zwar hat der Arbeitgeber, wenn er die Steuern nachzahlt, einen Erstattungsanspruch gegen den (ehemaligen) Arbeitnehmer. Ob er von diesem das Geld tatsächlich erlangen kann, ist aber ungewiss. Arbeitgeber sollten daher von vornherein ihre eigene steuerliche Haftung vermeiden, indem sie sich mit den typischen Problemen des Lohnsteuerabzugs bei Abfindungen vertraut machen.

Keine Netto-Abfindung vereinbaren

Oberstes Gebot ist, dem Arbeitnehmer keine Netto-Abfindung zuzusagen. Denn in solch einem Fall muss der Arbeitgeber die auf die Abfindung entfallenden Steuern aus eigener Tasche zahlen. Der Vergleich sollte daher entweder vor dem Abfindungsbetrag das Wort „brutto″ oder (noch besser) den Satz enthalten, dass der Arbeitnehmer alle auf die Abfindung entfallenden Steuern trägt. Wenn sich eine Netto-Abfindung nicht vermeiden lässt, etwa weil der Arbeitnehmer eine starke Verhandlungsposition hat und auf ihr beharrt, kann folgende Formulierung gewählt werden:

Der Arbeitgeber zahlt an den Arbeitnehmer für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von EUR 10.000. Die auf die Abfindung entfallende Lohnsteuer nebst Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag trägt der Arbeitgeber. Die vom Arbeitgeber zu tragenden Steuern sind auf EUR 1.000 begrenzt. Darüber hinaus gehende Steuern trägt der Arbeitnehmer, sie werden von der Abfindung in Abzug gebracht.

Diese Klausel hilft, den Arbeitgeber vor bösen Überraschungen zu schützen. Denn in der Zeit zwischen Vereinbarung und Auszahlung der Abfindung können sich die Lohnsteuerabzugsmerkmale des Arbeitnehmers ändern. Beispielsweise kann ein Kind seine Ausbildung beenden mit der Folge, dass dem Arbeitnehmer kein Kinderfreibetrag mehr zusteht. Hierdurch erhöht sich die Lohnsteuer. Bereits aus diesem Grund sollte die Steuerlast des Arbeitgebers wenigstens der Höhe nach begrenzt werden.

Finanzielle Leistungen für zusätzliche Gegenleistungen des Arbeitnehmers nicht steuerlich begünstigt

Vorsicht ist geboten, wenn die Abfindung nicht nur für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt wird, sondern auch anderen Zwecken dient. Die Steuerbegünstigung durch die Fünftel-Regelung gilt nur für Entschädigungen, die dem Arbeitnehmer aus Anlass der Auflösung des Arbeitsverhältnisses als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden (§§ 34, 24 EStG).

Wenn dem Arbeitnehmer ein Teil der Abfindung als Gegenleistung dafür gezahlt wird, dass er über bestimmte Vorgänge, die sich während des Arbeitsverhältnisses ereignet haben, Stillschweigen wahrt, ist dieser Teil der Abfindung nicht steuerlich begünstigt, sondern unter Umständen wie normales Einkommen zu versteuern (BFH, Urteil v. 11. Juli 2017 – IX R 28/16). Für den Arbeitgeber bedeutet dies, dass er für diesen Teilbetrag der Abfindung mitunter Lohnsteuer nach dem normalen Steuertarif, also ohne Steuerbegünstigung durch die Fünftel-Regelung, abführen muss.

Vorsicht bei Ratenzahlung

Zuweilen vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dass die Abfindung in Raten gezahlt werden soll. Grund hierfür kann sein, dass die Raten als Überbrückungsgeld dienen, also dem Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum ein festes Einkommen sichern sollen. Denkbar ist auch, dass der Arbeitnehmer wegen einer Lohnpfändung die Abfindung über einen längeren Zeitraum verteilen möchte.

Folgendes muss der Arbeitgeber bei einer Ratenzahlung wissen: Die Fünftel-Regelung mit ihren Vorteilen für den Arbeitnehmer gilt nur, wenn die gesamte Abfindung in einem Jahr ausgezahlt wird (sog. Zusammenballung von Einkünften). Wird sie in mehrere Beträge aufgeteilt, die in unterschiedlichen Jahren fließen, ist die Fünftel-Regelung in der Regel nicht anwendbar (BFH, Urteil v. 2. September 1992 – XI R 63/89; FG Thüringen, Urteil v. 7. Dezember 2011 – 1 K 578/10). Der Arbeitgeber muss also die Lohnsteuer ohne Berücksichtigung der Fünftel-Regelung berechnen.

In Ausnahmefällen gilt die Fünftel-Regelung aber auch bei einer Aufsplittung der Abfindung und Verteilung auf mehrere Jahre. Dies kann der Fall sein, wenn dem Arbeitnehmer neben einer Hauptentschädigung aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit ergänzende Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden. Die ergänzenden Leistungen müssen aber so bemessen sein, dass ihr Betrag den Wert der Hauptleistung bei Weitem nicht erreicht (BFH, Urteil v. 28. Juni 2006 – XI R 58/05). Daneben gilt die Fünftel-Regelung auch dann, wenn der weit überwiegende Teil der Abfindung in einem Jahr, in dem anderen Jahr hingegen nur ein geringfügiger Teil ausgezahlt wird (BFH, Urteil v. 2. August 2016 – VIII R 37/14).

Praxistipp: Anrufungsauskunft des Finanzamts

Ob einer der genannten Ausnahmefälle vorliegt, kann der Arbeitgeber nur schwer beurteilen. Er weiß nicht, welche Maßstäbe das Finanzamt bei den unbestimmten Rechtsbegriffen („gewisse Übergangszeit″, „weit überwiegend″ etc.) anlegen wird.

Das Gesetz hilft ihm aber: Der Arbeitgeber kann sein Betriebsstättenfinanzamt um Auskunft darüber bitten, wie die Lohnsteuer zu berechnen ist (Anrufungsauskunft nach § 42e EStG). Diese Auskunft ist gebührenfrei und für das Lohnsteuerabzugsverfahren verbindlich. Der Arbeitgeber muss, wenn er sich an die Auskunft hält, in Zukunft keine Steuernachforderung befürchten.

Arbeitnehmer kann sich auf Anrufungsauskunft nicht verlassen

Der Arbeitnehmer hingegen kann sich auf die Auskunft nicht verlassen. Sein Wohnsitzfinanzamt kann bei der Veranlagung zur Einkommensteuer eine andere Auffassung vertreten als das Betriebsstättenfinanzamt. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass das Betriebsstättenfinanzamt die Fünftel-Regelung für anwendbar hält, der Arbeitgeber deshalb die Lohnsteuer unter Berücksichtigung dieser Steuerbegünstigung berechnet und abführt, dann jedoch das Wohnsitzfinanzamt bei Erlass des Einkommensteuerbescheids die Fünftel-Regelung für unanwendbar hält. In diesem Fall wird der Arbeitnehmer voraussichtlich eine Steuernachzahlung leisten müssen, weil im Wege des Lohnsteuerabzugs ein zu geringer Steuerbetrag einbehalten wurde.

Für diese Einkommensteuernachzahlung haftet allein der Arbeitnehmer, nicht hingegen der Arbeitgeber, vorausgesetzt der Arbeitgeber hat die Auskunft des Betriebsstättenfinanzamts bei der Berechnung der Lohnsteuer beachtet und dem Betriebsstättenfinanzamt bei Beantragung der Auskunft alle relevanten Informationen mitgeteilt (vgl. § 42d I Nr. 3 EStG).

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Auskunftsanspruch nach Entgelttransparenzgesetz gilt nicht für freie Mitarbeiter

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Das erst 2017 vom Bundestag verabschiedete Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) hat die Durchsetzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zwischen Männern und Frauen hinsichtlich des Entgelts bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit zum Ziel. Dazu sieht es in § 10 einen individuellen Auskunftsanspruch vor, der dem einzelnen Arbeitnehmer* Informationen zur Entlohnung von mit seiner Tätigkeit vergleichbaren Tätigkeiten verschaffen soll.

Der einzelne Arbeitnehmer soll die Entgeltstruktur des Arbeitgebers überprüfen können, wodurch wiederum im Falle eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz eine Klage nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ermöglicht werden soll. Dem Wortlaut des § 10 EntgTranspG zufolge steht dieser Auskunftsanspruch „Beschäftigten“ im Sinne des EntgTranspG zu.

Auskunftsanspruch nach Entgelttransparenzgesetz nicht für freie Mitarbeiter?

Ob unter den Begriff der Beschäftigten auch freie Mitarbeiter zu fassen sind, hatte nun das LAG Berlin-Brandenburg zu entscheiden. In seinem Urteil vom 5. Februar 2019 (Az. 6 Sa 983/18) verneinte das Gericht die Anwendbarkeit des § 10 EntgTranspG auf freie Mitarbeiter, ließ jedoch die Revision zum BAG zu.

Der Entscheidung zugrunde liegt die konsequente Anwendung von § 5 Abs. 2 EntgTranspG, welcher Beschäftigte im Sinne des EntgTranspG definiert. Demnach sind vom Beschäftigungsbegriff „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG) umfasst, nicht jedoch die Gruppe der arbeitnehmerähnlichen Personen, in die freie Mitarbeiter je nach Ausgestaltung des der freien Mitarbeit zugrundeliegenden Vertragsverhältnisses fallen können.

Insbesondere in der Literatur ist allerdings die Auffassung verbreitet, auch arbeitnehmerähnliche Personen seien in europarechtskonformer Auslegung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG vom Arbeitnehmerbegriff umfasst.

Der persönliche Anwendungsbereich des EntgTranspG stehe im Widerspruch zu dem des AGG, dessen Durchsetzung das EntgTranspG schließlich dienen solle. Zudem stelle das EntgTranspG die nationale Umsetzung der europäischen Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (RL 2006/54/EG) dar, sodass auch der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff Beachtung finden müsste. Dieser könne je nach Ausgestaltung des Einzelfalls aber auch arbeitnehmerähnliche Personen umfassen. Dem laufe somit jedenfalls der grundsätzliche Ausschluss arbeitnehmerähnlicher Personen vom Anwendungsbereich des EntgTranspG zuwider.

EntgTranspG als eigenständiges Gesetz mit eigenem Arbeitnehmerbegriff

Das LAG Berlin-Brandenburg teilt die in der Literatur vertretene Ansicht nicht und setzt somit eine richtige und wichtige Tendenz für das Verständnis des Arbeitnehmerbegriffs im Sinne des EntgTranspG. Als selbstständig neben dem AGG stehendes Gesetz kann vom Gesetzgeber für das EntgTranspG ein eigenständiger Arbeitnehmerbegriff vorgesehen werden, der sich auch eindeutig aus dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 EntgTranspG ergibt.

Eine unionsrechtskonforme Auslegung im Sinne einer effektiven Durchsetzung des europarechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes von Männern und Frauen kann – soweit erforderlich – durch eine Anwendung des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs im jeweiligen Einzelfall erreicht werden, ohne dass die in § 5 Abs. 2 EntgTranspG zum Ausdruck kommende Wertung des nationalen Gesetzgebers grundsätzlich in Frage gestellt werden muss. Angesichts der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg, die Revision zuzulassen, bleibt jedoch abzuwarten, wie sich das BAG zu dieser Problematik äußert.

*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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Massenentlassungsanzeige: Nicht jeder Fehler schadet

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Massenentlassungsanzeigen werden, gerade im Falle einer (drohenden) Insolvenz, oft unter Zeitdruck abgegeben. Dabei können Fehler passieren. Zwar sollten sie möglichst vermieden werden. Aber auch wenn dies einmal nicht gelingt, müssen nicht alle Kündigungen neu ausgesprochen werden.

Denn nicht jede falsche Angabe in der Massenentlassungsanzeige führt zur Unwirksamkeit der Kündigungen. Dies hat das LAG Düsseldorf (Urteil vom 17. Oktober 2018 – 1 Sa 337/18) noch einmal bestätigt. Die Entscheidung betraf die Air-Berlin-Insolvenz. Ein Pilot hatte sich gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses gewehrt.

Falsche Zahl, falscher Beruf

Da die Piloten eine eigene Personalvertretung hatten, war Air Berlin davon ausgegangen, dass diese Berufsgruppe einen eigenständigen Betrieb bildete. Deshalb war in der Massenentlassungsanzeige bei der Anzahl der beabsichtigten Entlassungen, obwohl der Betrieb vollständig stillgelegt wurde, nicht die Gesamtzahl aller Arbeitnehmer, sondern nur die Gesamtzahl der Piloten angegeben worden. Darüber hinaus war als Berufsbezeichnung statt „Piloten“ irrtümlich „Schiffskapitäne“ angegeben worden.

Falschbezeichnung in Massenentlassungsanzeige unschädlich

Trotz dieser Fehler hielt das LAG Düsseldorf die Massenentlassungsanzeige im Falle des Piloten für ordnungsgemäß. Die falsche Berufsbezeichnung sei unschädlich. Immerhin war aufgrund der Angabe „Air Berlin“ für jedermann erkennbar, dass es sich nicht um Kapitäne zur See handeln konnte.

Keine Auswirkungen der unrichtigen Arbeitnehmerzahl

Auch der zweite Fehler war jedenfalls im Falle des Piloten unschädlich. Zwar war in der Massenentlassungsanzeige nicht angegeben worden, dass auch alle anderen Arbeitnehmer (insbesondere das Kabinen- und Bodenpersonal) entlassen werden sollten. Auf diesen Fehler könnten sich, so das LAG, aber zumindest die Piloten nicht berufen, weil ihnen durch die falsche Angabe kein Nachteil entstanden sei. Denn darauf, dass ihre Arbeitsverhältnisse beendet werden sollten, hatte die Massenentlassungsanzeige ausdrücklich hingewiesen.

Bei Massenentlassungsanzeigen ist trotzdem Vorsicht geboten

Im Falle des Piloten konnte die Arbeitgeberin also aufatmen. Die Kündigung wurde trotz der Fehler in der Massenentlassungsanzeige sowohl vom Arbeits- als auch vom Landesarbeitsgericht für wirksam erachtet. Der Fall ist ein Beispiel dafür, dass nicht jede falsche Angabe in der Massenentlassungsanzeige schadet.

Gleichwohl bedeutet dies für Arbeitgeber keinen „Freifahrtschein″. Sie sollten unbedingt ihr Augenmerk darauf richten, dass die Massenentlassungsanzeige richtig und vollständig ist und bei der zuständigen Agentur für Arbeit eingereicht wird. Denn Fehler und Ungenauigkeiten können schnell zur Unwirksamkeit der Kündigungen führen. Besteht in einem Betrieb ein Betriebsrat, muss der Arbeitgeber vor einer Massenentlassung außerdem ein so genanntes Konsultationsverfahren durchführen (§ 17 Abs. 2 KSchG).

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Betriebsrat oder Gesamtbetriebsrat – wer ist zuständig?

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Der örtliche Betriebsrat ist für die Angelegenheiten zuständig, die nur „seinen″ Betrieb betreffen (§ 80 Betriebsverfassungsgesetz). Betrifft die zu regelnde Angelegenheit das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe und kann sie nicht auf der Ebene des örtlichen Betriebsrats geregelt werden, ist der Gesamtbetriebsrat zuständig (§ 50 Betriebsverfassungsgesetz).

Der Sonderfall des Restmandats

Ein Sonderfall der Betriebsratszuständigkeit ist das Restmandat: Geht ein Betrieb, etwa durch eine Zusammenlegung mehrerer Betriebe, unter, bleibt der Betriebsrat des untergegangenen Betriebs vorerst im Amt. Sein Restmandat besteht fort, solange im Zusammenhang mit dem Untergang des Betriebs noch Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte auszuüben sind (§ 21b Betriebsverfassungsgesetz).

Untergang eines Betriebs

Ob sich das Restmandat auch auf Angelegenheiten der betrieblichen Altersversorgung erstrecken kann, wird demnächst voraussichtlich das BAG entscheiden. In dem Fall, über den das BAG befinden wird, war 1998 ein Betrieb von einem anderen Unternehmen übernommen worden (Betriebsübergang). Dabei hatte der Betrieb seine Eigenständigkeit verloren, weil die Arbeitnehmer in mehrere andere Betriebe eingegliedert worden waren. Der Betrieb war damit untergegangen. Dem Betriebsrat des untergegangenen Betriebs verblieb deshalb ein Restmandat.

Beide Arbeitgeber, der alte und der neue, schlossen mit der Gewerkschaft einen Überleitungstarifvertrag. Dieser sah vor, dass für die übergehenden Arbeitnehmer zunächst die Regelungen über die betriebliche Altersversorgung weitergelten sollten, die bereits bei dem alten Arbeitgeber gegolten hatten.

Überleitungsbetriebsvereinbarung mit Gesamtbetriebsrat

Die Tarifvertragsparteien hatten zwar die Absicht, binnen zwei Jahren eine unternehmenseinheitliche Versorgungsordnung auszuhandeln. Dies gelang ihnen jedoch nicht. Der neue Arbeitgeber hatte gleichwohl Interesse an einer einheitlichen Ruhegeldordnung für alle Beschäftigten. Daher schloss er mit dem Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung über die Überleitung der Altersversorgung der übernommenen Arbeitnehmer in das bei ihm bestehende Versorgungssystem. Diese Überleitungs-Betriebsvereinbarung enthielt nur Regelungen für die Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnisse im Zuge des Betriebsübergangs übergegangen waren.

Mit dem falschen Betriebsrat verhandelt?

Viele Jahre später, als die ersten seinerzeit übernommenen Arbeitnehmer altersbedingt aus dem Arbeitsverhältnis ausschieden, berechnete der neue Arbeitgeber die Betriebsrenten. Den Berechnungen legte er seine eigene Versorgungsordnung zugrunde. Mehrere der im Jahr 1998 übernommenen Arbeitnehmer wandten ein, für sie sei die Ruhegeldordnung maßgeblich, die bei ihrem alten Arbeitgeber gegolten habe. Die Überleitungs-Betriebsvereinbarung sei unwirksam, weil der Arbeitgeber sie mit dem falschen Betriebsrat abgeschlossen habe. Denn zuständig sei nach ihrer Ansicht der im untergegangenen Betrieb gebildete örtliche Betriebsrat aufgrund seines Restmandats gewesen.

Das LAG Niedersachsen hat diese Ansicht zurückgewiesen (Urteile vom 25. Mai 2018 –3 Sa 1334/16 B und 3 Sa 1335/16 B sowie vom 11. September 2018 – 3 Sa 1273/16 B und 3 Sa 1278/16 B). Die Verfahren sind nunmehr beim BAG anhängig (Az.: 3 AZR 442/18, 3 AZR 449/18, 3 AZR 515/18 und 3 AZR 545/18).

Betriebsrat oder Gesamtbetriebsrat – Wer war zuständig?

Zwar war der Anwendungsbereich der Überleitungs-Betriebsvereinbarung auf die Arbeitnehmer beschränkt, die im Zuge des Betriebsübergangs übernommen worden waren. Denn hinsichtlich der Arbeitnehmer, die schon früher bei dem neuen Arbeitgeber angestellt waren, enthielt die Betriebsvereinbarung keine Regelung. Deshalb ließe sich womöglich die Ansicht vertreten, dass die Betriebsvereinbarung einen funktionalen Bezug zu dem Betriebsübergang hatte. In diesem Fall wäre der örtliche Betriebsrat aufgrund seines Restmandats zuständig gewesen.

Allerdings geht das BAG in ständiger Rechtsprechung (z. B. Beschluss v. 21. Januar 2003 –3 ABR 26/02) davon aus, dass Fragen der betrieblichen Altersversorgung schon wegen ihrer finanziellen und steuerrechtlichen Auswirkungen einheitlich für das gesamte Unternehmen geregelt werden müssen und deshalb für sie grundsätzlich der Gesamtbetriebsrat zuständig ist. Es spricht somit einiges dafür, dass der Arbeitgeber sich zu Recht an den Gesamtbetriebsrat wandte, die Entscheidung des LAG also richtig war.

Zuständigkeiten von Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat aufgrund der hohen Risiken genau prüfen

Sollte das BAG sich in diesem Fall allerdings der Auffassung der Betriebsrentner anschließen, war die Ablösung der alten Versorgungsordnung durch die Gesamtbetriebsvereinbarung unwirksam. Alle Arbeitnehmer, die früher bei dem alten Arbeitgeber tätig waren, hätten dann Anspruch auf eine Betriebsrente unter Zugrundelegung der alten (für sie günstigeren) Ruhegeldordnung.

Der Fall zeigt, wie gründlich Arbeitgeber gerade im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang prüfen müssen, wer der richtige Verhandlungspartner auf Arbeitnehmer-Seite ist. Eine fehlerhafte Einschätzung kann, gerade bei Pensionslasten, zu hohen Mehrkosten führen. Dies ist insbesondere dann ein Problem, wenn hierfür noch nicht einmal Rückstellungen gebildet wurden.

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Unterrichtungsrecht des Betriebsrats bei Arbeitsunfällen von Fremdpersonal

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Kommt es zu einem schweren Unfall muss dies bei der Unfallversicherung angezeigt (§ 193 Abs. 1 SGB VII) und dem Betriebsrat (§ 89 Abs. 6 BetrVG) und der Aufsichtsbehörde (§ 193 Abs. 7 SGB VII) eine Durchschrift der Anzeige ausgehändigt werden.

Nach der Entscheidung des BAG (Beschluss vom 12. März 2019 – 1 ABR 48/17) muss der Arbeitgeber den Betriebsrat auch über Arbeitsunfälle unterrichten, die Beschäftigte eines anderen Arbeitgebers in seinem Betrieb erleiden. Damit geht die Rechtsprechung des BAG ein weiteres Mal über den „Betrieb und seine Angehörigen“ hinaus und nimmt eine über die Arbeitnehmerüberlassung hinausgehende Erweiterung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats an.

Arbeitgeberin meldete Unfall von Fremdkräften weder dem Betriebsrat noch der Berufsgenossenschaft

In dem Fall des BAG erbringt eine Arbeitgeberin Zustelldienste. Neben eigenen Beschäftigten* werden auch Mitarbeiter von Fremdfirmen auf dem Betriebsgelände tätig. Anfang des Jahres 2016 erlitten zwei Mitarbeiter einer Fremdfirma auf dem Betriebsgelände der Arbeitgeberin während des Be- und Entladens der Transporter Arbeitsunfälle.

Eine Meldung dieser Unfälle seitens der Arbeitgeberin erfolgte weder gegenüber dem Betriebsrat noch der Berufsgenossenschaft. Der Betriebsrat wollte die Arbeitgeberin verpflichten, ihm eine Kopie der Anzeige an die Berufsgenossenschaft zu übersenden und ihn über Arbeitsunfälle der Mitarbeiter der beschäftigten Drittfirma zu unterrichten.

LAG Baden-Württemberg: Betriebsrat trifft keine Verantwortung für Fremdpersonal

Das AG Stuttgart lehnte im Dezember 2016 die Anträge des Betriebsrats ab (Az. 7 BV 206/16), weil keine Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Erstattung einer Anzeige für Unfälle von Arbeitnehmern ihrer Servicepartner, die sich auf ihrem Betriebsgelände ereignet haben, bestehe.

Gegen den Beschluss des AG Stuttgart legte der Betriebsrat Beschwerde ein. Mitte 2017 wies das LAG Baden-Württemberg die Beschwerde zurück (Beschluss vom 19. Juli 2017 – 21 TaBV 15/16).

Der Betriebsrat stützte seine Ansprüche auf seine Zuständigkeit für Angelegenheiten des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung. Hierbei gehe es um die Schaffung eines ausreichenden Schutzniveaus am Arbeitsplatz, was alle Personen, die auf dem Betriebsgelände der Arbeitgeberin tätig werden, betreffe. Eine Differenzierung zwischen den Beschäftigten sei mit dem Ziel der Regelung nicht vereinbar.

Die Arbeitgeberin argumentierte mit der Zuständigkeit des Betriebsrates. Es bestehe gerade keine Kompetenz des Betriebsrates für Fremdpersonal.

Das LAG betonte, dass der Betriebsrat grundsätzlich nur die Verantwortung für die eigenen Arbeitnehmer des Betriebes, welche ihn auch gewählt haben, trage. Im Rahmen der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes aus dem Jahre 2001 sei zwar der Informationsanspruch auf Arbeitnehmer erstreckt worden, die in keinem Arbeitsverhältnis zu dem Arbeitgeber stehen – als Folge werden auch Leiharbeitnehmer erfasst. Voraussetzung ist allerdings, dass der Betriebsrat diese Information für die Durchführung seiner gesetzlichen Aufgaben benötigt. Damit gehe jedoch nicht automatisch einher, dass sich die Überwachungspflicht des Betriebsrats auch auf Mitarbeiter von Drittfirmen erstreckt. Vielmehr müsse der Betriebsrat durch die entsprechende Auskunft in der Lage versetzt werden, zu prüfen ob sich im Hinblick auf eine Eingliederung dieser Personen etwaige Mitbestimmungsrechte ergeben. Eine Verpflichtung der Arbeitgeberin aus anderen betriebsverfassungsrechtlichen Normen lehnte das LAG ab.

BAG: Zuständigkeit des Betriebsrats auch für Fremdpersonal

Drei Jahre später ist klar: Das BAG geht einen eigenen Weg und dehnt die Unterrichtungspflicht aus. Dem Begehren des Betriebsrats zur Vorlage der Unfallanzeigen gab das BAG dagegen nicht statt.

Soweit sich dies aus der Pressemitteilung ablesen lässt, stützt sich das BAG auf die Verpflichtung des Betriebsrats zum Einsatz für Arbeitsschutz und Unfallverhütung.

Zugegebenermaßen stellt § 89 Abs. 1 BetrVG auf den „Arbeitsschutz und die Unfallverhütung im Betrieb“ ab und nicht auf „Arbeitnehmer“ oder – wie z.B. § 80 Abs. 2 BetrVG – auf „die Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen″.

Auch die in § 8 ArbSchG geregelte Pflicht der Arbeitgeber zur Zusammenarbeit, wenn Beschäftigte mehrere Arbeitgeber an einem Arbeitsplatz tätig sind, dehnt den Verantwortungsbereich aus. So muss sich nach § 8 Abs. 2 ArbSchG der Arbeitgeber – je nach Tätigkeit – vergewissern, dass die Beschäftigten anderer Arbeitgeber, die in seinem Betrieb tätig werden, über Gefahren für ihre Sicherheit und Gesundheit während ihrer Tätigkeit in seinem Betrieb angemessene Anweisungen erhalten haben.

Bei Angelegenheiten, die im Kontext von Arbeitsschutz und die Unfallverhütung im Betrieb auftreten, ist nach Ansicht des BAG der Betriebsrat zu beteiligen. Aus diesen Unfällen könne der Betriebsrat für seine Zuständigkeit relevante Erkenntnisse gewinnen. Diese helfen ihm dabei, für einen erhöhten Schutz für die Arbeitnehmer am Arbeitsplatz sowie eine bessere Unfallverhütung zu sorgen. Letztlich solle davon der gesamte Betrieb profitieren.

Ob das BAG auch in seinen Entscheidungsgründe bei dieser Linie bleibt, müssen wir abwarten. Fest steht bereits schon jetzt, dass Arbeitgeber alle Unfälle im Betrieb und auch die von Fremdpersonal im Auge behalten müssen.

*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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Betriebsratsarbeit im digitalen Zeitalter

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Das digitale Zeitalter stellt die Arbeit von und mit Betriebsräten vor neue Herausforderungen, denen das Betriebsverfassungsgesetz von 1972 nicht Stand halten kann. Gesetzgeberisches Handeln erscheint unumgänglich.

Unsere Arbeitswelt ist im stetigen Wandel. Die zunehmende Digitalisierung verändert sie in einem nie zuvor dagewesenen Tempo. Digitalisierung wirkt sich dabei auf die Arbeitsinhalte und -bedingungen der Arbeitnehmer, aber auch auf die Arbeit des Betriebsrats bzw. die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat aus. Folgende Themen stehen dabei aktuell besonders im Fokus: „virtuelle Betriebsratssitzungen und Beschlussfassungen“, „virtuelle Betriebsversammlungen“ und „Online-Betriebsratswahlen“.

Bundesregierung prüft Zulässigkeit von Videokonferenzen für Betriebsräte

Das deutsche Betriebsverfassungsrecht sieht bislang grundsätzlich keine virtuellen Betriebsratssitzungen vor. Vielmehr schreiben die gesetzlichen Regelungen der §§ 29 ff. BetrVG sowie die gefestigte Rechtsprechung eine Präsenzpflicht der Mitglieder bei Betriebsratssitzungen vor. Sie ist Voraussetzung dafür, dass Beschlüsse wirksam gefasst werden können.

In der Literatur gibt es inzwischen aber auch Stimmen, die eine modernere Auslegung bevorzugen. Diese gehen davon aus, dass „Anwesenheit″ im Sinne des § 33 Abs. 1 BetrVG lediglich bedeute, dass man von anderen Sitzungsteilnehmern audiovisuell wahrgenommen werde und sich am Willensbildungsprozess des Gremiums beteiligen könne. Diesen Anforderungen werde eine Videokonferenz gerecht (siehe Thüsing/Beden, BB 2019, S. 372 ff.).

Der Gesetzgeber hat unlängst für Seebetriebsräte in Umsetzung der EU-Richtlinie EU 2015/1794 die Änderung des Gesetzes über Europäische Betriebsräte (EBRG) herbeigeführt. Mit einem neuen § 41a EBRG wird es nun Seebetriebsräten erstmals erlaubt, an Betriebsratssitzungen auch virtuell teilzunehmen. Diese Teilnahme kann dann beispielsweise per Videokonferenz erfolgen.

Diese Gesetzesänderung geht einen ersten Schritt in die richtige Richtung. In der Praxis werden Telefon- und Videokonferenzen zur internen Absprache der Betriebsräte bereits vielfach genutzt. Die Notwendigkeit eines physischen Treffens des Betriebsrates, damit ein rechtswirksamer Beschluss gefasst werden kann, erscheint angesichts dieser Praxis nicht mehr zeitgemäß. Sie belastet Arbeitgeber und Betriebsräte insbesondere dann, wenn es sich um überörtliche Gremien wie Gesamt- oder Konzernbetriebsräte handelt, bei denen die Sitzungen mit erheblichen Reiseaufwendungen und Arbeitsausfällen verbunden sind. Aber auch in Betrieben, in denen im Schichtsystem gearbeitet wird oder die Teilzeit-Quote besonders hoch ist, sind physische Treffen häufig problematisch und führen zu Verzögerungen wichtiger Entscheidungen.

Aus gutem Grund zieht die Bundesregierung daher in Erwägung (siehe Weißbuch Arbeiten 4.0, S. 160 f.), die Zulässigkeit von Videokonferenzen auch anderen Betriebsräten zu eröffnen. Allerdings soll die Zulässigkeit auf eng definierte Ausnahmefälle begrenzt werden.

Der Startschuss für virtuelle Betriebsratssitzungen ist durch die Einführung von § 41a EBRG jedenfalls gefallen. In Frankreich sind Videokonferenzen schon seit 2015 zulässig.

Virtuelle Betriebsversammlungen

Auch bei der Durchführung von Betriebsversammlungen besteht ein praktisches Bedürfnis nach Virtualität. Nicht wenige Unternehmen haben überörtliche Betriebe und damit Betriebsräte, die für mehrere Standorte zuständig sind. In der Literatur wird deshalb auch die Durchführung virtueller Betriebsversammlungen nach den §§ 42 ff. BetrVG diskutiert. Technisch schwierig dürfte es sein, sämtliche Mitglieder der Belegschaft einzeln virtuell hinzuschalten. Denkbar wäre es allerdings, einzelne Mitarbeiter zu einer Betriebsversammlung per Videokonferenz oder auch die in einem Raum versammelten Mitglieder eines auswärtigen Standortes zuzuschalten. Dagegen gibt es Bedenken insoweit, als dass die Betriebsversammlung dann nicht mehr – wie vom Gesetz gefordert – „nicht öffentlich″ sei (§ 42 Abs. 1 S. 2 BetrVG), da bei Internetübertragungen die Gefahr unbefugten Zuschaltens betriebsfremder Personen bestünde (siehe dazu im Einzelnen Thüsing/Beden, BB 2019, S. 372 ff, die diese Bedenken jedoch ausräumen). Diese Bedenken könnten aber technisch durch erhöhte Sicherheitsvorkehrungen ausgeräumt werden.

Online-Betriebsratswahlen

Betriebsverfassungsgesetz und Wahlordnung sehen derzeit keine Online-Betriebsratswahl vor. Es ist weder eine elektronische Stimmabgabe ausdrücklich vorgesehen noch können die Bestimmungen zur Briefwahl (vgl. §§ 24 ff. WO) dahingehend ausgelegt werden, dass sie eine Online-Betriebsratswahl umfassen.

Dementsprechend hielt das Arbeitsgericht Hamburg im Juni 2017 eine Betriebsratswahl in einem Unternehmen, die neben der herkömmlichen Präsenz- und Briefwahl auch in Form einer Online-Wahl durchgeführt werden konnte, für nichtig (ArbG Hamburg, Beschluss vom 7. Juni 2017 – 13 BV 13/16). Die Berufungsinstanz, das LAG Hamburg, erklärte die Wahl für (nur) unwirksam (Entscheidung vom 15. Februar 2018 – 8 TaBV 5/17). Eine Online-Betriebsratswahl sei nicht mit der Wahlordnung zu vereinbaren. Dies ergebe sich aus dem Gesetzeswortlaut und der Systematik der Wahlordnung. Für eine Auslegung sei darüber hinaus kein Raum. Die Wahl sei aber nicht nichtig, da dies einen groben und offensichtlichen Verstoß gegen wesentliche Grundsätze des gesetzlichen Wahlrechts voraussetze, der so schwerwiegend sei, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr bestehe. Zwar sei der Fehler im zu entscheidenden Fall offensichtlich gewesen, allein wegen der Option der elektronischen Stimmabgabe fehle der Wahl aber nicht von vorneherein der Anschein einer demokratischen Willensbildung.

Die Entscheidung des LAG ist wenig überraschend. Die Vorteile einer Online-Betriebsratswahl sind schließlich vielfältig: Neben einer erhöhten Wahlbeteiligung, weil die Teilnahme an der Wahl schneller und unkomplizierter möglich ist, könnte gerade auch bei jüngeren Arbeitnehmern eine höhere Akzeptanz erreicht werden und hätte nicht zuletzt eine erhebliche Zeit- und Kostenersparnis bei der Durchführung der Betriebsratswahl zur Folge. All diese Aspekte sollten einen Anreiz für den Gesetzgeber setzen, sich mit dem Thema alsbald auseinanderzusetzen.

Derzeit riskieren Unternehmen bzw. Betriebsräte mit der Durchführung einer Online-Betriebsratswahl jedenfalls die Unwirksamkeit der Wahl, so dass dieser Weg bei der aktuellen Rechtslage und trotz aller Vorteile nicht zu empfehlen ist. Eine so durchgeführte Betriebsratswahl wäre mit ex nunc Wirkung anfechtbar.

Geschäftsführung des Betriebsrats

Die sonstige Tätigkeit des Betriebsrats kann aber bereits derzeit digital durchgeführt werden. So darf insbesondere die interne Betriebsratskommunikation mittels digitaler Medien, wie E-Mail, Videokonferenz oder Messanger-Diensten erfolgen. Der Betriebsrat ist hierzu im Rahmen der Erforderlichkeit gemäß § 40 BetrVG mit adäquater Technik auszustatten. Grundsätzlich steht es dem Betriebsrat auch frei, Sprechstunden nach § 39 BetrVG als Videosprechstunden anzubieten.

Falls Sie Interesse an der Thematik rund um Betriebsratsarbeit im digitalen Zeitalter haben, laden wir Sie herzlich zum 18. CMS-Arbeitsrechtskongress am 21. Mai 2019 in Frankfurt ein, wo Sie mit uns bei spannenden Break-out Sessions zum Thema Betriebsverfassung 4.0 diskutieren können. Mehr Infos finden Sie hier: https://cms.law/de/DEU/Events/18.-CMS-Arbeitsrechtskongress

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„Harter Brexit“ erreicht Arbeitnehmerüberlassung

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Der (möglicherweise harte) Brexit steht an und stellt die EU vor nicht unerhebliche rechtliche Herausforderungen. Inzwischen hat auch die Bundesregierung Vorsorge getroffen, um zumindest auf rechtlicher Ebene auf einen ungeordneten Austritt des Vereinigten Königreichs und von Nordirland aus der EU gewappnet zu sein.

Seit dem 4. Januar 2019 liegt der Entwurf über ein „Gesetz zu Übergangsregelungen im Bereich der sozialen Sicherheit und in weiteren Bereichen nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union“ (sog. BrexitSozSichÜG) vor (BR-Drucksache 1/19). Dieses ist am 21. Februar 2019 vom Bundestag mit geringfügigen Änderungen angenommen worden (BR-Drucksache 82/19).

BrexitSozSichÜG mit Regelung zur Arbeitnehmerüberlassung

In dem BrexitSozSichÜG findet sich auch eine Regelung zur Arbeitnehmerüberlassung – und zwar für erteilte Erlaubnisse gem. § 1 AÜG.

In § 40 BrexitSozSichÜG heißt es wörtlich:

Erlaubnisse nach § 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes für Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland und für Verleiher mit Sitz im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland, die vor dem 30. März 2019 erteilt wurden, gelten als mit Wirkung zum 30. März 2019 widerrufen. § 2 Absatz 4 Satz 4 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes gilt entsprechend, wenn die Ausübung der Arbeitnehmerüberlassung aus einem Betrieb, Betriebsteil oder Nebenbetrieb erfolgt, der in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum liegt.

In der Gesetzesbegründung wird dazu ausgeführt (S. 44):

Satz 1 regelt den Verbleib der Erlaubnisse von Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern des GBR und von Verleihern mit Sitz im GBR, die vor dem 30. März 2019 erteilt wurden. Hiernach wird der Widerruf dieser Erlaubnisse zum 30. März 2019 fingiert. Dadurch wird sichergestellt, dass durch Staatsbürgerinnen und Staatsbürger des GBR und durch Unternehmen mit Sitz im GBR nach dem Austritt keine Arbeitnehmerüberlassung in der Bundesrepublik Deutschland mehr betrieben werden kann. Es wird zusätzlicher Verwaltungsaufwand für die Bundesagentur für Arbeit vermieden, die sonst im Einzelfall die Erlaubnisse gemäß § 5 Absatz 1 Nummer 3 und 4 in Verbindung mit § 3 Absatz 2 und Absatz 4 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes widerrufen müsste.

Satz 2 stellt die ordnungsgemäße Abwicklung der Leiharbeitsverhältnisse und der Überlassungsverträge für diejenigen Betriebe, Betriebsteile oder Nebenbetriebe sicher, die in einem Mitgliedstaat der EU oder dem EWR liegen. Die zwölfmonatige Übergangfrist des § 2 Absatz 4 Satz 4 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes soll für diese Fälle entsprechend gelten. Dadurch wird sichergestellt, dass der besondere Schutz durch die feste Abwicklungsphase wie bisher auch auf Ebene der Mitgliedstaaten der EU oder des EWR besteht. So entstehen keine Nachteile für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer in Mitgliedstaaten der EU und im EWR.

Eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis wird Nicht-EU-/-EWR-Bürgern versagt (vgl. § 3 Abs. 2 AÜG). Es ist damit nur konsequent, nach einem „harten Austritt“ des Vereinigten Königreichs und von Nordirland aus der EU bereits erteilte Arbeitnehmerüberlassungserlaubnisse zu widerrufen bzw. gesetzlich die Fiktion des Widerrufs anzuordnen. Staatsangehörige aus dem Vereinigten Königreich und aus Nordirland sind im Falle des Austritts aus der EU grundsätzlich solche „Drittbürger“, die in Deutschland keine Erlaubnis (mehr) nach § 1 AÜG erhalten würden. Von dieser Regelung sind ca. 73 britische Personen und Unternehmen als Erlaubnisinhaber betroffen.

Qua gesetzlicher Anordnung soll die 12-monatige Abwicklungsfrist gem. § 2 Abs. 4 S. 4 AÜG entsprechend gelten, wenn die Arbeitnehmerüberlassung aus einem Betrieb oder Betriebsteil erfolgt, der in der EU bzw. im EWR belegen ist – dies soll die ordnungsgemäße Abwicklung bestehender Arbeitnehmerüberlassungsverträge sicherstellen, die auch der EU bzw. dem EWR heraus erbracht werden.

Solange kein „harter“ Brexit geschieht, mag sich das Inkrafttreten des Gesetzes verzögern, wenn und soweit das Austrittsdatum des Vereinigten Königsreichs und von Nordirland aus der EU zeitlich nach hinten verschoben wird. Es kann sich sogar ganz erledigen, wenn noch ein „Deal“ zwischen den Vertretern der EU und des Vereinigten Königreichs und von Nordirland geschlossen wird.

Weitere Einzelheiten dazu entnehmen Sie dabei bitte der März-Ausgabe des „Infobriefs Zeitarbeit″, in dem wir jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informieren. Sollten Sie Interesse haben, diesen kostenfrei zu beziehen, schreiben Sie uns bitte eine kurze E-Mail (alexander.bissels@cms-hs.com oder kira.falter@cms-hs.com).

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Auslandsdienstreise ohne A1-Bescheinigung soll möglich werden

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Die Kommission teilt mit, sie habe mit Parlament und Rat eine Überarbeitung der Verordnungen zur Koordinierung der Sozialversicherungssysteme der Mitgliedstaaten beschlossen. Im Wesentlichen beruhen die Änderungen auf einem Vorschlag aus 2016. Überraschend ist eine sehr konkrete Erleichterung hinzugekommen: Reine Dienstreisen sollen in Zukunft keine A1-Bescheinigung mehr erfordern.

Aktuell: A1-Bescheinigung vor Beginn der Entsendung beantragen

Um einer möglichen Doppelversicherung zu entgehen, ist jeder Beschäftigte bereits seit dem 1. Mai 2010 verpflichtet, eine sog. A1-Bescheinigung bei sich zu führen, die der Arbeitgeber frühestmöglich vor Beginn der Entsendung zu beantragen hat. Die Bescheinigung dient als Nachweis, dass der Beschäftigte dem Sozialversicherungsrecht seines Heimatlandes unterliegt und bindet insoweit auch die ausländischen Sozialversicherungsbehörden.

Definition einer „Dienstreise“ steht noch aus

Sozialversicherungsrechtlich handelt es sich auch bei Dienstreisen um Entsendungen, die nur aufgrund von Ausnahmevorschriften allein den Bestimmungen des Heimatlandes unterliegen. Allerdings sind im Fall reiner Dienstreisen die Voraussetzungen der Entsendung in aller Regel so klar gegeben, dass die Gefahr einer Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen – ein Hintergrund der Mitführpflicht – im Gastland nur theoretisch besteht.

Überraschend haben Kommission, Rat und Parlament nun vereinbart, im Zuge der Überarbeitung der Verordnungen zur Koordinierung der Sozialversicherungssysteme, namentlich der VO (EG) Nr. 883/2004 und der dazugehörige DurchführungsVO (EG) Nr. 987/2009, das A1-Erfordernis für Dienstreisen abzuschaffen.

Eine Definition, wann eine Dienstreise ohne A1-Erfordernis anzunehmen ist, liegt noch nicht vor. Der Bundesrat hatte sich gemäß seiner Stellungnahme dafür ausgesprochen, danach zu differenzieren, ob die Entsendung die Erbringung einer Dienstleistung oder die Herstellung eines Produktes zum Inhalt hat. Alternativ könnte man auf die Kriterien zurückgreifen, die in den meisten EU-Ländern in Bezug auf Drittstaatsangehörige im Aufenthaltsrecht bei der Abgrenzung von Arbeits- und Geschäftsvisum entwickelt wurden. Anwenderfreundlicher wäre dagegen vermutlich eine zeitliche Abgrenzung im Sinne einer Bagatellgrenze.

Auch wenn inhaltlich bereits eine Einigung erfolgt ist, kann die Vereinfachung frühestens mit dem formellen Abschluss des EU-Gesetzgebungsverfahrens in Kraft treten. Bis dahin bleibt die Empfehlung, das A1-Verfahren ernst zu nehmen. Wir bleiben dran.

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